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Menopause in the workplace – From taboo to practical implementation in companies
The topic of menopause is still often taboo in Germany. This social reality is also reflected in the world of work, where millions of women are confronted with the challenges of the menopause every day without adequate support or even the opportunity to talk openly about their situation.
This topic is becoming increasingly relevant for occupational medicine. Demographic change and the rising employment rate of women over 50 are making the menopause an important health issue in the workplace. There are currently around 7.5 million working women in Germany in an age where the menopausal transition occurs - a figure that will continue to rise in the coming years.
The economic dimension of this issue is considerable. The World Economic Forum puts the global potential of better women’s healthcare at one trillion US dollars annually by 2040. Part of this sum is also attributable to the workplace-related effects of menopause, from reduced absenteeism to increased productivity and employee retention.
Wechseljahre am Arbeitsplatz – Von der Tabuisierung zur praktischen Umsetzung in Unternehmen
Das Thema Wechseljahre wird in Deutschland noch häufig tabuisiert. Diese gesellschaftliche Realität spiegelt sich auch in der Arbeitswelt wider, wo Millionen von Frauen täglich mit den Herausforderungen der Wechseljahre konfrontiert sind, ohne angemessene Unterstützung oder auch nur ein offenes Gespräch über ihre Situation führen zu können.
Für die Arbeitsmedizin gewinnt dieses Thema zunehmend an Relevanz. Der demografische Wandel und die steigende Erwerbsquote von Frauen über 50 Jahren machen die Wechseljahre zu einem wichtigen Gesundheitsthema am Arbeitsplatz. In Deutschland gibt es über 7,5 Millionen erwerbstätige Frauen, die sich im Alter für die Wechseljahre befinden – eine Zahl, die in den kommenden Jahren weiter steigen wird.
Die wirtschaftliche Dimension dieses Themas ist beträchtlich. Das World Economic Forum beziffert das globale Potenzial einer besseren Frauengesundheitsversorgung auf jährlich eine Billion US-Dollar bis zum Jahr 2040. Ein Teil dieser Summe entfällt auch auf die arbeitsplatzbezogenen Auswirkungen der Wechseljahre, von reduzierten Fehlzeiten bis hin zu erhöhter Produktivität und Mitarbeiterbindung.
Kernaussagen
Die Herausforderung: Zwischen Symptomen und Stigma
Medizinische Realität am Arbeitsplatz
Die Wechseljahre sind eine natürliche Lebensphase, die etwa zwischen dem 45. und 55. Lebensjahr eintritt und sich über mehrere Jahre erstreckt. Die Symptome sind vielfältig und können erhebliche Auswirkungen auf die Arbeitsleistung haben: Erschöpfung, Reizbarkeit, Schlafstörungen, Hitzewallungen, Konzentrationsprobleme, Stimmungsschwankungen und Gelenkschmerzen sind nur einige der möglichen Beschwerden.
Besonders problematisch ist die Tatsache, dass viele Frauen auf diese Lebensphase nicht vorbereitet sind. Studien zeigen ein begrenztes Wissen über die Wechseljahre in der Gesellschaft. Diese Wissenslücke führt dazu, dass Symptome oft nicht richtig eingeordnet werden und Betroffene sich hilflos fühlen. Erschwerend kommt hinzu, dass Frauen überproportional von Autoimmunerkrankungen betroffen sind. Dies ist insbesondere relevant, da beispielsweise eine Schilddrüsenunterfunktion (im Verhältnis 5–10:1 bei Frauen) Symptome aufweisen kann, die denen der Wechseljahre ähneln. Daher ist es von großer Bedeutung, auch die Schilddrüsenfunktion bei der Diagnose und Behandlung von Beschwerden in dieser Lebensphase zu berücksichtigen.
Für Betriebsärztinnen und Betriebsärzte ergibt sich daraus eine wichtige Rolle bei der Früherkennung und Sensibilisierung. Symptome der Wechseljahre können bereits ab Anfang 40 auftreten; eine frühzeitige Aufklärung kann einen möglichen längeren Leidensweg verhindern helfen.
Organisationale Barrieren
Die größte Hürde für eine angemessene Unterstützung von Frauen in den Wechseljahren am Arbeitsplatz ist die anhaltende Tabuisierung und soziale Beschämung. Diese manifestiert sich auf verschiedenen Ebenen:
Pioniere des Wandels: Best-Practice-Beispiele aus deutschen Unternehmen
Trotz der beschriebenen Herausforderungen haben einige deutsche Unternehmen bereits bemerkenswerte Initiativen entwickelt, um das Thema Wechseljahre zu enttabuisieren und betroffene Mitarbeiterinnen zu unterstützen.
SAP – Der Vorreiter
Das Software-Unternehmen SAP hat bereits 2022 begonnen, die Normalisierung der Wechseljahre im Rahmen einer Diversity, Equity & Inclusion (DEI)-Initiative voranzutreiben. Das Unternehmen erkannte früh, dass die Wechseljahre nicht nur ein medizinisches, sondern auch ein Diversity-Thema sind, das die Gleichberechtigung am Arbeitsplatz betrifft.
Die Initiative startete mit einer umfassenden Vortragsreihe zu den Wechseljahren, in der Vorträge zu verschiedenen Aspekten der Wechseljahre sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch gehalten wurden. Die Inhalte wurden eng mit einer Betriebsärztin abgestimmt, um medizinische Korrektheit zu gewährleisten.
Die Themenpalette war bewusst breit angelegt und umfasste mentale und körperliche Beschwerden, Informationen über Hormontherapie und nicht-hormonelle Behandlungsmethoden sowie den Einfluss der Ernährung auf die Linderung von Wechseljahresbeschwerden. Den Auftakt machte Dr. Natalie Lotzmann, Head of Health bei SAP, was die strategische Bedeutung des Themas für das Unternehmen unterstrich.
bonprix – Ganzheitlicher Ansatz mit Nachhaltigkeit
Das Team des betrieblichen Gesundheitsmanagements des Textilmodeanbieters bonprix entwickelte, angestoßen durch den Betriebsrat und mit Unterstützung der Krankenkasse, ebenfalls 2022 eine sechsteilige Vortragsreihe zu den Wechseljahren. Darunter waren auch eine Gruppensprechstunde mit einer Gynäkologin sowie der Vortrag einer auf die Wechseljahre spezialisierten Psychotherapeutin. Diese multiprofessionelle Herangehensweise ermöglichte es, sowohl die medizinischen als auch die psychologischen Aspekte der Wechseljahre umfassend zu behandeln.
Ein wichtiger Erfolgsfaktor war die Nachhaltigkeit des Programms: Aus den Vorträgen wurde im Nachgang ein eLearning zu den Wechseljahren entwickelt, das dauerhaft für alle Mitarbeitenden verfügbar ist. Dies stellt sicher, dass das Wissen auch neuen Mitarbeiterinnen zugänglich gemacht werden kann und das Thema langfristig im Unternehmen verankert bleibt.
Publicis Groupe Germany – „Menolution“ als umfassende Initiative
Die Publicis Groupe Germany in Düsseldorf launchte zum Welt-Menopause-Tag am 18. Oktober 2024 die Initiative „Menolution“ – ein strategisch durchdachtes Programm zur Unterstützung von Mitarbeitenden in den Wechseljahren (s. Online-Quellen).
Das Programm basiert auf vier Säulen: Förderung der Flexibilität, externe Unterstützung, das sogenannte #WeCare-Programm sowie Learning- und Informationskurse auf der Unternehmensplattform. Den Start begleitete Susanne Liedtke (Gründerin von nobodytoldme.com) als Expertin für das Thema Wechseljahre.
Besonders progressiv ist der inklusive Ansatz der Initiative: Sie steht allen von den Wechseljahren betroffenen Mitarbeitenden zur Verfügung, nicht nur cis-Frauen, sondern auch Nicht-Binären und allen Zugehörigen der LGBTQIA+-Gemeinschaft. Diese Herangehensweise zeigt ein modernes Verständnis von Geschlechtervielfalt und den Wechseljahren als Thema, das verschiedene Geschlechtsidentitäten betreffen kann.
Weitere Pioniere in der deutschen Unternehmenslandschaft
Flughafen München: Das Unternehmen startete 2024 mit Vorträgen für betroffene Mitarbeitende, um zunächst zu schauen, wie das Thema angenommen wird. Dieser Ansatz ermöglichte es, agil auf die Bedürfnisse der Beschäftigten weitere Inhalte zu planen.
Porsche AG: Zum Weltfrauentag 2025 wurde auf Initiative der IG Metall das Thema Wechseljahre auf die Agenda gesetzt. Bemerkenswert war die Teilnahme von Vorstandsmitglied Andreas Haffner, der für Personal und Soziales verantwortlich ist, an einem entsprechenden Panel. Diese Top-Management-Beteiligung signalisiert die strategische Bedeutung des Themas für das Unternehmen (s. Online-Quellen).
EDEKA: Der Konzern veranstaltete 2023 einen „Monat der Frauengesundheit“, in dem unter anderem auch gezielt Führungskräfte über die Wechseljahre informiert wurden. Dieser Ansatz der Führungskräfteschulung ist besonders wertvoll, da er die Multiplikatorenwirkung nutzt.
Hamburger Konzern: Ein weiteres Beispiel für praktische Unterstützung bietet ein Hamburger Konzern, der für betroffene Mitarbeiterinnen Sprechstunden mit einer auf die Wechseljahre spezialisierten Gynäkologin anbietet. Diese direkte medizinische Unterstützung am Arbeitsplatz füllt die Lücke, die es im Gesundheitssystem für betroffene Kassenpatientinnen gibt – eine Gynäkologin hat pro Quartal gerade einmal sieben Minuten Zeit pro Patientin. Bei einem beratungsintensiven Thema wie den Wechseljahren reicht das allerdings nicht aus.
Erfolgsfaktoren für die praktische Umsetzung
Strategische Einbettung
Erfolgreiche Programme zeichnen sich durch ihre strategische Verankerung aus. Die Integration in bestehende Gesundheitsmanagementstrukturen und die Verknüpfung mit Diversity & Inclusion-Initiativen sowie die Einbeziehung von Betriebsärztinnen und Betriebsärzten schaffen Synergien und verleihen dem Thema zusätzliche Legitimität.
Besonders wichtig ist das Top-Management-Commitment. Wenn Führungskräfte auf höchster Ebene die Initiative unterstützen und sichtbar dahinterstehen, sendet dies ein klares Signal an die gesamte Organisation über die Bedeutung des Themas.
Mehrebenenansatz
Erfolgreiche Unternehmen verfolgen einen mehrdimensionalen Ansatz, der verschiedene Zielgruppen und Interventionsebenen umfasst:
Praktische Unterstützungsmaßnahmen
Neben der Aufklärung sind konkrete Unterstützungsmaßnahmen entscheidend:
Herausforderungen und Lösungsansätze
Von der Tabuisierung zur Normalisierung
Die größte Herausforderung bleibt die Überwindung der gesellschaftlichen Tabuisierung. Hier sind mehrere Ansätze erfolgversprechend:
Fazit
Die vorgestellten Praxisbeispiele zeigen eindrucksvoll: Die Enttabuisierung der Wechseljahre am Arbeitsplatz ist nicht nur möglich, sondern bereits in vollem Gange. Von der wegweisenden DEI-Initiative bei SAP über den ganzheitlichen Ansatz bei bonprix bis hin zu der inklusiven „Menolution“ bei Publicis – deutsche Unternehmen entwickeln innovative Wege, um die Wechseljahre am Arbeitsplatz zu normalisieren.
Der Weg ist noch nicht abgeschlossen, aber die Richtung ist klar: Die Wechseljahre werden zunehmend als das behandelt, was sie sind – eine natürliche Lebensphase, die mit angemessener Unterstützung erfolgreich bewältigt werden kann. Die Pionierarbeit der hier vorgestellten Unternehmen zeigt, dass dieser Wandel nicht nur möglich, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll ist. Sie ebnen den Weg für eine Zukunft, in der Millionen von Frauen nicht mehr im Verborgenen leiden müssen, sondern die Unterstützung erhalten, die sie verdienen – für ihre Gesundheit, ihre Karriere und ihre Lebensqualität.
Interessenkonflikt: Die Autorin erklärt, dass sie im Rahmen ihrer Beratungstätigkeit innerhalb der vergangenen 3 Jahre Vortragshonorare von EDEKA, Mercedes-Benz BKK, Mobil Krankenkasse, SAP, Flughafen München, IG Metall erhalten hat.
Literatur
Abrahamsson S, Barschkett M, Flatø M: Beyond Hot Flashes: The Career Cost of Menopause. Institute of Labor Economics,2025.
Apotheken Umschau: Heiße Phase – Voll im Job, voll in den Wechseljahren. Was Frauen jetzt brauchen. Apotheken Umschau 2024 (1): 10–20.
Chan de Avila J, Nitsche S: Wechseljahre am Arbeitsplatz. Handlungskonzept für ein innovatives betriebliches Gesundheitsmanagement. Bielefeld: transcript, 2025.
Rumler A, Memmert J: MenoSupport: Ergebnisüberblick zur deutschlandweiten Onlinebefragung zum Thema Wechseljahre am Arbeitsplatz, Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, 2024, online unter: https://www.hwr-berlin.de/aktuelles/neuigkeit/detail/4510-deutsche-volk…, Zugriff am: 26.06.2025.
World Economic Forum and the McKinsey Health Institute, Closing the Women’s Health Gap: A $1 Trillion Opportunity to Improve Lives and Economies, Jan 2024
Online-Quellen
„Publicis zieht nach ‚Menolution‘-Start Bilanz“. Healthcare Marketing 2025
https://www.healthcaremarketing.eu/_rubric/detail.php?rubric=Kommunikat…
Porsche Deutschland GmbH: Weltfrauentag bei Porsche
https://www.linkedin.com/feed/update/urn:li:activity:730743033147159756…