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Techniken zur Bestimmung von Parametern für die elektrische Personenwarnung

E.-M. Dölker1

S. Lau2

D. Gröllich3

E. Haase4

S. Krzywinski5

M. Schmauder3

J. Haueisen1

(eingegangen am 10. 08. 2020, angenommen am 18. 09. 2020)

Methods for the determination of parameters for the electrical warning of persons

Objectives: The aims of this publication are to present the main findings of research into the development of a wearable system for electrical warning, identify the current challenges and introduce the next research objectives.

Methods: A basic study (n = 81) with self-adhesive electrodes on the right upper arm was used to investigate the influence of pulse width, electrode size and electrode position on perceived thresholds as well as qualitative and spatial perception. Varying textile cuff types were developed and tested. The suitability of varying support materials and textile electrodes was investigated with regard to adaptability, comfort, electrical conductivity, DC resistance and traction elastic behaviour. The textile and self-adhesive electrodes were compared with regard to thresholds as well as qualitative and spatial perceptions (n = 30).

Results: Practical parameter sets of the thresholds (perception, attention, intolerance) were determined for various pulse widths, electrode sizes and positions. The dominant qualitative perceptions were “Knocking” (perception and attention threshold) and “Muscle twitch” (intolerance threshold). The spatial perception was located at the stimulation area. The resulting textile cuff contains a knitted fabric with electrically conductive surfaces and a layer of an electrically conductive silicone compound. The comparison between textile and self-adhesive electrodes showed no differences regarding thresholds and qualitative and spatial perceptions. The impedance of the textile electrodes was (1.5 to 3 times) higher than that of the self-adhesive electrodes.

Conclusions: Future studies will investigate the influences of working conditions, climatic conditions, age, gender and skin properties. The further development of the textile cuffs is focused on the improvement of the contact between electrode and skin to optimise the transition impedance.

Keywords: electric stimulation – electrode – TENS – smart textile – wearable

ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2020; 55: 645 – 652

Techniken zur Bestimmung von Parametern für die elektrische Personenwarnung

Zielstellungen: Die Ziele der Publikation sind die wesentlichen Forschungsergebnisse im Rahmen der Entwicklung eines am Körper tragbaren Systems zur elektrischen Warnung darzustellen, die gegenwärtigen Herausforderungen zu identifizieren und die nächsten Forschungsziele vorzustellen.

Methoden: In einer Grundlagenstudie (n = 81) mit selbstklebenden Elektroden am rechten Oberarm wurde der Einfluss von Pulsbreite, Elektrodengröße und Elektrodenposition auf die wahrgenommenen Schwellen sowie die qualitative und örtliche Wahrnehmung untersucht. Verschiedene textile Manschettentypen wurden entwickelt und getestet. Untersucht wurde die Eignung verschiedener Trägermaterialien und Textilelektroden im Hinblick auf Passfähigkeit, Tragekomfort, elektrische Leitfähigkeit, Gleichstrom­widerstand sowie das zugelastische Verhalten. Die textilen und selbstklebenden Elektroden wurden bezüglich der Schwellen sowie der qualitativen und örtlichen Wahrnehmungen verglichen (n = 30).

Ergebnisse: Praktische Parametersätze der Schwellen (Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Intoleranz) wurden für verschiedene Pulsbreiten, Elektrodengrößen und Elektrodenpositionen bestimmt. Die vorherrschenden qualitativen Empfindungen waren „Klopfen“ (Wahrnehmungs- und Aufmerksamkeitsschwelle) und „Muskelzucken“ (Intoleranzschwelle). Die örtliche Wahrnehmung lag am Stimulationsort. Die resultierende textile Manschette beinhaltet ein Gestrick mit elektrisch leitfähigen Flächen und einer Schicht aus einer elektrisch leitfähigen Silikonverbindung. Beim Vergleich zwischen textilen und selbstklebenden Elektroden konnten keine Unterschiede hinsichtlich der Schwellen und sowie der qualitativen und örtlichen Wahrnehmung gefunden werden. Die Impedanz der textilen Elektroden zeigte sich gegenüber den selbstklebenden Elektroden erhöht (1,5- bis 3fach).

Schlussfolgerungen: In zukünftigen Studien sollen die Schwellen in Abhängigkeit von Arbeitsbedingungen, klimatischen Bedingungen, Alter, Geschlecht und Hauteigenschaften untersucht werden. Für die Weiterentwicklung der textilen Elektrodenmanschetten liegt der Fokus auf der Verbesserung der Kontaktierung zur Haut um die Übergangsimpedanz zwischen Elektrode und Haut zu optimieren.

Schlüsselwörter: elektrische Stimulation – Elektrode – TENS – intelligentes Textil – tragbar

Einleitung

Im Bereich der Arbeitssicherheit stellt die Personenwarnung in gefährlichen Situationen eine wichtige Aufgabe dar, die zuverlässig funktionieren muss. Ein zuverlässiges Warnsystem ist dadurch gekennzeichnet, dass es direkt am Körper getragen wird und spezifische auf die aktuelle Situation angepasste Warnungen (z. B. Signale von unterschiedlicher Dringlichkeit) übertragen kann (Schultheis 2015). Gegenwärtige Methoden nutzen vorrangig visuelle (DIN EN 842:1996+A1 2009) oder akustische (DIN EN ISO 7731 2008) Warnsignale. Diese Art von Warnungen kann unter lauten Arbeitsbedingungen und bei schlechten Sichtverhältnissen versagen. Betrachtet man exemplarisch die Situation eines Gleisarbeiters, der unter nebligen Sichtverhältnissen mit einem Freischneider arbeitet, dann können sowohl akustische als auch visuelle Warnsignale unter diesen Bedingungen nur schlecht oder gar nicht wahrgenommen werden. Um die Sicherheit des Arbeitenden auch unter lauten Arbeitsbedingungen und bei schlechten Sichtverhältnissen zu ermöglichen, wird deshalb für die Erweiterung bisheriger Warnsysteme die Modalität der elektrischen Stimulation vorgeschlagen. Es wird ein individuelles taktiles Warnsystem mit in die Kleidung integrierten Elektroden entwickelt, das die elektrische Stimulation der Haut zur Personenwarnung nutzt.

Zielstellung

Die Ziele dieser Publikation sind, die wesentlichen Forschungsergebnisse im Rahmen der Entwicklung eines elektrischen Warnsystems in einer Übersicht darzustellen, die gegenwärtigen Herausforderungen zu identifizieren und die daraus abgeleiteten nächsten Forschungsziele vorzustellen. Bisherige Forschungsarbeiten im Bereich der elektrischen Stimulation über die Haut stammen hauptsächlich aus den Bereichen der Muskelstimulation (Vargas Luna et al. 2017; Stewart et al. 2017), der Prothetik (Peerdeman et al. 2011; Li et al. 2017), der Nervenstimulation (Hughes et al. 2013; Medina et al. 2016) und der Untersuchung von Schmerzempfindung (Scott et al. 2016). Die zugehörigen Ergebnisse können aufgrund ihrer Spezifik nur begrenzt für die Entwicklung eines elektrischen Warnsystems genutzt werden. Damit stellt das Fehlen von Daten sowie die Bestimmung eines geeigneten Warnbereichs (durch Parameter wie Stimulationssignalform und -amplitude) eine der Herausforderungen im Rahmen der Entwicklung eines elektrischen Warnsystems dar. Weitere Herausforderungen sind die interindividuelle Variabilität der Wahrnehmung der elektrischen Stimulation, mögliche Lerneffekte und die Kontaktierung der Elektrode zur Haut, d. h. der Übergangsimpedanz. Aus diesen Gründen werden die Ergebnisse einer Grundlagenstudie zur Auswahl geeigneter Parameter (Stimulation, Elektrodengröße und Position etc.) sowie zur Untersuchung der qualitativen Wahrnehmung der elektrischen Stimulation vorgestellt. Des Weiteren werden neu entwickelte Manschetten mit textilen Elektroden beschrieben und mit etablierten TENS-Elektroden (TENS: Transcutaneous Electrical Nerve Stimulation) hinsichtlich wahrgenommener Stimulation und Elektrodeneigenschaften, wie Elektrodenimpedanz, verglichen. Alle im Folgenden beschriebenen Studien wurden von der lokalen Ethikkommission genehmigt und alle Probanden haben eine Einverständniserklärung unterzeichnet.

Methoden

Parameterstudie mit TENS-Elektroden

Ziel

In einer Pilotstudie (Lau et al. 2017) wurde ein breites Spektrum an Stimulus- und Elektrodenparametern getestet. Es konnten verschiedene Arten der qualitativen Wahrnehmung und der örtlichen Wahrnehmung der elektrischen Stimulation beobachtet werden. Ferner wurden drei qualitative Schwellen der Wahrnehmung abgeleitet:
1. ein gerade wahrnehmbarer Stimulus definiert die Wahrnehmbarkeitsschwelle, 2. ein Stimulus, der die Aufmerksamkeit erregt, beschreibt die Aufmerksamkeitsschwelle und 3. ein Stimulus, der intolerable Wahrnehmungen erzeugt, definiert die Intoleranzschwelle.

Im Folgenden werden diese Schwellen sowie die qualitativen und örtlichen Wahrnehmungen der elektrischen Stimulation an einer größeren Studiengruppe beschrieben und in Abhängigkeit von Pulsbreite, Elektrodengröße und Elektrodenposition dargestellt.

Studiengruppe und Messaufbau

Die Parameterstudie wurde an 81 gesunden Versuchspersonen (m = 52, w = 29) im Alter von 27 ± 7,8 Jahre (Mittelwert ± Standardabweichung) durchgeführt. 72 Personen waren rechtshändig. Der Armumfang des rechten Oberarms betrug 30,3 ± 4,4 cm.

Die Stimulationssignalinformationen wurden von einem PC über ein Datenaufnahmegerät NI-USB-6361 (National Instruments, Austin, TX, USA) und einen Verbindungsblock BNC NI-2120 (National Instruments, Austin, TX, USA) zu einem isolierten bipolaren Konstantstromstimulator DS5 (Digitimer Ltd., Letchworth Garden City, Großbritannien) weitergeleitet, der das Stromstimulationssignal erzeugt (➥ Abb. 1). Über die Verbindung zu einem Multiplexer D188 (Digitimer Ltd., Letchworth Garden City, Großbritannien) und die digitale Kanalauswahl vom BNC NI-2120 wurde das Stimulations­signal an das gewünschte Elektrodenpaar übertragen.

Das Stromstimulationssignal, ein biphasischer Rechteckimpuls, ist durch die folgenden Parameter definiert: Amplitude A, Pulsbreite tp, Pulsfrequenz fp und Pulsanzahl n.

Die 16 wiederverwendbaren selbstklebenden TENS-Elektroden (axion GmbH, Leonberg, Deutschland) der Größe 25×40 mm wurden umlaufend in gleichmäßigen Abständen paarweise entlang der Mittellinie zwischen Schultergelenk und Ellenbogen des rechten Arms angebracht. Der Abstand zwischen oberer und unterer Elektrode betrug jeweils 1 cm. Die 8 Elektrodenpaare wurden fortlaufend nummeriert, wobei Elektrodenpaar 1 zur anterioren, 3 zur lateralen, 5 zur posterioren und 7 zur medialen Position am Arm korrespondierten.

Versuchsdurchführung

Schwellenbestimmung: Für die Bestimmung der Wahrnehmungs-, Aufmerksamkeits- und Intoleranzschwellen wurde die Stromstimulationsamplitude schrittweise (0,1; 0,2 oder 0,5 mA) erhöht. Wenn nicht anders angegeben, erfolgte die Schwellwertbestimmung für die Elektrodenpaarposition 3, der Größe 25×40 mm mit einer Pulsbreite von 150 µs. Die Schwellen wurden nacheinander in Abhängigkeit verschiedener Einflussfaktoren bestimmt:

  • Gewöhnungsmessung: Wiederholung der Schwellwertbestimmungen, bis sich die Werte von mindestens drei aufeinanderfolgenden Durchläufen stabilisieren.
  • Pulsbreite: Schwellwertbestimmungen in Abhängigkeit der Pulsbreiten von tp = 20, 50, 100, 150, 200, 250, 500, 1000 und 2000 µs.
  • Elektrodengröße: Schwellwertbestimmungen in Abhängigkeit der Elektrodengrößen von 15×15 mm, 20×20 mm, 25×40 mm und 40×40 mm.
  • Elektrodenposition: Schwellwertbestimmungen in Abhängigkeit der Elektrodenposition 1 bis 8.
  • Referenzmessung: Wiederholung der Schwellwertbestimmungen am Ende des Versuchsablaufs.
  • Bei jeder Schwellwertbestimmung wurde zusätzlich die subjektive Wahrnehmung anhand eines Fragebogens entsprechend der folgenden Wahrnehmungskategorien abgefragt: qualitative Wahrnehmung (Klopfen, Kratzen, Stechen, Schmerz, Muskelzucken, Kitzeln, Jucken, Zwicken, Quetschen) und örtliche Wahrnehmung (zwischen den Elektroden, an beiden Elektroden, an oberer/unterer Elektrode, an einer anderen Stelle). Bei Auftreten von Muskelzucken wurde die jeweilige Messreihe beendet und der entsprechende Wert notiert, da Muskelzucken nicht die primär präferierte qualitative Wahrnehmung für das zu entwickelnde Warnsystem darstellt.

    Auswertung

    Die experimentellen Ergebnisse wurden mit MATLAB 2019® (The Mathworks Inc., Natick, Massachusetts, USA) analysiert und in Form von Box-Whiskers-Plots und Häufigkeitsverteilungen dargestellt. Die Ergebnisse wurden anhand von Median und des Interquartil-Abstands quantifiziert. Außer den Schwellwerten der Gewöhnungsmessung wurden zu Vergleichbarkeitszwecken die Werte aller weiteren Experimente auf die individuellen Wahrnehmungsschwellen der Gewöhnungsmessung normiert.

    Manschette mit textilen Elektroden

    Ziel

    Mit Bekleidungsprodukten werden vielfältige Schutz- oder Warnfunktionen umgesetzt. Für Menschen, die in Gefahrenbereichen arbeiten, soll Bekleidung zum Schutz der Gesundheit vor Unfällen dienen. Bei vielen Arbeiten (Straßenbau, Gleisbau, Straßenreinigung, Winterdienst oder Forst- und Waldbau) ist eine gute Sichtbarkeit (DIN EN ISO 20471) eine wesentliche Eigenschaft von Schutzkleidung. Mit einer guten Sichtbarkeit wird gleichzeitig auch eine Warnfunktion geleistet. Existierende akustische oder optische Personenwarnsysteme, die zur direkten Warnung verwendet werden, können teilweise nicht ausreichend von den Beschäftigten wahrgenommen werden (Störlärmpegel von Maschinen und Geräten, eingeschränkte Sicht). Die Entwicklung eines Personenwarnsystems, das elektrische Signale zur Warnung benutzt und in die Bekleidung des Trägers integriert ist, könnte diese Sicherheitslücke schließen. Dafür sollen Manschetten entwickelt werden, die individuell angepasst werden, die erforderliche Signalübertragung sichern und einen angenehmen Tragekomfort aufweisen. Für eine bessere Zuverlässigkeit der Personenwarnung müssen zunächst technische Grundlagen erarbeitet werden.

    Aufbau der textilen Manschetten und Elektroden

    Da die als Elektroden fungierenden Flächen/Bereiche zur Übertragung der elektrischen Signale sicher auf der Hautoberfläche aufliegen müssen, sind elastische Materialien in Form von Maschenwaren (Gestricke, Gewirke) als Elektrodenträger besonders geeignet. Diese können durch die gezielt einstellbare Tragedehnung den erforderlichen Druck auf die Haut ausüben, um eine stabile Signalübertragung zu gewährleisten. Auf Trägertextilien können Elektroden konfektionstechnisch appliziert oder stricktechnisch eingearbeitet werden. Eine stricktechnische Integration hat den Vorteil, dass leitfähige und nicht leitfähige Komponenten mustertechnisch miteinander kombiniert und verbunden werden können.

    Aufbauend auf diesen Erkenntnissen wurden zunächst zwei Konzepte verfolgt: (A) Trägertextil mit Abstandsstruktur einseitig elektrisch leitfähig und (B) Gestrick mit elektrisch leitfähiger Fläche und elektrisch leitfähiger Polymerbeschichtung, wobei sich (B) als die bessere Alternative herausgestellt hat.

    Zur Ableitung der Geometriedaten für die Oberarmmanschette wurden grundlegende Betrachtungen für den Oberarm als Trageort am Körper durchgeführt. Dazu wurden die Oberarmebereiche mehrerer Probanden gescannt und die aufgezeichneten Punktewolken mittels Flächenrückführung in Spline-Flächen überführt. Die Abbildung der 2D-Schnittmuster erfolgte auf Basis der 3D-Armdaten mittels der Software DesignConcept 3D (Lectra-World Headquarters, Paris, Frankreich).

    Ermittlung von Textilparametern

    Trägermaterial: Zur Ermittlung geeigneter Dehnsteifigkeiten, die ein angenehmes Trageempfinden bewirken, wurden Gewirke und Gestricke in unterschiedlichen Fadenfeinheiten, Maschendichten und Bindungen untersucht und in Anlehnung an DIN 53835-T14 1992 geprüft. Nach Probandentests wurden zwei geeignete Trägermaterialien ausgewählt.

    Textilelektroden: Die elektrischen Eigenschaften werden durch versilberte PA-Garne bzw. Beschichtung der Gestricke/Gewirke/Gewebe erzeugt. Betrachtet wurden ein einseitig elektrisch leitfähiges Abstandsgewirke, zwei elektrisch leitfähige Gewirke, ein einseitig PU-beschichtetes elektrisch leitfähiges Gewirke, ein elektrisch leitfähiges Gewebe und ein elektrisch leitfähiges Gestrick. Zwei der Gewirke und das Gestrick waren aus Umwindegarnen hergestellt, bei denen im Kern ein Elastanmaterial verarbeitet wurde. Dies ist besonders günstig, um die elektrische Leitfähigkeit durch die erforderliche Tragedehnung nicht zu gefährden. Für alle Materialien wurden ebenfalls textilphysikalische Parameter bestimmt.

    Gleichstromwiderstand der Materialien: Um die erforderlichen, elektrisch zu erzeugenden, taktilen Signale steuerungsseitig programmieren zu können, ist es notwendig, den Gleichstromwiderstand der Materialien zu kennen. Dieser wurde in Anlehnung an DIN EN 16812:2016 mittels Digital-Multimeter FLUKE 8846A (Fluke Corporation, Everett, WA, USA) für jeweils zwei Größen der leitfähigen Flächen geprüft. Ergänzend erfolgte am elektrisch leitfähigen Gestrick die Erfassung des Gleichstromwiderstandes nach mehrzyklischer Beanspruchung durch Zug (1, 5, 10, 20, 30, 50, 100, 200 Zyklen).

    Vergleich TENS versus textile Elektroden

    Ziel

    Hauptziel war der Vergleich der in den bisherigen Studien genutzten TENS-Elektroden und einer Manschette mit textilen Elektroden (s. oben) hinsichtlich Schwellen, qualitativer und örtlicher Wahrnehmung sowie Impedanzverhalten.

    Studiengruppe, Messaufbau und Versuchsablauf für Schwellenbestimmung

    Die Vergleichsstudie wurde an 30 gesunden Probanden (m = 17, w = 13) im Alter von 26,7 ± 6,1 Jahre durchgeführt. 28 Probanden waren rechtshändig. Der Armumfang des rechten Oberarms betrug 30,3 ± 4,6 cm.

    Der Messaufbau sowie der Ablauf der Vorbereitung, Schwellenbestimmung und die Abfrage der qualitativen und örtlichen Wahrnehmung verlief analog zur Parameterstudie mit TENS-Elektroden. Die textile Manschette und äquivalent die TENS-Elektroden (gleiche Größe und Abstände) waren so platziert, dass Elektrodenpaar 1 (➥ Abb. 2) sich mittig auf der lateralen Linie des rechten Oberarms befand. Die Schwellen an den drei Elektrodenpaaren der textilen Manschette und der TENS-Elektroden wurden nach dem Schema

  • Phase 1: A-A-B-B-B-B-A-A (Gewöhnungsphase),
  • Phase 2: B-B-A-A-A-A-B-B
  • bestimmt, wobei für A die textile Manschette am rechten Oberarm angebracht war und B sich auf die TENS-Elektroden bezieht. Für jedes A und B wurden die drei Schwellen für die Elektrodenpaare 1, 2 und 3 bestimmt (s. Abb. 2). Für die Auswertung wurden nur die Ergebnisse der 2. Phase verwendet. Ein Versuchsdurchlauf dauerte ca. 1 h 40 min.

    Abb. 2: Textile Elektrodenmanschette mit 3 Elektrodenpaaren bestehend aus einem Gestrick mit elektrisch leitfähiger Fläche und elektrisch leitfähiger Silikonbeschichtung
    Fig. 2: Textile electrode cuff with three electrode pairs made of a knitted fabric with an electrically conductivesurface and an electrically conductive silicon coating

    Impedanzanalyse mit Agarphantom

    Zum Vergleich des Impedanzverhaltens wurde ein zylindrisches Agarphantom (Länge: 45,3 cm, Durchmesser: 6,9 cm) mit 1,7 g NaCl/l verwendet, auf das die Elektroden aufgebracht wurden. Mittels eines GAMRY Reference 600+ (Gamry Instruments Inc., Warminster, PA, USA) wurde ein sinusförmiger Strom im Frequenzbereich von 1 Hz bis 1 MHz an den Enden des Zylinders eingespeist und die Spannung über dem jeweiligen Elektrodenpaar gemessen, wodurch die Gesamtimpedanz von Elektrodenkabeln, 2 Elektroden und Agarphantom als Maß für das frequenzabhängige Amplituden- und Phasenverhalten der Impedanz bestimmt wurde.

    Die Messung wurde pro Manschette/Elektrodenart drei Mal wiederholt und für fünf gleiche Elektrodenmanschetten und drei TENS-Elektrodenpaare durchgeführt.

    Auswertung

    Die Auswertung der Schwellenbestimmung erfolgte analog zur Parameterstudie mit TENS-Elektroden. Die Ergebnisse der Impedanzanalyse in Betrag und Phase wurden als (doppelt)logarithmische vergleichende Linienplots dargestellt.

    Ergebnisse

    Parameterstudie mit TENS-Elektroden – Schwellenbestimmung

    Gewöhnungsmessung: ➥ Abbildung 3a zeigt die Verteilungen der absoluten Wahrnehmungs-, Aufmerksamkeits- und Intoleranzschwelle über die Studiengruppe an Elektrodenposition 3. Wahrnehmungs-, Aufmerksamkeits- und Intoleranzschwellen zeigen deutliche Unterschiede zueinander (s. Abb. 3a). Die absolute Häufigkeitsverteilung der qualitativen Wahrnehmung der Studiengruppe (Abb. 3b) zeigt, dass die Empfindung „Klopfen“ bei der Wahrnehmungs- und Aufmerksamkeitsschwelle am meisten auftrat (86–88 %). Die übrigen Probanden zeigten die qualitativen Wahrnehmungen: Stechen (1 %), Muskelzucken (1–5 %), Kitzeln (1–9 %) und Zwicken (2–4 %). An der Intoleranzschwelle stellte Muskelzucken die häufigste Wahrnehmung (43 %) dar. Weitere qualitative Wahrnehmungen waren Klopfen (14 %), Kratzen (1 %), Stechen (20 %), Zwicken (15 %) und Quetschen (1 %). Die Verteilungen der örtlichen Wahrnehmungen (Abb. 3c) an den 3 Schwellen zeigen „An der unteren Elektrode“ als häufigste örtliche Wahrnehmung (40–49 %). Die anderen aufgetretenen örtlichen Wahrnehmungen: „Zwischen den Elektroden“ (27–37 %), „An beiden Elektroden“ (1–9 %), „An der oberen Elektrode“ (14–16 %) und „Über Elektrode hinaus verteilt“ (1 %) zeigen, dass die elektrische Stimulation in der Nähe des Stimulationsortes wahrgenommen wird.

    Neben der Gewöhnungsmessung wurde die Schwellwertbestimmung an Elektrodenpaar 3 (Elektrodengröße 25×40 mm, tp = 150 µs) im Versuchsverlauf noch vier Mal wiederholt, wobei sich keine Hinweise für signifikante Veränderungen der Schwellen über den Versuchsverlauf ergeben haben.

    Die relativen Schwellen bezeichnen die absoluten Wahrnehmungs-, Aufmerksamkeits- und Intoleranzschwellen normiert auf die individuellen Wahrnehmungsschwellen der Gewöhnungsmessung. Die relativen Schwellen können als Vielfache der individuellen Wahrnehmungsschwellen der Gewöhnungsmessung interpretiert werden.

    Pulsbreite: Die relativen Wahrnehmungsschwellen sanken von 4,86 (4,39–5,35) bei 20 µs auf 0,26 (0,23–0,29) bei 2000 µs, entsprechend die relativen Aufmerksamkeitsschwellen von 6,17 (5,15–7,02) auf 0,67 (0,45–0,83) und die relativen Intoleranzschwellen von 8,06 (6,83–8,93) auf 1,40 (1,00–2,06). Für alle 3 Schwellen konnte ein nichtlinearer Abfall mit steigender Pulsbreite beobachtet werden.

    Elektrodengröße: Die relativen Wahrnehmungsschwellen steigen von 0,80 (0,71–0,89) bei 15×15 mm zu 1,20 (1,10–1,36) bei 40×40 mm. Für die relative Aufmerksamkeits- und Intoleranzschwellen haben sich keine Unterschiede für verschiedene Elektrodengrößen gezeigt.

    Für die Gewöhnungsmessung, die Wiederholungen der Schwellwertbestimmung, die Pulsbreiten- und die Elektrodengrößenmessungen zeigte sich während der Wahrnehmungs- und Aufmerksamkeitsschwelle die qualitative Wahrnehmung „Klopfen“ (77–91 %) als häufigste Wahrnehmung. Für die Intoleranzschwelle waren es „Muskelzucken“ (39–44 %) gefolgt von „Zwicken“ (15–28 %) und „Stechen“ (11–22 %). Die örtliche Wahrnehmung konzentrierte sich auf den Bereich an oder um die Elektroden.

    Elektrodenposition: Für die relativen Wahrnehmungs- und Aufmerksamkeitsschwellen konnte kein Unterschied zwischen den Elektrodenpositionen festgestellt werden. Für die relative Intoleranzschwelle war der Median für die lateralen Elektrodenpositionen 2 bis 5 (jeweils 4,12; 3,9; 4,05; 3,57) größer als für die medialen Elektrodenpositionen 1 und 6 bis 8 (jeweils 3,42; 3,33; 3,05; 2,73). Als häufigste qualitative Wahrnehmung trat „Klopfen“ an der Wahrnehmungs- und Aufmerksamkeitsschwelle auf (44–91 %). Allerdings zeigte sich bereits an der Wahrnehmungsschwelle ein häufigeres Auftreten von „Muskelzucken“ (0–12 %) an den medialen Elektrodenpositionen 1 und 6 bis 8 im Gegensatz zu den lateralen 2 bis 5 (0–1 %). Dies trat ebenfalls an der Wahrnehmungsschwelle auf: medial (10–38 %) vs. lateral (0–7 %). An der Intoleranzschwelle trat die qualitative Wahrnehmung „Muskelzucken“ (40–58 %) am häufigsten auf, gefolgt von „Zwicken“ (4–19 %) und Stechen (2–20 %). Aufgrund des Muskelzuckens an Wahrnehmungs- und Aufmerksamkeitsschwelle (Abbruch der Messreihe, s. Versuchsdurchführung der Parameterstudie mit TENS-Elektroden) wurden an medialen Elektrodenpositionen 1 und 6 bis 8 in 14–51 % der Fälle und an lateralen Elektrodenpositionen 2 bis 5 in 1–9 % der Fälle die Intoleranzschwellen nicht mehr bestimmt.

    Abb. 3:  Gewöhnungsmessung: (a) Wahrnehmungs-, Aufmerksamkeits- und Intoleranzschwellen der 81 Probanden in mA, (b) absolute Häufigkeitsverteilung der qualitativen Wahrnehmungen an den 3 Schwellen, (c) absolute Häufigkeitsverteilung der örtlichen Wahrnehmungen an den 3 SchwellenFig. 3: Adaptation measurement: (a) Perception, attention and intolerance threshold of 81 participants in mA, (b) Absolute frequency distribution of qualitative perceptions at the three thresholds, (c) Absolute frequency distribution of spatial perceptions at the three thresholds

    Abb. 3: Gewöhnungsmessung: (a) Wahrnehmungs-, Aufmerksamkeits- und Intoleranzschwellen der 81 Probanden in mA, (b) absolute Häufigkeitsverteilung der qualitativen Wahrnehmungen an den 3 Schwellen, (c) absolute Häufigkeitsverteilung der örtlichen Wahrnehmungen an den 3 Schwellen
    Fig. 3: Adaptation measurement: (a) Perception, attention and intolerance threshold of 81 participants in mA, (b) Absolute frequency distribution of qualitative perceptions at the three thresholds, (c) Absolute frequency distribution of spatial perceptions at the three thresholds

    Manschette mit textilen Elektroden

    Elektrische Signale zur Warnung in Gefahrensituationen sollen künftig durch körpernah getragene Textilien, z. B. Oberarmmanschetten, aufgebracht werden. Hierzu wurden verschiedene Manschettentypen entwickelt, konzipiert und getestet. Untersucht wurde die Eignung verschiedener Trägermaterialien und Textilelektroden im Hinblick auf Passfähigkeit, Tragekomfort, elektrischer Leitfähigkeit, Gleichstromwiderstand sowie das zugelastische Verhalten der Materialien.

    Manschettenaufbau – Funktionsmuster

    Im Ergebnis der Entwicklung entstanden 5 identische Manschetten als Funktionsmuster, die im Rahmen der Vergleichsstudie (s. Vergleich TENS versus textile Elektroden) getestet und mit TENS-Elektroden verglichen wurden (s. Abb. 2).

    Die textilen Manschetten bestehen aus einem Gestrick mit elektrisch leitfähiger Fläche und elektrisch leitfähiger Polymerbeschichtung. Die Positionen der Elektrodenflächen wurden auf Basis der Erkenntnisse der Versuche mit TENS-Elektroden so auf der Fläche des Trägermaterials verteilt, dass annähernd die gleichen Oberarmregionen stimuliert werden können, wie in der Parameterstudie. In diesem Zusammenhang wurden drei verschiedene Größen der Manschette (Anpassung an unterschiedliche Oberarmumfänge) entwickelt. Um aus den Maschenwaren mit leitfähigen Bereichen Elektrodenflächen mit Kontaktierung aufzubauen, wurden Druckknöpfe integriert (bestehend aus 46 % Cu, 10 % Zn, 42 % Sn). Die Elektroden wurden mit einer Polymerbeschichtung (Silikonverbindungen) abgedeckt.

    Trägermaterial

    Das Trägermaterial einschließlich der leitfähigen Bereiche wird beim Anlegen und Tragen der Manschette gedehnt, um den benötigten Kontakt zur Haut zu erzeugen. Weisen die Materialien eine zu geringe Dehnsteifigkeit auf (getestet wurden unterschiedliche Maschenwaren), ist bei dauerhafter Nutzung mit einem „Ausleiern“ zu rechnen. Mit einem Gestrick (mit eingestrickten leitfähigen Bereichen) wurde eine Variante gefunden, die bei dauerhafter Nutzung der Manschette ein angenehmes Trageempfinden erzeugt und gleichzeitig auch den benötigten Druck realisieren kann.

    Da die signifikante Belastung in Armumfangsrichtung auftritt, erfolgte die Ermittlung der Dehnsteifigkeit in dieser Materialrichtung (Maschenstäbchen – MS), wie sie beim Manschettenaufbau zur Anwendung kommt. Zwischen Gestrick und Gewirke sind dabei erhebliche Unterschiede zu erkennen. Das Gestrick muss zur Erzeugung des benötigten Druckes (ca. 15 ± 2 mmHg) deutlich weniger gedehnt werden, so dass eine stabile Positionierung am Arm besser gewährleistet werden kann.

    Gleichstromwiderstand der Materialien

    Zur Charakterisierung der Textilelektroden wurde an vier Funktionsmustern mit jeweils sechs Elektroden der Gleichstromwiderstand über einem Zeitraum von 2 Minuten gemessen. Das Messintervall betrug 1 Sekunde. Es zeigten sich deutliche Unterschiede des Gleichstromwiderstandes an den einzelnen Elektroden (Schwankungsbereich 46–121 Ohm). Die Ursachen hierfür lassen sich momentan nur vermuten und können einerseits aus einer unterschiedlichen Beschichtungsmenge und der damit verbundenen Dicke resultieren. Andererseits können Schwankungen durch das manuelle Einbringen der Druckknöpfe entstehen. Die Vorgänge zur Kontaktierung erfolgten in der Entwicklungsphase der Funktionsmuster mit unzureichender Reproduzierbarkeit. Dies soll im Rahmen der Weiterentwicklung verbessert werden.

    Die Testung des Gleichstromwiderstandes für das elektrisch leitfähige Gestrick nach mehrzyklischer Belastung bei Zug wies im gespannten Zustand unabhängig von der Zyklenzahl einen um ca. 2 Ohm größeren Gleichstromwiderstand auf.

    Vergleich TENS versus textile Elektroden

    Schwellenbestimmung

    Beim Vergleich der Schwellen (➥ Abb. 4) sowie der qualitativen und örtlichen Wahrnehmung zwischen TENS und textilen Elektroden konnten keine Hinweise für systematische Unterschiede gefunden werden. Die Werte und Verteilungen der qualitativen und örtlichen Wahrnehmung sind vergleichbar zur Parameterstudie mit TENS-Elektroden.

    Impedanzanalyse

    ➥ Abbildung 5 zeigt exemplarisch den Betrag der Impedanz in Abhängigkeit der Frequenz für das TENS-Elektrodenpaar 1 und die korrespondierenden Elektrodenpaare 1 der fünf textilen Manschetten. Die Gesamtimpedanz der textilen Manschetten zeigt sich insbesondere im Bereich der höheren Frequenzen gegenüber denen der TENS-Elektroden erhöht.

    Abb. 4:  Vergleich der Schwellen der TENS-Elektroden mit den textilen Manschetten für Elektrodenpaar 1 (n = 30 Probanden): (a) Wahrnehmungs- (b) Aufmerksamkeits- und (c) IntoleranzschwelleFig. 4: Comparison of the thresholds of TENS electrodes vs. textile cuff electrodes for electrode pair 1 (n=30 participants): (a) Perception, (b) Attention and (c) Intolerance threshold

    Abb. 4: Vergleich der Schwellen der TENS-Elektroden mit den textilen Manschetten für Elektrodenpaar 1 (n = 30 Probanden): (a) Wahrnehmungs- (b) Aufmerksamkeits- und (c) Intoleranzschwelle
    Fig. 4: Comparison of the thresholds of TENS electrodes vs. textile cuff electrodes for electrode pair 1 (n=30 participants): (a) Perception, (b) Attention and (c) Intolerance threshold

    Diskussion

    Parameterstudie mit TENS-Elektroden

    Schwellenbestimmung

    Mit dem Ziel praktische Parametersätze für ein elektrisches Warnsystem abzuleiten, wurden die Wahrnehmungs-, Aufmerksamkeits- und Intoleranzschwellen für verschiedene Pulsbreiten, Elektrodengrößen und Elektrodenpositionen bestimmt. Alle drei Schwellwerte zeigten Stabilität über den Messverlauf (2,5 h) am Elektrodenpaar 3. Es ist anzunehmen, dass die Schwellen an den anderen Elektrodenpaaren ähnliche Stabilitätseigenschaften aufweisen.

    Pulsbreite: Der nichtlineare Abfall mit steigender Pulsbreite spiegelt die Annahme (Sang et al, 2003) wider, dass eine gleiche Ladungsmenge (Stromamplitude × Zeit) notwendig ist, um eine elektrische Stimulation mit gleicher Intensität wahrzunehmen. Der Abstand zwischen Aufmerksamkeits- und Intoleranzschwelle, der als Arbeitsbereich für ein elektrisches Warnsystem angesehen werden kann, ist kleiner für höhere Pulsbreiten, weshalb diese weniger für ein Warnsystem geeignet sind. Im Gegensatz übersteigen sehr kurze Pulsbreiten manchmal das geplante obere Limit von 25 mA. Deshalb scheinen Pulsbreiten zwischen 150 und 250 µs zweckmäßig und entsprechend wird tp = 150 µs als Standardwert für zukünftige Experimente ausgewählt.

    Elektrodengröße: Während die Wahrnehmungsschwelle einen leichten Anstieg mit steigender Elektrodengröße gezeigt hat, hingen die anderen beiden Schwellen nicht von der Elektrodengröße ab. Davon ausgehend, dass ein zukünftiges Warnsystem im Bereich zwischen Aufmerksamkeits- und Intoleranzschwelle arbeitet, können Elektrodengrößen zwischen 15 × 15 mm und 40 × 40 mm für zukünftige Studien in Betracht gezogen werden.

    Elektrodenposition: Die Elektrodenposition besaß keinen Einfluss auf die Wahrnehmungs- und die Aufmerksamkeitsschwellen. Die Intoleranzschwelle war an den lateralen Elektrodenpositionen 2 bis 5 größer als an den medialen 1 und 6 bis 8. Allerdings wurden die Messreihen gestoppt, sobald sichtbares Muskelzucken aufgetreten ist, was heißt, dass die Intoleranzschwelle nicht in allen Fällen erreicht wurde. Die entsprechenden Probanden berichteten, dass ihre Intoleranzschwelle noch nicht erreicht war und sich das leicht sichtbare Muskelzucken nicht unangenehm anfühlte. Daraus folgt, dass für zukünftige Studien leichtes Muskelzucken akzeptierbar für ein elektrisches Warnsystem sein könnte.

    Über alle Experimente zeigte sich für die Wahrnehmungs- und Aufmerksamkeitsschwelle „Klopfen“ (44–91 %) als häufigste qualitative Wahrnehmung. An der Intoleranzschwelle waren es „Muskelzucken“ (32–58 %), „Stechen“ und „Zwicken“ (15–28 %). Diese Stabilität der qualitativen Wahrnehmungen ist für die zukünftige Entwicklung eines elektrischen Warnsystems von Vorteil, da es die einfache Einweisung neuer Nutzer ermöglicht. Muskelzucken konnte in unserer Studie nicht komplett verhindert werden. In zukünftigen Studien sollte untersucht werden, ob leichtes Muskelzucken ein Problem für zu warnende Personen während ihrer Tätigkeiten darstellt. Muskelzucken trat am häufigsten an den medialen Positionen 1 und 6 bis 8 an allen Schwellen auf. Wenn Muskelzucken vermieden werden soll, sollten die Elektroden vorrangig an den lateralen Elektrodenpositionen 2 bis 5 platziert werden.

    Folgende Limitationen sind für diese Studie relevant: Die Altersabhängigkeit wurde in dieser Studie nicht untersucht, da die Mehrheit (79 %) der Studiengruppe aus der Altersgruppe zwischen 20 und 30 Jahren kommt. Für zukünftige Studien sollte versucht werden, eine gleichmäßige Verteilung im Bereich zwischen 18 bis 67 Jahren zu realisieren. Hinsichtlich des Geschlechts konnten keine Hinweise für Unterschiede in den Schwellwerten gefunden werden. Allerdings waren die Geschlechtergruppen nicht gleich verteilt (m = 52, w = 29), so dass dieses Ergebnis in Folgestudien verifiziert werden sollte.

    Abb. 5:  Betrag der Impedanz für die 5 textilen Manschetten (Kürzel: BIII, BIV, CI, CIII, CIV) im Vergleich zu TENS-Elektroden für das Elektrodenpaar 1Fig. 5: Magnitude of impedance for the five textile cuffs (Tokens: BIII, BIV, CI, CIII, CIV) in comparison to TENS electrodes for electrode pair 1

    Abb. 5: Betrag der Impedanz für die 5 textilen Manschetten (Kürzel: BIII, BIV, CI, CIII, CIV) im Vergleich zu TENS-Elektroden für das Elektrodenpaar 1
    Fig. 5: Magnitude of impedance for the five textile cuffs (Tokens: BIII, BIV, CI, CIII, CIV) in comparison to TENS electrodes for electrode pair 1

    Manschette mit textilen Elektroden

    Die Entwicklung und Testung von weiteren textilen Funktionsmustern ist einer der Schwerpunkte in den laufenden Fortsetzungsstudien. Die Entwicklungsarbeiten sollen sich vor allem darauf fokussieren, reproduzierbare Messergebnisse an einer Person bei einem wiederholten Anlegen der Funktionsmuster zu erreichen. Außerdem ist es wesentlich, die Vielfalt menschlicher Oberarmformen mit einer vertretbaren Anzahl von Manschetten ausstatten zu können, die eine sichere Signalübertragung gewährleisten. Für die Wahrnehmung des elektrischen Signals auf der Haut sind die Positionierung der Elektrodenflächen, der Anpressdruck und das Übergangsmedium von Bedeutung. Bei richtiger Kombination dieser Merkmale kann ein erkennbares, schmerzfreies elektrisches Signal entwickelt werden. Der Kontakt zur Haut wird durch den Anpressdruck, der aus der Weiteneinstellung beim Anlegen der Manschette resultiert, beeinflusst. Unterschiedliche Anteile an Fett- und Muskelgewebe der Versuchspersonen können bei gleicher Weiteneinstellung (Untermaß zum Oberarmumfang) zu einer unterschiedlichen Signalwahrnehmung führen. Es ist deshalb erforderlich, den Anpressdruck beim Anlegen der Manschette zu kontrollieren (Ergebnis aus Voruntersuchungen ca. 15 ± 2 mmHg). Während der Tragedauer befindet sich die Manschette, insbesondere der Gestrickanteil der Gesamtkonstruktion, in einem anhaltend gedehnten Zustand. Durch ein ungünstiges Relaxationsverhalten kann der Anpressdruck während der Tragezeit durch die arbeitsbedingte Muskelan- und -entspannung beeinflusst werden. Die Berücksichtigung des Materialverhaltens beim Aufbau der textilen Funktionsmuster ist deshalb entscheidend. Hierzu sind weitere grundlegende Untersuchungen erforderlich. Anhand der Ergebnisse muss entschieden werden, ob eine dauerhafte Drucküberwachung erforderlich ist.

    Weiterhin müssen die weiterzuentwickelnden Manschetten unter unterschiedlichen klimatischen Einsatzszenarien auf ihre Tauglichkeit (z. B. Schweißentwicklung und Feuchtigkeitsstau unterhalb der Manschette) getestet werden. Auf diese Weise soll geklärt werden, ob sich die aktuell verwendeten Materialien für das breite geplante Einsatzspektrum eines Personenwarnsystems prinzipiell eignen. Auch muss die aktuelle Druckknopflösung zur Anbindung der Textilelektroden an die Steuereinheit weiter optimiert werden. Perspektivisch soll hier eine alternative Möglichkeit der Kontaktierung erarbeitet werden.

    Vergleich TENS versus textile Elektroden

    Die Ergebnisse im Rahmen der Schwellenbestimmung sowie der qualitativen und örtlichen Wahrnehmung liefern den Hinweis, dass die Ergebnisse der Parameterstudie mit 81 Probanden auf die Folgestudien mit textilen Manschetten übertragen werden können und somit die Basis für Folgestudien darstellen.

    Die erhöhte Impedanz der textilen Elektroden gegenüber den TENS-Elektroden erklärt nur teilweise die Problematik, dass es bei textilen Elektroden aufgrund einer erhöhten Übergangsimpedanz zu notwendigen Spannungen > 100 V (Grenzwert des Stromstimulators DS5) kommt. Eine weitere mögliche Erklärung ist, dass sich der galvanische Kontakt zwischen Haut und Elektrode bei den TENS-Elektroden (klebendes Gel) im Vergleich zu den textilen Elektroden (rußgefülltes Silikon) besser ausprägt und dadurch die Übergangsimpedanz Elektrode – Haut für TENS-Elektroden geringer ist. Beim experimentellen Aufbau mit dem Agarphantom bestand dieses Problem nicht, da das Phantom eine dünne feuchte leitfähige Schicht ausbildet. Zusätzlich war das Ziel der Messung die Evaluierung der Impedanzen der Elektroden mit einem Material, das einen möglichst frequenzunabhängigen elektrischen Widerstand zeigt, d. h. keine wesentlichen kapazitiven Eigenschaften wie es an der menschlichen Haut der Fall ist.

    Schlussfolgerungen

    In der Parameterstudie mit 81 Versuchspersonen konnten praktische Parametersätze für ein elektrisches Warnsystem abgeleitet werden. Für die nächsten Studien wird eine Pulsbreite tp = 150 µs, eine Elektrodengröße zwischen 15 × 15 mm und 40 × 40 mm und zur Vermeidung von Muskelzucken die Applikation des Stimulationssignals an lateralen Elektrodenpositionen empfohlen. Die bisherigen Ergebnisse beruhen auf der Stromstimulation des rechten Oberarms im entspannten Zustand.

    Im Hinblick auf die Praxistauglichkeit des angedachten neuartigen Personenwarnsystems muss deren Einsatzfähigkeit auch unter realen Arbeitsbedingungen überprüft werden. In zukünftigen Studien sollen daher die Schwellen auch in Abhängigkeit unterschiedlicher Arbeitsbedingungen bestimmt werden. Hierzu zählen u.a. die Handhabung vibrierender Arbeitsgeräte, das Arbeiten in Körperzwangshaltungen und Körperbewegungen. Zudem soll in der Fortsetzungsstudie der Einfluss unterschiedlicher klimatischer Bedingungen auf die Wahrnehmungsschwellen mit Hilfe einer Klimakammer untersucht werden. In dieser Kammer können Probanden verschiedenen Klimafaktoren unter standardisierten Versuchsbedingungen (Hitze, Kälte, Luftfeuchte, IR-Strahlung) ausgesetzt werden. Zusätzlich sollen mögliche Zusammenhänge zwischen Alter, Geschlecht sowie individuellen Hauteigenschaften und Schwellwerten untersucht werden. Diese zukünftigen Studien werden ebenfalls evaluieren, inwieweit Muskelzucken während der Tätigkeit für die zu warnenden Personen ein Problem darstellt. Zu diesem Zweck soll die Rekrutierung der Muskelfasern evaluiert werden, um die Stärke des Muskelzuckens zu quantifizieren (Vargas Luna et al. 2015). Für die Gestaltung eines Warnsignals sollen unterschiedliche räumlich-zeitliche Stimulationsmuster an einer Studiengruppe hinsichtlich ihrer wahrgenommenen Dringlichkeit, Aufmerksamkeitserregung und Komfort untersucht werden.

    Der Vergleich der TENS-Elektroden mit den textilen Manschetten hat den Hinweis für die Übertragbarkeit der Ergebnisse der Parameterstudie auf Folgestudien mit textilen Manschetten gegeben, da keine Unterschiede hinsichtlich Schwellen sowie qualitativer und örtlicher Wahrnehmung gefunden werden konnten. Die Impedanzanalyse der Elektroden am Agarphantom zeigte eine um den eher geringen Faktor 1,5–3,0 erhöhte Impedanz der textilen Elektroden gegenüber den TENS-Elektroden. Für die Weiterentwicklung der textilen Elektrodenmanschetten liegt der Fokus daher auf der Verbesserung der Kontaktierung zur Haut, um die Übergangsimpedanz zwischen Elektrode und Haut zu optimieren.

    Förderung: Die Arbeiten wurden durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft unterstützt (Ha 2899/23-2, DFG-KR3487 und DFG-SCHM1681).

    Beitrag der Autoren zum Manuskript: EMD – Manuskripterstellung, Datenauswertung Parameterstudie, Studiendesign Vergleich TENS vs. Textile Manschette und Impedanzspektroskopie, Manuskriptüberarbeitung; SL – Messaufbau und Studiendesign Parameterstudie, Manuskriptüberarbeitung; DG – Manuskripterstellung, Entwicklung Textile Manschetten, Manuskriptüberarbeitung; EH – Entwicklung Textile Manschetten, Manuskriptüberarbeitung; SK – Fachliche Diskussion/Beratung Entwicklung Textile Manschetten, Manuskriptüberarbeitung; MS – Fachliche Diskussion/Beratung Parameterstudie und Entwicklung Textile Manschetten, Manuskriptüberarbeitung; JH – Fachliche Diskussion/Beratung Parameterstudie, Vergleichsstudie TENS vs. Textile Manschetten, Impedanzsspektroskopie, Manuskriptüberarbeitung.

    Interessenkonflikt: Die Autorinnen und Autoren geben an, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.

    Literatur

    DIN 53835-T14: Prüfung von Textilien – Prüfung des zugelastischen Verhaltens Maschenwaren, einmalige Zugbeanspruchung zwischen zwei Kraftgrenzen. Berlin: Beuth, 1992.

    DIN EN 842:1996+A1: Safety of machinery, visual danger signals, general requirements, design and testing. Berlin: Beuth, 2009.

    DIN EN 16812: Textilien und textile Erzeugnisse – Elektrisch leitfähige Textilien – Bestimmung des linearen elektrischen Widerstands von Leiterbahnen. Berlin: Beuth, 2016.

    DIN EN ISO 7731: Ergonomie – Gefahrensignale für öffentliche Bereiche und Arbeitsstätten – Akustische Gefahrensignale. Berlin: Beuth, 2008.

    DIN EN ISO 20471: Hochsichtbare Warnkleidung – Prüfverfahren und Anforderungen. Berlin: Beuth, 2017

    Hughes N, Bennett MI: An investigation into the magnitude of the current window and perception of transcutaneous electrical nerve stimulation (TENS) sensation at various frequencies and body sites in healthy human participants. Clin J Pain. 2017; 29: 146–153.

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    Peerdeman B, Boere D, Witteveen H, Veld R, Hermens H, Stramigioli S, Rietman J, Veltink P, Misra S: Myoelectric forearm prostheses: State of the art from a user-centered perspective. J Rehab Res Develop 2011; 48: 719–737.

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    Stewart AM, Pretty CG, Chen XQ: An evaluation of the effect of stimulation parameters and electrode type on bicep muscle response for a voltage-controlled functional electrical stimulator. IFAC-PapersOnLine 2017; 50: 15109–15114.

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    Vargas Luna JL, Krenn M, Mayr W, Cortés RJA: Optimization of interphase intervals to enhance the evoked muscular responses of transcutaneous neuromuscular electrical stimulation. Artificial Organs 2017; 41: 1145–1152.

    Kontakt

    Dr.-Ing. Eva-Maria Dölker
    Technische Universität Ilmenau
    Institut für Biomedizinische Technik und Informatik, Bionikgebäude
    Gustav-Kirchhoff Str. 2, 98693 Ilmenau
    eva-maria.doelker@tu-ilmenau.de