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PegA – Psychische Belastung erfassen, gesunde Arbeit gestalten

Psychische Gefährdungsbeurteilung im Einzelhandel

Gesetzliche Grundlage

Unternehmen sind verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen. Diese bildet die Grundlage des betrieblichen Arbeitsschutzes. Aus ihr leitet das Unternehmen die erforderlichen Maßnahmen ab, um die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten zu erhalten und zu verbessern. In der Gefährdungsbeurteilung müssen alle für die Tätigkeit relevanten Gefährdungen betrachtet werden. Eine Gefährdung kann sich auch durch die psychische Belastung bei der Arbeit ergeben. Die psychische Gefährdung im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zu erfassen und zu beurteilen, ist daher seit 2013 gesetzliche Pflicht (§5 (3) Arbeitsschutzgesetz).

Unabhängig von der individuellen Belastung liegt der Fokus der psychischen Belastungsanalyse auf den arbeitsbezogenen Belastungen. Gemäß DIN EN ISO 10075-1 werden psychische Belastungen wertneutral als diejenigen Einflüsse definiert, die bei der Arbeit von außen auf den Menschen einwirken.

Das Anforderungs-Kontroll-Modell von Karasek (1979) stellt den theoretischen Hintergrund der Analyse psychischer Belastungsfaktoren dar, indem zwei Belastungsarten gegenüber gestellt werden: Das Risiko negativ ausgeprägter Belastungen besteht vor allem dann, wenn beispielsweise Arbeitsanforderungen („job demands“) steigen, während der Entscheidungsspielraum („job decision latitude“) gering bleibt.

Belastungsfaktoren wie Arbeitsinhalt, Arbeitsorganisation, soziale Beziehungen und die Arbeitsumgebung müssen berücksichtigt werden. Die gesundheitliche Beanspruchung ist abhängig von den individuellen Leistungsvoraussetzungen des Beschäftigten. Erst durch die persönliche Reaktion bei belastenden Einflüssen entscheidet sich, wie beanspruchend eine Tätigkeit oder Situation vom Einzelnen erlebt wird. Dabei können Beanspruchungen zu positiven oder negativen Folgen führen.

Wichtig für die Analyse ist, dass auch kraftgebende Faktoren und Ressourcen identifiziert werden.

Vorgehen

Die Gesetzgebung schreibt nicht vor, wie die Gefährdungsbeurteilung durchgeführt werden soll. Die Tätigkeiten, Betriebs- und Unternehmensstrukturen sind so unterschiedlich, dass sich kein einheitlicher Weg für alle Unternehmen festlegen lässt. Das genaue Vorgehen muss der Betrieb mit dem Betriebsrat, der ein Mitbestimmungsrecht hat, festlegen.

Von besonderer Bedeutung ist, dass nicht ausschließlich potenzielle Gefährdungen erfasst, sondern gezielt auch geeignete Maßnahmen zur Reduktion solcher Gefährdungen abgeleitet werden. Fach- und Führungskräfte müssen die Analyse befürworten und daran teilhaben, denn ihre aktive Unterstützung ist der wichtigste Garant für ein gelingendes Vorgehen.

Vorgehen im Handel und in der ­Warenlogistik

Mit PegA (= Psychische Belastung erfassen, gesunde Arbeit gestalten) stellen die BGHW und die Initiative Neue Qualität der Arbeit mit Projektpartnern aus der Wissenschaft und mit Unterstützung der Sozialpartner des Einzelhandels ein komplettes Programm speziell für den Einzelhandel zur Verfügung. Dies beinhaltet Instrumente, Auswertungshilfen und Praxishilfen als Download. In sieben Schritten sollen gesunde und sichere Arbeitsbedingungen erreicht werden.

Zunächst werden die Bereiche und Tätigkeiten festgelegt, die beurteilt werden sollen. Nach der Ermittlung und Beurteilung der psychischen Belastung bei der Arbeit werden in einem vierten Schritt Maßnahmen festgelegt. Die nächsten Schritte sind Durchführung und Überprüfung der Wirksamkeit sowie regelmäßige Wiederholungen, besonders wenn sich die Gegebenheiten geändert haben.

Das PegA-Konzept berücksichtigt die Vorgaben des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) sowie die Leitlinien und Empfehlungen der Nationalen Arbeitsschutzkonferenz (NAK) im Rahmen der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA). Es ist praxisnah auf die Bedürfnisse des Einzelhandels abgestimmt und hilft, in der Gefährdungsbeurteilung den Teil der psychischen Belastungen strukturiert und erfolgreich durchzuführen. Verschiedene Module können miteinander kombiniert werden. Je nach Situation kann eine Begehung (PegA-Expertencheck), eine Befragung (PegA-Befragung) oder ein Workshop-Verfahren (PegA-Team) geeignet sein.

Voraussetzung für die Nutzung der Instrumente ist, dass eine sachkundige Person mit Qualifikation im Arbeitsschutz und zum Thema psychische Belastung vorhanden ist. Beachtet werden muss auch, dass die Gruppengröße nicht zu klein ist. Bei einer Befragung in kleinen Abteilungen müssen mindestens zehn Fragebögen verteilt werden können, ein Rücklauf von fünf Fragebögen ist das absolute Minimum.

Ein Einzelhandelsunternehmen hat sich 2018 zur Nutzung des PegA-Systems entschieden. Die Analyse startete in einer Filiale in Hamburg und wurde ausdrücklich unterstützt und gefördert vom Management der Filiale. Ein Steuerungskreis wurde gegründet, das Vorgehen mit allen Beteiligten abgestimmt und die verwendeten Begriffe geklärt. Teilnehmende waren der Personalleiter, Betriebsrat, Fachkräfte für Arbeitssicherheit, Beschäftigte aus den jeweiligen Bereichen und die Betriebsärztin. Als Ziel der Analyse wurde genannt: die Zufriedenheit mit der Arbeit zu stärken und die Fehlzeitenquote zu senken.

Durchführung

Die Analyse erfolgte zunächst in den drei großen Tätigkeitsbereichen Verkauf, Warenlogistik und Kasse. Alle weiteren Arbeitsbereiche, wie beispielsweise Verwaltung, IT oder Schauwerbung, waren zahlenmäßig kleiner, so dass die Anonymität bei einer Befragung mittels Fragebogen nicht gesichert werden konnte. Für diese Bereiche wurde ein anderes Vorgehen wie Begehungen und Beobachtungsinterviews besprochen. Beeindruckend war, mit welcher Freude sich die Beschäftigten in den Analyse-Prozess einbrachten.

Gestartet wurde die Analyse beim Kassenteam zunächst mit einer Fragebogenaktion. Der Rücklauf war überwältigend. Der soziale Kontakt stellte sich in allen Items als hervorragend dar.

Kritisch war unter anderem die Arbeitsumgebung, wie die Beleuchtung und Geräuschkulisse an den Kassen. Durch das Gebäudemanagement wurde die tatsächlich nicht ausreichende Beleuchtung im Anschluss nachgerüstet.

Mittels eines moderierten Workshops konnten weitere Belastungsfaktoren besser eingegrenzt werden. Abhilfe konnte beispielsweise gefunden werden für Situationen mit unerwartet hohem Kundenandrang oder im Umgang mit ungeduldigen und gelegentlich aggressiven Kunden. Hierfür konnte ein Funktelefon installiert werden, das bereits auf Knopfdruck einer Führungskraft signalisiert, dass Unterstützung erforderlich ist.

Ergebnisse

Positive Erfahrungen wurden auch im Bereich des Verkaufs gewonnen. Die wirtschaftliche Situation für den stationären Einzelhandel war bereits vor der derzeitigen Pandemie schwierig. Dies führte in dem Unternehmen in den vergangenen Jahren zu mehreren Umstrukturierungen, für die Beschäftigten vor allem spürbar in Arbeitsverdichtung. Durch die PegA-Analyse gelang es, Abläufe in der Filiale besser zu strukturieren und die Kommunikation und den Zusammenhalt im Team und mit anderen Abteilungen zu verbessern.

Wichtig war für das Gelingen, dass das Vorgehen von den Führungskräften unterstützt wurde. Sie waren bereit, auch unbequeme Vorschläge zu prüfen. Die Beschäftigten brachten sich als Expertinnen und Experten für ihren Bereich ein. Die Lösungsvorschläge wurden von ihnen selbst entwickelt. Immer lag der Fokus darauf, ob eine Änderung in dem analysierten Bereich realisierbar war. Über Abläufe, die von der Konzernzentrale abhängig waren, wurde nicht weiter diskutiert.

Ausblick

Die positiven Erfahrungen mit dem Analysesystem können gegebenenfalls an andere Filialen weitergegeben werden. Die Analyse psychischer Belastungsfaktoren und gemeinsam entwickelte Lösungsstrategien helfen, konstruktiv mit den Belastungen und Ressourcen im Einzelhandel umzugehen.

Das PegA-Analysesystem mit den verschiedenen Modulen hat sich als praktikabel und gut handhabbar erwiesen. Zu beachten ist, dass eine sachkundige Person den Prozess strukturiert und anleitet.

Interessenkonflikt: Die Erstautorin Stephanie Heine ist als Fachkraft für Arbeitssicherheit beschäftigt. Ein Interessenkonflikt liegt nicht vor.

Koautorin

An der Erstellung des Beitrags beteiligt war Frau Dr. med. Jutta Kindel, Fachärztin für Innere Medizin, Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Hamburg,

Kontakt

Stephanie Heine
Dipl. Wirtschaftspsychologin (FH); Fachkraft für Arbeitssicherheit; Am Kreideberg 33; 21339 Lüneburg

Foto: Patric Stolpe

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