“Prevention is an investment in people and businesses”
Dr. Stephan Fasshauer is the new CEO of the German Social Accident Insurance Association (DGUV), the umbrella organization for the German statutory accident insurance institutions. We spoke with him about his new role, the importance of prevention for business and society, and the role of occupational physicians in workplace safety and health.
„Prävention ist eine Investition in Menschen und Betriebe“
Dr. Stephan Fasshauer ist neuer Hauptgeschäftsführer des Spitzenverbandes der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen, Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV). Wir sprachen mit ihm über seine neue Aufgabe, die Bedeutung von Prävention für Wirtschaft und Gesellschaft und die Rolle von Betriebsärztinnen und Betriebsärzten für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit.
Herr Dr. Fasshauer, Sie wechseln nach langjähriger Verantwortung bei der Deutschen Rentenversicherung Bund nun an die Spitze der DGUV. Welche Erfahrungen aus dem Rentenversicherungszweig halten Sie für besonders wertvoll im Kontext der gesetzlichen Unfallversicherung, insbesondere im Hinblick auf Prävention und betriebsärztliche Betreuung in den Betrieben?
S. Fasshauer: Der Wert und die Bedeutung von Sozialversicherung, egal in welchem Gesetzbuch sie verankert ist, ist universell. Je näher wir an den Bedarfen und Lebenslagen der Menschen sind, desto wirksamer ist soziale Sicherung. Und Prävention in den Betrieben und in der Bildung findet ja unmittelbar in der Arbeits- und Bildungswelt der Menschen statt. Hier spielen die Aufsichtspersonen der Unfallversicherung genauso wie die Arbeitsmedizinerinnen und Arbeitsmediziner eine ganz wesentliche Rolle. Wichtig ist auch: Die Arbeit der einzelnen Sozialversicherungsträger in den Betrieben kann und muss sich ergänzen. Hier gibt es bereits gute Kooperationen wie „Die Landkarte der Unterstützenden“, um nur ein Beispiel zu nennen.
Die DGUV steht als Spitzenverband von Berufsgenossenschaften und Unfallkassen traditionell für die Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren. Vor welchen strukturellen oder politischen Herausforderungen sehen Sie diese Kernaufgaben aktuell, etwa im Spannungsfeld von Fachkräftemangel, demografischem Wandel und neuen Arbeitsformen?
S. Fasshauer: Der Auftrag der gesetzlichen Unfallversicherung hinsichtlich der Verhütung von arbeitsbedingten Unfällen oder Erkrankungen war immer schon vielfältig. Wir sehen aktuell einen starken Fokus auf der Stärkung der Wirtschaft – diese ist zweifelsfrei herausgefordert gerade durch den Arbeits- und Fachkräftemangel, wesentlich bedingt durch den demografischen Wandel. Wichtig ist, dass Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit angesichts dieser Herausforderungen nicht an Bedeutung verlieren, sondern – umgekehrt wird ein Schuh daraus – eher noch mehr in den Fokus rücken. Nur wenn wir Beschäftigungsfähigkeit erhalten und fördern, werden wir den aktuellen Herausforderungen erfolgreich begegnen können. Prävention ist eine Investition in Menschen und Betriebe und damit ein unverzichtbarer Beitrag zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit.
Betriebsärztinnen und Betriebsärzte sind eine tragende Säule der betrieblichen Prävention. Wie schätzen Sie deren Rolle künftig ein, insbesondere angesichts der wachsenden Bedeutung psychischer Belastung, Digitalisierung und sich wandelnder Arbeitsumgebungen?
S. Fasshauer: Betriebsärztinnen und Betriebsärzte werden auch künftig entscheidend zum Gelingen der betrieblichen Prävention beitragen. Auch wenn sich äußere Rahmenbedingungen verändern, bleibt ihre Expertise unverzichtbar – zum Beispiel indem sie die Betriebe bei der Gefährdungsbeurteilung unterstützen, das betriebliche Gesundheitsmanagement mitgestalten oder auch bei der arbeitsmedizinischen Prävention wie zum Beispiel bei der Früherkennung von Berufskrankheiten. Gerade bei der Gefährdungsbeurteilung konnte ich den sehr wertvollen Beitrag schon vielfach konkret erleben.
Zudem können Betriebsärztinnen und Betriebsärzte die Versicherten – beispielsweise im Rahmen der Wunschvorsorge – aber auch zu gesundheitlichen Aspekten bei psychischer Belastung und zu Herausforderungen aufgrund sich wandelnder Arbeitsbedingungen beraten. Auch dieses Angebot wird tagtäglich dankbar angenommen.
Die Digitalisierung bietet dabei ein enormes Potenzial. In einigen Regionen müssen wir mit knappen Ressourcen umgehen. Die Telemedizin, die wir in der neuen DGUV Vorschrift 2 explizit verankert haben, kann die betriebsärztliche Versorgung da deutlich verbessern. Die Präsenz im Unternehmen für ein gutes Verständnis der betrieblichen Rahmenbedingungen und ein vertrauensvolles Verhältnis bleiben aber eine wichtige Konstante.
Ihr Vorgänger, Dr. Stefan Hussy, hat die DGUV in einer politisch wie gesellschaftlich anspruchsvollen Phase geprägt. Wo sehen Sie Kontinuität und wo möchten Sie eigene Akzente setzen – beispielsweise in der Zusammenarbeit mit den Akteuren des betrieblichen Gesundheitsschutzes?
S. Fasshauer: Ich werde die Impulse, die Dr. Hussy gesetzt hat, aufnehmen. Die Leitplanken bleiben bestehen. Verlässlichkeit ist für die Unfallversicherung ein sehr hohes Gut. Die Zusammenarbeit mit unseren Sozialpartnern ist dabei zentral und gemeinsam werden wir in diesem Rahmen auch neue Akzente setzen. Dies ist aufgrund der immer schnelleren Veränderungen auch notwendig, um auf einem verlässlichen Pfad zukunftsfähig zu bleiben.
Eine zentrale Aufgabe sehe ich darin, den Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit noch mehr in den Vordergrund zu rücken. Angesichts des Arbeits- und Fachkräftemangels ist das Thema auch gerade für kleine und mittelständische Unternehmen von zentraler Bedeutung. Der Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit ist das übergeordnete Ziel der Prävention. Wir werden es nur erreichen, wenn die Sozialpartner und alle für Sicherheit und Gesundheit Verantwortlichen zusammenarbeiten. Betriebsärztinnen und Betriebsärzte sowie Fachkräfte für Arbeitssicherheit spielen dabei eine zentrale Rolle.
Ein weiteres Thema auf meiner Agenda ist die Wirksamkeit von Prävention. Ich sage das auch mit Blick auf die aktuelle Bürokratie-Debatte. Es ist gut, wenn wir darauf schauen, ob die Anforderungen, die wir an Unternehmen stellen, und der Aufwand, den sie dafür betreiben, auch den Nutzen bringen, den wir uns davon erhoffen. Das haben wir in der Vergangenheit erfolgreich praktiziert und das werden wir auch weiterhin tun. Dabei müssen wir offen sein für Innovation – Digitalisierung und KI eröffnen neue Chancen, die Prävention noch stärker an den Bedürfnissen der Unternehmen und Versicherten auszurichten. Wir dürfen aber nicht das Ziel aus den Augen verlieren, das wir im Arbeitsschutz verfolgen: die Sicherheit und Gesundheit der Menschen bei der Arbeit.
Die DGUV sieht sich auch als Zukunftsgestalter bei der Arbeitssicherheit und beim Gesundheitsschutz. Welche Erwartungen haben Sie an die Kooperation mit der Wissenschaft, insbesondere den arbeitsmedizinischen Fachgesellschaften und den Forschungseinrichtungen im Bereich Prävention und Rehabilitation?
S. Fasshauer: Prävention, Rehabilitation, Berufskrankheiten – wir sind in allen Bereichen auf eine gute Zusammenarbeit mit der Forschung angewiesen und zum Glück haben wir ein gutes Netzwerk: Wir arbeiten auf verschiedenen Ebenen eng mit den arbeitsmedizinischen Fachgesellschaften und Forschungseinrichtungen zusammen. Diese Kooperationen werden wir für die wissenschaftlichen Grundlagen unserer Arbeit auch in Zukunft brauchen.
Wir haben einen gesetzlichen Forschungsauftrag und den erfüllen wir über unser Forschungsnetzwerk: Da ist zum einen die Forschung und Forschungsförderung der Unfallversicherungsträger, dann unsere beiden Forschungsinstitute und die weitere Forschungsförderung der DGUV, die DGUV Akademie und die DGUV Hochschule. Hinzu kommen die Fachbereiche der DGUV als Kompetenznetzwerk der Prävention sowie die Forschung der Berufsgenossenschaftlichen Kliniken. Darüber hinaus gibt es eine externe Forschungsförderung und Kooperationen mit arbeitsmedizinischen Fachgesellschaften. Nicht zu vergessen die Zusammenarbeit in den staatlichen Arbeitsschutzausschüssen.
Herr Dr. Fasshauer, herzlichen Dank für das informative Gespräch!