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Digitalisierung und arbeitsmedizinische Vorsorge

Prävention, Kuration, Rehabilitation

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Digitale arbeitsmedizinische Versorgung an den Schnittstellen gestalten

Prevention, Curation, Rehabilitation – Designing Digital Occupational Health Care at the Interfaces

Prävention als Schwerpunkt

Arbeitsbedingte Gefährdungen, wie Lärm, UV-Strahlung oder biologische Belastungen, können zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen. Maßnahmen des Arbeitsschutzes und ärztliche Beratung und Betreuung können diese Risiken minimieren und so die Gesundheit der Beschäftigten schützen. Hierzu gehören beispielsweise Schulungen und Beratungen, aber auch die Gestaltung von Arbeitsbedingungen und Arbeitsabläufen. Digitale Schulungs- und Beratungsangebote wären eine Möglichkeit, solche Initiativen niedrigschwellig umzusetzen. Hierzu gehören beispielsweise digitale Unterweisungen, wie sie als Antikorrup­tionsschulungen oder im Brandschutz in großen Firmen schon digital umgesetzt werden.

Zwischen Arbeitsmedizin und Arbeitgebenden herrscht ein enger Austausch, der gesetzlich vorgegeben ist und unter anderem im regelmäßig stattfindenden Arbeitsschutzausschuss (ASA) konkretisiert wird. Die enge Zusammenarbeit begünstigt neben verhaltenspräventiven Maßnahmen auch die Umsetzung von Verhältnisprävention durch die Gestaltung von Arbeitsbedingungen. Auch hier wären digitale ASA-Sitzungen eine Möglichkeit, alle Beteiligten niedrigschwellig zusammenzuführen. An eine Präsenzsitzung könnte dann beispielsweise eine Begehung von bestimmten Arbeitsplätzen angeschlossen werden. Der reine Informationsaustausch kann überwiegend digital erfolgen. Dies kann insbesondere für Betriebsärztinnen und -ärzte, die in mehreren Betrieben tätig sind, zu erheblichen Zeiteinsparungen führen.

Prävention ist der zentrale Bestandteil der arbeitsmedizinischen Vorsorge. Oftmals ist aber die Abgrenzung von beruflichen zu außerberuflichen Risikofaktoren nur schwer möglich, beispielsweise bei Muskel-Skelett-Erkrankungen. Die ganzheitliche arbeitsmedizinische Vorsorge berücksichtigt beide Risikobereiche.

Arbeitsmedizinische Vorsorge umfasst Primär- und Sekundärprävention. In der arbeitsmedizinischen Primärprävention geht es vor allem darum, eine Erkrankung zu verhindern, beispielsweise durch berufsindizierte Impfungen, wie Hepatitis A, oder bei der Beratung zu kardiovaskulären Risikofaktoren wie Übergewicht, mangelnder Bewegung oder Nikotinabusus. Dabei sind Beratungen, beispielsweise zu Lifestyle-Änderungen oder zur Ergonomie rein digital möglich. Die Kontrolle eines Impfpasses kann rein digital erfolgen, die Impfung selbst jedoch erfordert die Präsenz des Impflings. Dies ist zwar unerlässlich, kann aber effi­zienter gestaltet werden, wenn die Beratung vor der Impfung bereits digital erfolgt.

In der arbeitsmedizinischen Sekundärprävention sollen Erkrankungen so frühzeitig erkannt werden, dass bereits vor dem Eintreten erster Symptome eine entsprechende Diagnostik und gegebenenfalls therapeutische Maßnahmen eingeleitet werden können. Hierzu gehören beispielsweise pathologische Veränderungen in der Tonaudiometrie, die einen Hinweis auf eine klinische noch nicht signifikante Lärmschwerhörigkeit liefern, oder strukturierte Nachsorgeprogramme, beispielsweise nach arbeitsbedingter Exposition gegenüber Asbestfasern. Für einige Untersuchungen im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge, beispielweise zur dermatologischen Begutachtung oder auch bei spirometrischen Untersuchungen, stehen bereits etablierte digitale Lösungen zur Verfügung. Eine erhöhte Nachfrage nach digitalen Angeboten, wie der Tonaudio­metrie, bietet die Chance, technologische Innovationen gezielt zu fördern und zu erproben.

Kuration als wichtiger Faktor

Das Robert Koch-Institut hat im Rahmen einer repräsentativen Befragung in der erwachsenen Bevölkerung festgestellt, dass etwa 38 % der 30- bis 44-Jährigen und sogar 56 % der 45- bis 64-Jährigen eine chronische Erkrankung oder ein mindestens über sechs Monate bestehendes gesundheitliches Problem beklagen. Das bedeutet, dass viele Erwerbstätige auch in Beschäftigung unter einer Erkrankung leiden, die in Abhängigkeit vom Krankheitsbild therapeutisch behandelt wird. Dabei kann sowohl die Erkrankung selbst als auch die Therapie dieser Erkrankung einen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit der Beschäftigten haben. Hinzu kommt, dass die Erkrankung möglicherweise sogar Folge der ausgeübten Tätigkeit ist oder durch die ausgeübte Tätigkeit verschlechtert wird, beispielsweise bei Beschäftigten mit muskuloskelettalen Erkrankungen in Handwerks- oder Pflegeberufen. Hier ist die Schnittstelle zwischen den betreuenden Ärztinnen oder Ärzten, den Beschäftigten und der Arbeitsmedizin besonders bedeutsam. Die Arbeitsmedizin kann dazu beitragen, für eine bestehende Krankheit relevante Gefährdungen am Arbeitsplatz zu identifizieren. Im kollegialen Austausch mit den betreuenden Ärztinnen oder Ärzten können außerdem mögliche Risiken der bestehenden Erkrankung oder Therapie im Rahmen der ausgeübten Tätigkeiten diskutiert werden. Umso wichtiger ist in diesem Kontext auch die betriebsärztliche Anbindung an die Telematik-Infrastruktur mittels Opt-Out-Regelung, um unnötige Doppeldiagnostik zu vermeiden und die bestmögliche Versorgung zu erreichen.

Die Konsultation zwischen Ärztinnen und Ärzten unterschiedlicher Professionen und der Austausch von Befunden ist bereits jetzt unter besonderer Berücksichtigung des Austauschs sensibler medizinischer Daten problemlos digital möglich. Das Ziel der Zusammenarbeit ist letztlich, eine längere Arbeitsunfähigkeit zu vermeiden.

Rehabilitation und Wiederein­gliederung

Nach einer längeren Arbeitsunfähigkeit, besteht der erste Schritt darin, die betroffenen Beschäftigten wieder in den Arbeitsprozess zu integrieren. Hierbei kommt es auf eine enge Zusammenarbeit zwischen den be­treuenden Ärztinnen und Ärzten, den Beschäftigten, der Arbeitsmedizin und den Arbeitgebenden an. Aufgabe der Arbeitsmedizin ist vor allem zu identifizieren, ob die längere Arbeitsunfähigkeit auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen ist, und ob sogar eine meldepflichtige Berufskrankheit vorliegt. Darüber hinaus ist sicherzustellen, dass die Tätigkeit nicht zu einer Verschlechterung der Grunderkrankung führt, auch wenn diese ihre Ursache nicht in der beruflichen Tätigkeit hat. Hier gilt es, Arbeitsplätze und Arbeitsabläufe so zu gestalten, dass eine reibungslose Wiedereingliederung möglich ist. Die betreuende Ärztinnen oder Ärzte legen nach längerer Arbeitsunfähigkeit einen Wiedereingliederungsplan vor. Hier können die Beschäftigten von einem engen fachlichen Austausch zwischen der jeweiligen betreuen­den Fachdisziplin und der Arbeitsmedizin profitieren. Auch hier ist der fachliche Austausch digital umsetzbar. Darüber hinaus ist die Anbindung der Arbeitsmedizin an die Telematik-Infrastruktur zur Verbesserung der Wiedereingliederung unter Berücksichtigung der Vorerkrankungen und der bestehenden Therapie der Beschäftigten nicht nur sinnvoll, sondern notwendig.

Literatur

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA): AMR 3.3 „Ganzheitliche arbeitsmedizinische Vorsorge unter Berücksichtigung aller Arbeitsbedingungen und arbeitsbedingten Gefährdungen“. GMBI 2022: 43.

Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM): Anbindung Betriebsärzte an TI-Struktur/Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens (Digital-Gesetz – DigiG), 2023.

doi:10.17147/asu-1-342871

Weitere Infos

Robert Koch-Institut: Gesundheit in Deutschland aktuell (GEDA 2019/2020 – EHISDashboard. 10.01.2024
https://public.tableau.com/app/profile/robert.koch.institut/viz/Gesundh…

Kernaussagen

  • Die zunehmende Digitalisierung in allen Bereichen der Medizin kann die Zusammenarbeit zwischen der Arbeitsmedizin und den weiteren medizinischen Disziplinen an den Schnitt­stellen von Prävention – Kuration – Rehabilitation weiter fördern.
  • Umso wichtiger ist die Anbindung der Arbeits- und Betriebsmedizin an die Telematik-­Infrastruktur in Form einer Opt-Out-Lösung, um eine bestmögliche Versorgung zu erreichen.
  • Kontakt

    Prof. Dr. med. Andrea Kaifie-Pechmann, M.Sc.
    Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin; FAU Erlangen-Nürnberg; Henkestraße 9–11; 91054 Erlangen

    Foto: Georg Pöhlein/FAU

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