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Aktualisierung der Leitlinie Blei

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Update of the Guideline on Lead – Prevention and early detection of work-related health hazards in activities involving the exposure to lead and its inorganic compounds (except lead arsenates and lead chromates)

The updated guideline is essentially based on the previous version (AWMF 002/001), which was developed under the leadership of Dr. Annette Greiner and expired on 9 March 2025. The authors deliberately chose an S1 LL because the guideline exclusively concerns occupational health prevention and toxic effects (including hematological, nephrological, neurological, psychiatric) are not to be expected if the current limit values are observed.

Aktualisierung der Leitlinie Blei – Prävention und Früherkennung arbeitsbedingter Gesundheitsgefährdungen bei Tätigkeiten unter Einwirkung von Blei und seinen ­anorganischen Verbindungen (außer Bleiarsenate, Bleichromate)

Die aktualisierte Leitlinie beruht im Wesentlichen auf der von Frau Dr. med. Annette Greiner federführend erarbeiteten Vorversion (AWMF 002/001), die zum 09.03.2025 ausgelaufen war. Die Autorinnen und Autoren haben bewusst eine S1 LL gewählt, da ausschließlich die arbeitsmedizinische Prävention Gegenstand der Leitlinie ist und toxische Effekte (u. a. hämatologische, nephrologische, neurologische, psychiatrische) bei Einhalten der gegenwärtigen Grenzwerte nicht zu erwarten sind.

Kernaussagen

  • Diese Leitlinie ist für die praktische Arbeitsmedizin von besonderer Bedeutung, da die Einhaltung eines rechtsverbindlichen Grenzwerts erstmals durch ein Biomonitoring, das in Deutschland ein ärztliches Instrument ist, überwacht werden muss.
  • Im ärztlichen Beratungsgespräch wird über Gesundheitsgefährdungen durch Blei aufgeklärt und die Leitlinie gibt eine gute Hilfestellung für die Interpretation der bei den einzelnen Beschäftigten gemessenen Bleikonzentrationen.
  • Bei Frauen ist auf die besonders hohe Gefährdung des ungeborenen Kindes durch Blei und seine Verbindungen hinzuweisen, auch wenn die Bleiexposition bei Bekanntwerden der Schwangerschaft beendet wird.
  • Die im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge quantifizierten Bleibelastungen kommen auch der Verhältnisprävention zugute, da diese für die individuelle Verbesserung des Arbeitsschutzes genützt werden müssen.
  • Einführung in die Problematik

    Diese Leitlinie ist für die praktische Arbeitsmedizin von besonderer Bedeutung, da die Europäische Union (EU) im Februar 2024 für alle Mitgliedsstaaten verbindliche Grenzwerte für Blei (BOELV) in Höhe von 0,03 mg/m3 (= 30 µg/m3) in der Luft, in Höhe von 150 µg/L Blut für Männer und in Höhe des Referenzwerts für Frauen „im gebärfähigen Alter“ verabschiedet hat (Richtlinie [EU] 2024/869 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. März 2024 zur Änderung der Richtlinie 2004/37/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinie 98/24/EG des Rates hinsichtlich der Grenzwerte für Blei und seine anorganischen Verbindungen). Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft zu setzen, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie spätestens bis zum 9. April 2026 nachzukommen. Ferner sieht die EU-Rechtsvorschrift eine verbindliche medizinische Überwachung vor, falls der Luftwert für Blei größer als 0,015 mg/m³ oder der individuelle Blutbleispiegel größer als 90 µg Pb/L Blut ist. Bisher wurden allerdings weder die Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbmedVV) noch die Empfehlungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) für arbeitsmedizinische Beratungen und Untersuchungen entsprechend angepasst.

    „Der UAIII (des Ausschusses für Gefahrstoffe [AGS] am Bundesministerium für Arbeit und Soziales) bewertet die Unsicherheiten bei der Angabe einer Luftbleikonzentration als so relevant, dass eine wissenschaftlich ausreichende Qualität als nicht gewährleistet angesehen wird […]“ und „dass das beste Maß zur Abbildung der Belastung zur Bewertung der Exposition in der Praxis demnach die aktuelle Blutbleikonzentration ist; der Luftbleiwert allein ist nicht aussagekräftig“ (Begründung zu Blei in den Technischen Regeln für Gefahrstoffe [TRGS] 903).

    Somit kommt der arbeitsmedizinischen Vorsorge und der Beachtung der Pflicht zur Durchführung des Biomonitorings gemäß ArbMedVV § 6 Absatz 2 eine derartig herausragende Bedeutung zu wie bei keinem anderen Gefahrstoff-Risiko-Management.

    Wichtige Inhalte der arbeitsmedizinischen Leitlinie (AML) bezüglich der arbeitsmedizinischen Vorsorge

    Das ärztliche Beratungsgespräch ist stets der zentrale Bestandteil der arbeitsmedizinischen Vorsorge. Im Rahmen der Anamneseerhebung lassen sich in Kenntnis der Arbeitsplatzbedingungen individuelle Arbeitsumstände und eventuell existierende Krankheitssymptome feststellen und einordnen. Beschäftigte werden hierbei über Gesundheitsgefährdungen durch Blei aufgeklärt und zur Minimierung ihrer persönlichen Bleibelastung beraten. Bei Frauen ist auf die besonders hohe Gefährdung des ungeborenen Kindes durch Blei und seine Verbindungen hinzuweisen. Es ist zudem darüber aufzuklären, dass durch die Akkumulation von Blei selbst dann adverse Effekte für das ungeborene Kind auftreten können, wenn die Bleiexposition bei Bekanntwerden der Schwangerschaft oder sogar vor dem Eintritt der Schwangerschaft beendet wird.

    Die Bestimmung von Blei im Vollblut sollte im Rahmen der Vorsorge bei vermuteter Bleiexposition regelhaft angeboten werden. In Abhängigkeit von der Anamnese ist neben einer körperlichen Untersuchung (kardiovaskulär, orientierend neurologisch) die Erhebung von Laborbefunden, wie zum Beispiel Blutbild und Nierenfunktionsparameter, sinnvoll. Es ist betriebsärztliche Aufgabe zu prüfen, welche Untersuchungen aus arbeitsmedizinischer Sicht erforderlich sind. Sie sind in der Entscheidung weisungsfrei, ob und in welchem Umfang Untersuchungen durchgeführt werden. Die Betriebsärztin/der Betriebsarzt muss die Beschäftigten über Inhalt, Zweck und Risiken jeder Untersuchung informieren, so dass die Beschäftigten eine fundierte Entscheidung treffen können, ob sie diese Untersuchung wünschen. Eine Duldungspflicht besteht nicht.

    Dem Biomonitoring (Blei im Vollblut) kommt zur Überprüfung der Arbeitsschutzmaßnahmen ein besonders hoher Stellenwert zu. Die Beschäftigten sind bei jeder Vorsorge über die Ergebnisse der Untersuchungen und des Biomonitorings zu informieren und gegebenenfalls entsprechend der Ergebnisse in arbeitsmedizinisch-toxikologischer Hinsicht sowie mit Blick auf die Wirksamkeit und Anpassung der persönlichen Schutzmaßnahmen zu beraten.

    Gemäß § 6 Gefahrstoffverordnung sind Erkenntnisse aus der arbeitsmedizinischen Vorsorge nach ArbMedVV, einschließlich Erkenntnissen aus dem Biomonitoring, soweit solche Resultate vorliegen, bei der Beurteilung der Gefährdungen zu berücksichtigen. Somit kommt den Erkenntnissen aus der arbeitsmedizinischen Vorsorge nicht nur bei der Beratung der Beschäftigten zur Verhaltensprävention, sondern auch im Rahmen der Verhältnisprävention eine große Bedeutung zu. Die Ärztin oder der Arzt hat die Ergebnisse der arbeitsmedizinischen Vorsorge zu erfassen und auszuwerten. Ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass die Maßnahmen des Arbeitsschutzes für die Beschäftigten nicht ausreichen, so hat die Ärztin/der Arzt dies dem Arbeitgeber mitzuteilen und Maßnahmen des Arbeitsschutzes vorzuschlagen (§ 6 Absatz 4 ArbMedVV; § 3 Absatz 2 Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit – AsiG). Dies gilt explizit auch für Biomonitoringergebnisse (Arbeitsmedizinische Regel [AMR] 6.2, Kapitel 6.4). Die Schweigepflicht bezüglich der Biomonitoringergebnisse einzelner Beschäftigter ist hierbei einzuhalten. Dies ist insbesondere bei Einzelarbeitsplätzen zu bedenken (AMR 6.2, Kapitel 6.3
    und 6.4).

    Wenn nicht alle Beschäftigte das Angebot eines Biomonitorings annehmen, kann in Anlehnung an die für Tätigkeiten mit krebserzeugenden oder keimzellmutagenen Gefahrstoffen der Kategorie 1A oder 1B geltende AMR 11.1 – auch wenn Blei und die von dieser Leitlinie umfassten Verbindungen nicht in die genannten Kategorien eingestuft sind – anhand statistischer Kennzahlen beurteilt werden.

    Ausblick

    Leitlinien geben eine Orientierungshilfe für ärztliches Handeln. Im Idealfall sollten Leitlinien und gesetzliche Vorgaben nicht im Widerspruch stehen. Um die Arbeitsmedizinerin oder den Arbeitsmediziner vor Konflikten aufgrund widersprüchlicher oder unklarer gesetzlicher Regelungen zu schützen, sollten die ArbMedVV und die DGUV-Empfehlungen zeitnah aktualisiert und angepasst werden. Die Richtlinie (RL) 2024/869 bringt die Messung des Blutbleispiegels in Verbindung mit der sogenannten biologischen Überwachung. Die Gefahrstoffverordnung und die Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge haben den Begriff der „medizinischen Überwachung“ nicht zum Inhalt. Dieser wäre in Deutschland wohl im Sinne der arbeitsmedizinischen Pflichtvorsorge mit Untersuchungsangebot (Biomonitoring) zu verstehen. Folgt man der Einschätzung des UAIII des AGS bezüglich der Mängel von Arbeitsplatzmessungen zur Beurteilung der individuellen Gefährdung durch Blei, müsste als Anlass zur Pflichtvorsorge die Überschreitung eines Blutgrenzwerts und nicht ein Luftgrenzwert herangezogen werden. Hierfür könnte der von der EU vorgegebene Richtwert von 90 µg Blei/L Blut dienen. Eine Entlassung aus der Pflichtvorsorge könnte dann bei zuverlässiger Einhaltung dieses Richtwerts entsprechend der AMR 11.1 erfolgen. Für Frauen im reproduktionsfähigen Alter ist gemäß der EU-Richtlinie 2024/869 entsprechend die Überschreitung der Hintergrundbelastung (> 30 µg Pb/L Blut in Deutschland bzw. > 45 µg Pb/L in EU-Ländern ohne eigene Referenzwerte) Anlass zur medizinischen Überwachung.

    Interessenkonflikt: Das Autorenteam gibt an, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.

    Literatur

    AGS: Blei und anorganische Bleiverbindungen. Begründung zu Blei in TRGS 903, Fassung vom 20.11.2017.

    AMR 6.2: Biomonitoring: Bek. d. BMAS v. 02.12.2013 – IIIb1-36628-15/1. Bekanntgemacht in: GMBl Nr. 5, 24. Februar 2014, S. 91.

    AMR 11.1: Abweichungen nach Anhang Teil 1 Absatz 4 ArbMedVV bei Tätigkeiten mit krebserzeugenden oder keimzellmutagenen Gefahrstoffen der Kategorie 1A oder 1B. Bek. d. BMAS v. 10.05.2016 – IIIb1-36628-15/19. Bekanntmachung in: GMBl Nr. 25, 1. Juli 2016, S. 484.

    ArbMedVV – Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge vom 18. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2768). Stand: zuletzt geändert durch Art. 1 V v. 12.7.2019 BGBl. I S.1082.

    Online-Quellen

    EU – Europäische Union: Richt­linie (EU) 2024/869 des Euro­päischen Parlamentes und des Rates vom 13. März 2024 zur Änderung der Richtlinie 2004/37/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinie 98/24/EG des Rates hinsichtlich der Grenzwerte für Blei und seine anorganischen Verbindungen sowie für Diisocyanate
    https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=OJ:L_202400869

    Leitlinie Blei, AWMF-Regi­striernummer 002-001 (2025)
    https://register.awmf.org/assets/guidelines/002-001l_S1_Praevention-Fru…

    Koautorinnen und Koautoren

    Prof. Dr. med. Thomas Brüning

    Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der ­Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), Institut der Ruhr-Universität Bochum

    Prof. Dr. rer. nat. Thomas Göen
    Dr. med. Anna Wolfschmidt-Fietkau
    Priv.-Doz. Dr. med. Wobbeke Weistenhöfer

    Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Lehrstuhl für Arbeits- und Sozialmedizin, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

    Prof. Dr. med. Dipl.-Ing. Stephan Letzel

    Institut für Lehrergesundheit am Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Johannes Gutenberg-Universität Mainz

    Kontakt

    Prof. (em) Dr. med. Hans Drexler
    Lehrstuhl für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin; Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg; Henkestraße 9/11; 91054 Erlangen

    Foto: Glasow

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