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Auswahl und Einsatz von ­Exoskeletten im Betrieb

Das PDF dient ausschließlich dem persönlichen Gebrauch! - Weitergehende Rechte bitte anfragen unter: nutzungsrechte@asu-arbeitsmedizin.com.

Selection and use of exoskeletons in the workplace – The new DGUV Information 208-062 “Humans and Workplace – Selection and Use of Exoskeletons”

Exoskeletons are increasingly being tested and used in companies as a work ergonomics measure. Companies have many unanswered questions about topics such as how they work, their potential for reducing strain, possible applications, occupational safety regulations, and the correct test procedures and introduction of exoskeletons in the workplace. The aim of the newly created DGUV Information 208-062 is to provide a comprehensible and practical document that guides those responsible for safety and health in companies step by step through the process of selecting an exoskeleton.

Auswahl und Einsatz von Exoskeletten im Betrieb – Die neue DGUV Information 208-062 „Mensch und Arbeitsplatz – Auswahl und Einsatz von Exoskeletten“

Exoskelette werden als arbeitsergonomische Maßnahme vermehrt in Betrieben getestet und eingesetzt. Von Seiten der Unternehmen bestehen viele offene Fragen zu Themen wie Funktionsweise, Potenzial zur Entlastung, Einsatzmöglichkeiten, arbeitsschutzrechtlichen Rahmenbedingungen oder der korrekten Erprobung und Einführung von Exoskeletten im Betrieb. Ziel der neu erstellten DGUV Information 208-062 ist eine verständliche und praxistaugliche Schrift, die die Verantwortlichen für Sicherheit und Gesundheit in den Betrieben Schritt für Schritt durch den Prozess der Auswahl eines Exoskeletts führt.

Kernaussagen

  • Exoskelette zählen zu den personenbezogenen Maßnahmen im Sinne des TOP-Prinzips und sind nachrangig zu technischen und organisatorischen Maßnahmen zu berücksichtigen.
  • Der Einsatz eines Exoskeletts ist in der Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen und diese entsprechend zu erweitern.
  • Dem sinnvollen Einsatz von Exoskeletten am Arbeitsplatz sollte eine Erprobung, mit Einbezug von Mitarbeitenden sowie allen für Sicherheit und Gesundheit im Betrieb verantwortlichen Personen, vorausgehen.
  • Problemstellung und Ziel

    Exoskelette bieten eine neue Möglichkeit der Prävention von Muskel-Skelett-Erkrankungen als personenbezogene Maßnahme. Sie können an Arbeitsplätzen mit körperlicher Belastung dazu beitragen, diese Belastung zu reduzieren (Luger et al. 2022). Allerdings muss für jeden einzelnen Arbeitsplatz geprüft werden, ob der Einsatz eines Exoskeletts eine nachhaltige Entlastung bewirkt und welches Exoskelett für den jeweiligen Einsatzbereich am besten geeignet ist. Dazu ist eine Bewertung der Eignung von Exoskeletten notwendig, für die bislang keine einheitlichen und verlässlichen Standards existieren. Die Auswahl und Bewertung gestaltet sich für Unternehmen aufgrund der großen Produktvielfalt am Markt als schwierig (Weidner et al. 2020). Exoskelette unterscheiden sich je nach Zielkörperregion, Konstruktion, Bauweise sowie mechanischer und biomechanischer Funktionsweise. Außerdem sind sie meist speziell für bestimmte Einsatzgebiete entwickelt, die in gewerblichen Arbeitsumgebungen in unterschiedlicher Form, Häufigkeit und Intensität auftreten können (Ralfs et al. 2023).

    Das Ziel der DGUV-Information 208-062 „Auswahl und Einsatz von Exoskeletten“ ist es, eine fundierte Grundlage für die Bewertung von Exoskeletten im gewerblichen Bereich bereitzustellen. Dafür wird ein systematisches Vorgehen in mehreren Schritten dargestellt, ergänzt durch Checklisten, Leitfragen, Diagramme und Empfehlungen für das weitere Vorgehen. So sollen verlässliche und vergleichbare Untersuchungsergebnisse ermöglicht und die Auswahl eines passenden Exoskeletts für den jeweiligen Anwendungsfall erleichtert werden.

    Zielgruppe sind Verantwortliche für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz im Betrieb, die den Einsatz von Exoskeletten planen oder begleiten.

    Grundlegendes zu Exoskeletten

    Exoskelette sind technische Systeme, die am Körper getragen werden und durch mechanische Kopplung auf ihn einwirken. Im beruflichen Kontext sollen sie die Funktionen des Muskel-Skelett-Systems bei körperlicher Arbeit unterstützen.

    Unterscheidungsmerkmale von ­Exoskeletten

    Exoskelette unterscheiden sich nach ihrem Antriebsprinzip (aktive und passive Systeme), der unterstützten Körperregion (z. B. Schulter oder Rücken), der Bauform (körpernah oder körperfern), den verwendeten Materialien (hart oder weich) sowie ihrer mechanischen und biomechanischen Wirkungsweise (z. B. Zug- oder Druckkraft).

    Passive Exoskelette nutzen die Energie, die die nutzende Person selbst aufbringt, und speichern diese in Bauteilen wie Federn oder elastischen Bändern, um sie später mechanisch wieder freizugeben. Aktive Exoskelette verfügen hingegen über eine externe Energiequelle, etwa elektrische oder pneumatische Antriebe.

    Für den Einsatz in gewerblichen Arbeitsumgebungen gibt es Exoskelette zur Unterstützung des Rückens, der oberen Extremitäten (z. B. Schulter, Arme, Hände) sowie der unteren Extremitäten (z. B. Hüfte, Beine). Am häufigsten kommen Exoskelette zur Entlastung von Schultern und Rücken zum Einsatz.

    Funktionsweise von Exoskeletten

    Je nach Antriebsprinzip, Zielregion, Bauform und Material unterscheiden sich die Wirkungsweisen von Exoskeletten. Sie wirken durch das Aufnehmen oder Umlenken von Kräften und können dadurch Ermüdungs­erscheinungen und Überbelastungen besonders beanspruchter Körperbereiche reduzieren. Außerdem können sie eine Verbesserung der Körperhaltung bewirken.

    Die meisten derzeit erhältlichen Exoskelette bieten jedoch nur eine teilweise Unterstützung an. Allein durch den Einsatz von Exoskeletten können Gefährdungen durch Muskel-Skelett-Belastung für die nutzende Person an ergonomisch ungünstigen Arbeitsplätzen nicht vermieden, sondern nur verringert werden.

    Geeignete Tätigkeiten für den Einsatz von Exoskeletten

    In der gewerblichen Praxis können Exoskelette belastende Bewegungen und Körperhaltungen, insbesondere Zwangshaltungen wie Rumpfbeugung oder Arbeiten über Kopf, erleichtern.

    Sowohl passive als auch aktive Systeme haben je nach Tätigkeit unterschiedliche Unterstützungseffekte. Aktive Exoskelette bieten in der Regel eine regelbare Unterstützung während der Verrichtung einer Arbeitsaufgabe, was vor allem bei Arbeiten mit variierenden Bewegungsabläufen und Lasten vorteilhaft ist. Passive Modelle eignen sich eher für Tätigkeiten mit konstanten Bewegungen und gleichbleibenden Gewichten.

    Exoskelette zur Entlastung des unteren Rückens unterstützen hauptsächlich bei tiefem Vorbeugen, etwa beim Anheben von Lasten vom Boden, jedoch meist nicht beim Tragen, Ziehen oder Schieben von Lasten. Schulterentlastende Systeme sind hauptsächlich bei Arbeiten mit erhobenen Armen in oder über Schulterhöhe hilfreich, etwa bei Montagetätigkeiten über Kopf. Eine Kraftsteigerung bei der Handhabung schwerer Lasten ist hierbei normalerweise nicht gegeben.

    Exoskelette sind nur dann sinnvoll, wenn andere ergonomische Maßnahmen wie die Anpassung der Arbeitshöhe oder technische Hilfsmittel wie Gabelstapler, Kräne oder
    Vakuumheber nicht möglich oder bereits ausgeschöpft sind.

    Voraussetzungen für den Einsatz von Exoskeletten im Betrieb

    Vor einer Einführung von Exoskeletten an Arbeitsplätzen muss die grundsätzliche Eignung geprüft werden:

  • Exoskelette zählen zu personenbezogenen Präventionsmaßnahmen und werden als Hilfsmittel zur Unterstützung am Arbeitsplatz, nicht als medizinische Geräte betrachtet.
  • Sie sind kein Allheilmittel. Nach dem TOP-Prinzip (technisch – organisatorisch – personenbezogen) sind zuerst technische und organisatorische Maßnahmen zu prüfen.
  • Der Einsatz darf nicht gegen gesetzliche oder betriebliche Vorschriften, beispielsweise zum Arbeitsschutz, verstoßen.
  • Das Tragen des Exoskeletts darf die Schutzwirkung von persönlicher Schutz­ausrüstung (PSA) nicht beeinträchtigen.
  • Bei Nutzung durch vorerkrankte Personen (z. B. im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements) ist eine individuelle arbeitsmedizinische Beratung erforderlich. Exoskelette als medizinische Hilfsmittel stellen eine Sonderform dar.
  • Exoskelette sind zweckentsprechend einzusetzen, wobei sowohl Haupt- als auch Nebentätigkeiten berücksichtigt werden müssen.
  • Der Einsatz eines Exoskeletts ist in der Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen und diese entsprechend zu erweitern (Mustergefährdungsbeurteilung der IFA, s. Online-Quelle).
  • Eine Leistungssteigerung durch den Einsatz von Exoskeletten ist im Sinne der Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten nicht zu befürworten.
  • Die Auswahl des richtigen Exoskeletts

    Für die Auswahl eines geeigneten Exoskeletts ist ein bestimmtes Vorgehen zu beachten. Zunächst erfolgt eine Vorbereitung, die eine Analyse der Tätigkeiten, des Arbeitsumfelds sowie der Unternehmensstruktur und -kultur umfasst. Zudem müssen Einflussfaktoren und Zielsetzungen für die Auswahl des Systems identifiziert beziehungsweise festgelegt werden.

    Im Anschluss folgen begleitete Test- und Erprobungsphasen, bei denen die Eignung des Exoskeletts für den jeweiligen Arbeitsplatz sowohl subjektiv als auch objektiv bewertet wird.

    Abschließend werden die Ergebnisse der Testphase ausgewertet, die die Grundlage für eine erfolgreiche Auswahl und Einführung des Exoskeletts bilden.

    Vorbereitung

    Die Basis für die Auswahl eines Systems bildet die Analyse der Tätigkeiten, bei denen ein Exoskelett unterstützen soll (Haupttätigkeiten) oder nicht behindern darf (Neben­tätigkeiten). Wichtig für die richtige Auswahl ist auch die Kompatibilität mit Werkzeugen und anderen Hilfsmitteln.

    Aus den erfassten Tätigkeiten und Bewegungsmustern muss erkannt werden, welche Körperregion besonders belastet ist (Engpassbetrachtung) und daher unterstützt werden sollte. Das gewählte Exoskelett sollte genau diesen belasteten Körperbereich
    adressieren. Wird beispielsweise hauptsächlich der untere Rücken beansprucht, empfiehlt sich ein Exoskelett zur Unterstützung dieses Bereichs.

    Weitere relevante Aspekte bei der Sys­temauswahl sind das Arbeitsumfeld sowie die Unternehmensstruktur und -kultur.

    Vor der Auswahl eines passenden Systems ist es wichtig, verschiedene Eigenschaften hinsichtlich Arbeitsplatz, Nutzenden und in Frage kommende Exoskelette als Einflussgrößen zu berücksichtigen. Diese Eigenschaften fließen in übergeordnete Leitmerkmale ein und beeinflussen deren Ausprägung:

  • Gestaltung des Systems (z. B. Energieversorgung, Systemanbindung, Systemgewicht),
  • Handhabung des Systems (z. B. An- und Ablegen, Regelung der Unterstützungsleistung, Kompatibilität mit PSA, Entkopplung bei Nebentätigkeiten),
  • Mensch-Technik-Interaktion (z. B. Bewegungsfreiheit, Größenanpassung, Wärmeentwicklung),
  • Nutzen des Systems (z. B. Unterstützung bzw. Entlastung, unterstützte Bewegungen).
  • Diese Leitmerkmale bestimmen mit den Querschnittsthemen Tragekomfort, Sicherheit, Robustheit und Wartung maßgeblich die Eignung von Exoskeletten für den Einsatz in unterschiedlichen Arbeitsabläufen.

    Sobald die Grundlagen und Einflussfaktoren klar sind, kann ein Exoskelett ausgewählt werden, das am besten zu den Anforderungen passt. Hierfür eignet sich das folgende schrittweise Vorgehen:

  • Schritt 1: Auswahl relevanter Eigenschaften und Merkmale zur Bewertung der Exoskelette.
  • Schritt 2: Festlegung der tätigkeitsbezogenen Anforderungen basierend auf Schritt 1.
  • Schritt 3: Vergleich der Eigenschaften der Exoskelette mit dem Anforderungsprofil.
  • Schritt 4: Auswahl des Exoskeletts, dessen Eigenschaften am besten den Anforderungen entsprechen.
  • Durchführung der Erprobung

    Bevor ein Exoskelett getestet wird, sollten geeignete Methoden zur Bewertung der Einsatzsituation und der Unterstützung festgelegt werden.

    Dafür steht eine Kriterien-Methoden-Matrix zur Verfügung, die verschiedene Verfahren auflistet. Objektive Methoden, wie Messungen der körperlichen Belastung, eignen sich besonders für wissenschaftliche Feld- oder Laborstudien. Subjektive Methoden, etwa Befragungen, sind gut für inner­betriebliche Testphasen geeignet. Idealerweise werden beide Methodenarten kombiniert, um ein umfassendes Bild zu erhalten.

    Diese Verfahren dienen dazu, verschiedene Kriterien wie das Belastungsempfinden und die Reduktion der Belastung zu beurteilen.

    Test- und Erprobungsphasen sind eine sinnvolle Möglichkeit, um die Unterstützung durch Exoskelette zu bewerten. Ein einheitliches, systematisches Vorgehen stellt sicher, dass belastbare und vergleichbare Ergebnisse erzielt werden. Optimalerweise erfolgen die Tests direkt am jeweiligen Arbeitsplatz.

    Eine arbeitsmedizinische Begleitung sollte bereits während der Testphasen vorhanden sein, um mögliche Beschwerden (z. B. Hautreizungen) frühzeitig zu erkennen.

    Auswertung der Erprobungsphase

    Neben einer sorgfältigen Planung und Durchführung bildet die Auswertung der Testphase die Basis für die erfolgreiche Auswahl und Einführung eines passenden Exoskeletts.

    Für die Auswertung empfiehlt es sich, die Methodik zur Auswahl von Exoskeletten (s. Abschn. „Vorbereitung“) unter Berücksichtigung der erfassten Daten und Eigenschaften zu wiederholen und gegebenenfalls zu verfeinern. Das grundlegende Vorgehen bleibt gleich, kann aber auf Grundlage der Testergebnisse in folgenden Punkten angepasst werden:

  • Welche Eigenschaften sollen in der Auswertung berücksichtigt werden?
  • Wo liegen die Zielwerte für die einzelnen Eigenschaften in Bezug auf das jeweilige Tätigkeitsprofil?
  • Wie werden die Exoskelette hinsichtlich der einzelnen Eigenschaften bewertet?
  • Wichtige Schritte im Ablauf sind:

  • Erweiterung der Gefährdungsbeurteilung für den Einsatz von Exoskeletten,
  • Vorauswahl möglicher Exoskelette,
  • Vortest mit Beschäftigten (Beurteilung von Bedienung, Motorik, Nachstellung der Tätigkeiten, inklusive Befragung; Einbindung des Herstellers),
  • Haupttest am Arbeitsplatz mit kompetenter Begleitung (z. B. Arbeitssicherheit, Arbeitsmedizin) und detaillierter Tätigkeitsdokumentation (gegebenenfalls mit Messunterstützung),
  • Gesamtbewertung,
  • Anpassung des weiteren Erprobungsablaufs.
  • Empfehlungen für den Einsatz und die Erprobung von Exoskeletten

    Allgemeine Empfehlungen

  • Maßnahmenhierarchie nach dem TOP-Prinzip des Arbeitsschutzes beachten:
    Vor dem Einsatz von Exoskeletten ist stets zu prüfen, ob technische oder organisatorische Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen möglich sind. Der Einsatz personenbezogener Maßnahmen wie Exoskelette ist erst dann angebracht, wenn vorrangige Möglichkeiten ausgeschöpft sind.
  • Sicherheitsrelevante Aspekte beachten: Je nach Arbeitsplatz und Tätigkeitsprofil bestehen spezifische Sicherheitsanforderungen, die durch die Nutzung eines Exoskeletts nicht beeinträchtigt werden dürfen. Beispielsweise muss ausgeschlossen sein, dass das Exoskelett die Verwendung der persönlichen Schutzausrüstung (PSA) behindert.
  • Herstellerinformationen beachten: Hersteller nennen in der Regel den vorgesehenen Einsatzzweck, die Zielnutzergruppe (z. B. Ausschluss bei Vorerkrankungen), mögliche Gefährdungen sowie technische Eigenschaften der Produkte.
  • Eine Körperregion für die Unterstützung festlegen: Exoskelette entlasten meist nur eine bestimmte Körperregion. Daher ist es wichtig, diejenige Körperregion auszuwählen, die besonders belastet ist.
  • Unterstützte Tätigkeiten beachten: Sie sind meist auf einzelne Bewegungsphasen ausgelegt und können bei anderen Bewegungen sogar hinderlich sein. Deshalb sollten Exoskelette primär für die Tätigkeiten eingesetzt werden, für die sie konzipiert sind (siehe auch Hersteller­informationen).
  • Bewegungsbereiche Teiltätigkeiten beachten: Exoskelette sind oft nur in bestimmten Bewegungs- oder Winkelbereichen wirksam oder nutzbar. Es ist darauf zu achten, dass das Tätigkeitsprofil mit den Unterstützungsbereichen des Exoskeletts übereinstimmt.
  • Anforderungen an Dynamik beachten: Die dynamischen Eigenschaften des Exoskeletts sollten zu den Anforderungen der Tätigkeit passen. Beispielsweise sollte ein Exoskelett häufige Bückbewegungen schnell und ohne Behinderung mitmachen können.
  • Nebentätigkeiten beachten: Tätigkeitsprofile umfassen oft Nebenaufgaben wie Gehen, Sitzen oder Treppensteigen. Das Exoskelett darf dabei nicht stören. Zudem sollte geprüft werden, ob sich der Anteil nicht unterstützter oder behindernder Nebentätigkeiten durch Umstrukturierung verringern lässt, ohne negative ergonomische Folgen zu erzeugen. Wird das Exoskelett häufig an- und ausgezogen oder unterstützt nur wenige Tätigkeiten, kann dies die Akzeptanz mindern.
  • Führen von Fahrzeugen möglichst vermeiden: Das Fahren von Fahrzeugen mit angelegtem Exoskelett sollte vermieden werden. Ist dies notwendig, dürfen nur vom Hersteller für diesen Zweck freigegebene Systeme verwendet werden. Zudem
    müssen Risiken im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung ausgeschlossen werden.
  • Erste-Hilfe Maßnahmen sicherstellen: Das Tragen eines Exoskeletts kann die Durchführung von Erste-Hilfe-Maßnahmen wie stabile Seitenlage oder Herzdruckmassage erschweren. Deshalb muss im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung geklärt werden, wie das Exoskelett im Notfall schnell abgelegt werden kann. Beschäftigte und Ersthelfende sind entsprechend zu schulen. Informationen dazu finden sich in der Betriebsanleitung oder beim Hersteller.
  • Arbeitsmedizinische Vorsorge ermög­lichen: Führt die Erprobung zum regulären Einsatz, sollte eine arbeitsmedizinische Vorsorge angeboten werden, um mögliche langfristige gesundheitliche Auswirkungen frühzeitig zu erkennen.
  • Empfehlungen in Bezug auf Nutzbarkeit und Akzeptanz

  • Individuelle Unterschiede beachten: Nutzende können je nach Körpergröße und individuellen Anforderungen unterschiedliche Unterstützungsbedarfe haben, z. B. bezüglich der Winkelbereiche, in denen die Unterstützung benötigt wird.
  • Einfluss auf Arbeitsqualität und Zeitvorgaben: Beeinträchtigt das Exoskelett die Arbeitsqualität oder die Einhaltung von Zeitvorgaben, ist mit einer geringeren Akzeptanz der Beschäftigten zu rechnen.
  • Gute Passform garantieren: Das Exoskelett muss gut passen und durch Formgebung, Kontaktflächen und Einstellmöglichkeiten an die individuelle Körperkonstitution angepasst werden, um Gebrauchstauglichkeit und Akzeptanz zu erhöhen. Herstellerinformationen und -größen sollten dabei berücksichtigt werden.
  • Unterstützungsleistung des Exoskeletts beachten: Je nach Belastungsprofil kann es sinnvoll sein, die Unterstützung des Exoskeletts für unterschiedliche Bewegungen oder Winkelbereiche einzustellen. Solche Einstellmöglichkeiten sollten vor der Auswahl geprüft werden.
  • Systemeinführung und Testphase planen: Eine sorgfältig geplante Erprobung mit frühzeitiger Einbindung der Nutzer fördert die Akzeptanz. Herstellerempfehlungen sind bei Einführung zu beachten, und die Nutzung sowie der Unterstützungsgrad sollten schrittweise gesteigert werden, damit sich die Nutzenden gewöhnen können.
  • Transparente Kommunikation fördern: Die Einbindung der betroffenen Personen während Vorbereitung, Erprobung und Einführung sowie ein offener Umgang mit Vor- und Nachteilen sowie Vorurteilen gegenüber Exoskeletten fördern die Akzeptanz.
  • Empfehlungen für die Erprobung von Exoskeletten im Betrieb

  • Wahl geeigneter Messmethoden sicher­stellen: Für jede Erprobung sind passende qualitative und quantitative Messmethoden (s. Abschn. „Durchführung der Erprobung“) auszuwählen. Es gibt keine Universalmethode; vielmehr sind die wichtigsten Parameter der zu unterstützenden Tätigkeiten zu identifizieren. Eine professionelle Unterstützung durch erfahrene Fachleute ist stets ratsam.
  • Messmethoden korrekt anwenden: Für aussagekräftige Ergebnisse müssen die Messmethoden korrekt eingesetzt werden. Dabei sollte auf geschultes Fachpersonal zurückgegriffen werden.
  • Qualitative und quantitative Messmethoden kombinieren: Um unterschiedliche Perspektiven zu erhalten, empfiehlt sich meist eine Kombination aus beiden Methodenarten. Da quantitative Messungen z. B. durch Sensorik am Körper das subjektive Empfinden beeinflussen können, sind getrennte Testläufe sinnvoll.
  • Standardisierte und charakteristische Bewegungsfolgen beachten: Unabhängig von der Methode sind standardisierte und charakteristische Bewegungsabläufe als Grundlage der Erprobung sinnvoll, da sie nicht nur einmalige Analysen ermöglichen, sondern auch Vergleichbarkeit über die Zeit schaffen. Vorgehen und Methoden sollten individuell angepasst und für zukünftige Erprobungen optimiert werden.
  • Überprüfung des Exoskeletteinsatzes in regelmäßigen Abständen wiederholen: Eine einmalige Erprobung reicht nicht aus, um Langzeiteffekte zu beurteilen. Regelmäßige Wiederholungen sind besonders bei langfristiger Nutzung empfehlenswert, um Verhaltensänderungen und Lerneffekte zu erfassen.
  • Vorgehensweise zum Effektnachweis beachten: Eine standardisierte Methodik ist wichtig, um die Wirkungen eines Exoskeletts belastbar und vergleichbar nachweisen zu können.▪
  • Interessenskonflikt: Das Autorenteam gibt an, dass keine Interessenskonflikte vorliegen.

    Literatur

    Bär M, Luger T, Seibt R, Rieger MA, Steinhilber B: Using a passive back exoskeleton during a simulated sorting task: influence on muscle activity, posture, and heart rate. Human Factors 2024; 66: 40–55. doi:10.1177/00187208211073192 (Open Access).

    Crea S, Beckerle P, De Looze M, De Pauw K, Grazi L, Kermavnar T, Masood J: Occupational exoskeletons: A roadmap toward large-scale adoption. Methodology and challenges of bringing exoskeletons to workplaces. Wearable Technologies 2021; 2: e11. doi:10.1017/wtc.2021.11 (Open Access).

    de Looze MP, Bosch T, Krause F, Stadler KS, O’Sullivan LW: Exoskeletons for industrial application and their potential effects on physical work load. Ergonomics 2015; 59: 671–681. doi:10.1080/00140139.2015.1081988 (Open Access).

    Luger T, Bär M, Rieger MA, Steinhilber B: 708 Exoskeletons for reducing physical stress and strain in occupational tasks: a systematic review. Safety and Health at Work 2022; 13: 336. doi:10.1016/S2093-7911(22)00086-5

    Ralfs L, Hoffmann N, Glitsch U, Heinrich K, Johns K, Weidner R (2023) Insights into evaluating and using industrial exoskeletons: Summary report, guideline, and lessons learned from the interdisciplinary project “Exo@Work”. Int J Ind Ergon 2023; 97 (1). doi:10.1016/j.ergon.2023.103494 (Open Access).

    Weidner R, Linnenberg L, Hoffmann N, Prokop G, Edwards V: Exoskelette für den industriellen Kontext: Systematisches Review und Klassifikation. In: 66. Kongress der Gesellschaft für Arbeitswissenschaften: Digitaler Wandel, digitale Arbeit, digitaler Mensch. Berlin, 2020.

    Online-Quelle

    IFA – Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallver­sicherung: Gefährdungsbeurteilung für Exoskelette
    www.dguv.de/medien/ifa/de/pra/ergonomie/gefaehrdungsbeurteilung_exoskel…;

    Exoskelette werden als arbeitsergonomische Maßnahme vermehrt in Betrieben getestet und eingesetzt

    KOAUTOREN UND KOAUTORIN

    Kontakt

    Ines Schalk
    Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik; M 5, 7; 68161 Mannheim

    Foto:BGHW

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