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Gesundheits- und Sicherheitskultur als soziale Dimension der Nachhaltigkeit

Die Jahre 2020 und 2021 haben das Unternehmen mit der weltweiten Corona-Pandemie vor enorme Herausforderungen gestellt. Eindrucksvoll wurden dabei die Chancen, aber auch die Schwachstellen von Strukturen und Prozessen vor Augen geführt. Die Veränderungen, die die Pandemie langfristig für das Arbeitsleben und auch das private Leben mit sich bringt, sind dabei noch gar nicht abschätzbar. Was aber bereits deutlich wird: Viele Aspekte des sozialen, ökologischen und ökonomischen Systems stehen auf dem Prüfstand.

Im Folgenden werden diese Veränderungen für ein Großunternehmen in den Kontext des betrieblichen Gesundheitsmanagements gesetzt, weil die Aspekte von Gesundheit und Sicherheit traditionell im Unternehmen einen hohen Stellenwert haben und einen wichtigen Beitrag für den Unternehmenserfolg leisten, d.h. für den Erfolg fundamental wichtig sind. Dabei erfolgt zunächst die Einordnung der Gesundheitsaktivitäten in die Nachhaltigkeitsstrategie. Im Anschluss wird aufbauend auf der Entwicklung des Gesundheitsmanagements dessen Einbettung in die strategischen Prioritäten beschrieben. Der Blick in die Zukunft zeigt zum Abschluss die Beantwortung der Frage: Wohin entwickelt sich das Gesundheitsmanagement im vorgestellten Unternehmen?

Betriebliches Gesundheitsmanagement als Teil der Nachhaltigkeitsstrategie

Die Vereinten Nationen haben mit den 17 Sustainable Development Goals (SDGs) den Rahmen für ein gemeinsames Handeln von Nationen und gesellschaftlichen Gruppen definiert. Auch für das vorgestellte Unternehmen stehen diese Ziele im Fokus, und zwar im Sinne extern orientierter gesellschaftlicher und ökologischer Nachhaltigkeit wie auch sozialer Nachhaltigkeit im Umgang mit den Beschäftigten. Wir wollen „mit unserer Ingenieurskunst die Lebensqualität der Menschen verbessern und unseren Planeten schützen“ (vgl. Siemens Nachhaltigkeitsinformationen 2020). Selbstverständlich ist der Einfluss des Unternehmens auf die verschiedenen Ziele sehr unterschiedlich, und auch die Beiträge zu diesen Zielen unterscheiden sich deutlich. So leistet einerseits der Einsatz der Produkte und Lösungen durch Kundinnen und Kunden einen Beitrag, andererseits wird durch das gesellschaftliche Engagement z.B. im Rahmen von Corporate Citizen Initiativen Unterstützung geboten. Ein SDG, auf das das Unternehmen großen Einfluss hat, ist das Ziel 3 – „Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern.“

Ein Beitrag zur Erreichung dieses Zieles wird hierbei vor allem durch die fortschrittlichen Produkte der Siemens Healthineers erbracht oder durch Fertigungstechnologien, die beispielsweise in der pharmazeutischen Industrie eingesetzt werden und beim Aufbau von Produktionskapazitäten in der COVID-Impfstoffherstellung eine große Rolle spielen. Darüber hinaus sind Sensibilisierungskampagnen für Krebserkrankungen ebenso ein Beispiel des Einsatzes für dieses Nachhaltigkeitsziel.

Im Sinne sozialer Nachhaltigkeit mit Fokus auf die Beschäftigten zielt das Unternehmen darauf ab, ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters zu ermöglichen und ihr Wohlbefinden zu fördern. Das betriebliche Gesundheitsmanagement ist dabei eine zentrale Säule und unterstützt die Beschäftigten dabei, gesund und sicher zu leben und zu arbeiten. Es trägt dazu bei, gesundheitsgerechte Verhaltensweisen zu lernen und einen gesunden Lebensstil zu pflegen.

Abb. 2:  Die strategischen Prioritäten des Unternehmens (Quelle: Siemens AG)

Abb. 2: Die strategischen Prioritäten des Unternehmens (Quelle: Siemens AG)

Die Corona-Pandemie als Katalysator für den Wandel – auch im betrieb­lichen Gesundheitsmanagement

Die Corona-Pandemie hat die Notwendigkeit schneller Anpassung an neue Gegebenheiten noch einmal stark in den Fokus gerückt. Sie hat viele Vorstellungen und Gewohnheiten der Arbeitswelt ins Wanken gebracht. Themenfelder und Präventionsansätze, die vor der Pandemie noch unvorstellbar waren, sind innerhalb kürzester Zeit Wirklichkeit geworden. Die Krise hat hier wie ein Katalysator gewirkt und die Veränderungsgeschwindigkeit enorm beschleunigt.

Auf betrieblicher Ebene stehen die Fragen „Wie wollen wir künftig arbeiten?“ und „Wie arbeiten wir künftig zusammen?“ ganz oben auf der Agenda. Zentral war dabei in den letzten Monaten die Auseinandersetzung mit den Fragen orts- und zeitflexibler Arbeit. Der Rahmen der künftigen Arbeitsverteilung zwischen Präsenz- und ortsflexibler Arbeit wurde im Unternehmen wie folgt definiert: Zwei bis drei Tage in der Woche ist mobiles Arbeiten für alle Beschäftigten möglich, deren Aufgaben das zulassen. Diese bekommen damit die Möglichkeit, eigenständig zu entscheiden, wo sie ihre Aufgabe am produktivsten erfüllen können. Die mobile Arbeit, die für viele Beschäftigten Corona-bedingt, häufig im Homeoffice, erforderlich wurde, wird voraussichtlich nach Überwindung der Pandemie ein prägendes Element der neuen Arbeitswelt bleiben, weil die Beschäftigten die Flexibilität schätzen und die Arbeitsabläufe auch in dieser veränderten Form gut funktioniert haben.

Wenn sich die Arbeitsumgebung vielfach so radikal wandelt, stellt sich zwangsläufig die Frage nach der Zukunft des betrieblichen Gesundheitsmanagements, das die Beschäftigten bei der Bewältigung der Veränderungen unterstützen und gesundheitsrelevante Ressourcen fördern soll.

Über ein systematisches Gesundheitsmanagement zu einer Gesundheits- und Sicherheitskultur – ein Blick in das betriebliche Gesundheitsmanagement

Um den Zusammenhang zwischen den aktuellen Veränderungen in der Arbeitswelt und deren Auswirkungen auf das betriebliche Gesundheitsmanagement darzustellen, soll zur Einordnung der gegenwärtigen Aktivitäten zunächst ein kurzer Blick auf die Historie dieses Bereichs bei dem vorgestellten Unternehmen erfolgen.

„Seit 173 Jahren Verantwortung für die Gesellschaft“, so lässt sich mit Blick auf Nachhaltigkeitsziele in kurzen Worten die Geschichte von Siemens beschreiben. Der permanente Wandel ist dabei inhärenter Kern der Unternehmensentwicklung. Es war ein weiter und stets von Veränderungen begleiteter Weg von der Erfindung des Zeigertelegrafs durch Werner von Siemens 1847 bis zur breiten strategischen Ausrichtung des Siemens Konzerns im Jahr 2021 mit dem Schwerpunkt der digitalen Transformation von Industrie, Infrastruktur und Mobilität. Dabei waren und sind der angemessene Umgang mit stetigen Veränderungen stets ein Garant für Innovation und Fortschritt - und damit für den Firmenerfolg.

Bereits 1888 stellte der damalige Firmengründer den ersten Betriebsarzt ein. Damals war dieses Vorgehen einzigartig und wurde damit begründet, dass die niedergelassenen Ärzte „…dem einzelnen Patienten nicht genügend Zeit und Fürsorge widmen können.“ (Brief von Werner von Siemens an Dr. Friedrich Körte vom 07.07.1888). Die Übernahme unternehmerischer sozialer Verantwortung für die Beschäftigten war damit schon früh ein fester Bestandteil der Unternehmenskultur. Das zeigt sich auch im folgenden Zitat des Sohns des Firmengründers :„Unternehmungen [...] haben auch die Verpflichtung, für ihre Mitarbeiter [...] zu sorgen, wobei nicht vergessen werden darf, dass alle solche Maßnahmen […] letzten Endes auch der Förderung der Arbeitsfreude und Leistungsfähigkeit zugute kommen“.

Die Gesundheitsversorgung im Betrieb stellte früh einen Mehrwert für das Unternehmen dar, weil sich herausstellte, dass dadurch die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Beschäftigten erhalten und gefördert werden konnte. 1911 wurde mit der Gründung eines Kinderheims in Berlin und der damit verbundenen Einrichtung einer gesundheitlichen Betreuungsstelle für Arbeiterinnen eine frühe Institution im Sinne von Vereinbarkeitsaspekten und der ganzheitlichen Sorge für die Beschäftigten und ihrer Familien gelegt.
Dies kann als Grundlage der heutigen Sozialberatung gewertet werden. Seit den späten 1900er Jahren haben sich die Akteure und das Tätigkeitsspektrum im Gesundheitsmanagement des Unternehmens fast ebenso rasant entwickelt wie das Unternehmen selbst.

Abb. 3:  Die vier Handlungsfelder des Programms Healthy & Safe @ Siemens (Quelle: Siemens AG)

Abb. 3: Die vier Handlungsfelder des Programms Healthy & Safe @ Siemens (Quelle: Siemens AG)

Ein dezentrales, interdisziplinäres Team sichert die Berücksichtigung lokaler gesundheitlicher Herausforderungen

Das betriebliche Gesundheitsmanagement des Unternehmens wird heute durch ein interdisziplinäres Team aus der Arbeitsmedizin, den Sport- und Gesundheitswissenschaften sowie der betrieblichen Sozialberatung begleitet. Insbesondere in der Sozialberatung wird der Fokus - vor dem Hintergrund der steigenden Bedeutung psychischer Belastungen im Arbeits- und Gesellschaftskontext - auf die vielfältigen Themen der psychischen Gesundheit gelegt. In enger Abstimmung mit den Geschäftsverantwortlichen und nicht zuletzt den Beschäftigten selbst werden zielgerichtete Maßnahmen entwickelt und umgesetzt. Mit den Aufgaben des Gesundheitsmanagements sind rund 200 operativ tätige Beschäftigte betraut, die alle Betriebe in Deutschland und damit rund 90.000 Beschäftigte betreuen. Dieser Arbeit liegt das Gesundheitsverständnis der Weltgesundheitsorganisation zugrunde, das die Ganzheitlichkeit in den Blick nimmt und „Gesundheit als den „…Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens (engl.: well-being) beschreibt und nicht nur des Freiseins von Krankheit und Gebrechen (BZGA, s. „Weitere Infos“).

Diesem breiten Verständnis folgend ist es ein Kernziel des Gesundheitsmanagements, die Beschäftigten zu unterstützen, die Anforderungen der modernen Arbeits- und Lebenswelt gesund zu bewältigen und ihre Beschäftigungsfähigkeit zu erhalten. Gleichwertig daneben steht das Ziel, die Arbeitsbedingungen gesund zu gestalten. Die Verantwortung für die Strategie und das Monitoring liegt im Verantwortungsbereich der Arbeitsdirektorin, an die der Corporate Medical Director direkt berichtet. Dies stellt im Sinne von Verhältnisprävention die enge Verzahnung gesundheitsrelevanter Themen mit der Gestaltung von Arbeitsbedingungen sicher. Dabei sind die Themen Arbeitssicherheit, Umweltschutz und Gesundheit in der EHS-(Environmental Protection, Health Management and Safety-)Abteilung gebündelt. Die Arbeitsdirektorin ist gleichermaßen verantwortlich für das Thema Nachhaltigkeit (Sustainability), was eine Einbindung der EHS-Themen, insbesondere damit auch gesundheitsrelevanter Themen, in die Sustainability-Strategie des Unternehmens erleichtert.

Mit dem Environmental Protection, Health und Safety Management­system wird die Basis für ein einheitliches Verständnis und ein ­systematisches Vorgehen im ­Gesundheitsmanagement gelegt

Mit den Prinzipien für Umweltschutz, Gesundheitsmanagement und Arbeitssicherheit (EHS-Principles) liegt für alle Unternehmen der Siemens AG und der verbundenen Unternehmen ein verbindliches und transparentes Regelwerk vor. Darin sind die EHS-Organisation, das EHS-Management-System und die Definition und Umsetzung der EHS-Policy dargelegt.

Auch eine Beschreibung der Phasen Implementierung und Durchführung, Analyse und Verbesserung als grundlegende Anforderungen an die Umsetzung von EHS-Maßnahmen finden sich in den EHS-Principles, die mit der Darstellung von Anforderung eines regelmäßigen Management Review abgeschlossen werden.

Basis der EHS-Principles sind standardisierte und etablierte Managementnormen wie die ISO 9001 für das Qualitätsmanagement, die ISO 14001 für das Umweltmanagement, die ISO 50001 für das Energiemanagement sowie die ISO 45001 für das Arbeits- und Gesundheitsschutzmanagement.

Die allgemeingültigen EHS-Principles werden durch themenspezifische Leitlinien konkretisiert. Seit Oktober 2020 sind diese Leitlinien verpflichtend umzusetzen. Die Verantwortung hierfür liegt im Sinne hoher Umsetzungs-Compliance beim lokalen Management, das dabei durch die Fachkräfte des Health Management unterstützt wird. Die Kernziele sowie die konkrete inhaltliche Ausgestaltung werden damit auf die lokale Ebene übertragen, und das Gesundheitsmanagement entwickelt sich mehr und mehr vom Expertenthema hin zu einem integralen Bestandteil in den Geschäftsprozessen.

Eine Herausforderung: Etablierung einer Sicherheits- und Gesundheitskultur

Die Einführung der verbindlichen Leitlinien für das Gesundheitsmanagement wurde mit dem EHS-Programm Healthy @ Siemens begleitet. Die Umsetzung des Programmes erfolgte global auf Ebene der einzelnen Länder mit Unternehmensstandorten. In Deutschland wurde das Programm auf Ebene der Standorte individuell ausgerollt. Neben der Vorbereitung auf die erfolgreiche Umsetzung der durch die Leitlinien vorgegebenen Anforderungen haben die Betriebe im Rahmen des Programms den aktuellen Status ihrer Gesundheitsaktivitäten bewertet, mögliche Optimierungspotenziale erarbeitet und Ansätze entwickelt und umgesetzt, um die aktuellen gesundheitsrelevanten Herausforderungen zu bewältigen sowie sich auf potenzielle künftige Anforderungen vorzubereiten. Das Programm Healthy @ Siemens gibt keine inhaltlichen Schwerpunkte vor, sondern befähigt mit seinen Programmbausteinen die lokalen Akteurinnen und Akteure im Sinne hoher Flexibilitätsgrade und Bedarfsgerechtigkeit dazu, Gesundheit ebenso systematisch und erfolgreich zu „managen“ wie andere geschäftsrelevante Themenfelder.

Zur Analyse der standortspezifischen Bedarfe dient dazu ein Selbstbewertungstool, das „Health Promotion Self-Assessment“ (HP Self-Assessment). In der Regel erfolgt die Durchführung des HP Self Assessement mit den Teilnehmenden des lokalen Arbeitskreises Gesundheit (AKG). Die folgenden sieben Bereiche werden darin unter die Lupe genommen und in einer kritischen Einschätzung unterzogen:

  • Organisation des Gesundheitsmanagaments (etablierte Strukturen und vorhandene Ressourcen),
  • Management (Unterstützung und Vorbildfunktion der Leitung),
  • Kultur (Übernahme von Verantwortung für Gesundheit durch Führungskräfte und Beschäftigte),
  • Analyse,
  • Maßnahmenplanung,
  • Umsetzung und
  • Controlling.
  • Die vier letztgenannten Kategorien beziehen sich auf den Prozess der kontinuierlichen Verbesserung (Plan, Do, Check, Act – PDCA).

    Das Ergebnis dieser Selbstbewertung in diesen Bereichen, bei der für jedes Handlungsfeld eine Bewertung zwischen der Note 1 und der Note 5 vergeben wird, ist der Reifegrad des Gesundheitsmanagements.

    Die Teilnehmenden des AKG leiten daraus Aufgabenpläne für ihre weitere Arbeit ab. Mit einer kontinuierlich zirkulären Durchführung des vollständigen Assessments, oder auch nur Teilen davon, monitoren sie den Erfolg durchgeführter Aktivitäten.

    Mit der Umsetzung des Programms hat sich in den vergangenen Jahren nicht nur das Verständnis über Inhalte, Vorgehen und Nutzen des Gesundheitsmanagements verfestigt, vielmehr wurde die Notwendigkeit eines holistisch-systematischen Ansatzes erkannt und dieser konsequent umgesetzt. Bei der Betrachtung der Ergebnisse der Selbstbewertungen zeigen sich deutliche Tendenzen zu Stärken und Verbesserungspotenzialen. Während die Bereiche Organisation des Gesundheitsmanagements, Maßnahmenplanung und Maßnahmenumsetzung eine gute Bewertung erreichten, wurde in den Handlungsfeldern Analyse, Controlling und Kultur der größte Hebel für Verbesserungen gesehen.

    Die Verbesserung der Prozessschritte Analyse und Controlling wurde über die Bereitstellung und den Einsatz geeigneter Tools Weiterentwicklungen angestoßen. Die Verbesserung der Gesundheitskultur ist hingegen ein längerfristiger Prozess. Da parallel zum Programm Healthy @ Siemens mit Zero Harm Culture @ Siemens ein weiteres EHS-Programm im Arbeitsschutz umgesetzt wurde, sind beide Bausteine seit Oktober 2020 unter dem Programm Healthy and Safe @ Siemens vereint. Sicherheit und Gesundheit als strategische Ziele sind somit eng miteinander verbunden, folglich ist eine Sicherheitskultur auch nur schwer von einer Gesundheitskultur zu trennen.

    Die Einbettung des Gesundheitsmanagements in die strategischen ­Prioritäten des Unternehmens

    Waren es in der Vergangenheit häufig Fachkräfte, die Sicherheit und Gesundheit als eigene Themen behandelt haben, so steht die Integration von EHS in alle Facetten der Geschäftstätigkeit im Fokus des Programms Healthy and Safe @ Siemens. Das Programm fügt sich damit nahtlos in die strategischen Prioritäten des Unternehmens ein und verbindet ökonomische Ziele („Growth Mindset“) mit dem Aspekt „Menschen befähigen und stärken“.

    Die enge Verzahnung dieser strategischen Prioritäten ist der Rahmen für einen tiefgreifenden Kulturwandel. Menschen können nur befähigt und gestärkt werden, wenn sie Vertrauen in ihre Ressourcen und Kompetenzen erfahren und wenn im Sinne hoher Partizipation Arbeits- und/oder Prozessentscheidungen durch die Beschäftigten selbst getroffen werden dürfen, die sich mit den täglichen Bedingungen in ihrem Umfeld am besten auskennen – und die damit auch die Verantwortung für die Ergebnisse übernehmen. Ein ständiger Austausch und die Beteiligung der Beschäftigten sind die Grundlage dafür, das in der Organisation vorhandene Wissen zu nutzen. Dadurch wandeln sich zwangsläufig auch Rolle und Verantwortung der Führungskräfte – hin zu mehr Inspiration, Vernetzung und Coaching und hin zu einem Verhalten, das den Beschäftigten Lernerfahrungen ermöglicht und einen Austausch über positive und negative Erfahrungen anregt. Dazu gehört selbstverständlich auch, die eigenen Erfahrungen zu teilen und als Lernmöglichkeit anzubieten.

    Durch die Verknüpfung der Aspekte „Menschen befähigen und stärken“ als auch der „Growth Mindset“ werden für den Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie das Gesundheitsmanagement die strategischen Prioritäten eingeordnet und konkretisiert.

    Vier Ansatzpunkte verfolgt das Programm

  • ein positives Arbeitsklima fördern,
  • Lernen zu Themen Gesundheit und Sicherheit fördern,
  • Führungskompetenten zu Gesundheit und Sicherheit weiterentwickeln, und die
  • Optimierung von Prozessen und Ressourcen.
  • Die mit dem im Oktober 2020 gestarteten Programm begonnenen Aktivitäten zur Integration von Sicherheit und Gesundheit in die Geschäftsaktivitäten werden konsequent weitergeführt. Auch hier steht nicht der Inhalt, also das „Was?“ im Vordergrund. Vielmehr liegt dem Programm eine einheitliche didaktische Methodik zugrunde, die die Frage nach dem „Wie?“ priorisiert und hier die Basis für die lokale bedarfsorientierte Umsetzung legt.

    Die Weiterentwicklung der Gesundheits- und Sicherheitskultur in den vier oben genannten Bereichen lässt sich nicht eindeutig verordnen. Vielmehr ist ein dialogischer Ansatz auf Team-, Abteilungs- beziehungsweise Standortebene erforderlich. Beteiligung statt Anordnung, Gespräch statt Anweisung – dieser Ansatz stellt vielfach völlig neue Anforderungen an die Fachkräfte im Arbeits- und Gesundheitsschutz.

    Mitarbeiterin bei der Kontrolle eines Zuges: Verhältnisbezogene Präventionsansätze werden auch künftig im Fokus des betrieblichen Gesundheitsmanagements stehen

    Foto: Siemens AG

    Mitarbeiterin bei der Kontrolle eines Zuges: Verhältnisbezogene Präventionsansätze werden auch künftig im Fokus des betrieblichen Gesundheitsmanagements stehen

    Wohin entwickelt sich das betriebliche Gesundheitsmanagement nach Corona?

    Wie bereits oben beschrieben hat die Corona-Pandemie den Wandel im betrieblichen Gesundheitsmanagement im Unternehmen enorm beschleunigt. Waren vor der Pandemie vor allem vielfältige zielgruppenspezifische Angebote für vorwiegend in Präsenz arbeitende Beschäftigte im Fokus, wurden innerhalb kürzester Zeit virtuelle Angebote in das Programm aufgenommen, die die Anforderungen ortsflexiblen Arbeitens aufgriffen. Online-Sport- und Bewegungsangebote, Vorträge zur Stärkung von Resilienz oder zum Stressmanagement, Videos zu gesunder Ernährung und das Angebot telemedizinischer Beratung durch die Betriebsärztinnen und -ärzte sowie die Sozialberatung sind nur einige der Optionen, die seit Beginn der Pandemie angeboten werden.

    Doch neben allgemeinen Gesundheitsthemen stehen auch ganz spezielle Anforderungen und Erwartungen an das betriebliche Gesundheitsmanagement im Fokus. So wünschen sich Abteilungen vermehrt virtuelle Formate zur Diskussion und Vereinbarung von Regeln und Formen der virtuellen Zusammenarbeit. Häufig bilden die Ergebnisse einer Befragung oder der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen die Grundlage für einen abteilungsspezifischen Workshop.

    Die interdisziplinäre Aufstellung der Fachkräfte für Prävention stellte sich als gute Basis heraus, um alle Facetten des Gesundheitsverständnisses, egal ob physisch, psychisch oder sozial, in den Blick zu nehmen. Selbstverständlich werden auch die Herausforderungen an Führungskräfte beim plötzlichen Wandel hin zu virtueller Führung und Zusammenarbeit in der Angebotspalette berücksichtigt. In der Bedarfsanalyse dazu wird deutlich, dass es vor allem die Themen Bindung und Vertrauen sind, die bei Führungskräften in den Vordergrund rücken. Kurze virtuelle Meetings, auch ohne Agenda, vergleichbar mit dem Gespräch am Kaffeeautomaten, werden mittlerweile ebenso genutzt, um die Bindung im Team zu erhöhen, wie die Durchführung eines Stimmungsbarometers, bei dem jede teilnehmende Person eines Meetings auf die Frage „Wie geht es mir auf einer Skala von 1–10 gerade?“ antwortet. Daneben kommen auch gesundheitsrelevante Aspekte nicht zu kurz. So führen Teams ihre virtuellen Besprechungen teilweise im Freien bei Spaziergängen durch oder integrieren kurze Aktivierungseinheiten in virtuelle Meetings.

    Zwei Faktoren haben sich aus der betrieblichen Erfahrung bislang entscheidend für die Resonanz und den Erfolg des breiten Maßnahmenportfolios herausgestellt. Einerseits hilft der Wiedererkennungswert. Die Ansprechpersonen, die von den Teilnehmenden auch in Präsenzsituationen bereits erlebt wurden, werden deutlich stärker angenommen als ein eher anonymes Angebot unbekannter Akteurinnen und Akteure. Daneben ist die Integration der Maßnahmen in bereichs- oder abteilungsspezifische Programme ein Erfolgsfaktor. Zunehmend werden daher auch kurze Gesundheitsangebote wie Vorträge oder Aktiveinheiten in virtuelle Teambesprechungen/-konferenzen oder Kongresse eingeplant. Dies wird als Erfolg der betrieblichen Aktivitäten auf dem Weg zur Integration von Gesundheitsthemen in die Geschäftsprozesse angesehen – getreu einer strategischen Priorität des Unternehmens „Menschen befähigen und stärken“.

    Doch natürlich gilt es auf dem Weg zu einem New Normal auch Hindernisse zu überwinden. Dabei stehen die Präventionsbeteiligten weniger vor inhaltlichen als vielmehr vor technischen Herausforderungen. Beispielsweise ist die Moderation eines virtuellen Workshops mit MS Teams und Concept Board deutlich anders als eine Moderation mit Flipchart“ und Metaplan-Wand“. Schulungen und interne Unterstützungsangebote sowie kollegiales Coaching haben im Unternehmen früh eingesetzt und dazu beigetragen, dass die neuen Formen der Arbeit für die Gesundheitsakteure nicht zur gesundheitlichen Belastung werden.

    Zusammenfassung und Ausblick

    Zentrale Merkmale der Aktivitäten des betrieblichen Gesundheitsmanagements im beschriebenen Großunternehmen sind die Orientierung an Nachhaltigkeitsprinzipien und eine starke Verknüpfung operativer Geschäftsziele mit den Zielen im Bereich Gesundheit und Sicherheit. Diese enge Verbindung garantiert die notwendige Priorisierung und Durchsetzung der gesundheits- und sicherheitsorientierten Ziele und wird mittelfristig zu einer Kultur der Achtsamkeit als integrativem Prinzip der Geschäftsprozesse führen. Die Corona-Pandemie hat zu einem dynamischen Entwicklungsschub geführt. Standen vor der Pandemie virtuelle Angebote nur vereinzelt auf der Agenda der betrieblichen Gesundheitsaktivitäten, so sind diese in Zukunft nicht mehr wegzudenken. Das Gesundheitsmanagement wird sich vielmehr als hybrides Modell entwickeln und sowohl Face-to-face-Angebote als auch virtuelle Angebote kombinieren.

    Für Beschäftigte, deren Tätigkeit kein mobiles Arbeiten zulässt, steht außer Frage, dass die Aktivitäten weiterhin vor Ort umgesetzt werden. In der Gruppe der mobil Arbeitenden bieten sich für das Gesundheitsmanagement aber auch neue Chancen.

    Der soziale Aspekt der Gesundheit lässt sich fast nirgends so gut erleben wie bei gemeinsamen Aktivitäten. Gesundheitsaktivitäten, in virtueller Form, noch besser aber in Präsenz, schaffen ein Zusammengehörigkeitsgefühl. In Zeiten, in denen für viele Beschäftigten das Arbeiten nur noch aus Arbeit am heimischen Schreibtisch besteht, kann die Erfahrung, einer Gruppe anzugehören oder eine gemeinsame Identität zu entwickeln, mit Gesundheitsaktivitäten aufrecht gehalten und gestärkt werden.

    Damit schließt sich der Kreis zur sozialen Seite der Nachhaltigkeit. Das betriebliche Gesundheitsmanagement leistet einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung der Sustainable Development Goals, nicht nur, aber insbesondere im Ziel 3: „Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern.“

    Interessenkonflikt: Der Autor ist bei der Siemens AG beschäftigt. Ein Interessenkonflikt liegt nicht vor.

    Weitere Infos

    Nachhaltigkeitsinformationen 2020
    https://assets.new.siemens.com/siemens/assets/api/uuid:95e6491e-1ac1-42…

    EHS-Programm Healthy and Safe @ Siemens
    https://new.siemens.com/de/de/unternehmen/nachhaltigkeit/gesundheit-sic…

    Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZGA): Gesundheit (von P. Franzkowiak und K. Hurrelmann)
    https://www.leitbegriffe.bzga.de/alphabetisches-verzeichnis/gesundheit/

    Kernaussagen

  • Ein ganzheitliches betriebliche Gesundheitsmanagement bildet eine zentrale Säule der unternehmerischen sozialen Nachhaltigkeitsaktivitäten. Um diese Aufgabe auch in Zukunft erfüllen zu können, muss sich das betriebliche Gesundheitsmanagement dem Wandel anpassen.
  • Die Corona-Pandemie macht aktuell deutlich, wie schnell sich Arbeitswelten verändern. ­Dabei stehen die Fragen „Wie wollen wir künftig arbeiten?“ und „Wie arbeiten wir künftig ­zusammen?“ ganz oben auf der betrieblichen Agenda.
  • Das betriebliche Gesundheitsmanagement muss sich auf inhaltlicher Ebene, in den didaktisch/methodischen Ansätze sowie hinsichtlich der Qualifizierung der Fachkräfte stets kritisch hinterfragen und weiterentwickeln, um auch weiterhin einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung der Sustainable Development Goals, nicht nur, aber insbesondere im Ziel 3 – „Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern“ – zu leisten.
  • Digitale Anwendungen sind Kern der heutigen Arbeitswelt – auch in moderne Präventionsansätze hat die Digitalisierung Einzug gehalten

    Foto: Siemens AG

    Digitale Anwendungen sind Kern der heutigen Arbeitswelt – auch in moderne Präventionsansätze hat die Digitalisierung Einzug gehalten

    Kontakt

    Klaus Pelster
    Head of Health Management; Siemens AG; Lyoner Str. 27; 60528 Frankfurt am Main

    Foto: Ingrid Jost-Freie

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