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Diversitätssensibles betriebliches Gesundheitsmanagement  

Diversitätssensibles BGM in KMU

Erfolgsfaktoren und Hindernisse von betrieblichem Gesundheitsmanagement

Diversity-sensitive Occupational Health Management in Small and Medium-sized Enterprises – Success Factors and Obstacles

Transformationen in der Arbeitswelt und Auswirkungen auf das BGM

Die Arbeitswelt von heute unterliegt umfassenden Veränderungsprozessen, beeinflusst von Globalisierung, Digitalisierung, Demokratisierung und Veränderungen gesellschaftlicher, sozialer und ökologischer Rahmenbedingungen (Müller 2009; Brenscheidt et al. 2022). Neue Arbeitsformen, wie zum Beispiel zeit- und ortsunabhängiges Arbeiten, können neben Chancen für die Beschäftigten ebenso vielfältige Belastungen und Beanspruchungen induzieren und die Gesundheit von Beschäftigten gefährden, beispielsweise durch beschleunigte Arbeitsprozesse und steigenden Leistungsdruck (Backhaus et al. 2021; Böhm et al. 2019). Zudem nehmen psychische Belastungen und Erkrankungen zu (Badura et al. 2010; Böhm et al. 2019).

Die sich verändernde Altersstruktur und der zunehmende Fachkräftemangel stellen eine Herausforderung für den deutschen Arbeitsmarkt dar. Die Förderung und Erhaltung der physischen und psychischen Gesundheit von Beschäftigten wird daher zunehmend zum Anliegen und einem zentralen Erfolgsfaktor von Unternehmen. Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) adressiert diese Herausforderungen und hat zum Ziel, Strukturen und Prozesse in Unternehmen zu implementieren, die den Schutz und die Förderung der Gesundheit der Beschäftigten nachhaltig ermöglichen (Schmidt et al. 2015). Dabei werden verhältnis- und verhaltenspräventive Ansätze verfolgt (Halbe-Haenschke u. Reck-Hog 2017). Maßnahmen der Verhältnisprävention fokussieren sich zum Beispiel auf Vereinbarkeit von Arbeit und Familie, ergonomische Arbeitsplatzgestaltung und die Ausbildung gesunder Führung. Dagegen zielt die Verhaltensprävention auf das Verhalten von einzelnen Beschäftigten ab (Frankowiak 2018). Hierzu zählen unter anderem Informations- und Aufklärungsmaßnahmen zu Themen wie Ernährung oder Stresskompetenz und Gesundheitskurse.

Besondere Herausforderungen bei der Implementierung und Umsetzung von BGM haben kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Diese sind von der Europäischen Kommission definiert als Unternehmen, in denen maximal 249 Beschäftigte tätig sind und deren Jahresumsatz maximal 50 Millionen EUR beträgt oder eine Bilanzsumme von höchstens 43 Millionen EUR aufweist (Institut für Mittelstandsforschung Bonn 2019, s. „Weitere Infos“). Mit 2,5 Millionen Unternehmen zählt die große Mehrheit (99,4 %) der Unternehmen in Deutschland zu dieser Definition; 55 % der Beschäftigten in Deutschland sind in KMU tätig (Destatis 2020, s. „Weitere Infos“). Beschäftigte in KMU nehmen deutlich seltener BGM-Angebote in Anspruch (Altgeld 2014). Der Fokus auf das Tagesgeschäft, knappe zeitliche, personelle und finanzielle Ressourcen sowie fehlendes Wissen über BGM stellen, laut der Initiative für Gesundheit und Arbeit, die häufigsten Barrieren für die Umsetzung von BGM in KMU dar (Bechmann et al. 2011).

Die Forschung im Projekt BGMvital erfolgt partizipativ unter Beteiligung von KMU mit Arbeitgebenden mit Migrationshintergrund aus der Türkei sowie deren Beschäftigte. Letztere können Migrationshintergrund haben. Etwa 11,2 Millionen Erwerbspersonen in Deutschland umfasst die statistische Kategorie „Menschen mit Migrationshintergrund“ (MMH; Statista 2022, s. „Weitere Infos“). Darunter bilden Erwerbstätige mit türkischem Migrationshintergrund eine der größten Subgruppen (1,2 Millionen – 14 %; Statistisches Bundesamt 2018). Die im Projekt und in der Forschung verwendete statistische Bezeichnung als Mensch mit Migrationshintergrund entspricht zwar den aktuellen politischen Standards, sollte aber kritisch bezüglich Konzeption und resultierender Konsequenzen betrachtet werden. Die Bezeichnung als MMH unterstellt Migrantinnen/Migranten und den nachfolgenden Generationen Alterität, und zwar unabhängig von der Staatsbürgerschaft, Sozialisation und Selbstidentifikation (vgl. Supik 2014).

Das Robert Koch-Institut (Schumann et al. 2019) empfiehlt, für ein migrationssensibles Gesundheitsmonitoring Sprachkenntnisse, soziale Unterstützung und das subjektive Zugehörigkeitsgefühl als relevante Faktoren zu berücksichtigen. MMH arbeiten, verglichen mit Menschen ohne Migrationshintergrund, häufiger in Branchen, die durch besonders belastende Arbeitsbedingungen gekennzeichnet sind. Dies zeigt sich an häufigeren Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten oder Erwerbsminderungen (Brzoska u. Razum 2015). Folglich sollte ein modernes, angepasstes BGM Diversitätsaspekte der Beschäftigten in der Planung und Implementierung berücksichtigen (Altgeld 2014). Zusätzlich sollte BGM mit bestehenden Strukturen des Diversitätsmanagements in Unternehmen verknüpft werden (vgl. auch ➥ Abb. 1).

Zur Untersuchung von Erfolgsfaktoren und Hindernissen bei der Implementierung eines diversitätssensiblen BGM in KMU wurden mehrere qualitative Interviews mit Expertinnen/Experten und mit Arbeitgebenden sowie Fokusgruppendiskussionen mit je 3–5 Beschäftigten durchgeführt. Alle Teilnehmenden stimmten der Tonaufnahme sowie Speicherung der Daten zu und erhielten eine Aufwandsentschädigung für ihre Teilnahme. Die befragten Expertinnen/Experten wurden anhand ihrer Kenntnisse und Erfahrungen in den Bereichen Migration und Gesundheit, Digitalisierung, Diversität und BGM ausgewählt. Die teilnehmenden Beschäftigten und Arbeitgebenden arbeiteten in den Branchen Sozialbereich, (Tief-)Bau und Gastronomie und variierten in der Unternehmensgröße (11–140 Beschäftigte). Die Interviews mit Arbeitgebenden und die Fokusgruppen wurden jeweils während der Arbeitszeit vor Ort (Berlin) im Unternehmen geführt. Alle Daten wurden mittels der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2012) ausgewertet.

Kommunikation

Die befragten Beschäftigten benannten transparente Informationen und täglichen Austausch (v. a. in analoger Form; persönliches Gespräch) mit ihren Vorgesetzten als wichtig. Laut der Expertinnen und Experten sollten Ansprechpersonen innerhalb des Unternehmens (z. B. für Arbeitsschutz) deutlich kommuniziert werden. Auch Ziele für Gesundheit (auf individueller und betrieblicher Ebene) sollten transparent kommuniziert werden. Die interviewten Arbeitgebenden gaben an, über Mängel und Herausforderungen bezüglich der Umsetzung von zum Beispiel Arbeitsschutzmaßnahmen regelmäßig zu sprechen. Die Kommunikation nach außen mit BGM-Akteurinnen und -Akteuren sei jedoch vollständig auf Deutsch und kaum barrierefrei und diversitätssensibel.

Wissen über BGM

In den Interviews und den Fokusgruppen wurde erfragt, welches Wissen über BGM und über die spezifischen Säulen von BGM besteht. Zur Erläuterung wurden Beispiele und verständliche Definitionen vorbereitet. Die Beschäftigten verfügten über ein umfassendes Wissen zum Bereich Arbeitsschutz. Hygienevorschriften und Brandschutzregeln wurden am häufigsten genannt. Dagegen waren lediglich die Beschäftigten eines KMU über die arbeitsmedizinische Vorsorge informiert, da in diesem Unternehmen regelmäßig Untersuchungen zum Hautschutz stattfänden. Deutlich wurde, dass kaum ein Verständnis für die Ganzheitlichkeit von BGM-Maßnahmen vorhanden war. Das Wissen der Beschäftigten bezog sich vor allem auf Handlungswissen, wie beispielsweise die Umsetzung von Regeln zum Arbeitsschutz. Das Wissen bezüglich BGM-Maßnahmen der interviewten Arbeitgebenden bezog sich vor allem auf Kontrollen (Häufigkeit, durchführende Organisation) und relevante Ansprechpersonen. Bezüglich Letzteren wurde deutlich, dass die Arbeitgebenden innerhalb der KMU eine Vorbildfunktion innehaben und Ansprechperson für ihre Beschäftigten sind. Dagegen gebe es von außen kaum Unterstützung und selten klare Ansprechpersonen. Bezüglich arbeitsschutzrelevanter Themen zeigte sich branchenspezifisches Wissen, zum Beispiel zu Desinfek­tion, Pflichtimpfungen und Ergonomie. Die Arbeitgebenden hatten ein Verständnis von Präventionsmaßnahmen und gängigen BEM-Praktiken, insbesondere vom Hamburger Modell. Insgesamt zeigte sich auch bei den teilnehmenden Arbeitgebenden eine Wissenslücke bezüglich des systematischen und ganzheitlichen Charakters von BGM. Bisher werde BGM eher als Umsetzung einzelner kleinerer Alltagsmaßnahmen verstanden. Die Wissensvermittlung erfolgte von Arbeitgebenden an ihre Beschäftigten. Als Informationsquellen benannten die Arbeitgebenden vor allem Vorerfahrungen in anderen Betrieben sowie den Austausch mit anderen Arbeitgebenden.

Erfahrungen mit BGM

Die teilnehmenden Beschäftigten und Arbeitgebenden wurden zu ihren Erfahrungen mit BGM und den bisherigen Umsetzungen von BGM-Maßnahmen interviewt. Arbeits- und Gesundheitsschutz war der salienteste Bereich vom BGM. Bei den Beschäftigten stand die Vermeidung von (eigenen) Verletzungen im Vordergrund. Brandschutz und Erste Hilfe wurden darüber hinaus genannt. Die Arbeitgebenden verfügten über umfassendes Wissen zum Bereich Arbeitsschutz. Positive Erfahrungen hätten sie mit externen Kursen, der Kommunikation mit Gesundheitsämtern und der Ernennung von internen Arbeitsschutzbeauftragten gemacht. Dagegen wurden undurchsichtige Anweisungen von Hygieneämtern sowie das Nicht-Tragen von Schutzbekleidung aus Komfortgründen als negative Erfahrungen seitens der Arbeitgebenden benannt. Der Mangel an Betriebsärztinnen und -ärzten wurde am häufigsten im Bereich der arbeitsmedizinischen Vorsorge genannt. Die Beschäftigten hatten wenig Erfahrung in diesem Bereich; die Trennung zu Erfahrungen im Arbeitsschutz war unklar. Als Herausforderungen benannten die Arbeitgebenden den teilweise geringen Stellenwert von Prävention bei ihren Beschäftigten. Bezüglich BEM war theoretisches Wissen vorhanden, allerdings wurden BEM-Maßnahmen sowohl von Beschäftigten als auch von Arbeitgebenden als Herausforderung erlebt. Die stufenweise Eingliederung sei teilweise nicht möglich. Bezüglich Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) berichteten die Beschäftigten von vielseitigen Angeboten (z. B. sportliche Aktivitäten mit Kolleginnen und Kollegen, gesunde Ernährung). Erfahrungen mit Präventionskursen und Schulungen wurden dagegen kaum berichtet. Arbeitgebende berichteten von Angeboten mit Fokus auf Verhaltens- und Verhältnisprävention (z. B. Verhaltenshinweise auf Schildern, betrieblicher Fußball, Musik am Arbeitsplatz). Das berichtete Wissen bezog sich überwiegend auf die physische Gesundheit sowie Vor- und Nachsorge von physischen Belangen.

Stellenwert von Gesundheit

Der Erfolg von BGM-Maßnahmen hänge, laut der Expertinnen und Experten, maßgeblich von der Motivation der Beschäftigten und der entsprechenden Umsetzung der Maßnahmen ab. Die Daten der Interviews deuten darauf hin, dass der Stellenwert der Gesundheit im jeweiligen KMU ein zentraler Erfolgsfaktor für die Motivation und somit auch für die Implementierung und Umsetzung von BGM ist. Die Beschäftigten berichteten, dass Gesundheit am Arbeitsplatz für sie das Bewusstsein über schädliche Auswirkungen von langem Sitzen, die Wichtigkeit von Pausen etc. bedeute. Die eigene Gesundheit sei vor allem dann präsent, wenn bereits gesundheitliche Probleme wie beispielsweise Rückenbeschwerden auftreten. Die teilnehmenden Beschäftigten waren sich einig, dass Gesundheit in KMU keinesfalls eine reine Privatsache sei. Deutlich wurde außerdem, dass es kaum eindeutig definierte Ziele bezüglich Gesundheit in den KMU gibt. Die Beschäftigten berichteten, bereits ausreichend für ihre Gesundheit zu sorgen oder aber aufgrund von Rahmenbedingungen nicht mehr für die eigene Gesundheit tun zu können.

Die Arbeitgebenden benannten die Gesundheit als höchste Priorität für das KMU. Als Verständnis von Gesundheit wurde am häufigsten die Abwesenheit von Einschränkungen genannt. Gesundheit wurde eher ganzheitlich verstanden und als nachhaltige Absicherung der Produktivität ihrer Beschäftigten beschrieben. Einige Arbeitgebende gaben an, dass ihre persönliche Gesundheit ebenfalls wesentlich für das KMU sei. Eigene Belastungen könnten sich negativ auf die Belegschaft auswirken, daher sei Prävention besonders wichtig. Die Langfristigkeit von Maßnahmen wurde betont. Die Arbeitgebenden erlebten, dass der Fokus auf die Gesundheit ihrer Beschäftigten deren Motivation und Produktivität steigere. Eine Interviewfrage regte zum Perspektivwechsel an: Beschäftigte (aus Sicht der Arbeitgebenden) würden sich vor allem außerhalb der Arbeitszeit um gesundheitliche Belange kümmern. Bezahlung stehe im Vordergrund. Präventionsmaßnahmen würden als wichtig erachtet, gleichzeitig aber kaum in Anspruch genommen werden. Arbeitgebende erlebten wenig Einfluss auf gesundheitliche Entscheidungen ihrer Beschäftigten.

Motivation für BGM-Maßnahmen

Die interviewten Expertinnen und Experten gaben an, dass gesetzliche Verpflichtungen, Inspiration durch jüngere Generationen im KMU und finanzielle Unterstützung durch gesetzliche Krankenkassen zur Implementierung und Inanspruchnahme von BGM-Maßnahmen in KMU beitragen. Darüber hinaus würden die akuten Beschwerden der Beschäftigten zunehmen und die Berufsgenossenschaften das Thema BGM zunehmend fokussieren. Aus Unternehmenssicht beziehungsweise aus Sicht der Arbeitgebenden stelle BGM, laut der Interviewten, einen klaren Wettbewerbsfaktor für qualifizierte Arbeitskräfte dar. BGM erhalte zunehmend öffentliche Aufmerksamkeit und die Implementierung eines ganzheitlichen BGM in Unternehmen unterstütze die Bindung der Beschäftigten.

Die befragten Arbeitgebenden bestätigten diese Aspekte. Die Umsetzung von BGM-Maßnahmen sei eine wichtige Werbung für potenzielle Auftraggebende und Bewerbende. Darüber hinaus sei es wichtig, dass der Gewinn sichtbar sei. Sowohl Arbeitgebende als auch Beschäftigte würden die Erfolge der BGM-Maßnahmen sehen und erleben wollen.

Herausforderungen bei der ­Implementierung von BGM

Als Herausforderungen bei der Implementierung von BGM in KMU fokussierten die Expertinnen und Experten vor allem mangelnde finanzielle und zeitliche Ressourcen. So sei zum Beispiel die Teilnahme an Schulungen innerhalb der Arbeitszeit schwer zu realisieren. Darüber hinaus sei der Nutzen von BGM noch nicht völlig erkannt worden. Es gebe eine zeitliche Verzögerung zwischen der Einführung von BGM-Maßnahmen und sichtbaren Ergebnissen im Unternehmen; dies könnte die Motivation der Arbeitgebenden beeinträchtigen. Eine weitere Herausforderung seien mangelnde Informationen bezüglich BGM sowie eine mangelnde Orientierung der Maßnahmen an Adressatinnen und Adressaten.

Erfolgsfaktoren für BGM

Aus den Fokusgruppen mit den Beschäftigten sowie den Interviews mit den Expertinnen und Experten wurde deutlich, dass Partizipation ein klarer Erfolgsfaktor ist und die Motivation für BGM erhöhen kann. Alle Beschäftigten berichteten über Einflussmöglichkeiten und Mitspracherechte, beispielsweise bei gesundheitsrelevanten Themen am Arbeitsplatz. Es gäbe unbürokratische Wege für Vorschläge; man spreche direkt mit Vorgesetzten. Die Möglichkeit zur Partizipation war allen befragten Beschäftigten wichtig. Sie erlebten dies als Wertschätzung ihrer Arbeit und Person. Die Arbeitgebenden berichteten, dass sie regelmäßig Wünsche und Impulse für Veränderungen von ihren Beschäftigten erhielten. Es gäbe enge Absprachen und es würde gemeinsam nach Lösungen gesucht werden. Die Partizipation der Beschäftigten wurde von ihren Vorgesetzten positiv wahrgenommen. Einige Arbeitgebende hatten die Hoffnung, dass dies der Beginn für die „selbstbestimmte Gesundheit“ sein könnte. Ihr Ziel sei es, dass Beschäftigte auf die eigene Gesundheit achten und Maßnahmen selbstständig umsetzen würden. Interessant war außerdem, dass Arbeitgebende selbst wenig Einfluss- und Partizipationsmöglichkeiten erleben, sich dies allerdings wünschen. Die Partizipation bei externen Ansprechpersonen sei nur eingeschränkt möglich. Es bestehe der Wunsch, BGM-Angebote „betriebsorientiert“ anzupassen. Sie wollten bei der Planung von BGM-Maßnahmen miteinbezogen werden. Darüber hinaus fehle häufig die Möglichkeit, Feedback zu geben.

Einen weiteren übergreifenden Erfolgsfaktor stellt die bedarfsorientierte und diversitätssensible Durchführung von BGM-Maßnahmen dar. Die interviewten Expertinnen und Experten empfahlen, die Diversitätsdimensionen Alter (aufgrund der hohen Altersspanne in KMU), ethnische Herkunft/Nationalität und Sprachen zu berücksichtigen. Vor allem mehrsprachige Angebote seien wichtig, um den Zugang zum BGM zu ermöglichen. Die Expertinnen und Experten vermuteten höhere Rücklaufquoten bei Maßnahmen, die diversitätssensibel durchgeführt werden. Darüber hinaus könnten die Bindung der Beschäftigten, das Gesundheitsbewusstsein sowie die Steuerung der Unternehmen verbessert werden.

Als Erfolgsfaktor für die erfolgreiche Umsetzung von BGM in KMU wurde außerdem die Digitalisierung thematisiert. Die Befragten sahen darin die Chance, Informationen leichter zu verbreiten und die Implementierung vom BGM zu verbessern. Darüber hinaus ermögliche ein digitales BGM die Bedarfserhebung und Vernetzung von KMU. Kosten, Zeit und Aufwand könnten verringert werden. Durch den Einsatz von Trackern und Apps als Instrumente von BGM könnte eine höhere Flexibilität ermöglicht werden. Gamification, wie zum Beispiel Wettbewerbe im Team, könnten über eine begrenzte Zeit angeboten werden. In Kombination mit analogen Maßnahmen könnten sich äußerst effiziente und wirksame BGM-Maßnahmen ergeben. Gleichzeitig betonten die Expertinnen und Experten die Relevanz von Datenschutz und Datensicherheit bei digitalem BGM. Arbeitgebende und -nehmende sollten zusätzlich analog informiert werden, um eine Übersichtlichkeit zu ermöglichen.

Schlussfolgerung

Die Arbeitswelt ist in ständigem Wandel und die Erwerbsbevölkerung in Deutschland wird zunehmend diverser. Entsprechend sollten BGM-Angebote diversitätssensibel gestaltet werden. Für ein diversitätssensibles BGM und die Entwicklung entsprechender Angebote sind partizipative Ansätze, die Arbeit mit Multiplikatorinnen und Multiplikatoren aus der jeweiligen Gruppe der adressierten Personen sowie die Berücksichtigung von Mehrsprachigkeit entscheidend. Bereits die Forschung zu BGM sollte diversitätssensibel und partizipativ gestaltet sein und Forschende sollten Begriffe und Konzepte zu Migration, wie zum Beispiel die Fremdbezeichung MMH, reflektieren. Eine unreflektierte Verwendung könnte diskriminierend wirken. Daher ist die verantwortungsvolle Kommunikation in der Forschung zu Migration und Gesundheit bedeutsam (Bilgic et al. 2022). Ausreichende Ressourcen (z. B. für ausreichende finanzielle Vergütung von Teilnehmenden, zeitliche Ressourcen für die Teilnehmendengewinnung), mehrsprachige Erhebungen, niedrigschwellige Veröffentlichungen der Ergebnisse und Empfehlungen sowie Forschungsteams und BGM-Akteurinnen und -Akteure, die heterogen bezüglich vielfältiger Diversitätsaspekte sind, können hierbei unterstützen und ein diversitätssensibles BGM fördern.

Interessenkonflikt: Die Autorinnen geben an, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.

Ethikvotum: Die Studie wurde in Übereinstimmung mit den Richtlinien der Deklaration von Helsiniki sowie den Richtlinien der DFG und COPE durchgeführt. Die Studiendurchführung, das Einwilligungsverfahren und das Studienprotokoll wurden von der Ethikkommission der Charité – Universitätsmedizin Berlin genehmigt (EA2/098/19). Die informierte Einwilligung wurde von allen Teilnehmenden der Studie eingeholt.

Literatur

Altgeld T: Zukünftiger Stellenwert des Betrieblichen Gesundheitsmanagements. In: Badura B, Ducki A, Schröder H, Klose J, Meyer M (Hrsg.): Erfolgreiche Unternehmen von morgen – gesunde Zukunft heute gestalten (Fehlzeiten-Report, Bd. 2014). Berlin: Springer, 2014, S. 299–309.

Backhaus N, Tisch A, Beermann B: Telearbeit, Homeoffice und Mobiles Arbeiten: Chancen, Herausforderungen und Gestaltungsaspekte aus Sicht des Arbeitsschutzes. Berlin: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), 2021.

Badura B, Walter U, Hehlmann T: Betriebliche Gesundheitspolitik. 2. Aufl. Berlin, Heidelberg: Springer, 2010.

Bechmann S, Jäckle R, Lück P, Herdegen R: Iga Report 20. Motive und Hemmnisse für Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM). Umfrage und Empfehlungen. AOK-Bundesverband, 2011.

BGMvital (2021). Das BGM-Haus. https://bgmvital.de/die-bgm-saeulen/

Bilgic L, Sarma N, Loer AKM et al.: Diskriminierungssensible Sprache in der Forschung zu Migration und Gesundheit – eine Handreichung. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 2022; 65: 1–8.

Böhm SA, Baumgärtner MK, Breier C, Götz TM, Walther M: Gesundheitliche Effekte des digitalen Wandels am Arbeitsplatz – Ergebnisse einer repräsentativen Längsschnittanalyse der Universität St. Gallen im Auftrag der BARMER Krankenkasse, 2019.

Brenscheidt S, Siefer A, Hünefeld L, Backhaus N, Halke T: Arbeitswelt im Wandel: Zahlen – Daten - Fakten. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), 2022.

Brzoska P, Razum O; Migration and occupational health: high work-related burden. Public Health Forum 2015; 23: 113–115.

Bundesministerium für Arbeit und Soziales: Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) – Arbeitsmedizinische Empfehlung. Referat Information, Monitoring, Bürgerservice, Bibliothek, 2020.

Destatis: Kleine und mittlere Unternehmen, 2020. https://www.destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/Unternehmen/Klei…

Franzkowiak P: Prävention und Krankheitsprävention. In: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (Hrsg.): Leitbegriffe der Gesundheitsförderung und Prävention. Glossar zu Konzepten, Strategien und Methoden. BZgA, 2018.

Halbe-Haenschke B, Reck-Hog U (Hrsg.): Die Erfolgsstrategie für Ihr BGM. Methoden und Umsetzung eines effektiven betrieblichen Gesundheitsmanagements. Wiesbaden: Springer Gabler, 2017.

Institut für Mittelstandsforschung Bonn: KMU-Definition der Europäischen Kommission. 2019. https://www.ifm-bonn.org/definitionen/kmu-definition-der-eu-kommission/

Mayring P: Qualitative Inhaltsanalyse – ein Beispiel für Mixed Methods. Mixed Methods in der empirischen Bildungsforschung 2012; 1: 27–36.

Müller E: Arbeitsmedizinische Praxis im Spannungsfeld von ethischem Anspruch und betrieblichem Alltag aus Sicht der Arbeitgeber (Ethik in der Arbeitsmedizin: Orientierungshilfe in ethischen Spannungsfeldern). Landsberg: ecomed Medizin, 2009, S. 70–78.

Schmidt R, Müller M, Bühren S, Neuber N, Malinka J, Sakris J, Kraußlach H: Praxisleitfaden zur Einführung eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements. Jena: Verlag Ernst-Abbe-Hochschule Jena, 2015.

Schumann M, Kajikhina K, Polizzi A et al.: Konzepte für ein migrationssensibles Gesundheitsmonitoring. J Health Monitoring 2019; 4: 51–68.

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doi:10.17147/asu-1-280205

Weitere Infos

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https://bgmvital.de/die-bgm-saeulen/

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https://www.destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/Unternehmen/Klei…

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https://www.ifm-bonn.org/definitionen/kmu-definition-der-eu-kommission/

Statista Research Department: Bevölkerung mit und ohne Migrationshintergrund nach Beteiligung am Erwerbsleben 2021. 4. Oktober 2022
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/3384/umfrage/bevoelkerun…

Kernaussagen

  • Die Diversität der Beschäftigten nimmt in der sich stetig wandelnden Arbeitswelt zu.
  • Daraus ergeben sich spezifische Anforderungen an das betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM).
  • Partizipation, transparente Kommunikation, Wissen über BGM(-Maßnahmen), der Stellenwert von Gesundheit, die Verwendung digitaler Angebote sowie ein diversitätssensibles Vorgehen stellen zentrale Erfolgsfaktoren dar.
  • Für ein diversitätssensibles BGM sollten partizipative Ansätze, Mehrsprachigkeit sowie entscheidungstragende Personen und Multiplikatorinnen/Multiplikatoren, die in verschiedenen Diversitätsaspekten variieren, berücksichtigt werden.
  • Koautorinnen

    Carla Rinne

    Sophie Glaser

    Susanne Voelter-Mahlknecht
    Charité – Universitätsmedizin Berlin, Corporate ­Member of Freie Universität Berlin and Humboldt Universität zu Berlin, Institute of Occupational Medicine

    Leman Bilgic
    Charité – Universitätsmedizin Berlin, Corporate Member of Freie Universität Berlin and Humboldt Universität zu Berlin, Institute of Occupational Medicine, und Alice Salomon Hochschule Berlin, University of Applied Science

    Kontakt

    Fiona Niebuhr, M.Sc.
    Charité Universitätsmedizin Berlin; Institut für Arbeitsmedizin; Augustenburger Platz 1; 13353 Berlin

    Foto: privat

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