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Psychosomatische Sprechstunde  

PSIB – Psychosomatische ­Sprechstunde im Betrieb

Frühe betriebsnahe Hilfe für psychisch belastete Beschäftigte

PSIB – Company-based Psychotherapeutic Consultation: Early Support for Employees with Mental Health Problems

Kooperation zwischen Betrieb und externen Psychotherapeutinnen und -therapeuten

Durch Fehlzeiten und Präsentismus aufgrund psychischer und psychosomatischer Erkrankungen entstehen hohe direkte und indirekte Kosten für Unternehmen und die Sozialversicherungsträger (Evans-Lacko et al. 2016). Gleichzeitig spielen arbeitsplatzbezogene Stressoren in der Entstehung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen oft eine verursachende Rolle.

Eine psychosomatische Sprechstunde im Betrieb beinhaltet eine Kooperation zwischen Betrieben und externen Expertinnen und Experten für seelische Gesundheit. Durchgeführt wird die PSIB von ärztlichen und psychologischen Psychotherapeutinnen und -therapeuten. Betriebliche Akteurinnen und Akteure implementieren das Angebot, indem sie es bekannt machen und einen offenen Umgang mit psychischen Krisen fördern. Betriebsärztinnen und -ärzte können als erste Ansprechpersonen für Beschäftigte eine Schlüsselrolle einnehmen (Schröder et al. 2022; Rothermund et al. 2022). Essenziell für die Implementierung sind unter anderem Betriebsmedizinerinnen und -mediziner (Pößnecker et al. 2022). Diese äußern ein zunehmendes Interesse an Fort- und Weiterbildung in diesem Bereich; auch das Selbstbild attestiert eine Zuständigkeit bei der Prävention psychischer und psychosomatischer Erkrankungen in der Arbeitswelt (Rothermund et al. 2018).

Mehrwert einer Psychosomatischen Sprechstunde im Betrieb

Die Psychosomatische Sprechstunde kann im Betrieb durch Vernetzung mit dem Arbeitsschutz dazu beitragen, kritische Belastungs- und Beanspruchungskonstellationen frühzeitig sichtbar zu machen und Gegenmaßnahmen zu initiieren. Ein aufsuchendes, niederschwelliges Angebot erreicht erwerbstätige Menschen früher im Erkrankungsverlauf. Anhand zahlreicher Indikatoren wurde gezeigt, dass das betriebliche Angebot vorwiegend von Menschen mit einem Risikoprofil in Bezug auf arbeitsbezogene Faktoren (Burnout-Thematik, arbeitsbezogene Stressoren und selbst eingeschätzte Arbeitsfähigkeit) und klinische Parameter aufgesucht wurde (Rothermund et al. 2017).

Die Kernaspekte einer PSIB sind neben einer guten Vernetzung im Unternehmen (Schröder et al. 2022, Rothermund et al. 2022) die im Infokasten (s. rechts) genannten Aspekte.

Ausblick und Weiterentwicklung

Das Modell einer PSIB wurde im Rahmen eines Forschungsprojekts unter dem Titel „Frühe Intervention am Arbeitsplatz“ (s. „Weitere Infos“) ausgearbeitet und wird in einer deutschlandweiten multizentrischen, randomisiert-kontrollierten Studie evaluiert (Weber et al. 2021). Es sind dabei alle relevanten Fachgruppen eingebunden, das heißt konkret die Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie und die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie II der Universität Ulm, die Psychosomatische und Psychotherapeutische Abteilung des Universitätsklinikums Erlangen, das Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, das Institut für Medizinische Biometrie und Informatik des Universitätsklinikums Heidelberg, das Institut für Psychologie der Universität Hildesheim, das Reha-Zentrum Seehof der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) und die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BauA).

Das Konzept der PSIB kann sowohl in großen als auch in kleinen und mittelständischen Unternehmen umgesetzt werden.

In Weiterentwicklung des Manuals von Bode et al. (2017) werden arbeitsplatzbezogene Faktoren während der gesamten Behandlung bei der Anwendung vorwiegend kognitiv-behavioraler Techniken angewendet. Spezifische Therapieinhalte sind eine klinisch-psychologische sowie eine arbeitsplatzbezogene Diagnostik, bei der mithilfe der Arbeitsanamnese die Arbeitsgeschichte und Arbeitsplatzbeschreibung erfasst werden. Anschließend wird eine Kurzzeitintervention unter anderem mit selbstwirksamkeitsfördernden Interventio­nen durchgeführt. Bei arbeitsunfähigen Personen schließt sich eine Begleitung des RTW-(„Return-To-Work“-)Prozesses an (vgl. hierzu die ausführlichere Projektbeschreibung bei Herrmann et al. 2021). Ein präventives Modul wurde analog für die noch nicht erkrankte Zielgruppe entwickelt und wird nun erprobt.

Interessenkonflikt: Die Autorinnen geben an, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.

Literatur

Bode K, Maurer F, Kröger C: Arbeitswelt und psychische Störungen. 1. Aufl. Göttingen: Hogrefe, 2017.

Evans-Lacko S, Koeser L, Knapp M, Longhitano C, Zohar J, Kuhn K: Evaluating the economic impact of screening and treatment for depression in the workplace. Eur Neuropsychopharmacol 2016; 26: 1004–1013.

Herrmann K, Hansmann M, Chrysanthou S: Frühe Intervention am Arbeitsplatz. Keine Angst vor dem Arbeitsplatzbezug in der Psychotherapie. Ärztliche Psychother 2022; 17: 97–102.

Rothermund E, Pößnecker T, Antes A et al.: Concep­tual framework of a psychotherapeutic consultation in the workplace: a qualitative study. Int J Environ Res Public Health 2022; 19: 1–30.

Rothermund E, Michaelis M, Jarczok MN et al.: Prevention of common mental disorders in employees. Perspectives on collaboration from three health care professions. Int J Environ Res Public Health 2018;
15: 1–13.

Rothermund E, Kilian R, Rottler E, Hölzer M, Mayer D, Rieger MA, Gündel H: Improving access to mental health care by delivering psychotherapeutic care in the workplace: a cross-sectional exploratory trial. PLoS One 2017; 12: e0169559.

Schröder UB, Stegmann R, Angerer P et al.: Psychische Krisen frühzeitig erkennen. Das Forschungsprojekt „Frühe Intervention am Arbeitsplatz“ (friaa).
ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2022; 57: 633–637.

Weber J, Angerer P, Brenner L et al.: Early intervention, treatment and rehabilitation of employees with common mental disorders by using psychotherapeutic consultation at work: study protocol of a randomised controlled multicentre trial (friaa project). BMC Public Health 2021; 21: 1–15.

doi:10.17147/asu-1-280207

Weitere Infos

Website der Studie „Frühe I­ntervention am Arbeitsplatz“
www.friaa.de

Faktenblatt Psychische ­Gesundheit der WHO
http://www.euro.who.int/

Hölzer M et al.: Die Psychosomatische Sprechstunde im Betrieb, ASU Arbeitsmed Sozial­med Umweltmed 2018; 53; 768 ff.
https://www.asu-arbeitsmedizin.com/schwerpunkt/versorgungssektoren-uebe…

Kernaussagen

  • Die PSIB ist ein niedrigschwelliges Angebot zur Prävention psychischer Gesundheit in der ­Lebenswelt Arbeit.
  • Es wird eine spezifische Diagnostik der Arbeitsplatzproblematik durchgeführt
  • Innerbetriebliche Akteurinnen und Akteure, vor allem Betriebsärztinnen und -ärzte spielen bei der Implementierung eines solchen Angebots eine wichtige Rolle.
  • Info

    Kernaspekte einer PSIB

  • Niedrigschwelliger Erstkontakt
  • Ausführliche Diagnostik
  • Empfehlung für und Motivation zu ­gegebenenfalls weiteren notwendigen ­Behandlungsschritten
  • Arbeitsplatzbezug
  • Unterstützung bei der Navigation durch das Versorgungssystem
  • Vernetzung zwischen inner- und außerbetrieblichen Gesundheitsakteurinnen und -akteuren
  • Koautorinnen

    Dipl.-Päd. Ute Beate Schröder
    Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), FG 3.5 „Evidenzbasierte Arbeitsmedizin, ­Betriebliches Gesundheitsmanagement“, Berlin

    Dr. Kristin Herrmann
    Universitätsklinikum Ulm, Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

    Kontakt

    Priv.-Doz. Dr. med. habil. Eva Rothermund
    Universitätsklinikum Ulm; Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie; Albert-Einstein-Allee 23; 89081 Ulm

    Foto: Universitätsklinikum Ulm (UKU), Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

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    Versorgungssektoren übergreifende Kooperation - Die Psychosomatische Sprechstunde im Betrieb (asu-arbeitsmedizin.com)

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