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Analyse eines Zeittrends über 25 Jahre

Hepatitis B und C bei Beschäftigten im ­Gesundheitsdienst

A. Nienhaus1,2

D. Wendeler2

M. Dulon2

(eingegangen am 06.12.2021, angenommen am 24.01.2022)

Hepatitis B and C among health care workers – Analysis of a 25-year time trend

Aim: We describe the development of occupational diseases related to hepatitis B (HB) and hepatitis C (HC) in Germany from 1996 to 2020. At the same time we examine which occupational groups and sectors are particularly affected.

Methods: We analysed routine data from the social accident insurance provider for the health and welfare sector (BGW). The number of recognised occupational diseases is presented, separated according to profession and sector.

Results: A total of 2,120 occupational diseases due to HB or HC were recognised over the past 25 years. HC cases were more common than HB cases. Women were more frequently affected than men (76.9 % vs. 23.1 %). Health care workers/nurses and hospitals accounted for the largest number of cases by profession and sector (38.3 % and 44.2 % respectively). From 1996 to 2000 the number of recognised cases was 692, and from 2016 to 2020 it was 99. This equates to a reduction of 85.7 %. Nurses and hospitals respectively benefited the most from this reduction.

Conclusions: The number of cases of transfusion-transmissible viral hepatitis is declining, which can probably be explained by improved preventative measures and protection in the workplace. However, the fact that 20 HB- or HC-related occupational diseases have occurred on average over the last five years should act as an incentive to further optimise the protection of employees.

Keywords: hepatitis – occupational disease – health care worker – trend over time

ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2022; 57: 156–161
doi:10.17147/asu-1-174361

Hepatitis B und C bei Beschäftigten im Gesundheitsdienst – Analyse eines Zeittrends über 25 Jahre

Ziele: In dieser Arbeit wird die Entwicklung der Berufskrankheiten aufgrund einer Hepatitis B (HB) oder Hepatitis C (HC) von 1996 bis zum Jahr 2020 betrachtet. Dabei wird auch untersucht, welche Berufsgruppen und Branchen besonders betroffen sind.

Methoden: Routinedaten der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) werden ausgewertet. Dargestellt wird die Anzahl der anerkannten Berufskrankheiten, getrennt nach Tätigkeit und Branche.

Ergebnisse: In den vergangenen 25 Jahren wurden insgesamt 2120 Berufskrankheiten wegen einer HB oder HC anerkannt. Dabei waren HC-Fälle häufiger als HB-Fälle. Frauen waren häufiger betroffen als Männer (76,9 % versus 23,1 %). Bei den Berufen hatten Gesundheits-/Krankenpflegefachkräfte und bei den Branchen Krankenhäuser jeweils den größten Anteil an den Fällen (38,3 % und 44,2 %). In den Jahren 1996 bis 2000 wurden 692 und in den Jahren 2016 bis 2020 insgesamt 99 Fälle anerkannt. Das bedeutet einen Rückgang um 85,7 %. Von diesem Rückgang profitierten Pflegekräfte und Krankenhäuser jeweils am stärksten.

Schlussfolgerungen: Die Anzahl der blutübertragbaren Virushepatitiden ist rückläufig, was wahrscheinlich durch verbesserte Präventionsmaßnahmen und verbesserten Arbeitsschutz zu erklären ist. Allerdings sollten die durchschnittlich 20 Berufskrankheiten wegen HB oder HC, die in den vergangenen fünf Jahren jeweils aufgetreten sind, Ansporn sein, den Schutz der Beschäftigten weiter zu optimieren.

Schlüsselwörter: Hepatitis – Berufskrankheit – Beschäftigte im Gesundheitswesen – zeitlicher Trend

Einleitung

Nach Schätzungen der WHO haben sich im Jahr 2019 weltweit je 1,5 Millionen Menschen mit Hepatitis-B-Viren (HBV) oder Hepatitis-C-Viren (HCV) infiziert. Im selben Jahr starben 820.000 Menschen an einer HB und 290.000 an einer HC. Die Anzahl der Personen, die mit einer HB leben, wird auf 30,4 Millionen, und die Anzahl der Menschen mit HC auf 15,2 Millionen geschätzt. Die positive Nachricht: 9,4 Millionen Menschen mit einer bekannten chronischen HC wurden in den Jahren 2016 bis 2019 behandelt (WHO 2021).

Beschäftigte im Gesundheitswesen haben ein erhöhtes Risiko für Nadelstichverletzungen (NSV) und akzidentielle Blutkontakte. Deshalb ist das Risiko für blutübertragbare Virusinfektionen bei ihnen erhöht. Zahlenmäßig von besonderer Bedeutung sind dabei das HBV und das HCV. In einer Metaanalyse zum Risiko einer HC fand sich ein um 2,1 (95%-KI 1,5–3,5) erhöhtes Risiko bei Tätigkeiten mit Verletzungsrisiko oder Blutkontakten (Westermann et al. 2015).

Bei der Prävention von blutübertragbaren Viruserkrankungen wurden in den vergangenen Jahren Fortschritte erzielt. Als sicher bedeutungsvollste Einzelmaßnahme ist die HB-Impfung zu nennen. Für die Hepatitis C gibt es weiterhin keine Impfung, allerdings wurden große Erfolge bei der Behandlung der chronischen HC erzielt. Bei Beschäftigten mit einer HC, die seit vielen Jahren besteht, gelang die Elimination der Viren bei mehr als 90 % der im Rahmen von Berufskrankheitenverfahren behandelten Beschäftigten (Westermann et al. 2021). Diese medizinischen Fortschritte wurden begleitet von technischen Fortschritten. Für zahlreiche Instrumente wurden Sicherheitsmechanismen entwickelt, die das Verletzungs- und somit das Übertragungsrisiko senken. Der Einsatz dieser sicheren Instrumente wird mittlerweile von der TRBA 250 überall dort, wo er möglich ist, gefordert. Regelmäßige Schulungen sowie die Dokumentation und Auswertung der Ursachen von NSV sollen den Arbeitsschutz weiter stärken.

Diese positiven Entwicklungen haben dazu geführt, dass die Anzahl der als Berufskrankheit gemeldeten HB- und HC-Infektionen und die Anzahl der anerkannten Berufskrankheiten deutlich zurückgegangen ist (Nienhaus et al. 2018). In dieser Arbeit wird die Entwicklung der Berufskrankheiten wegen einer Hepatitis B oder C von 1996 bis zum Jahr 2020 betrachtet. Dabei wurde auch untersucht, welche Branchen und Berufsgruppen besonders betroffen sind.

Methode

Berufskrankheiten werden von den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung in dem standardisierten Dokumentationssystem für Berufskrankheiten (Kurzform: BK-DOC) erfasst. Die Hepatitis B und die Hepatitis C werden unter der Ziffer 3101 nach Anlage der Berufskrankheitenverordnung registriert. Das sind Infektionen, die vier Gruppen betreffen: Beschäftigte im Gesundheitswesen, in der Wohlfahrt und in Laboren sowie Beschäftigte mit einem vergleichbar hohen Infektionsrisiko. Bei der Berufsgenossenschaft Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) werden die häufigsten Infek­tionserreger seit dem Jahr 1996 in einem sechsstelligen Schlüssel getrennt erfasst. Deshalb ist eine Auswertung der durch HB oder HC verursachten Berufskrankheiten für einen Zeitraum von 25 Jahren (1996 bis 2020) möglich. Für diese Auswertung wurden das Jahr der Meldung, das Jahr der Entscheidung, die Art der Infektion (HB oder HC) sowie das Geschlecht, das Alter bei Anerkennung der Berufskrankheit, die Tätigkeit und die Branche verwendet. Für die Variable „Tätigkeit“ kamen in dem hier betrachteten Zeitraum drei verschiedene Klassifikationssystemen zur Anwendung. Für die Auswertung wurden alle Tätigkeiten einheitlich über den ISCO-08 (International Standard Classifikation System – ILO 2015) verschlüsselt und anschließend in sieben Kategorien eingeteilt. Für die Auswertung wurden Branchen mit weniger als 20 anerkannten Berufskrankheiten als „andere Branchen“ zusammengefasst. Die Variable „Jahr der Entscheidung“ wurde in fünf Kategorien mit jeweils fünf Jahresklassen eingeteilt. Dadurch werden zufällige Schwankungen reduziert und ein zeitlicher Trend ist besser zu erkennen.

Für die Anerkennung einer Infektion als Berufskrankheit ist es notwendig, dass der Erreger nachgewiesen wird und dass es entsprechende Krankheitssymptome gibt. Der alleinige Nachweis von Antikörpern ist für eine Anerkennung nicht ausreichend (Nowak et al. 2021). Unter bestimmten Bedingungen kann auf den direkten Erregernachweis verzichtet werden. Das gilt zum Beispiel für die Tuberkulose, wenn in der Polymerase-Kettenreaktion (Polymerase Chain Reaction – PCR) oder in der Kultur keine Mykobakterien nachweisbar sind, die Symptomatik aber so eindeutig ist, dass dennoch, obwohl es nicht leitlinienkonform ist, eine Vierfachtherapie begonnen wird. Ein anderes Beispiel ist COVID-19. Insbesondere zu Beginn der Pandemie gab es keine ausreichenden Testmöglichkeiten, deshalb wurde nicht immer eine PCR durchgeführt. Hier kann der Antikörpernachweis helfen. Ihn an dieser Stelle zur Voraussetzung einer Anerkennung zu machen, würde aber nicht berücksichtigen, dass die Antikörper teilweise nur kurzfristig nachweisbar sind (Nowak et al. 2021). Einen Erregernachweis zu fordern, würde in diesen Fällen also eine Anerkennung als Berufskrankheit verhindern.

Die Auswertung erfolgte deskriptiv. Da anonymisierte Daten verwendet wurden, war eine Beratung durch eine Ethikkommission nicht notwendig. Die Deklaration von Helsinki wird eingehalten.

Ergebnisse

In den vergangenen 25 Jahren wurden insgesamt 2120 Berufskrankheiten wegen einer HB oder HC bei der BGW anerkannt (➥ Tabelle 1). Davon entfielen 76,9 % auf Frauen. Etwas mehr als 60 % der Betroffenen waren älter als 40 Jahre. Am häufigsten betroffen waren Gesundheits- und Krankenpflegefachkräfte (38,3 %), gefolgt von Geburtshilfe- und anderen medizinischen Fachkräften (24,0 %). Reinigungs- und Hauswirtschaftskräfte haben mit 22,4 % den drittgrößten Anteil. Eine Berufskrankheit wegen Hepatitis C war etwa doppelt so häufig wie eine Berufskrankheit wegen Hepatitis B (66,9 % versus 33,1 %). Die sozialpflegerischen Fachkräfte und die Betreuenden in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen (WfB) waren häufiger von Hepatitis B als von Hepatitis C betroffen (76 % versus 24 %). Allerdings gab es in diesem Tätigkeitsbereich nur 25 Berufskrankheiten. Das entspricht 1,2 % aller Fälle. Kliniken (44,2 %) und Arztpraxen (21,6 %) haben die größten Anteile bei diesen Berufskrankheiten (➥ Tabelle 2). Das gilt sowohl für HB als auch für HC.

In den Jahren 1996 bis 2000 wurden 692 Berufskrankheiten aufgrund einer HB oder HC anerkannt (➥ Tabelle 3). In den Jahren 2016 bis 2020 waren es 99. Das bedeutet einen Rückgang von 85,7 %. Dabei war der Rückgang bei der HB ähnlich hoch wie bei der HC (86,7 % versus 84,9 %). Allerdings war der Trend für HB über die fünf Jahresklassen stetig, während die Anzahl der HC-Fälle in den Jahren 2001 bis 2005 zunächst von 392 auf 505 Berufskrankheiten angestiegen ist , um dann stetig auf 59 Fälle in den vergangenen fünf Jahren zu fallen.

Tabelle 2:  Kumulative Anzahl anerkannter Berufskrankheiten wegen einer Hepatitis B (HB) oder eine Hepatitis C (HC) bei der BGW in den Jahren 1996 bis 2020, getrennt nach BrancheTable 2: Cumulative number of recognised occupational diseases related to hepatitis B (HB) or hepatitis C (HC) in the case of BGW from 1996 to 2020 separated by sector

Tabelle 2: Kumulative Anzahl anerkannter Berufskrankheiten wegen einer Hepatitis B (HB) oder eine Hepatitis C (HC) bei der BGW in den Jahren 1996 bis 2020, getrennt nach Branche
Table 2: Cumulative number of recognised occupational diseases related to hepatitis B (HB) or hepatitis C (HC) in the case of BGW from 1996 to 2020 separated by sector
Tabelle 3:  Kumulative Anzahl anerkannte Berufskrankheiten wegen einer Hepatitis B (HBV) oder eine Hepatitis C (HCV) bei der BGW in den Jahren 1996 bis 2020, getrennt nach gruppiertem Jahr der MeldungTable 3: Cumulative number of recognised occupational diseases related to hepatitis B (HB) or hepatitis C (HC) in the case of BGW from 1996 to 2020 separated by grouped year of report

Tabelle 3: Kumulative Anzahl anerkannte Berufskrankheiten wegen einer Hepatitis B (HBV) oder eine Hepatitis C (HCV) bei der BGW in den Jahren 1996 bis 2020, getrennt nach gruppiertem Jahr der Meldung
Table 3: Cumulative number of recognised occupational diseases related to hepatitis B (HB) or hepatitis C (HC) in the case of BGW from 1996 to 2020 separated by grouped year of report

Für die HB zeigt sich für alle Berufsgruppen ein Rückgang während der vergangenen 25 Jahre (➥ Abb. 1). Dieser Rückgang ist bei Gesundheits- und Krankenpflegefachkräften am stärksten. Im Jahr 1996 gab es 45 und im Jahr 2020 lediglich drei Berufskrankheiten aufgrund einer Hepatitis B. Das entspricht einem Rückgang von 93,4 %. Bei der Kinderbetreuung zeigt sich kein Trend. Hier wurden nur zwei Fälle über den gesamten Zeitraum beobachtet.

Bei der HC gab es nach einem anfänglichen Anstieg einen Rückgang über die Jahre bei Gesundheits- und Krankenpflegefachkräfte, bei Geburtshelferinnen und -helfern und anderen medizinischen Fachkräften sowie bei Ärztinnen und Ärzten. Der Anstieg der Anzahl der Berufskrankheiten war bei Reinigungs- und Hauswirtschaftskräften am stärksten und hielt bis ins Jahr 2006 an. Im Jahr 1996 gab es vier und im Jahr 2006 dreißig Berufskrankheiten wegen HC bei diesen Berufen. Danach kam es aber auch dort zu einem deutlichen Rückgang. Im Jahr 2020 gab es keine Berufskrankheit wegen HC in dieser Gruppe.

Der Rückgang der Berufskrankheiten wegen einer HB ist besonders ausgeprägt in Kliniken, die im Jahr 1996 mit 39 Fällen den höchsten Ausgangwert hatten und sich mit zwei Fällen im Jahr 2020 kaum noch von den anderen Branchen unterschieden. Auch bei der HC war der Rückgang der Fälle für Kliniken am ausgeprägtesten. Hier wurde das Maximum der Fälle erst im Jahr 2006 (n = 64) erreicht. Im Jahr 2019 waren es dann fünf und im Jahr 2020 war es ein Fall.

Abb. 1: Anerkannte Berufskrankheiten wegen einer Hepatitis B in den Jahren 1996 bis 2020 bei der BGW, getrennt nach Berufen
Fig. 1: Recognised occupational diseases related to hepatitis B (HB) from 1996 to 2020 in the case of BGW separated by profession

Abb. 2: Anerkannte Berufskrankheiten wegen einer Hepatitis C in den Jahren 1996 bis 2020 bei der BGW, getrennt nach Berufen
Fig. 2: Recognised occupational diseases related to hepatitis C (HC) from 1996 to 2020 in the case of BGW separated by profession

Abb. 3: Anerkannte Berufskrankheiten wegen einer Hepatitis B in den Jahren 1996 bis 2020 bei der BGW, getrennt nach Branchen
Fig. 3: Recognised occupational diseases related to hepatitis B (HB) from 1996 to 2020 in the case of BGW separated by sector

Abb. 4: Anerkannte Berufskrankheiten wegen einer Hepatitis C in den Jahren 1996 bis 2020 bei der BGW, getrennt nach Branchen
Fig. 4: Recognised occupational diseases related to hepatitis C (HC) from 1996 to 2020 in the case of BGW separated by sector

Diskussion

Auch in den vergangenen Jahren hat der positive Trend bei den blutübertragbaren Virusinfektionen HB und HC angehalten. Die Bedingungen bei der Begutachtung und Anerkennung von Hepatitis als Berufskrankheit haben sich nicht geändert. Die Begutachtung erfolgt weiterhin aufgrund der von Selmair und Manns (2007) beschriebenen Grundlagen, auch wenn dieser Leitfaden zur Begutachtung seit dem Jahr 2007 nicht mehr aktualisiert wurde. Vielleicht hat die Arbeit von Westermann et al. aus dem Jahr 2015 zum beruflichen Infektionsrisiko für HC zur verstärkten Risikowahrnehmung geführt. Eine restriktivere Anerkennungspraxis ist daher nicht der Grund für den Rückgang der Berufskrankheiten. Eine mögliche Erklärung für den positiven Trend ist die positive Entwicklung in der Bevölkerung. So ist die Anzahl der akuten HB-Infektionen, die dem Robert Koch-Institut gemeldet wurden, von etwas mehr als 1000 Fällen im Jahr 2001 auf 375 Fälle im Jahr 2020 zurückgegangen. Laut RKI betrug die Anzahl chronischer HB 3071. Bei HC-Infektionen kam es zu einem Rückgang von 9022 Fällen im Jahr 2004 auf 4542 Fälle im Jahr 2020 (RKI 2021). Wenn die Anzahl der anerkannten Berufskrankheiten aufgrund einer Hepatitis aus den Jahren 2001 bis 2005 mit der Anzahl aus den Jahren 2016 bis 2020 verglichen wird, ergibt sich ein deutlich stärkerer Rückgang als in der Bevölkerung. Neben der positiven epidemiologischen Entwicklung in der Bevölkerung muss es also weitere Faktoren gegeben haben, die zu diesem Rückgang geführt haben.

Für die HB kann diese positive Entwicklung mit der hohen Impfrate bei Beschäftigten im Gesundheitswesen erklärt werden. Einen positiven Effekt haben wahrscheinlich die wegen Infektionsrisiken durchgeführten arbeitsmedizinischen Vorsorgen. Die Beratung und die Überprüfung des Impfstatus ist eine wichtige Aufgabe dieser Vorsorge. Ferner hat die BGW im Jahr 2002 eine Informationskampagne einschließlich einer finanziellen Bezuschussung der Arbeitgeber bei der Hepatitis-B-Impfung durchgeführt. Der Fokus der Kampagne lag auf den medizinischen Praxen. Diese Kampagne wurde nicht systematisch ausgewertet. Die Anzahl der abgeforderten Bezuschussungen spricht aber dafür, dass im Rahmen der Kampagne über 10.000 Beschäftigte geimpft wurden. Die Anzahl der HB-Impfungen bei Beschäftigten wird nicht systematisch erfasst. In einem Survey aus dem Jahr 2016 gaben Voigt et al. (2016) eine Impfquote von 70 % bei Krankenschwestern und -pflegern an. Für die Zahnmedizin berichteten Ramich et al. (2017), dass 94 % der Beschäftigten geimpft seien.

Der starke Rückgang der Fälle einer HC als Berufskrankheit kann mit der Impfung nicht erklärt werden, da es keine Impfung gegen HC gibt. Dieser Rückgang ist wahrscheinlich durch die Verwendung sicherer Instrumente, doppelter Handschuhe bei Infektionsgefahr, sicherer Abwürfe und eine allgemein gestiegene Vorsicht beim Umgang mit Blut zu erklären. Die Anzahl der gemeldeten NSV ist bei der BGW in den vergangenen Jahren gestiegen (Dulon et al. 2018). Vermutlich ist die Gesamtzahl der NSV nicht gestiegen, sondern wurde nun häufiger als früher gemeldet, was ein Beleg für die gestiegene Sensibilität der Beschäftigen dem Thema gegenüber wäre. Ferner zeigten die Analysen, dass bei den gemeldeten NSV in bis zu 35 % der Fälle sichere Instrumente verwendet worden waren (Dulon et al. 2020). Das spricht zum einen dafür, dass trotz Verwendung sicherer Instrumente NSV möglich sind, aber auch dafür, dass die Verwendung sicherer Instrumente noch verbesset werden kann. Entsprechend dieser Analyse von Arbeitsunfällen war die sichere Entsorgung benutzter Instrumente weiterhin ein Unfallschwerpunkt.

Die Beschreibung von beruflichen Infektionsrisiken anhand von Routinedaten der Unfallversicherungsträger ist nicht frei von möglichen Verzerrungen. Sowohl die Meldung als auch die Anerkennung einer Berufskrankheit ist abhängig von der Wahrnehmung des beruflichen Infektionsrisikos. In dieser Auswertung haben wir anerkannte Berufskrankheiten dargestellt. Deshalb ist es wahrscheinlich, dass die Anzahl der tatsächlich beruflich bedingten Infektionen unterschätzt wurde, da entweder der Verdacht auf eine berufliche Verursachung nicht bestand und die Infektion deshalb nicht gemeldet wurde oder weil typische gefährdende Situationen nicht beschrieben wurden und der Verdacht einer Berufskrankheit daher nicht bestätigt wurde. Dennoch ist die Aussagekraft dieser Daten relativ eindeutig. Das
Risiko für blutübertragbare Virusinfektionen ist bei den Beschäftigten im Gesundheitswesen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung überproportional gesunken. Beschäftigte im Krankenhaus verzeichneten dabei den größten Rückgang.

Schussfolgerung

Bei den blutübertragbaren Virusinfektionen gibt es einen positiven zeitlichen Trend, der wahrscheinlich durch verbesserte Präventionsmaßnahmen und verbesserten Arbeitsschutz zu erklären ist. Dennoch gibt es keinen Grund, sich auf diesen Erfolgen auszuruhen, da eine nachlassende Achtsamkeit schnell zu einem erneuten Anstieg der Infektionen bei Beschäftigten führen kann. Vielmehr sollten die durchschnittlich 20 Berufskrankheiten wegen HB oder HC, die in den vergangenen fünf Jahren jeweils aufgetreten sind, Ansporn sein, den Schutz der Beschäftigten weiter zu optimieren.

Danksagung: Wir bedanken uns bei der Reha-Koordination der BGW für die Bereitstellung der anonymen Daten.

Interessenkonflikt: Albert Nienhaus ist Abteilungsleiter bei der BGW und Leiter des CVcare am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Die Forschungsarbeiten des CVcare werden von der BGW gefördert. Die BGW nimmt keinen Einfluss auf die Entscheidung zu publizieren und auf den Inhalt der Publikation. Madeleine Dulon ist Mitarbeiterin der BGW. Sie kann eigenständig über die Art und den Inhalt ihrer Publikationen entscheiden. Dana Wendeler ist Mitarbeiterin der BGW. Sie kann in Absprache mit der Bereichsleitung eigenständig über die Art und den Inhalt ihrer Publikationen entscheiden.

Darlegung der Autorenschaft: AN hat den Auswertungsplan und den Entwurf des Manuskripts erstellt. DW hat die Daten ausgewertet und die Tabellen und Abbildungen erstellt. MD hat inhaltliche Ergänzungen beim Manuskriptentwurf vorgenommen. Der Erstautor und seine Koautorinnen sind mit der finalen Version des Manuskripts einverstanden

Literatur

Dulon M, Lisiak B, Wendeler D, Nienhaus A: Unfallmeldungen zu Nadelstichverletzungen bei Beschäftigten in Krankenhäusern, Arztpraxen und Pflegeeinrichtungen. Gesundheitswesen 2018; 80: 176–182.

Dulon M, Stranzinger J, Wendeler D, Nienhaus A: Causes of needlestick and sharps injuries when using devices with and without safety features. Int J Environ Res ­Public Health 2020; 17: 8721.

International Labor Organisation (ILO): The status of implementation of implementation and plans for future revision of the International Standard Classification of Occupations, 2008 (ISCO-08). New York, 2015

World Health Organization (WHO): Global hepatitis report 2021; Global progress report on HIV, viral hepatitis and sexually transmitted infections, 2021 (who.int) (letzter Zugriff am 30.11.2021).

Nienhaus A: Infections in healthcare workers in Germany – 22 year time trends. Int J Environ Res Public Health 2018; 15: 2656.

Nowak D, Ochmann U, Brandenburg S, Nienhaus A, Woltjen M: COVID-19 as an occupational disease or work-related accident: Considerations regarding insurance cover and reporting obligation in the statutory accident insurance (article in German). Dtsch Med Wochenschr 2021; 146: 198–204.

Ramich T, Eickholz P, Wicker S: Work-related infections in dentistry: Risk perception and preventive measures. Clin Oral Investig 2017; 21: 2473–2479.

Robert Koch-Institut (RKI): Virushepatitis C im Jahr 2020. Epidemiologisches ­Bulletin 2021; 28.

Robert Koch-Institut (RKI): Virushepatitis B und D im Jahr 2020. Epidemiologisches Bulletin 2021; 29.

Selmair H, Manns MP: Virushepatitis als Berufskrankheit – Ein Leitfaden zur Begutachtung, 3. Aufl. Landsberg: Ecomed Medizin, 2007.

Voigt K, Rühle F, Bergmann A, Schübel J, Hirsch K, Riemenschneider H: Impfstatus bei Pflegekräften im Krankenhaus. Ergebnisse einer Querschnittsstudie am Harz­klinikum Dorothea Christiane Erxleben Quedlinburg. Pflege 2016; 29: 205–212.

Westermann C, Peters C, Lisiak B, Lamberti M, Nienhaus A: The prevalence of hepatitis C among healthcare workers: a systematic review and meta-analysis. Occup Environ Med 2015; 72: 880–888.

Westermann C, Wendeler D, Nienhaus A: Hepatitis C in healthcare personnel: follow-up analysis of treatments with direct-acting antiviral agents. Journal of occupational medicine and toxicology (London, England), 2021; 16: 34.

WHO Global Health Sector Strategy on Viral Hepatitis 2016–2021. Verfügbar unter: http://apps.who.int/gb/ebwha/pdf_files/WHA69/A69_32-en.pdf?ua=1 (Letzter Zugriff am 24.01.2022).

Kontakt

Prof. Dr. med. Albert Nienhaus

Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege
Abteilung Arbeitsmedizin, Gefahrstoffe und, Gesundheitswissenschaften (AGG)
Pappelallee 35–37
22089 Hamburg
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