Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch

Prävention mit KI: Mensch im Mittelpunkt

Das PDF dient ausschließlich dem persönlichen Gebrauch! - Weitergehende Rechte bitte anfragen unter: nutzungsrechte@asu-arbeitsmedizin.com

Prevention with AI: the focus is on people

Artificial intelligence (AI) is finding its way into all areas – including occupational health and safety. Many applications are still in the development phase, but one thing is already clear: AI will only develop its full potential in interaction with humans.

Prävention mit KI: Mensch im Mittelpunkt

Künstliche Intelligenz (KI) hält Einzug in alle Bereiche – auch im Arbeitsschutz. Viele Anwendungen befinden sich noch in der Entwicklungsphase, doch eines ist bereits klar: Ohne die menschliche Komponente wird es auch künftig nicht gehen. Erst im Zusammenspiel mit dem Menschen entfaltet KI ihr volles Potenzial.

Kernaussagen

  • Menschliche Kontrolle bleibt essenziell: Obwohl KI eine bedeutende Rolle in der Prävention spielt, bleibt menschliches Urteilsvermögen unerlässlich. Besonders ethische Verantwortung, Empathie und Kontextverständnis kann KI nicht ersetzen.
  • KI unterstützt Prävention durch Datenanalyse: In Medizin und Arbeitsmedizin ermöglicht KI die Auswertung großer Datenmengen, um frühzeitig Risiken zu erkennen und präventive Maßnahmen individuell anzupassen.
  • Technologische Vielfalt im Arbeitsschutz: Neben KI helfen Sensoren, Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR), Sicherheit zu verbessern. Sie ermöglichen Gefährdungsbeurteilungen, realistische Trainings und eine genauere Einschätzung potenzieller Risiken.
  • KI in Medizin und Arbeitsmedizin

    KI ist in der Medizin längst etabliert. In der Krebstherapie werden heute Behandlungsverläufe und -ergebnisse digital dokumentiert, zusammengeführt und mittels KI auswertet. In dem EU-Projekt OPTIMA werden etwa gezielt Krebsbehandlungsdaten zusammengeführt, um daraus Therapieempfehlungen für Ärztinnen und Ärzte zu entwickeln – es basiert europaweit auf Daten von über 200 Millionen Menschen (s. Online-Quellen).

    In der Arbeitsmedizin ermöglicht KI die Auswertung großer Datenmengen, etwa aus dem Monitoring von Vitaldaten durch sogenannte Wearables. Diese Gesundheitsdaten von tragbaren Geräten wie Smartwatches, Smartrings oder anderen Sensoren können in Echtzeit Daten erheben, um nach entsprechender Analyse präventive Maßnahmen individuell und zeitnah anzu­passen.

    Stärken und Grenzen der KI

    Um zu verstehen, warum KI in der Prävention so mächtig – und gleichzeitig noch so limitiert – sein kann, hilft der Blick in die Arbeitsweise von KI. Dabei wird sehr schnell deutlich, dass es sich nicht um eine Intelligenz handelt, die vernetzt arbeitet und logische Zusammenhänge erkennt, sondern ausschließlich nach Wahrscheinlichkeiten agiert. Wer heute etwa eine Frage bei ChatGPT, Copilot oder einem anderen sogenannten Large-Language-Modell (LLM) eingibt, kann verfolgen, wie diese Systeme arbeiten: Das stückweise Vorgehen hat dabei nichts mit dem für menschliche Wesen typischen Nachdenken zu tun. Vielmehr prüft die KI, welches Wort am wahrscheinlichsten auf das vorherige folgt. Muss nach dem bestimmten Artikel „das“ der Begriff „Auto“ oder „Haus“ kommen? Aufgrund der enormen Datenmengen ist die Trefferquote dabei sehr hoch – auf der anderen Seite erklärt sich so allerdings auch das Phänomen des Halluzinierens der KI, womit eine überzeugend formulierte Antwort des LLM gemeint ist, die objektiv falsch sein kann.

    Menschliche Kontrolle bleibt ­unerlässlich

    KI-Systeme sind menschlichen Fähigkeiten überlegen, wenn es darum geht, Wahrscheinlichkeiten abzuschätzen. Je mehr Informationen die Modelle dabei zur Verfügung haben, umso sicherer werden die Antworten die Realität abbilden. So ist KI etwa in der Auswertung optischer Datenquellen schon heute aus der Medizin nicht mehr wegzudenken. Egal, ob es sich um Röntgenfotos subtiler Knochenbrüche, Bilder von Hautveränderungen oder seitenweise EKG-Scans handelt – sie können laut vieler Studien sicherer und effizienter von Computeralgorithmen als von menschlichen Expertinnen und Experten ausgelesen und gedeutet werden.

    Doch trotz dieser Fortschritte bleibt menschliches Urteilsvermögen essenziell. Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) betont, dass KI zwar Daten liefert, aber die Interpretation und Entscheidung über geeignete Maßnahmen weiterhin in menschlicher Hand liegen müssen.
    Aspekte wie ethische Verantwortung, Empathie und Kontextverständnis sind für KI aktuell unerreichbar.

    KI in der Gefährdungsbeurteilung: KICO – Risk Assessment

    Ein praxisnahes Beispiel für KI im Arbeitsschutz ist KICO – Risk Assessment, entwickelt von BG prevent (vormals B·A·D) und Deep Care.

    Mit KICO – Risk Assessment können Beschäftigte an jedem Bildschirmarbeitsplatz eigenständig eine rechtssichere Gefährdungsbeurteilung durchführen. Gerade in Zeiten, in denen viele Menschen im Homeoffice arbeiten, war dies bislang kaum möglich: Eine punktuelle Arbeitsplatzbegehung in Privaträumen ist weder wirtschaftlich sinnvoll, noch in größeren Umfang umsetzbar. Das Medium Video kommt für viele gerade bei diesem persönlich sensiblen Thema nicht infrage und eine fragebogenbasierte Risikobewertung ist fehleranfällig und zeitaufwändig. Bei KICO – Risk Assessment handelt es sich um ein Gerät – kaum größer als ein Smartphone – mit intelligenten Sensoren: Sie messen über 14 Tage hinweg äußere Einflüsse wie Licht und Lärm sowie Sitz- und Stehhöhen am Arbeitsplatz gemäß den Richtlinien zur Gefährdungsbeurteilung. Dies geschieht in Kombination mit einem interaktiven Fragenkatalog, durch den die Nutzerin oder der Nutzer intuitiv geführt wird.

    Und wo steckt hier die KI? Sie ist die Basis: KICO – Risk Assessment ist „gefüttert“ mit unzähligen Datensätzen, zum Beispiel, wie eine ideale ergonomische Haltung am Schreibtisch aussehen sollte. KICO „weiß“, wie eine ideale Arbeitsumgebung gestaltet sein sollte, gleicht das mit den gesetzlichen Vorschriften ab und schlägt schließlich konkrete Maßnahmen vor (➥ Abb. 1). Diese sind in einem Ergebnisbericht enthalten, die die Beschäftigten dann an die Vorgesetzten oder die für Arbeitssicherheit zuständige Person im Betrieb weiterleiten kann. Gemeinsam mit einer Fachkraft für Arbeitssicherheit wird dann geprüft, welche Maßnahmen geeignet erscheinen beziehungsweise welche auf jeden Fall umgesetzt werden müssen, um den gesetzlichen Vorschriften zu genügen. Mithilfe der Technik wird so zum ersten Mal eine Gefährdungsbeurteilung einfach und unkompliziert machbar, wo es zuvor keine gute Möglichkeit gab, den gesetzlichen Vorgaben zu genügen.

    Sensorik und KI im Arbeitsschutz

    KI kann aber noch mehr. So kann etwa mithilfe spezieller Sensoren gewährleistet werden, dass Mitarbeitende ihre Schutzkleidung korrekt angelegt haben. Die Sensoren können auch melden, wenn sich die Person in einem Gefahrenbereich zu lange aufhält oder falsche Bewegungen vornimmt – alles Anwendungen, die im Arbeitsschutz dazu beitragen, Risiken frühzeitig zu erkennen und präventive Maßnahmen wie etwa die Umgestaltung von Gebäuden gezielt einzuleiten.

    Virtual Reality und Augmented ­Reality in der Prävention

    Auch VR und AR gewinnen im Arbeitsschutz an Bedeutung.

  • Virtual Reality (VR) simuliert eine vollständige Umgebung, etwa für Ergonomie-Schulungen. Nutzerinnen und Nutzer tragen meist eine VR-Brille und tauchen vollständig in eine simulierte Umgebung ein – etwa eine Büroumgebung, in der ergonomisch korrektes Sitzen geübt werden kann. Die reale Umgebung ist dabei nicht mehr sichtbar.
  • Augmented Reality (AR) ergänzt die reale Umgebung durch digitale Hinweise. Die Nutzerinnen und Nutzer sehen weiterhin ihre Umgebung, während über eine AR-Brille oder ein Tablet Zusatzinformationen eingeblendet werden – etwa konkrete Hinweise zur Körperhaltung in der realen Umgebung.
  • Das Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) hat ein AR-System zur Visualisierung von magnetischen Feldern am Arbeitsplatz entwickelt. Da diese Felder für Beschäftigte nicht wahrnehmbar sind, können Mitarbeitende nur schwer einschätzen, ob von bestimmten Betriebsmitteln eine Gefahr ausgeht. Die AR-Anwendung macht die Werte auf dem Smartphone sichtbar.

    BG prevent wiederum setzt auf VR-Technologie: Der VR Fire-Trainer (➥ Abb. 2) ermöglicht realistische Brandschutzübungen – für eine besonders authentische Lernerfahrung.

    Das System beinhaltet dabei mehr als eine VR-Brille. Zum einen wird mithilfe eines Trackers sehr präzise die Position des Nutzenden bestimmt. Mit ihm lassen sich sämtliche Bewegungen in einem vorgegebenen Bereich verfolgen. Wie im echten Leben muss bei der Übung mit einem Feuerlöscher agiert werden, digitale Sensoren an Lasche, Schlagbolzen und Düse lassen das Training äußerst realistisch erscheinen. Der Clou sind jedoch der Geruchssimulator sowie ein Wärmestrahler, die auf jede Bewegung der Nutzerin/des Nutzers während der Trainingssimulation reagieren. Realität und digitale Welt verschmelzen, für die Anwendenden ergibt sich ein sogenanntes immersives Erlebnis in 4D.

    Die Zukunft der KI in der Prävention

    Ob LLM, Sensorik, VR oder AR – KI wird in der Prävention eine zentrale Rolle spielen. Sie hilft, Risiken frühzeitig zu erkennen und die Gesundheit von Beschäftigten zu erhalten.

    Die menschliche Komponente bleibt jedoch essenziell – sowohl bei der Interpretation von KI-Ergebnissen als auch für deren Akzeptanz. Eine repräsentative Umfrage der DGUV zeigt, dass Beschäftigte KI teils als Unterstützung sehen, teils aber Bedenken bezüglich Transparenz und Kontrolle haben. Vertrauen entsteht durch offene und transparente Kommunikation über den KI-Einsatz.

    Interessenkonflikt: Beide Autoren sind bei der BG prevent GmbH beschäftigt. Weitere Interessenkonflikte liegen nicht vor.

    Online-Quellen

    Gross B: Möglichkeiten und Grenzen von künstlicher Intelligenz in der Arbeitswelt. DGUV Forum 3/2023
    https://forum.dguv.de/ausgabe/3-2023/artikel/moeglichkeiten-und-grenzen…

    DGUV Barometer Arbeitswelt 2025
    https://www.dguv.de/de/mediencenter/pm/dguv-barometer-arbeitswelt-2025-…

    DGUV: Vertrauen in KI: Herausforderung und Chance für die Arbeitswelt, 2025
    https://www.dguv.de/kompakt/ausgaben/2025-3/vertrauen-in-ki-herausforde…

    Optima: Krebsbekämpfung durch Real-World-Daten und künstliche Intelligenz
    https://www.optima-oncology.eu/

    Abb. 2:  Der mobile VR Fire-Trainer versetzt Beschäftigte in die Lage, in realistischen virtuellen Umgebungen verschiedene Löschszenarien zu trainieren

    Foto: Christof Mattes

    Abb. 2: Der mobile VR Fire-Trainer versetzt Beschäftigte in die Lage, in realistischen virtuellen Umgebungen verschiedene Löschszenarien zu trainieren

    Tipps

    Empfehlungen für die Implementierung von KI im eigenen Unternehmen

  • Gezielte Bedarfsanalyse: Ermitteln Sie gezielt Einsatzbereiche, in denen KI einen echten Mehrwert für Sicherheit und Gesundheit schaffen kann.
  • Schrittweise Einführung durch Pilotprojekte: Starten Sie mit kleinen Projekten, analysieren Sie deren Erfolg und ziehen Sie wertvolle Erkenntnisse aus der Praxis.
  • Mitarbeitende aktiv einbinden: Beteiligen Sie Beschäftigte frühzeitig und schaffen Sie ­Möglichkeiten zur Mitgestaltung.
  • Transparenz gewährleisten: Machen Sie die Funktionsweise der KI-Systeme verständlich und nachvollziehbar.
  • Fachkompetenz gezielt fördern: Qualifizieren Sie Fachkräfte gezielt für den Umgang mit ­KI-basierten Ergebnissen.
  • Datenschutz konsequent beachten: Stellen Sie sicher, dass alle datenschutzrechtlichen ­Anforderungen eingehalten werden.
  • Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit: 39. Internationaler A+A Kongress 2025

    Der Autor Thomas Auhuber ist wissenschaftlicher Leiter und Referent des 39. Internationalen A+A Kongresses, der vom 4. bis 7. November 2025 in Düsseldorf parallel zur A+A Leitmesse stattfindet.

    Die Basi, Bundesarbeitsgemeinschaft für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit e. V., organisiert diese Veranstaltung, die zu den wichtigsten der Branche weltweit zählt – mit aktuellen Themen rund um Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin.

    Weitere Infos: www.basi.de

    Koautor

    Priv.-Doz. Dr. med. Rüdiger Stephan Görtz, MHBA
    BG prevent GmbH, Gesundheitszentrum Nürnberg, Nopitschstr. 20, 90441 Nürnberg

    Kontakt

    Prof. Dr. med. Thomas Auhuber
    CEO BG prevent GmbH; Herbert-Rabius-Str. 1a; 52335 Bonn

    Foto: Christof Mattes

    Jetzt weiterlesen und profitieren.

    + ASU E-Paper-Ausgabe – jeden Monat neu
    + Kostenfreien Zugang zu unserem Online-Archiv
    + Exklusive Webinare zum Vorzugspreis

    Premium Mitgliedschaft

    2 Monate kostenlos testen