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Risk of Hepatitis B Transmission by health care workers – a systematic review

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Roland Diel, Albert Nienhaus

Risk of Hepatitis B Transmission by health care workers – a systematic review

Übertragungsrisiko von Hepatitis B durch medizinisches Personal – ein systematischer Review

In: GMS Hygiene and Infection Control 2025; 20: Doc43. doi:10.3205/dgkh000572

Risk of Hepatitis B Transmission by health care workers – a systematic review

Background: The risk of transmission of Hepatitis B virus (HBV) to healthcare workers is well known. However, evidence for supporting guidelines with respect to exclusion of infected HCW from exposure prone procedures remains poorly characterized.

Method: A systematic review of studies providing serological data for HBV transmissions from infected healthcare workers to patients was performed. Databases MEDLINE, Scopus and Cochrane were searched to identify publications prior to September 2024.

Results: 39 studies from nine countries met the inclusion criteria. 66 transmissions from healthcare workers to patients were confirmed through DNA analysis; in 100 patients HBV transmissions were considered probable and in 480 patients at least possible. Of the 36 studies in which HBeAg in health care workers was determined, the antigen was positive in 29 studies, and negative only in seven studies, comprising a total of only 31 and 17 HCW, respectively. The HBV viral load of the transmitting health care worker was measured only in 8 studies including 18 workers, of those four were HBeAg-positive and 14 HBeAg-negative. In this latter group, there was also considerable variation of viral load with values up to 1,5 x 109 copies/ml serum. Due to the low evidence on the association of viral load and transmission, the safety thresholds for excluding infected health care workers from performing exposure prone procedures in most recent national guidelines still differ by factors of as much as 5 (200 IU/mL to 1000 IU/mL).

Conclusions: The published literature on HBV transmission from HCW to patients is sparse and offers only limited guidance on national prevention guidelines.

Keywords: health care workers – hepatitis B – transmission – infectivity – professional-to-patient – guidelines – exposure prone procedures

ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2025; 60: 757–759

Übertragungsrisiko von Hepatitis B durch medizinisches Personal – ein systematisches Review

Zielstellung: Das Risiko der Übertragung des Hepatitis-B-Virus (HBV) von Patientinnen und Patienten auf medizinisches Personal ist gut belegt. Für den umgekehrten Übertragungsweg gilt dies nicht. Dementsprechend gibt es bislang keine hinreichende Evidenz, auf die sich Leitlinien zum Ausschluss infizierter medizinisch Beschäftigter von invasiven Tätigkeiten mit Übertragungsgefahr („exposure prone procedures“) stützen könnten.

Methode: Es wurde eine systematische Übersichtsarbeit zu Studien mit serologischen Daten zur Übertragung von HBV durch infiziertes Personal auf Patientinnen und Patienten durchgeführt. Die Datenbanken MEDLINE, Scopus und Cochrane wurden bis September 2024 durchsucht.

Ergebnisse: 39 Studien aus neun Ländern erfüllten die Einschlusskrite­rien. 66 Übertragungen durch medizinisches Personal wurden mittels DNA-Analyse bestätigt; bei 100 Patientinnen und Patienten galt eine HBV-Übertragung als wahrscheinlich, bei 480 als zumindest möglich. In 36 Studien wurde das HBe-Antigen (HBeAg) von medizinischem Personal bestimmt; in 29 Studien war es positiv und in sieben Studien negativ, wobei beide Gruppen nur 31 bzw. 17 Beschäftigte umfassten. Die HBV-Viruslast der Überträgerin oder des Überträgers wurde in acht Studien mit insgesamt 18 Beschäftigten gemessen. Von diesen waren vier HBeAg-positiv und 14 negativ. Auch bei HBeAg-Negativen zeigte sich eine erhebliche Variabilität mit Werten von bis zu 1,5 × 109 Kopien/ml. Aufgrund der geringen Evidenz für die Bestimmung einer HBV-DNA-Viruslast, unterhalb derer eine Übertragung auf Patientinnen und Patienten unwahrscheinlich erscheint, unterscheiden sich die Sicherheitsschwellen für den Ausschluss infizierter Beschäftigter mit Übertragungsgefahr in den aktuellen nationalen Leitlinien um den Faktor 5 (200–1000 IU/mL).

Schlussfolgerung: Die veröffentlichte Literatur zur HBV-Übertragung von medizinischem Personal auf Patientinnen und Patienten ist begrenzt und bietet nur eine eingeschränkte Orientierung zur Erstellung nationaler Präventionsrichtlinien.

Schlüsselwörter: medizinisches Personal – Hepatitis B – Übertragung – ­Infektiosität – Übertragung von medizinischem Personal auf Patientinnen und Patienten – Richtlinien – Tätigkeit mit Verletzungsrisiko

Einleitung

Auch in Deutschland besteht ein Risiko für Patientinnen und Patienten, von medizinischem Personal mit Hepatitis B infiziert zu werden. Dies geschieht vor allem bei invasiven Tätigkeiten (sogenannte Exposure Prone Procedures). Wenngleich dieses Risiko gering ist, sollten Patientinnen und Patienten weitestgehend geschützt werden. Es gibt zwar nationale Leitlinien, die die Tätigkeiten von infiziertem Personal regulieren. Jedoch gibt es für die Beantwortung der Frage, ob und in welcher Weise die Tätigkeiten infizierter Beschäftigter eingeschränkt werden sollten, bislang keine hinreichende wissenschaftliche Evidenz.

Zielsetzung

Ziel der Studie war eine systematische Literaturrecherche zur Übertragung von Hepatitis B von medizinischem Personal auf Patientinnen und Patienten. Es ging um die Frage, bei welchen Tätigkeiten Übertragungen vorgekommen sind und ab welchem Schwellenwert von Viruslast die Übertragung als unwahrscheinlich angesehen werden kann. Das Vorliegen entsprechender Daten ist Voraussetzung für eine evidenzbasierte Leitlinienentwicklung für die Regulierung der Tätigkeiten von infizierten Beschäftigten. Mit der Studie sollte darum auch die Frage geklärt werden, ob sich die nationalen Leitlinien auf wissenschaftliche Evidenz stützen können.

Methoden

Es wurde eine systematische Übersichtsarbeit zu Studien zum Zusammenhang zwischen serologischen Daten von mit Hepatitis B infizierten medizinisch Beschäftigten und der Übertragung auf Patientinnen und Patienten durchgeführt. In den Datenbanken Pubmed, Cochrane und Scopus wurden Studien recherchiert, die vor dem 1. August 2024 publiziert worden waren. Dabei wurden nur diejenigen Studien berücksichtigt, die in englischer Sprache verfasst waren und bei einer angenommenen Übertragung serologische Marker einer Hepatitis-B-Infektion des Beschäftigten enthielten. Folgende Variablen wurden in einer Übersichtstabelle dokumentiert:

  • Studienzeitraum
  • Studiendesign
  • Beruf oder Arbeitsumgebung des mutmaßlichen Überträgers
  • Anzahl getesteter Personen (einschließlich eventueller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie sekundärer Hepatitis-B-Fälle)
  • HBeAG-Status
  • HBeAG-Subtyp
  • HBV-Viruslast (Anzahl der HBV-DNA-Kopien)
  • Anzahl der Übertragungen (klassifiziert als bestätigt/wahrscheinlich/möglich)
  • Die HBV-Übertragung galt als „bestätigt“, wenn eine hochgradige genetische Übereinstimmung der Virus-DNA zwischen Überträgerin/Überträger und Empfängerin/Empfänger bestand. Als „wahrscheinlich“ wurde die Übertragung definiert, wenn eine genetische Sequenzierung fehlte oder nicht eindeutig war, aber bei Überträgerin/Überträger und Empfängerin/Empfänger ein identischer HBV-Subtyp vorlag. Als „möglich“ wurde eine Übertragung angesehen, wenn kein anderer plausibler Übertragungsweg als der nosokomiale vorlag, aber Daten zum HBV-Subtyp fehlten.

    Bei allen inkludierten Studien handelt es sich um „Look Back“-Studien, die immer ein Risiko für einen Selektions- oder Informationsbias in sich bergen. Darum war eine formale Überprüfung der Studienqualität nach den gängigen Kriterien nicht angemessen.

    Ergebnisse

    Es wurden insgesamt 331 Zeitschriftenartikel identifiziert. Nachdem auf Basis der Abstracts 180 Studien ausgeschlossen worden waren, wurden 151 Studien in Volltext gelesen, was 20 Studien ergab, die den Einschlusskriterien entsprachen. Weitere 19 Studien wurden über ­Literaturreferenzen in den Artikeln gefunden. Insgesamt wurden 39 in „PEER reviewed Journals“ publizierte Studien für eine tiefergehende Analyse berücksichtigt.

    Charakteristika der Studien

    Die 39 inkludierten Studien kamen aus Ländern mit hohem Einkommen – die meisten aus Großbritannien, den USA, Kanada und den Niederlanden – und wurden zwischen 1974 und 2013 publiziert. Bei 14 der 39 Studien handelte es sich um retrospektive Kohortenstudien, elf Studien wiesen ein Querschnittsdesign auf, vier waren als Fall-Kontroll-Studie angelegt, sieben Studien waren Fallserien oder Fallberichte. Die Stichprobengröße variierte von 1 bis 9260 Personen.

    Übertragungen von Hepatitis B durch medizinisches Personal

    Es gab 66 bestätigte Fälle einer Übertragung von Hepatitis B auf Patientinnen und Patienten durch einen DNA-Abgleich, 100 Fälle, bei denen die Übertragung als wahrscheinlich klassifiziert werden konnte, sowie 480 Fälle einer möglichen Übertragung durch Beschäftigte.

    Die Übertragenden waren in sieben Studien Zahnärztinnen/-ärzte und Mundchirurginnen/-chirurgen, während in 29 Studien chirurgisches Personal außerhalb des zahnärztlichen Bereichs ermittelt wurden. Weiterhin wurden ein Akupunkteur, ein EEG-Assistent sowie ein Allgemeinarzt identifiziert, allerdings waren in den drei Fällen die Übertragungen nicht verifiziert und es gab Hinweise auf Mängel bei der Hygiene (keine Handschuhe, Wiederverwendung von Nadeln). Was den möglichen Übertragungsweg anbelangt, so fand sich in neun Studien ein Hinweis auf spezifische Handverletzungen, in den meisten Fällen hatten die Beschäftigten keine Handschuhe getragen.

    Serologische HBV-Marker und Viruslast

    Die Mehrzahl der Fälle ließ sich auf HbeAG-positive medizinisch Beschäftigte zurückführen. Von den 36 Studien, in denen der HBeAG-Status von Beschäftigten bestimmt wurde, stellten 29 positive Ergebnisse bei 31 Beschäftigten fest. Sieben Studien berichteten hingegen über negative Ergebnisse bei 17 Beschäftigten.

    Für vier der 31 HBeAG-positiv getesteten Beschäftigten lagen Daten zur Viruslast vor – bei dreien war sie höher und bei einem leicht niedriger als 108 Kopien/ml. In einer Studie wurde zusätzlich die Viruslast in einer Subgruppe von Beschäftigten untersucht, die zwar HBeAg-positiv, aber nicht als Übertragende infrage kamen: Es zeigte sich eine hohe Viruslast von im Mittel etwa 1,58 × 108 HBV-DNA-Kopien/ml, was für eine tendenziell starke Virusvermehrung bei HBeAG-positiven Personen spricht.

    Bei 12 der 14 HBeAG-negativen Überträgerinnen und Überträgern, bei denen die Viruslast getestet worden war, fanden sich Werte unterhalb der 108-Schwelle – mit einer Spannweite von 4 × 104 bis 1 × 107 Kopien/ml. Zwei HBeAG-negative Chirurgen wiesen jedoch eine Viruslast auf, die man bei HBeAG-Positiven erwartet: 6,3 × 108 und 1,5 × 109 Kopien/ml. Unter 136 HBeAG-negativen Überträgerinnen und Überträgern wies die Mehrheit niedrige Viruslasten auf, was insgesamt für eine geringe Virusaktivität bei HBeAG-negativen Beschäftigten spricht. Allerdings zeigten die Daten eine relativ große Variabilität der Viruslast.

    Diskussion

    Dies ist unserer Kenntnis nach der erste systematische Review, der die Übertragung von Hepatitis B von medizinischem Personal auf Patientinnen und Patienten untersucht. Es wurde deutlich, dass ein positiver HBeAG-Status eines Beschäftigten ein Risiko birgt, dass er das Virus auf Patientinnen und Patienten überträgt, denn in den meisten Studien wurden HBeAG-positive Beschäftigte als Übertragende identifiziert. Die Ergebnisse sprechen dafür, dass die Regulation der Tätigkeit infizierter Beschäftigter nicht auf der Basis des HBeAG-Status allein erfolgen sollte – die Bestimmung der Viruslast erscheint angesichts der auch bei HBeAG-negativen Beschäftigten gefunden Viruslasten als die angemessenere Methode. Der Befund, dass die Viruslast nur etwa bei einem Drittel der bestätigten oder wahrscheinlich/möglichen Überträgerinnen und Überträger bestimmt wurde, spricht dafür, dass hinreichende Daten zum Zusammenhang von Viruslast und Übertragungsrisiko beziehungsweise für eine valide Festlegung einer sicheren Viruslastschwelle fehlen.

    Dies ist wahrscheinlich auch der Grund für die uneinheitliche Empfehlung der Tätigkeitsverbote für infizierter Beschäftigter in den aktuellen nationalen Leitlinien. Die EU-Leitlinien aus dem Jahr 2003 empfehlen, HBeAG-positive Beschäftigte generell von Tätigkeiten mit Übertragungsrisiko auszuschließen, und sie setzen die Schwelle für HBeAG-negative Beschäftigte bei 104 HBV DNA Kopien/ml. In den aktuellen deutschen Leitlinien (S3 Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs-und Stoffwechselkrankheiten) aus dem Jahr 2021 liegt die Schwelle für den Ausschluss dieser Tätigkeiten bei 105 Kopien/ml. Für HBeAG-negative Beschäftigte wird eine Schwelle von 103 Kopien/ml (200 IU/ml) empfohlen, wobei sie ihre Viruslast jedes Jahr testen lassen sollten. Beschäftigte mit einer Viruslast zwischen 200 und 20.000 IU/ml sollten gefährdende Tätigkeiten nur ausnahmsweise durchführen, unter besonderen Vorsichtsmaßnahmen und nachdem der Fall von einer Kommission geprüft wurde. Bei einer höheren Viruslast als 20.000 IU/ml dürfen verletzungsanfällige Prozeduren nicht durchgeführt werden. Die aktuellen, im Jahr 2024 ergänzten Leitlinien in Großbritannien (Advisory Panel for Healthcare Workers Infected with Bloodborne Viruses) decken sich weitgehend mit den deutschen. Die aktuellen Leitlinien in den USA (Society for Healthcare Epidemiology of America) schließen Beschäftigte von verletzungsträchtigen Tätigkeiten allein auf der Basis ihrer Viruslast aus, unabhängig von HBeAG-Status oder antiviraler Therapie, und sie setzen den Schwellenwert bei ≤ 1000 IU/ml Serum fest, bei dem keine Übertragung erwartet wird.

    Schlussfolgerung

    Bislang sind keine hinreichenden Daten publiziert, aus denen sich evidenzbasiert ein Viruslastschwellenwert für ein vernachlässigbares Übertragungsrisiko ableiten ließe. Darum divergieren die Empfehlungen in den aktuellen nationalen Leitlinien wahrscheinlich. Dass die Empfehlungen in jüngster Zeit in Richtung niedrigerer Schwellenwerte konvergieren, verbessert die Sicherheit der Patientinnen und Patienten. Die letzte Studie, die in dieses Review eingeschlossen werden konnte, stammt aus dem Jahr 2013, das spricht dafür, dass Übertragungen von Beschäftigten auf Patienten selten geworden sind und Tätigkeitsbeschränkungen für infizierte Beschäftigte daher gut begründet werden sollten.

    Ausgewählte Referenzen

    Gunson RN, Shouval D, Roggendorf M et al.: European Consensus Group. Hepatitis B virus (HBV) and hepatitis C virus (HCV) infections in health care workers (HCWs): guidelines for prevention of transmission of HBV and HCV from HCW
    to patients. J Clin Virol 2003; 27: 213–230. doi:10.1016/s1386-6532(03)00087-8.

    Glebe D, van Bömmel F, Dudareva S et al.: Prävention der nosokomialen Übertragung von Hepatitis-B-Virus (HBV) und Hepatitis-C-Virus (HCV) durch im Gesundheitswesen Tätige. Bgbl. 2020; 63: 218–225. doi:10.1007/s00103-019-03084-9.

    Cornberg M, Sandmann L, Protzer U et al.: S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) zur Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Hepatitis-B-Virusinfektion. Z Gastroenterol 2021; 59: 691–776. doi:10.1055/a-1498-2512.

    Desai M, Hibber M, Njoroge J; UK Advisory Panel for Healthcare Workers Infected with Bloodborne Viruses (UKAP): Integrated guidance on health clearance of healthcare workers and the management of healthcare workers living with blood-borne viruses (hepatitis B, hepatitis C and HIV). London. April 2024. https://assets.publishing.service.gov.uk/media/677fe15cd721a08c0066560a… (abgerufen am 06.11.2025).

    Henderson DK, Dembry LM et al.: Management of healthcare personel living with hepatitis B, hepatitis C, or human immunodeficiency virus in US healthcare institutions. Infect Control Hosp Epidemiol 2022; 43: 147–155. doi:10.1017/ice.2020.458 (Open Access).

    Zusammenfassung erstellt von Nicola Wolf-Kühn und Albert Nienhaus.

    Kontakt

    Prof. Dr. med. Albert Nienhaus
    Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege
    Abteilung Arbeitsmedizin, Gefahrstoffe und Gesundheitswissenschaften (AGG)
    Pappelallee 35-37
    22089 Hamburg
    Albert.Nienhaus@bgw-online.de