Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch
Arbeits(zeit)organisation bei mobilem Arbeiten

Zwischen Flexibilität und Entgrenzung

Zwei Seiten einer Medaille: Chancen und Risiken des mobilen Arbeitens

Die zunehmende Verbreitung von Informations- und Kommunikationstechnologien ermöglicht immer mehr Beschäftigten, außerhalb ihres Betriebs, zum Beispiel von zuhause oder unterwegs, zu arbeiten. Zuletzt durch die Corona-Pandemie hat das Arbeiten von zuhause stark zugenommen, wobei der Großteil der Beschäftigten ohne Telearbeitsvereinbarung gearbeitet hat. Vielmehr war das Homeoffice als Form der mobilen Arbeit (vgl. SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel und Infokasten) vorherrschend. Viele Beschäftigte möchten nach der Pandemie weiterhin – zumindest teilweise – von zuhause arbeiten. Damit wird das hybride Arbeiten, also ein Wechsel von Arbeit im Büro und von zuhause (oder anderen Orten), an Bedeutung gewinnen. Beschäftigte können so von den Vorteilen dieser Arbeitsform, wie dem Einsparen von Pendelzeiten und einer flexibleren Integration privater oder familiärer Anforderungen, profitieren, während Nachteile, wie eine soziale Isolation und fehlender Austausch mit Kolleginnen und Kollegen durch regelmäßige Präsenztage im Büro vermieden werden können.

Dennoch bestehen gerade in der Kombination mit dem wenig geregelten, mobilen Arbeiten weiterhin Risiken. Flexible Arbeitszeiten können sich in das Privatleben von Beschäftigten ausweiten und dort mit Zeiten für Freizeit und Erholung kollidieren. So leisten Beschäftigte, die zuhause arbeiten, im Durchschnitt mehr Überstunden und haben oft verkürzte Ruhezeiten. Auch berichten sie häufiger von einer Kontaktierung außerhalb der regulären Arbeitszeit im Vergleich zu Beschäftigten, die im Büro arbeiten (u.a. Backhaus et al. 2019).

Damit stellt das regelmäßige Arbeiten von zuhause eine besondere Herausforderung an den Arbeits- und Gesundheitsschutz. Neben der Arbeitszeit ist die Arbeitsorganisation hinsichtlich der Kommunikation und der Zusammenarbeit auf Distanz in den Fokus zu rücken. Hieraus ergeben sich für Führungskräfte, aber auch für Beschäftigte selbst neue Anforderungen.

Rechtliche und betriebliche ­Regelungen

Zwar ist das mobile Arbeiten weniger geregelt als die Telearbeit, allerdings gelten auch hier die gesetzlichen Bestimmungen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz. Arbeitgebende müssen eine Gefährdungsbeurteilung durchführen und dabei besondere Belastungen des mobilen Arbeitens berücksichtigen. Das Arbeitszeitgesetz greift auch für das Arbeiten von zuhause oder von anderen Orten. Es legt eine Höchstarbeitszeit von acht beziehungsweise zehn Stunden am Tag, eine Ruhezeit von mindestens elf zusammenhängenden Stunden zwischen Ende und Anfang der Arbeit und regelmäßige Pausen fest. Bereits kurze Unterbrechungen der Ruhezeit (z.B. zum Checken von E-Mails oder Telefonate) können negative Auswirkungen auf die Schlafqualität, Erholung und Leistungsfähigkeit am nächsten Tag haben (Dettmers 2017). Aus diesen Gründen ist auch das Arbeiten an Sonn- und Feiertagen nur in begründeten Ausnahmen erlaubt. Überstunden sollten zeitnah ausgeglichen und das Arbeiten zu atypischen Zeiten, wie am Abend oder in der Nacht, vermieden werden.

Um einen Überblick über die geleistete Arbeitszeit sowie Pausen und Erholungszeiten auch außerhalb des Betriebs zu wahren, empfiehlt es sich, die Arbeitszeit zuhause oder unterwegs zu erfassen. Beschäftigte, deren Arbeitszeit auch beim Arbeiten von zuhause erfasst wird, sind seltener von einer zeitlichen Entgrenzung betroffen (Backhaus et al. 2021). Arbeitgebende sollten daher entsprechende (digitale) Werkzeuge zur Verfügung stellen, um ihren Beschäftigten die Erfassung der Arbeitszeiten zu erleichtern.

Verdichtung von Arbeit vorbeugen

Virtuelle Besprechungen erleichtern den Austausch mit Vorgesetzten und Kolleginnen und Kollegen, wenn nicht am gleichen Ort gearbeitet wird. Gleichzeitig können die digitalen Möglichkeiten des Zusammenkommens eine Verdichtung und Intensivierung von Arbeit befördern. Beschäftigte können sich unvermittelt von einer in die nächste virtuelle Besprechung einwählen. Nicht nur die Dichte an Veranstaltungen, sondern auch die Intensität verändert sich durch eine zunehmende digitale Kommunikation. Mit dem Begriff „Zoom Fatigue“ werden Belastungen beschrieben, die durch veränderte Interaktionsanforderungen bei der Teilnahme an synchronen Audio-Video-Konferenzen hervorgerufen werden können (Rump u. Brandt 2020). Um hier Überlastungen vorzubeugen, sollten auch bei virtuellen Besprechungen Pausen eingelegt und zwischen den Terminen Zeiten für die Vor- und Nachbereitung eingeplant werden. Gerade bei langer Bildschirmarbeit sollten außerdem regelmäßige kürzere Pausen (etwa 5 Minuten pro Stunde) eingelegt oder Tätigkeiten regelmäßig gewechselt werden.

(Digitale) Kommunikation fördern

Um die Zusammenarbeit auf Distanz zu unterstützen, sollte in regelmäßigen Meetings (virtuell oder vor Ort) über anstehende Aufgaben gesprochen werden. So können Überforderungen oder soziale Isolation von Beschäftigten vermieden werden. Auch Chatprogramme können den Austausch fördern und helfen, Absprachen im Team kurzfristig zutreffen. Für eine gute Zusammenarbeit außerhalb des Büros braucht es außerdem eine klare Kommunikation über An- und Abwesenheitszeiten. Das schafft Transparenz darüber, wer wann erreichbar ist und vermeidet berufliche Kontaktierungen außerhalb der Arbeitszeiten. Bei hybriden Formen der Zusammenarbeit stellen sich zudem neue Anforderungen an die technische Ausstattung und die räumliche Konzeption von Büroflächen. So braucht es die technischen Voraussetzungen, um Beschäftigte, die im Büro tätig sind, und die, die von zuhause arbeiten, virtuell für Besprechungen zusammenzuschalten. Zudem wird der Arbeitsplatz im Betrieb bei hybridem Arbeiten vermeintlich häufiger für kreative Zusammenarbeit und den sozialen Austausch mit Kolleginnen und Kollegen genutzt werden. Hierfür braucht es entsprechend Räume vor Ort, in denen sich Beschäftigte begegnen, austauschen und zusammenarbeiten können.

Führungskräfte und Beschäftige in der Verantwortung

Mobiles Arbeiten erfordert mehr Selbstorganisation von Beschäftigten hinsichtlich der zeitlichen und inhaltlichen Gestaltung ihrer Arbeit. Um Beschäftigte in dieser Verantwortung zu unterstützen, können Arbeitgebende Schulungsangebote, zum Beispiel zur Verbesserung des Zeitmanagements oder zum Gesundheitsverhalten unterwegs (z. B. gesunde Ernährung, Gestaltung von Pausen), anbieten. Auch regelmäßige Unterweisungen zur gesundheitsgerechten Gestaltung mobiler Arbeit können für Risiken und Präventionsmöglichkeiten sensibilisieren.

Dennoch tragen auch bei mobilem Arbeiten Arbeitgebende die Hauptverantwortung für den Arbeits- und Gesundheitsschutz. Eine gemeinsame Planung von Arbeitszielen zwischen Führungskraft und Beschäftigten sowie regelmäßige Rückmeldungen zu Arbeitsaufgaben können Überlastungen vorbeugen. Daneben ist gegenseitiges Vertrauen zentral. Eine ständige Kontrolle der Arbeitsleistung fördert Misstrauen und kann den Stress für Beschäftigte erhöhen. Neben einer Vertrauenskultur ist auch eine Gesundheitskultur im Unternehmen wichtig. Hierzu gehört, dass bei Arbeitsunfähigkeit die Erholung im Fokus steht und weder im Betrieb noch zuhause gearbeitet wird. Eine Sensibilisierung hierfür ist notwendig, da Präsentismus, also Arbeit trotz Krankheit, gerade durch die digitalen Möglichkeiten beim Arbeiten von zuhause erleichtert wird.

Flexibilität gestalten

Anlassbezogenes, mobiles Arbeiten kann – wenn gut gestaltet – als Ressource für die Bewältigung von Arbeitsanforderungen dienen. Hierbei ist wichtig, dass Beschäftigten Handlungsspielräume haben, sie zum Beispiel Einfluss auf Arbeitszeit und -inhalt nehmen können. Dafür bedarf es betrieblicher Regelungen sowie Absprachen im Team (z.B. zu Erreichbarkeitszeiten). Wird regelmäßig von zuhause gearbeitet, sollte ein Telearbeitsplatz eingerichtet werden. Die Vorteile einer zeitlichen Flexibilität können sich nur dann zeigen, wenn diese im Interesse der Beschäftigten gestaltet ist. Arbeit, die im Büro nicht geschafft und zuhause weitergeführt wird, geht nicht nur mit einer Ausdehnung von Arbeitszeit einher, sondern steht auch einer guten Vereinbarkeit entgegen. Zudem möchten nicht alle Beschäftigten von zuhause oder anderen Orten arbeiten, sondern bevorzugen eine strikte zeitliche und räumliche Trennung zwischen ihrem Berufs- und Privatleben.

Interessenkonflikte: Die Autorin gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.

Literatur

Backhaus N: BAuA-Arbeitszeitbefragung 2019: Telearbeit in Deutschland, baua: Bericht kompakt. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, 2019.

Backhaus N, Stein L-K, Entgelmeier I: Arbeitszeiterfassung und Flexibilität. Ergebnisse der BAuA-Arbeitszeitbefragung 2019, baua: Fokus. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, 2021.

Dettmers J: How extended work availability impairs well-being – The role of detachment and work-family-conflict. Work & Stress 2017; 31: 24–41.

Rump J, Brandt M: Zoom-Fatigue. Eine Studie des Instituts für Beschäftigung und Employability. Ludwigshafen: IBE, 2020.

doi:10.17147/asu-1-189964

Weitere Infos

Hinweise und Empfehlungen zum mobilen Arbeiten
https://www.baua.de/DE/Themen/Arbeitswelt-und-Arbeitsschutz-im-Wandel/F…

Kernaussagen

  • Auch für mobiles Arbeiten gelten die gesetzlichen Bestimmungen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes.
  • Die Arbeitszeit, die außerhalb des Betriebs geleistet wird, erfassen.
  • Regelmäßigen (digitalen) Austausch etablieren, um die Zusammenarbeit zwischen Beschäftigten an verschiedenen Orten zu fördern.
  • Klare Absprachen über An- und Abwesenheiten schaffen.
  • Sensibilisierung für Anforderungen mobilen Arbeitens (z.B. hinsichtlich einer Arbeitsverdichtung durch erweiterte Erreichbarkeit, Multitasking oder erhöhte Anzahl digitaler Meetings).
  • Info

    Formen ortsflexiblen Arbeitens

    Telearbeit ist durch die Arbeitsstättenordnung geregelt (vgl. §2 Abs. 7 ArbStättV) und beschreibt einen fest eingerichteten Bildschirmarbeitsplatz im Privatbereich der Beschäftigten. Das Unternehmen muss die dafür benötigte Ausstattung, wie Möbel und Technik, zur Verfügung stellen. Zudem sind die wöchentliche Arbeitszeit und die Dauer der Telearbeit zwischen Beschäftigten und Vorgesetzten vertraglich geregelt.

    Mobiles Arbeiten beschreibt das Erbringen einer Arbeitsleistung außerhalb der Betriebs- beziehungsweise Arbeitsstätte unter der Verwendung von (mobilen) Informations- und Kommunikationstechnologien. Mobiles Arbeiten umfasst dabei auch das gelegentliche Arbeiten von zu Hause (auch unter dem Begriff „Homeoffice“ bekannt). Anders als die Telearbeit ist das mobile Arbeiten jedoch häufig nicht vertraglich vereinbart. Mobiles Arbeiten unterliegt – anders als die Telearbeit – nicht der Arbeitsstättenverordnung, sondern beruht auf einer anlassbezogenen Absprache mit den Arbeitgebenden.

    Homeoffice ist eine Form des mobilen Arbeitens und umfasst eine zeitweilige Tätigkeit im Privatbereich des Beschäftigten nach vorheriger Abstimmung mit den Arbeitgebenden (vgl. SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel).

    Kontakt

    Ines Entgelmeier
    Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin; Gruppe „Arbeitszeit und Organisation“; Friedrich-Henkel-Weg 1-25; 44149 Dortmund

    Foto: privat

    Das PDF dient ausschließlich dem persönlichen Gebrauch! - Weitergehende Rechte bitte anfragen unter: nutzungsrechte@asu-arbeitsmedizin.com.