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Aktuelle Stellungnahmen zur Thematik Impfungen und Impfpflicht

Stellungnahme „Impfen als Pflicht“

Impfpflicht für Angehörige von Gesundheitsberufen? Das ist hier die Frage, und der Deutsche Ethikrat hat sich dieser Frage angenommen. Weil Menschen in Gesundheits-, Sozial- und Bildungsberufen besonders viele Menschen infizieren können, sollte die Weigerung, sich zu impfen, mit Tätigkeitsverboten sanktioniert werden können, betont der Ethikrat.

Tatsächlich sind die niedrigen Impfraten in Praxen und Kliniken ein großes Problem, insbesondere, wenn das Prozedere bei Influenza-Impfungen betrachtet wird. Nach Umfragen vor zwei Jahren waren beispielsweise nur 61 Prozent der Klinikärzte geimpft. Beim Pflegepersonal waren es sogar nur 33 Prozent. Nach den Befragungen misstrauen viele in der Klinik den Impfempfehlungen, zweifeln am Nutzen des Impfstoffs oder haben die unbegründete Angst, dass sie durch die Impfung selbst an Grippe erkranken könnten. Ob Impfen oder nicht, ohne bessere Aufklärung werden sich Impfungen auch bei medizinischem Personal nicht durchsetzen lassen!

Vorschläge zur Erhöhung der Masernimpfquote statt allgemeiner Impfpflicht

In seiner im Mai in Berlin veröffentlichten Stellungnahme „Impfen als Pflicht?“ begründet der Deutsche Ethikrat eine allgemeine moralische Pflicht, sich selbst und die eigenen Kinder gegen Masern impfen zu lassen. Die Einführung einer gesetzlichen Masernimpfpflicht empfiehlt er nur für Berufsgruppen in besonderer Verantwortung, nicht hingegen für alle Erwachsenen oder Kinder.

Der Deutsche Ethikrat stellt fest, dass es keine reine Privatangelegenheit ist, ob sich eine Person gegen eine hoch ansteckende Infektionskrankheit wie Masern impfen lässt. In jeder Gesellschaft gebe es besonders schutzbedürftige Menschen, die etwa aus medizinischen Gründen selbst nicht gegen Masern geimpft werden können, bei denen die Erkrankung jedoch einen besonders schweren Verlauf nehmen kann.

Diese Menschen könnten nur dadurch vor Ansteckung geschützt werden, dass ein hinreichend hoher Anteil der Bevölkerung gegen Masern geimpft ist. Hinzu komme der Aspekt der generationenübergreifenden Verantwortung, da die Masern zu den Krankheiten zählen, die sich durch weltweit koordinierte Anstrengungen gänzlich ausrotten lassen. Da die Masernimpfung hochwirksam und sehr gut verträglich ist, ist nach Ansicht des Deutschen Ethikrates jede Person „moralisch verpflichtet“, sich selbst gegen Masern impfen zu lassen und gegebenenfalls auch für einen entsprechenden Impfschutz der eigenen Kinder zu sorgen.

Aus dem Bestehen dieser moralischen Pflicht zur Masernimpfung folge allerdings nicht unmittelbar, dass sich auch die Einführung einer gesetzlichen, letztlich mit staatlichen Zwangsmaßnahmen durchzusetzenden Verpflichtung rechtfertigen lässt, so der Ethikrat. Vielmehr sei zu prüfen, ob und für wen eine solche Rechtspflicht geeignet, erforderlich und verhältnismäßig ist, um das Ziel einer Erhöhung der Impfquote zu erreichen. „Im Fall der vieldiskutierten Impfpflicht für Kleinkinder in Tagesbetreuung und für Schulkinder führt diese Prüfung zum Schluss, dass in Anbetracht der in diesen Altersgruppen insgesamt hohen Impfquoten eine generelle staatliche Impfpflicht nicht gerechtfertigt ist. Zu empfehlen ist hingegen eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes, die eine bessere Erfassung nicht geimpfter Kinder, eine intensivierte Beratung der Eltern und Impfaktionen in den Einrichtungen selbst ermöglicht“, so der Ethikrat. Ausschlüsse aus Bildungs- und Erziehungseinrichtungen sollten nur in individuell begründeten Ausnahmefällen möglich sein. Zusätzlich sei die verhältnismäßig große Gruppe der ungeimpften Erwachsenen verstärkt in den Blick zu nehmen. Sie sollte dringend mit speziellen Aufklärungs- und Impfkampagnen angesprochen werden.

Mit Ausnahme eines Ratsmitglieds, das sich in einem Sondervotum gegen jede Form einer staatlichen Impfpflicht ausspricht, hält es der Deutsche Ethikrat im Übrigen sehr wohl für gerechtfertigt und geboten, eine mit Tätigkeitsverboten sanktionierbare Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen in besonderer Verantwortung einzuführen. Dies betreffe in erster Linie Personal im Gesundheits-, Sozial- und Bildungswesen, das aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit Infektionen mit erhöhter Wahrscheinlichkeit weitergeben kann.

Flankierend empfiehlt der Deutsche Ethikrat eine Reihe weiterer Maßnahmen zur Erleichterung des Zugangs zu Impfungen wie den Einsatz von Impf-Erinnerungssystemen in Arztpraxen und zur Aufklärung der Bevölkerung über die großen mit Impfungen verbundenen Chancen und ihre geringen Risiken. Erst wenn diese Maßnahmen nicht den gewünschten Erfolg zeigten oder sich die Gefahrenlage durch um sich greifende Masernepidemien erheblich verändern würde, wären verpflichtende und sanktionierende Regelungen für weitere Bevölkerungsgruppen in Erwägung zu ziehen.

Diskussionspapier „Gemeinsam Schutz aufbauen“

Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina und die Akademie der Wissenschaften in Hamburg haben im Juni 2019 zu den Themen Impfungen, Impfberatung und Impfpflicht das Diskussionspapier „Gemeinsam Schutz aufbauen“ veröffentlicht, dass insbesondere verhaltenswissenschaftliche Optionen zur stärkeren Inanspruchnahme von Schutzimpfungen aufzeigt.

In diesem Diskussionspapier wird festgestellt, dass Schutzimpfungen die beste Strategie sind, um eine Ansteckung mit schwerwiegenden Infektionskrankheiten zu verhindern. Sie haben weltweit zur Eindämmung von übertragbaren Erkrankungen beigetragen. Die meisten Menschen haben ein hohes Vertrauen in die Sicherheit und Wirksamkeit von Schutzimpfungen. Nur ein kleiner Teil der Bevölkerung nimmt aus sehr unterschiedlichen Gründen Impfungen nicht oder nur unvollständig in Anspruch. Die Autorinnen und Autoren des Diskussionspapiers machen darauf aufmerksam, dass Maßnahmen ergriffen werden müssen, die das Vertrauen in Schutzimpfungen und deren Inanspruchnahme erhöhen.

Konkret benennen sie folgende Handlungsoptionen, die auch unabhängig von der möglichen Einführung einer Impfpflicht zeitnah umgesetzt werden sollten:

Entscheidungen für Schutzimpfungen unterstützen: Die Gründe, warum Schutzimpfungen genutzt oder nicht genutzt werden, müssen weiterhin dauerhaft erfasst und untersucht werden. Die Erkenntnisse über diese Gründe aus den Sozial- und Verhaltenswissenschaften sollten genutzt werden, um den individuellen Entscheidungsprozess durch unabhängiges Informationsmaterial, vertrauensbildende Maßnahmen und den Abbau von praktischen Barrieren zu unterstützen.

Angebote für Schutzimpfungen an die Lebensgewohnheiten der Menschen anpassen: Der Zugang zu Schutzimpfungen könnte zum Beispiel durch Angebote an leicht erreichbaren Orten wie am Arbeitsplatz und zu günstigen Zeiten, etwa am Wochenende, vereinfacht werden. Impfungen sollten bei jedem Arzttermin, gleich welcher Fachrichtung, ermöglicht werden. Durch Erinnerungssysteme könnte die Zahl der verpassten Termine für Impfungen und Auffrischungen gesenkt werden.

Kommunikation über den Gemeinschaftsschutz stärken: Fast jede Schutzimpfung trägt auch zum Schutz derjenigen Menschen bei, die nicht geimpft werden können, weil sie für die Impfung noch zu jung sind oder gesundheitliche Gründe dagegen sprechen. Bei älteren Menschen ist die Wirksamkeit von Impfungen zudem zuweilen eingeschränkt. Dieser soziale Nutzen des Gemeinschaftsschutzes sollte in der Kommunikation über Schutzimpfungen verstärkt aufgegriffen werden.

Gemeinsam die Verantwortung für den Gemeinschaftsschutz wahrnehmen: Die Bedeutung des Gemeinschaftsschutzes wird dadurch verstärkt, dass sichtbare Gruppen ihre Verantwortung für andere konkret zeigen, etwa, wenn Beschäftigte im Gesundheitswesen, Lehrkräfte und Personal in Gemeinschaftseinrichtungen routinemäßig geimpft sind. Gemeinschaftsaktionen zum Thema Gesundheit, bei denen Impfungen angeboten werden, können ebenfalls motivieren, zum Gemeinschaftsschutz beizutragen.

Ärztinnen und Ärzte sowie medizinisches Personal in der Kommunikation besser ausbilden: Für die meisten Menschen sind Ärztinnen und Ärzte der wichtigste Kontaktpunkt in gesundheitlichen Fragen. Daher sollten sie so aus-, weiter- und fortgebildet werden, dass sie Patientinnen und Patienten aktiv, verständlich und auf der Grundlage wissenschaftlicher einschließlich verhaltenswissenschaftlicher Erkenntnisse zu Schutzimpfungen beraten können.

Interessenkonflikt: Die Autorin gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.

    Info

    Zum Hintergrund

    Die Weltgesundheitsorganisation hat in diesem Jahr Impfskepsis zu einer der zehn größten weltweiten Bedrohungen für die Gesundheit erklärt.

    Erst im Mai hat sie zudem vor den fortdauernden Masernausbrüchen in der europäischen Region gewarnt, wo in 14 Monaten mehr als 100.000 Menschen erkrankten.

    In Deutschland ließe sich das Ziel einer dauerhaften Elimination der Masern nur erreichen, wenn es gelänge, die Impfquoten weiter zu steigern und insbesondere regionale Impflücken zu schließen.

    Seit einigen Monaten wird daher über die Einführung einer gesetzlichen Masernimpfpflicht diskutiert, für die inzwischen bereits ein Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit vorliegt. Der Deutsche Ethikrat hat sich schon Ende April mit einer Pressemitteilung zur laufenden Debatte geäußert und dabei vor allem die Dominanz der Forderungen nach einer Impfpflicht für Kinder kritisiert.

    Info

    Ärztetag unterstützt Impfpflicht gegen Masern

    Die von der Bundesregierung geplante Impfpflicht gegen Masern wird von der Ärzteschaft begrüßt und unterstützt. Das hat der 122. Deutsche Ärztetag in Münster am 31.05.2019 erklärt.

    Um das Ziel eines möglichst lückenlosen Impfschutzes der Bevölkerung zu erreichen, müsse aber nicht nur der Masernschutz, sondern der Impfschutz von Kindern und Erwachsenen insgesamt deutlich erhöht werden. Deshalb begrüßten die Abgeordneten des Ärztetages, dass künftig jeder Arzt berechtigt sein soll, Schutzimpfungen durchzuführen und Fachärztinnen und -ärzte bei Impfungen nicht an ihre Gebietsgrenzen gebunden sind. Als einen falschen Weg sieht der Ärztetag hingegen die vom Gesetzgeber geplante Regelung an, Grippeschutzimpfungen in Apotheken zu ermöglichen. Apotheker verfügten nicht über die hierfür notwendigen Kompetenzen, stellte der Ärztetag klar.

    Ferner forderten die Abgeordneten alle Krankenkassen auf, Verträge über die Durchführung von Schutzimpfungen durch Betriebsärzte sowie Ärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst nach § 132e SGB V abzuschließen, um Schutzimpfungen auch am Arbeitsplatz und in weiteren Lebensbereichen vornehmen zu können. In diesen Verträgen sei neben der Übernahme der Kosten des Impfstoffes eine angemessene Vergütung der ärztlichen Impfleistung zu regeln.

    Zudem forderte der Ärztetag alle Ärztinnen, Ärzte, Pflegende und in der Erziehung in Gemeinschaftseinrichtungen Tätigen auf, ihren Impfstatus zu überprüfen. Das Ärzteparlament vertritt die Auffassung, dass ein vollständiger Impfstatus Teil und Voraussetzung einer professionellen Berufsauffassung ist. Dies müsse durch entsprechende gesetzliche Regelungen sichergestellt werden.

    Weitere Infos

    Autorin

    Dr. med. Annegret Schoeller

    Bereichsleiterin

    Dezernat 1 Versorgung und Bevölkerungsmedizin

    Bundesärztekammer

    Herbert-Lewin-Platz 1

    10623 Berlin

    annegret.schoeller@baek.de

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