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Contributing factors of the preferred retirement age in nursing professionals – Cross‑sectional results of the German lidA Cohort Study
In Germany, the need for care will continue to rise significantly. However, most currently employed nurses want to retire before reaching the official retirement age. The study, published online in the “Journal of Public Health” in June 2025, therefore examined the precise reasons why many older nurses are choosing early retirement.
The study analyzed interview data from 418 nurses from the fourth wave (2022/23) of the representative German lidA cohort study. Using these data, the weighting (percentage share) of twelve reasons that, from these nurses’ perspectives, were determined for early retirement. In addition, linear regression models were applied to examine the impact of personal and work-related factors on the nurses’ desired retirement age.
It was found that the majority (70.6 %) of nurses preferred early retirement. The most important reason for this was the desire for more leisure time (79.3 %). Older age, better health, lower household income, care facilities, job satisfaction, and professional commitment correlated positively with the nurses’ preferred retirement age. Physical strain and psychosocial stress, on the other hand, correlated negatively with the outcome.
According to the researchers, the results underscore the paramount importance of a healthy, attractive, and motivating work environment (“stimulating working conditions”) for nurses’ decision-making behavior. Working conditions must accommodate the specific life circumstances of nurses. In addition to avoiding the most important work-related physical and psychosocial stressors, facilities should therefore implement additional measures to improve their employees’ job satisfaction. This, the study authors argue, is essential to motivate these urgently needed specialists to remain in the profession longer.
ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2025; 60: 622–624
Einflussfaktoren auf das bevorzugte Renteneintrittsalter bei Pflegefachkräften – Querschnittsergebnisse der deutschen lidA-Kohortenstudie
In Deutschland wird der Pflegebedarf weiter deutlich steigen. Die meisten der aktuell tätigen Pflegekräfte möchten jedoch noch vor Erreichen des offiziellen Renteneintrittsalters in den Ruhestand gehen. Die im Fachjournal „Journal of Public Health“ im Juni 2025 (Online) veröffentlichte Studie untersuchte daher die genauen Gründe, warum viele ältere Pflegekräfte einen vorzeitigen Ruhestandeintritt wählen.
Im Rahmen der Studie wurden Interviewdaten von 418 Pflegekräften der vierten Welle (Jahre 2022/23) der repräsentativen deutschen lidA-Kohortenstudie analysiert. Mit diesen Daten wurde die Gewichtung (Anteil in Prozent) von zwölf Gründen, die aus Sicht dieser Pflegekräfte für einen vorzeitigen Ruhestand ausschlagegebend waren, ermittelt. Zusätzlich wurden lineare Regressionsmodelle angewendet, um die Auswirkungen persönlicher und arbeitsbezogener Faktoren auf das gewünschte Renteneintrittsalter der
Pflegekräfte zu untersuchen.
Es zeigte sich, dass die Mehrheit (70,6 %) der Pflegekräfte einen vorzeitigen Ruhestand bevorzugte. Der wichtigste Grund dafür war der Wunsch nach mehr Freizeit (79,3 %). Höheres Alter, bessere Gesundheit, geringeres Haushaltseinkommen, Pflegeeinrichtungen, Arbeitszufriedenheit und berufliches Engagement korrelierten positiv mit dem bevorzugten Renteneintrittsalter der Pflegekräfte. Körperliche Belastung und psychosozialer Stress hingegen korrelierten negativ mit dem Ergebnis.
Nach Ansicht der Forscher unterstreichen die Ergebnisse die Bedeutung eines gesunden und attraktiv-motivierenden Arbeitsumfelds („anregende Arbeitsbedingungen“) für das Entscheidungsverhalten der Pflegekräfte. Die Arbeitsbedingungen müssten den spezifischen Lebensumständen der Pflegerinnen und Pfleger entgegenkommen. Über die Vermeidung der wichtigsten arbeitsbedingten physischen und psychosozialen Belastungen hinaus, sollten die Einrichtungen daher die Arbeitszufriedenheit ihrer Beschäftigten mit zusätzlichen Maßnahmen verbessern. Dies sei unerlässlich, so die Studienmacher, um diese dringend benötigten Fachkräfte zu einem längeren Verbleib im Beruf zu motivieren.
Einleitung
In Deutschland wollen die meisten Arbeitnehmenden nicht bis zum offiziellen Renteneintrittsalter arbeiten. Bei Pflegekräften ist die Präferenz für einen vorzeitigen Ruhestand sogar noch stärker ausgeprägt als in anderen Berufen. Es gibt aber noch wenig wissenschaftlich abgesicherte Erkenntnisse zu den genauen Faktoren, die für die Entscheidung älterer Pflegekräfte für oder gegen einen vorzeitigen Renteneintritt verantwortlich sind. Mit der vorliegenden Studie soll diese Lücke weiter geschlossen werden.
Zielsetzung
Ziel dieser Studie war es daher, Einflussfaktoren auf das gewünschte Renteneintrittsalter von Pflegekräften zu identifizieren und relevante Gründe für deren vorzeitigen Ruhestand in Deutschland zu untersuchen. Hierfür wurden folgende Forschungsfragen verfolgt:
Methoden
Zur Analyse wurden Daten der vierten Welle der deutschen lidA-Kohortenstudie (Leben in der Arbeit) aus dem Jahr 2022/23 ausgewertet. Die lidA-Studie ist ein Längsschnittforschungsprojekt, das den Zusammenhang zwischen Arbeit, Alter, Gesundheit und Arbeitsmarktbeteiligung von Personen aus drei Geburtsjahrgängen (1959, 1965 und 1971) untersucht. In dessen Rahmen wurden 8884 Beschäftigte mittels computergestützter persönlicher Interviews (CAPI) befragt. Für die vorgestellte Studie wurden ausschließlich Daten von 7514 Teilnehmenden berücksichtigt, die zum Zeitpunkt der Befragung in Vollzeit, Teilzeit oder geringfügig beschäftigt waren, davon wurden 418 Befragte als berufstätige Pflegekräfte identifiziert. Die Mehrheit der Pflegekräfte war weiblich (86 %), in Teilzeit beschäftigt (54 %) und als examinierte Pflegefachkraft tätig (61 %). Die Hälfte dieser Fachkräfte arbeitete in der Akutversorgung (50 %). Zum Zeitpunkt der Erhebung in den Jahren 2022/23 waren die Pflegekräfte zwischen 51 und 63 Jahre alt.
Die Analyse der Daten erfolgte dabei in drei Schritten. Zunächst wurde das gewünschte Renteneintrittsalter der untersuchten Stichprobe ermittelt. Im zweiten Schritt wurden die Anteile der zwölf Gründe für ein gewünschtes Renteneintrittsalter unter 65 Jahren dargestellt. Schließlich wurde das Zusammenspiel der individuellen und arbeitsbezogenen Faktoren, hierbei unter anderem das betriebliche Umfeld und die berufliche Position/Funktion am Arbeitsplatz, auf das gewünschte Renteneintrittsalter mittels multipler linearer Regressionsmodelle getestet.
Ergebnisse
Es zeigte sich, dass die Pflegekräfte im Durchschnitt bis zum Alter von etwa 63 Jahren arbeiten wollten, 72 % wollten zumindest noch vor dem 65. Lebensjahr in den Ruhestand gehen. Der häufigste Grund hierfür war „mehr Freizeit“ (79 %). Weitere wichtige Gründe für einen vorzeitigen Ruhestand: anstrengende Arbeitsbedingungen (73 %), gesundheitliche Faktoren (54 %) und die Betreuung von (Enkel-)Kindern und Patientinnen/Patienten im Privatleben (jeweils 40 %). Sensitivitätsanalysen zeigten, dass vor allem Frauen die Arbeitsbelastung als zu anspruchsvoll empfanden. Dagegen wurde der Grund „Eigenarbeit bzw. Eigeninitiative/Engagement bei der Arbeit ist nicht gefragt“ deutlich weniger angegeben (rund 5 %).
Bivariate Regressionsmodelle (die den Zusammenhang zwischen zwei Variablen, einer unabhängigen Prädiktorvariable und einer abhängigen Zielvariabel untersuchen) zeigten statistisch signifikante Zusammenhänge zwischen dem bevorzugten Renteneintrittsalter einerseits sowie Alter, Gesundheit, Haushaltseinkommen, Arbeitsumfeld, beruflichem Engagement und Zufriedenheit, körperliche Belastung und psychosozialem Stress (ERI-Stress) andererseits. Es wurden dagegen keine statistischen Zusammenhänge mit den Faktoren Geschlecht, Beschäftigungsstatus, Position, Arbeitszeitkontrolle und Schichtarbeit identifiziert. Pflegekräfte höheren Alters (63 Jahre), die in der Langzeitpflege arbeiteten, mit besserer Gesundheit, höherem beruflichen Engagement und höherer Zufriedenheit bevorzugten einen späteren Ruhestand (positiver Zusammenhang). Pflegekräfte mit hohem Haushaltseinkommen, hohem ERI-Stress und körperlicher Belastung bevorzugen dagegen einen früheren Ruhestand (negativer Zusammenhang).
Diskussion
Insgesamt zeigten die Ergebnisse der Studie, so die Forschenden, ein komplexes Zusammenspiel individueller und arbeitsbezogener Faktoren, das für die Ruhestandspräferenzen von Pflegekräften verantwortlich ist. Daher sollten unbedingt beide Aspekte, persönliche Motive und rein arbeitsplatzbezogene Faktoren, gleichermaßen im Rahmen der Personalplanung und Präventionsarbeit von Arbeitgebern und Einrichtungen berücksichtigt werden. Insbesondere folgende vier Erkenntnisse der Studie seien wichtig:
Schlussfolgerung
Die an der Studie beteiligten Wissenschaftler/-innen unterstrichen die Notwendigkeit weiterer gezielter Interventionen durch Politik und Arbeitgeber, um die aktuellen Herausforderungen, insbesondere die hohe Arbeitsbelastung und die gesundheitlichen Risiken für die Pflegekräfte, bewältigen zu können. Die Ergebnisse der Studie deuteten ihnen zufolge darauf hin, dass neben Gesundheit und Arbeitsbedingungen in diesem Zusammenhang auch weitere Aspekte vermehrt Beachtung finden müssen. Hierzu gehörten in erster Linie Arbeitsmotivation, Zufriedenheit im Job, verstärkte Berücksichtigung der persönlichen Lebenslagen und Interessen der Beschäftigten, besser angepasste Arbeitszeitmodelle und damit verbunden mehr Freizeit. Nur durch die Berücksichtigung aller dieser Faktoren könne es gelingen, die Bereitschaft von Pflegekräften zu stärken, so lang wie möglich im Berufsleben zu bleiben.
Ausgewählte Referenzen
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Zusammenfassung erstellt von Joerg Hensiek und Albert Nienhaus.
Kontakt
Prof. Dr. med. Albert Nienhaus
Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege
Abteilung Arbeitsmedizin, Gefahrstoffe und Gesundheitswissenschaften (AGG)
Pappelallee 35-37
22089 Hamburg
Erratum
Die Autoren des Artikels „Ökonomische Bewertung der Grippeschutzimpfung am Arbeitsplatz in Deutschland“ in der ASU- Ausgabe 8/2025 weisen auf einen „Zahlendreher“ in den Nettoersparnissen des betrieblichen Impfprogramms hin. Die korrekte Ersparnis beziffert sich auf € 8598, nicht € 8958 wie irrtümlicherweise im Text des gedruckten Hefts zu lesen (online bereits am 02.09.2025 korrigiert). Betroffen sind drei Textstellen: deutscher Abstract, englischer Abstract und Ergebnisteil „Basisfallanalyse“. Die Autoren weisen darauf hin, dass die Gesamtaussage (nämlich dass sich eine Nettoersparnis ergibt) unverändert bleibt, dass die Abweichung, quantitativ auf den korrekten Wert bezogen, nur bei € 360 oder 4,2 % liegt und dass alle anderen Ergebnisse davon natürlich unberührt sind (da es sich nur um einen isolierten „Zahlendreher“ beim Übertragen der Ergebnisse handelt, nicht etwa um einen Modellfehler).