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Erfahrungen der gesetzlichen ­Krankenversicherung mit dem ­Präventionsgesetz

Viele der Herausforderungen zur Stärkung der Prävention und Gesundheitsförderung bleiben auch fünf Jahre nach der Einführung des Präventionsgesetzes und einer ganzen Reihe von umgesetzten Maßnahmen und Aktivitäten relevant: Diese Herausforderungen bestehen weiterhin darin, einen wesentlichen Beitrag zu leisten, mit dem die sozial ungleich verteilten Gesundheitschancen gleicher verteilt werden. Das kooperative Vorgehen der beteiligten Akteure in gesamtgesellschaftlichem Kontext ist dabei ein notwendiges und mit relevantem Abstimmungsaufwand verbundenes Vorgehensmodell, das es ermöglicht, die jeweiligen Interessen der Akteure einzubeziehen und so passende Lösungen zu entwickeln. Auch die Nachhaltigkeit und die Effektivität von Präventions- und Gesundheitsförderungsanstrengungen bleiben relevant. Das an gemeinsamen Gesundheitszielen orientierte und mit relevanten Akteuren abgestimmte Vorgehen bleibt das sinnvolle und erfolgversprechende Vorgehensmodell. Die Ausgaben der Krankenkassen sind von 317,5 Millionen Euro im Jahr 2015 auf 519 Millionen Euro im Jahr 2017 und damit um 201,5 Millionen Euro deutlich gestiegen (Erster Präventionsbericht der Nationalen Präventionskonferenz (NPK) 2019, s. „Weitere Infos“), damit konnte ein vom Gesetz intendiertes Ergebnis erreicht werden. Doch genauer: Was wurde erreicht, was ist in Arbeit und was bleibt zu tun?

Was wurde mit dem Prävention­s­gesetz bisher erreicht?

Ziele

Präventionsziele wurden auf Bundesebene übergreifend entwickelt, erweitert und bereits angepasst. Dabei war es ein Anliegen der Akteure, die Ziele und damit auch die Maßnahmen so zusammenzuführen, dass ein Mehrwert entstehen kann. Daher wurden die Präventionsziele der Nationalen Präventionskonferenz (NPK) unter Berücksichtigung der Ziele der Deutschen Arbeitsschutzstrategie entwickelt und weiterentwickelt (Bundesrahmenempfehlungen2019,
s. „Weitere Infos“). Durch Fokussierung auf wesentliche zentrale Themen wie beispielsweise Schutz und Stärkung der psychischen Gesundheit in der Arbeitswelt können die vorhandenen Kräfte gebündelt und an gemeinsamen Zielen ausgerichtet sowie in der Erwartung umgesetzt werden, dass auf diese Weise ein Mehrwert entsteht. Auf der Grundlage der Bundesrahmenempfehlungen der NPK wurden auf Landesebene die Landesrahmenvereinbarungen (Landesrahmenvereinbarungen, 2016 bis 2018, s. „Weitere Infos“) geschlossen, ein Prozess, den die auf Landesebene Verantwortlichen mit konkreten Verabredungen, Schwerpunktsetzungen und Zielfokussierung schlossen. Das bedeutet auch, dass die Zusammenarbeit der Akteure auf Landesebene überwiegend auf der Grundlage schon bestehender Zusammenarbeit organisiert und ergebnis­orientiert aufgestellt wurde. Damit wurde ein Prozess begonnen, der unter Berücksichtigung regionaler Schwerpunkte dessen systematische Weiterentwicklung im Blick hat. Insgesamt sind eine Vielzahl von Zielen und Teilzielen, adressierten Gruppen und Zusammenarbeitserfordernisse beschrieben, womit eine gute Grundlage für eine ergebnisorientierte Zusammenarbeit gelegt wurde.

Strukturen

Die im Präventionsgesetz angelegten Formen und Strukturen der Zusammenarbeit sind sämtlich etabliert. Die Herausforderung, die Vielzahl der Akteure auch im Umfeld direkt zu beteiligen, so zeigen die Rückmeldungen, konnte überwiegend gut bewältigt werden. Sowohl die Nationale Präventionskonferenz, an der neben der Renten-, Unfall-, Kranken- und Pflegeversicherung auch die privaten Krankenversicherungen (PKV) sowie staatliche Akteure, Sozialpartner und Akteure der Zivilgesellschaft vertreten sind und die bereits fünfmal getagt und Beschlüsse, zum Beispiel zu den Präventions­zielen, gefasst hat, als auch das jährliche Präventionsforum, in dem ein systematischer Austausch mit weiteren relevanten Akteuren stattfindet, und das sich bisher mit den Themen Kooperation und Vernetzung (2016), Kommunale Gesundheitsförderung und Prävention (2017), Gesundheitsförderung und Prävention in der Arbeitswelt (2018) und Erster Präventionsbericht der NPK (2019) befassen konnte, spiegeln die Komplexität der Erwartungen, Interessen sowie Gestaltungswillen und -möglichkeiten wider. Der Präventionsbericht konnte erstmals im Jahr 2019 (s. „Weitere Infos“) vorgelegt werden und ist die Grundlage für eine kontinuierliche Berichterstattung und die Weiterentwicklung der Präventionsstrategie. Seine Erstellung wurde durch das Institut für Gesundheits- und Sozialforschung (IGES), das Robert Koch-Institut (RKI), die Länder und weitere Akteure sowie einen wissenschaftlichen Beirat unterstützt. Ein wichtiger Fokus ist die Lebenswelt Betrieb.

Gesundheitsförderung, Prävention und Arbeitsschutz in Betrieben

Um die Gesundheitsförderung in Betrieben noch besser zu etablieren und auch kleine und mittlere Unternehmen besser zu erreichen, haben die in Betrieben tätigen Sozial­versicherungsträger ihre Zusammenarbeit besser strukturiert und bei unterschiedlichen gesetzlichen Aufträgen im Vorgehen besser aufeinander abgestimmt. Die GKV hat zudem für Unternehmen eine Koordinierungsstelle für betriebliche Gesundheitsförderung eingerichtet, in der sie erstmals beraten werden. Die gegebenenfalls erforderlichen Abstimmungen mit weiteren Krankenkassen werden koordiniert und so eine gezielte Unterstützung insbesondere für mittlere und kleine Unternehmen geschaffen (s. „Weitere Infos“).

Durch eine klare und für die Unternehmen verständliche Beschreibung der Aufgaben der jeweiligen Sozialversicherungsträger wird ein guter Überblick über mögliche Unterstützungsangebote gegeben. Darüber hinaus haben sich die Träger auf ein koordiniertes Vorgehen in den Betrieben verpflichtet, wenn dies gewünscht beziehungsweise erforderlich ist. Aufbauarbeit wurde geleistet, Kooperationen beschrieben und mit Leben erfüllt, Akteure eingebunden, Ziele klar benannt und erforderliche Schritte umgesetzt.

Was ist in Arbeit?

Eine Vielzahl von Zielgruppen und Maßnahmen sind beschrieben und angepackt. Am Beispiel der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen sowie der Pflegenden als Zielgruppe von Prävention soll dies beispielhaft erläutert werden.

Mit dem Präventionsgesetz wurde auch die Pflegeversicherung als Trägerin von Präventionsleistungen verpflichtet. 31 Cent je versicherter Person oder etwa 22,4 Millionen Euro jährlich wurden zusätzlich zweckgebunden zur Verfügung gestellt mit der Zielsetzung, die Pflegebedürftigen in stationären Pflegeinrichtungen präventiv zu unterstützen. Auch die Pflegenden sollen über betriebliche Gesundheitsförderung angesprochen werden, um so insgesamt einen Beitrag zu einem gesundheitsförderlichen Leben in stationären Pflegeeinrichtungen sowie bessere Arbeitsbedingungen zu erreichen. Eine besondere Herausforderung besteht dabei darin, dass die Pflegeeinrichtungen angesichts des Fachkräftemangels und neuer Aufgaben, wie beispielsweise der Umsetzung des neuen Pflegebegriffs und der neuen Qualitätstransparenzberichte, schon herausragend gefordert sind und für das Thema Gesundheitsförderung noch zusätzlich sensibilisiert und aktiviert werden müssen. Dieser Prozess ist begonnen – im Rahmen der Konzertierten Aktion Pflege ist es als eines von vielen weiteren Themen verankert und wird in der Umsetzung intensiv begleitet. Daneben benötigen aber auch die pflegenden Angehörigen als besonders belastete Zielgruppe präventive gesundheitsförderliche Angebote, ebenso wie Pflegebedürftige, die ambulant versorgt werden. Diese Personengruppen können in der Regel sehr gut über kommunale Angebote erreicht werden.

GKV-Förderprogramm für Kommunen aufgelegt

Der GKV-Spitzenverband (GKV-SV) sieht die Kommunen als wichtigen Akteur bei der Umsetzung von geeigneten Maßnahmen. Da die Kommunen jedoch strukturell und finanziell über Minderausstattung klagen, hat sich der GKV-SV dazu entschlossen, ein kommunales Förderprogramm (s. „Weitere Infos“) aufzulegen. Das erste von zwei Förderangeboten mit einem Finanzvolumen von insgesamt 40 Mio. Euro richtet sich an sozioökonomisch benachteiligte Kommunen, die eine auf fünf Jahre befristete Anschubfinanzierung für den Aufbau von Strukturmaßnahmen in Kommunen erhalten können. Damit sollen die Kommunen beim Aufbau solcher Strukturen unterstützt werden.

Das zweite Förderangebot mit einem Finanzvolumen von 46 Mio. Euro steht allen Kommunen offen und fördert zielgruppenbezogene Maßnahmen der Gesundheitsförderung in Prävention unter anderem für Menschen mit Behinderungen, Kinder und Jugendliche aus suchtbelasteten Familien und Menschen mit Migrationshintergrund in Kommunen.

Neue Aufgaben für Betriebsärztinnen und Betriebsärzte

Betriebsärztinnen und -ärzte sind unverzichtbar für die Gesundheitsförderung im Betrieb. Ihre wichtige Rolle für die Steuerung und Umsetzung betrieblicher Gesundheitsförderung wurde im Präventionsgesetz ausdrücklich hervorgehoben. Gleichzeitig wurden ihre Möglichkeiten erweitert, auf vertraglicher Grundlage medizinische Präventionsleistungen im Betrieb zu erbringen. Die inzwischen gestarteten Modellvorhaben von Krankenkassen mit den betriebsärztlichen Verbänden lassen erwarten, die Durchimpfungsraten zum Beispiel bei der Grippeschutzimpfung zu erhöhen und Beschäftigte frühzeitiger für arbeits-, aber auch verhaltensbedingte gesundheitliche Risiken und Möglichkeiten ihrer Verhütung zu sensibilisieren.

Ärztliche Präventionsempfehlungen noch wenig genutzt

Ergänzend zu der weiterhin freien, durch die Versicherten selbst gesteuerten Inanspruchnahme von Präventionskursen können Ärztinnen und Ärzte seit dem Präventionsgesetz auch per Rezeptvordruck die Inanspruchnahme empfehlen. In den ersten Jahren hat die Ärzteschaft nur in geringem Umfang von diesem neuen Instrument Gebrauch gemacht.

Was bleibt zu tun?

Die mit der Einführung des Präventions­gesetzes verknüpfte Erwartung, dass sich die sozial ungleich verteilten Gesundheitschancen gleicher verteilen, bleibt weiterhin eine große Herausforderung. Diese Veränderung kann hoffentlich der zweite NPK-Präven­tionsbericht, der im Jahr 2023 vorgelegt wird, aufzeigen. Geeignete Maßnahmen sind jedenfalls auf den Weg gebracht.

Eine Konzentration auf wesentliche Ziele sollte beibehalten werden; diese sollte jedoch nicht starr, sondern flexibel regionale oder andere spezifische Bedarfslagen berücksichtigen können. Eine Verzettelung immer neuer Themen und Zielgruppen sollte vermieden werden, da dies die Umsetzung erschwert. Die zentralen präventiven Ansätze sind seit langem bekannt und spiegeln sich in den Bundesrahmenempfehlung und den Landesrahmenvereinbarungen wider. Ansatzpunkte für Verbesserungen sind vor allem die Förderung von Bewegung, die Stärkung der psychischen Gesundheit eine gesunde Ernährung. Hier bleibt noch viel zu tun. Auch die Zielgruppen sind differenziert und umfassend beschrieben.

Die zentrale Herausforderung besteht jedoch darin, alle Akteure in die Verantwortung zu nehmen. Auch jenseits der Sozial­versicherungsträger bestehen vielfältige Verantwortungen für ein gesundes Lebensumfeld. Der Fokus allein auf die Sozialversicherungen als Kostenträger für die Maßnahmen des Präventionsgesetzes greift viel zu kurz und lässt erhebliche Potenziale für die Gestaltung einer gesundheitsförderlichen Umwelt brachliegen. Beispiele sind Tabakwerbeverbot, gesundes Schulessen oder Bewegungsförderung in Kommunen – die Liste ließe sich beliebig erweitern. Dazu sind weitere, auch finanzielle Anstrengungen weiterer Akteure erforderlich, damit die hier beschriebenen Maßnahmen nicht als der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein erscheinen, sondern in ein insgesamt gesundheitsförderlich gestaltetes Umfeld eingebettet werden und die Politik einheitlich dieses Ziel verfolgt. Dies umfasst auch eine relevante finanzielle Beteiligung.

Interessenkonflikt: Die Autorin gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.

Weitere Infos

Erster Präventionsbericht der Nationalen Präventionskonferenz (NPK) 2019
https://www.npk-info.de/praeventionsstrategie/praeventionsbericht

Bundesrahmenempfehlungen 2019
https://www.npk-info.de/praeventionsstrategie/bundesrahmenempfehlungen

GKV-Bündnis für Gesundheit: Kommunales Förderprogramm
www.gkv-buendnis.de/foerderprogramm

Koordinierungsstelle für betriebliche Gesundheitsförderung
www.bgf-koordinierungsstelle.de

Landesrahmenvereinbarungen 2016–2018
https://www.npk-info.de/umsetzung/umsetzung-in-den-laendernDokumentatio…

Leitfaden Prävention der GKV
https://www.gkv-spitzenverband.de/krankenversicherung/praevention_selbs…
beratung/praevention_und_bgf/leitfaden_praevention/leitfaden_praevention.jsp

Kontakt:

Dr. rer. pol. Monika Kücking
Leiterin der Abteilung ­GesundheitGKV-Spitzenverband, Reinhardtstr. 28, 10117 Berlin

Foto: GKV-Spitzenverband/Tom Maelsa

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