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Recht

Der Weg zur Arbeit vom so genannten dritten Ort

Sachverhalt

Der Kläger war bei einer gemeinnützigen GmbH in N. als Personenbeförderer tätig. Als Fahrer holte er morgens Maßnahmeteilnehmer1 von zu Hause ab und brachte sie zu seinem Arbeitgeber. Diese Tätigkeit beendete er regelmäßig um 9:00 Uhr. Ab 15:30 Uhr holte er die Teilnehmer von dort wieder ab und brachte sie nach Hause. Er wohnte in dem 4,3 km von der Arbeitsstätte entfernten B.

Am 14. 10. 2015 beendete der Kläger seinen morgendlichen Dienst gegen 9:00 Uhr. Danach hielt er sich bis zum Beginn seines Nachmittagsdienstes bei einem Freund in K. auf. Am Nachmittag fuhr er mit seinem Motorrad in Richtung seiner Arbeitsstätte in N., um dort seinen Dienst als Fahrer aufzunehmen. Der von seinem Freund aus angetretene Weg zur Arbeitsstätte betrug 15,7 km. Auf diesem Weg erlitt er einen Verkehrsunfall und zog sich Verletzungen zu.

Die beklagte Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall ab, weil der Kläger den Unfall nicht auf einem versicherten Weg von seiner Wohnung zur Arbeitsstätte, sondern auf einem unversicherten, von seinem Freund aus angetretenen Weg erlitten habe. Klage und Berufung hatten keinen Erfolg. Zur Begründung hatte das Landessozialgericht (LSG) unter anderem ausgeführt, der Kläger habe sich zum Zeitpunkt des Unfalls nicht auf einem versicherten Weg befunden, weil die Wegstrecke von seinem Freund zur Arbeitsstätte mehr als dreimal so lang wie der Weg von seiner Wohnung zur Arbeitsstätte gewesen sei und er bei seinem Freund eigenwirtschaftliche Verrichtungen getätigt habe. Sei der Weg vom dritten Ort unverhältnismäßig länger als von der Wohnung zum Ort der Tätigkeit, werde die erheblich längere Wegstrecke grundsätzlich nicht durch die beabsichtigte oder beendete betriebliche Tätigkeit geprägt, sondern durch die eigenwirtschaftliche Verrichtung am dritten Ort.

Begriff des Wegeunfalls

Das Bundessozialgericht (BSG) hielt die Revision des Klägers für begründet. Der Kläger habe am 14. 10. 2015 einen in der gesetzlichen Unfallversicherung gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch VII (SGB VII) versicherten Wegeunfall erlitten.

Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3
oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Versicherte Tätigkeit ist auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII). Ein Arbeitsunfall setzt voraus, dass die Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis geführt (Unfallkausalität) und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität). Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt.

Der Kläger habe einen Unfall als Versicherter infolge dem Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach dem Ort der Tätigkeit erlitten. Das Sichfortbewegen sei mit der (objektivierten) Handlungstendenz, den Ort der versicherten Tätigkeit zu erreichen, erfolgt. Dabei sei unerheblich, ob der am Unfalltag nachmittags zurückgelegte Weg von der Wohnung des Freundes in K. in einem angemessenen Verhältnis zu dem Arbeitsweg stand, den der Kläger üblicherweise von seiner Wohnung in B. zu seiner Arbeitsstätte zurücklegte.

Foto: Thinkstock / Tuned_In

Versicherte Fortbewegung

„Weg” sei die Strecke zwischen einem Start- und Zielpunkt. Bei allen (Hin-)Wegen setze § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII den Ort der versicherten Tätigkeit als Zielpunkt fest, lasse aber zugleich den Startpunkt offen, so dass anstelle der Wohnung auch ein anderer (sog. „dritter”) Ort Ausgangspunkt sein kann. Dies gelte allerdings nur, sofern sich der Versicherte zuvor an diesem dritten Ort mindestens zwei Stunden aufgehalten habe. An dieser Rechtsprechung zur Zwei-Stunden-Grenze bei einem Aufenthalt an einem dritten Ort halte der Senat aus Gründen der Rechtssicherheit weiterhin fest.

Zwischen dem in jedem Einzelfall zu ermittelnden Startpunkt und dem gesetzlich festgelegten Zielpunkt sei nicht der Weg an sich, sondern dessen Zurücklegen versichert, also der Vorgang des Sichfortbewegens auf der Strecke zwischen beiden Punkten mit der Handlungstendenz, den jeweils versicherten Ort zu erreichen. Dabei stehe nur das „Sichfortbewegen” auf dem direkten Weg beziehungsweise das Zurücklegen des direkten Weges nach dem Ort der Tätigkeit unter Versicherungsschutz, wie sich aus dem Tatbestandsmerkmal „unmittelbar” in § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII ergebe.

Nach den Feststellungen des LSG habe der Kläger am 14. 10. 2015 seinen Freund in K. aufgesucht und in dessen Wohnung mit ihm zu Mittag gegessen. Er hatte sich dort unstreitig länger als zwei Stunden aufgehalten, bevor er von diesem Ausgangspunkt aus aufbrach, um seine Arbeitsstätte in N. als Zielpunkt zu erreichen. Dabei verunglückte er bei dem Sichfortbewegen auf dem direkten Weg zwischen diesen beiden Punkten. Diese konkrete, objektiv beobachtbare Verrichtung des Sichfortbewegens auf dem direkten Weg zum Ort der versicherten Tätigkeit führte der Kläger auch subjektiv zu diesem Zweck durch. Denn er war mit der Handlungstendenz unterwegs, den Ort der versicherten Tätigkeit zu erreichen.

Handlungstendenz der Fortbewegung

Der Versicherungsschutz nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGBVII werde nicht schon dadurch begründet, dass der Versicherte auf dem unmittelbaren Weg zwischen seiner Wohnung und dem Ort der versicherten Tätigkeit verunglückt. Maßgebend für die Beurteilung, ob eine konkrete Verrichtung der grundsätzlich versicherten Fortbewegung diene, sei die objektivierte Handlungstendenz des Versicherten, was bedeute, dass das objektiv beobachtbare Handeln subjektiv – zumindest auch – auf die Erfüllung des Tatbestands der jeweils versicherten Tätigkeit ausgerichtet sein müsse. Die subjektive Handlungstendenz als von den Tatsachengerichten festzustellende innere Tatsache müsse sich mithin im äußeren Verhalten des Handelnden (Verrichtung) widerspiegeln, so wie es objektiv beobachtbar sei.

Auch diese Voraussetzungen seien hier erfüllt. Als der Kläger am Unfalltag die Kreuzung, an der er verunglückte, befuhr, diente diese Verrichtung nach seiner Vorstellung allein der Fortbewegung auf der Strecke zum Ort der versicherten Tätigkeit, weil er die Wohnung seines Freundes verlassen hatte, um seine Arbeitsstätte in N. aufzusuchen und dort seine versicherte Tätigkeit als Fahrer in der Personenbeförderung aufzunehmen.

Soweit das LSG ausgeführt habe, der Kläger habe in der Wohnung seines Freundes „ausschließlich eine eigenwirtschaftliche Verrichtung getätigt”, könnte der Weg von K. zur Arbeitsstätte zugleich auch dazu gedient haben, den eigenwirtschaftlichen Besuch zu beenden. Zwar läge dann eine so genannte „gemischte Motivationslage” vor, das heißt eine objektiv beobachtbare Verrichtung (das Motorradfahren) mit gespaltener subjektiver Handlungstendenz beziehungsweise mit zwei subjektiven Zielen: Die Motorradfahrt hätte einerseits dazu gedient, den Ort der versicherten Tätigkeit zu erreichen (betriebliche Handlungstendenz), und andererseits, um den Besuch bei dem Freund zu beenden (privatwirtschaftliche Handlungstendenz). Eine solche Verrichtung mit gespaltener Handlungstendenz stehe aber dann im inneren beziehungsweise sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit, wenn die konkrete Verrichtung hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn die private Motivation des Handelns entfallen wäre.

Entscheidend sei also, ob die Verrichtung nach den objektiven Umständen in ihrer konkreten, tatsächlichen Ausgestaltung ihren Grund in der betrieblichen Handlungstendenz finde. Insoweit sei nicht auf Vermutungen über hypothetische Geschehensabläufe außerhalb der konkreten Verrichtung und der objektivierten Handlungstendenzen, sondern nur auf die konkrete Verrichtung selbst abzustellen. Die Verrichtung, so wie sie durchgeführt wurde, lasse hier objektiv die versicherungsbezogene Handlungstendenz erkennen. Denn der Zeitpunkt der Abreise nach dem Mittagessen und die Fahrt in Richtung N. waren durch das betriebliche Erfordernis bestimmt, den nachmittäglichen Dienst als Fahrer in der Personenbeförderung am Ort der Tätigkeit pünktlich zu beginnen. Damit werde deutlich, dass nach den objektiven Umständen die Unfallfahrt im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stand und ihr Gepräge nicht durch die private Motivation des Klägers erhielt, den Besuch bei dem Freund zu beenden. Denkt man das private Motiv (Beendigung des Besuchs) weg, so bleibe der Kläger am Unfalltag arbeitsrechtlich verpflichtet, seinen Nachmittagsdienst in N. aufzunehmen. Diese arbeitsrechtliche Pflicht habe er nur erfüllen können, wenn er mit dem Motorrad in K. aufbrach, um nach N. zu fahren, so dass die konkrete Fahrt hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn das eigenwirtschaftliche Interesse entfiel, den Besuch zu beenden.

Kein Angemessenheitsvergleich

Schließlich bestehe nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG auch kein Zweifel daran, dass sich der Unfall auf dem unmittelbaren Weg zur Arbeitsstätte ereignete. Es sei nicht ersichtlich, dass der Kläger von diesem Weg abgewichen wäre oder ihn unterbrochen hätte. Hatte die konkrete Verrichtung ihren Grund in der betrieblichen Handlungstendenz, sei nicht zusätzlich – im Rahmen eines räumlichen Ansatzes – einschränkend zu fordern, dass der Weg zum Ort der Tätigkeit, den der Versicherte nicht von seinem Lebensmittelpunkt (im Sinne eines häuslichen Bereichs) aus angetreten hat, in einem angemessenen Verhältnis zu dem üblichen Weg zwischen dem häuslichen Bereich und dem Ort der Tätigkeit stehe.

Der Senat habe diesen räumlichen Ansatz bereits früher aufgegeben und stelle seitdem ausschließlich auf die objektivierte Handlungstendenz ab, die bei „gemischter Motivationslage” (mehrere subjektive Ziele) auch „gespalten” sein könne. Da der Senat die Frage, ob der Weg von einem so genannten dritten Ort in einem angemessenen Verhältnis zu dem üblicherweise zurückzulegenden Arbeitsweg stehen müsse und ob an den Zweck des Aufenthalts an diesem dritten Ort inhaltliche Anforderungen zu stellen sind, bislang teilweise uneinheitlich behandelt habe, stelle er zur Herstellung von Rechtsanwendungsgleichheit nunmehr ausdrücklich klar: Es komme bei einem Unfall auf dem Weg vom dritten Ort weder auf einen mathematischen oder wertenden Angemessenheitsvergleich der Wegstrecken nach der Verkehrsanschauung, noch – im Rahmen einer Gesamtschau – auf (etwaige betriebsdienliche) Motive für den Aufenthalt am dritten Ort an.

Risikoveränderung unerheblich

Ebenso unerheblich sei der erforderliche Zeitaufwand zur Bewältigung der verschiedenen Wege, das benutzte Verkehrsmittel oder das erhöhte, verminderte beziehungsweise annähernd gleichwertige Unfallrisiko. Schließlich sei auch unerheblich, ob sich Weglänge und Fahrzeit noch im Rahmen der üblicherweise von Pendlern zurückgelegten Wegstrecke halten. Entscheidend sei vielmehr, ob der Weg vom dritten Ort zur Arbeitsstätte wesentlich von der subjektiven Handlungstendenz geprägt sei, den Ort der Tätigkeit aufzusuchen und ob dies in den realen Gegebenheiten objektiv eine Stütze findet, das heißt objektivierbar ist. Die Wegeunfallversicherung setzt in § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII lediglich voraus, dass der Weg im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehe und lasse bei den Hinwegen nach dem Ort der Tätigkeit den jeweiligen Startpunkt des versicherten unmittelbaren Weges ausdrücklich offen. Zudem sei zu berücksichtigen, dass für Wege, die ihren Ausgangs- beziehungsweise Endpunkt nicht an einem dritten Ort, sondern im häuslichen Bereich des Versicherten haben, seit jeher keine Entfernungsgrenze gilt. Fand diese Bevorzugung des Weges „zwischen der Wohnung und dem Ort der Tätigkeit” im Wortlaut des § 550 Abs. 2 RVO noch einen gewissen Anhaltspunkt, so sei dieser mit dem Außerkrafttreten der Vorschrift zum 01. 01. 1997 entfallen.

Die Einführung des Zusatzerfordernisses, dass der Weg vom dritten Ort in einem angemessenen Verhältnis zu dem Arbeitsweg stehen müsse, der üblicherweise vom Lebensmittelpunkt aus zurückzulegen ist, sei auch unter Berücksichtigung der juristischen Methodenlehre bedenklich. Der Normtext des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII sehe einen solchen Angemessenheitsvergleich weder expressis verbis noch gewohnheitsrechtlich als ungeschriebenes (negatives) Tatbestandsmerkmal beziehungsweise ungeschriebene Ausnahme vor. Der weite Wortlaut des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII sei schließlich auch nicht im Wege teleologischer Reduktion (Restriktion) entsprechend einzuengen. Der Wortlaut des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII sei „offen”, so dass auf der Grundlage einer Wortlautinterpretation der Weg zum Ort der versicherten Tätigkeit von jedem geografischen Punkt aus angetreten werden kann. Einen wertenden Angemessenheitsvergleich zwischen mehreren Punkten sehe die Vorschrift gerade nicht vor.

Unvereinbarkeit mit Gesetzes­vorbehalt

Gegen die Existenz des Angemessenheitsvergleichs als ungeschriebenes (negatives) Tatbestandsmerkmal beziehungsweise ungeschriebene Ausnahme spreche bereits § 31 SGB I, der über den allgemeinen Vorbehalt des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) hinaus bestimme, dass Rechte in den Sozialleistungsbereichen nur „aufgehoben werden” dürfen, „soweit ein Gesetz es vorschreibt oder zulässt”. Mit der insoweit notwendigen „Schriftlichkeit” sei die – gedankliche – Hinzufügung ungeschriebener gesetzlicher Tatbestandsmerkmale zu Lasten Versicherter grundsätzlich unvereinbar.

Ob zu den „Gesetzen” im Sinne des § 31 SGB I auch Gewohnheitsrecht zähle oder nur formelle Gesetze gehören, die gesetzgebende Körperschaften in dem verfassungsrechtlich vorgesehenen Gesetzgebungsverfahren erlassen haben, könne hier dahinstehen. Die Senatsrechtsprechung zum Angemessenheitsvergleich war noch nicht zu Gewohnheitsrecht erstarkt. Denn die Rechtsprechung zum Angemessenheitsvergleich sei über lange Zeit nicht unumstritten gewesen. Zudem führe die mit einem Angemessenheitsvergleich verbundene Kasuistik auch zu Gleichheitsproblemen, worauf im Übrigen auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Rahmen geringfügiger Unterbrechungen bei Wegeunfällen bereits hingewiesen habe.

Lückenlose Rechtsverwirklichung

Schließlich sei der weite Wortlaut des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch nicht im Rahmen der teleologischen Restriktion auf solche Wege zu reduzieren, die in einem angemessenen Verhältnis zu dem Arbeitsweg stehen, der vom Lebensmittelpunkt aus üblicherweise zurückgelegt wird. Die Methode der teleologischen Reduktion erfordere den Nachweis einer verdeckten (Ausnahme-)Lücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des (Wegeunfall-)Rechts. Sie sei dadurch gekennzeichnet, dass die auszulegende Vorschrift (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII) nach ihrem Wortsinn auch Fälle erfasse, auf die sie nach den erkennbaren Regelungsabsichten des Normgebers unanwendbar sein solle.

Hier sei jedoch eine solche verdeckte Lücke der Norm nicht feststellbar. Der Gesetzgeber habe sich in § 31 SGB I die Änderung und Aufhebung sozialer Rechte ausdrücklich selbst vorbehalten, was sowohl die Feststellung als auch die Ausfüllung etwaiger Lücken einschließe. Damit stärke er das Prinzip der Rechtssicherheit (Art. 20 Abs. 3 GG) in den Sozialleistungsbereichen des SGB, das die strikte Beachtung des geschriebenen Rechts verlange. § 31 SGB I unterstelle konzeptionell eine „lückenlose Rechtsordnung”, aus der jeder Bürger seine Rechtsansprüche (vgl. § 38 SGB I) selbst ablesen könne und der Verwaltung nur eine dienende Funktion zukomme. Korrekturen oder Ergänzungen des geschriebenen Rechts kämen somit nur in Betracht, wenn dadurch im Sinne des § 2 Abs. 2 Halbsatz 2 SGB I sichergestellt wird, dass die sozialen Rechte des Einzelnen möglichst weitgehend (d. h. lückenlos) verwirklicht werden oder wenn eine Lücke aus verfassungsrechtlichen Gründen geschlossen werden muss. Vorliegend würde die teleologische Reduktion die sozialen Rechte der Versicherten einschränken und die Verfassung gebiete es nicht ansatzweise, Wege von einem dritten Ort, die im Vergleich zum üblichen Weg vom häuslichen Lebensmittelpunkt unangemessen lang sind, von der Wegeunfallversicherung auszuschließen.

Interessenkonflikt: Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.

Weitere Infos

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254)
https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_7/

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015)
https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_1/

Kontakt

Reinhard Holtstraeter
Rechtsanwalt; Lorichsstraße 17; 22307 Hamburg

Foto: privat

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