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SARS-CoV-2-bedingter Impact auf die Psyche von Beschäftigten

Perspektive der betriebspsycholo­gischen Beratung

Rückblickend lassen sich auf der Basis zahlreicher psychologischer Beratungsgespräche sowie von Corona-Gesundheitszirkeln im Spätsommer 2020 bezogen auf Mainz verschiedene Phänomene beschreiben, die zumindest in der dortigen Verwaltung zu beobachten waren und sind:

Betriebskontinuitätsmanagement

Zu Beginn der Corona-Pandemie ging es eher um kollektives Verdrängen von Ängsten, eine von außen aufgezwungene Entdeckung der Langsamkeit und Entschleunigung sowie Scham derjenigen, die sich im Einkaufszentrum und unter Umständen am Arbeitsplatz aus Angst vor Ansteckung mit Masken schützen wollten. Die strategisch existenzielle Frage aus Organisationssicht war zunächst die, wie die betrieblichen Abläufe aufrechterhalten werden können. Die Handlungsroutinen des betrieblichen Gesundheitsmanagements und des klassischen internen Arbeitsschutzes gerieten zwangsläufig zunehmend in den Hintergrund eines Betriebskontinuitätsmanagements.

Grundängste des Menschen

Im März und April 2020 legte sich eine große, teils lähmende und ungewohnte Stille über die Arbeit. Soziales Distanzhalten berührt die Grundängste des Gruppenwesens Mensch. Was für die einen als Ausbrechen aus der teils belastenden und beanspruchenden Tätigkeit positiv erlebt wurde, war für die anderen lähmendes Inne- und Aushaltenmüssen. Zumindest auf Dauer erfordert das ein schwieriges Ausbalancieren von Gefühlen im Kontext von Kontaktsperren. Der Kölner Psychologe Stephan Grünewald beschrieb dies auf der Basis seiner Tiefeninterviews so: „Der erste Lockdown hatte noch den Charakter eines abenteuerlichen Einbruchs in eine gewohnte Wirklichkeit. Damals war die Angst viel ausgeprägter (…) Wir hatten überhaupt kein Bild, wir konnten nicht fassen, was das bedeutet“ (s. „Weitere Infos“). Ganz allgemein erzeugt eine solche Situation bei vielen Menschen einen massiven Kontrollverlust, ein starkes Bedürfnis nach Einbindung und Kommunikation. Telefonkontakt und Videokonferenzen ersetzen den persönlichen Kontakt nicht.

Social Distance und Social Comparison

Organisationen sind Systeme für Konkurrenz und Kollaboration beziehungsweise Kooperation. Neben dem Aspekt „social distance“ werden latente Konflikte angesprochen, geprägt durch „social comparison“. Es wurde eine Konfliktmatrix sichtbar, die weniger mit dem Infektionsrisiko, sondern mehr mit sozialen Vergleichen zu tun hatten: Wer ist mehr oder weniger stark von Mehrbelastungen betroffen? Wie wird mit persönlichen Risikoprofilen umgegangen? Wie verhalten sich diejenigen, die Regeln von oben nach unten verkünden? Wer hält sich an Regeln, wer nicht? Wie wird liegengebliebene Arbeit oder Rückstände zügig beseitigt?

Beschäftigte des Entsorgungsbetriebs sowie des Grün- und Umweltamtes kritisierten: Warum dürfen andere ohne Masken im Auto fahren, aber wir nicht? Allerdings erlebten Beschäftigte aus dem Entsorgungsbetrieb auch eine gestiegene Wertschätzung durch die Bürgerinnen und Bürger.

Erzieherinnen und Erzieher reklamierten: Warum stehen die neuen Regeln in der Presse, bevor wir – als unmittelbar Betroffene – darüber informiert sind? Während die einen mit beispielsweise administrativen Arbeitstätigkeiten zunehmend den Schutzraum Homeoffice aufsuchen können, müssen andere etwa in pädagogischen Berufen und in den Kindertagesstätten Notbesetzungen aufrechterhalten, den Dienstbetrieb regulieren und sich einem höherwahrscheinlichen Infektionsrisiko aussetzen. Das schürt Ängste und im Sozialvergleich Unmut. Permanente Regeländerungen erzeugen Ungewissheit und Unsicherheit; widersprüchliche Informationen müssen verarbeitet, teils erhebliche Ängste in Bezug auf Ansteckung reguliert sowie Ärger und Ansprüche der Eltern ausbalanciert werden. Auf Kita-Leitungen lastet ein enormer Druck.

Beschäftigte in Jugendzentren sehen die Sinnhaftigkeit ihrer Berufstätigkeit in Frage gestellt. Kinder- und Jugendarbeit ist kontaktintensiv und eine Pandemie berührt Präsenzformate der Jugendarbeit in vielfacher Hinsicht. Pädagogisch Tätige können ihre Klientel nicht im persönlichen Kontakt betreuen, sondern müssen auf digitale Formate ausweichen, ohne per se auf die notwendige technische Ausstattung zurückgreifen zu können. Kinder und Jugendliche haben einen weitaus stärkeren Kontakt- und Unterstützungsbedarf als zu anderen Zeiten. Wechselnde Schutzverordnungen, das Einhalten von Hygieneregeln und Einschränkungen der Kontaktdichte – eine Vielzahl komplexer und unsteter Rahmenbedingungen stellen neuartige Belastungen dar, die Beschäftigte in den Jugendzentren zusätzlich beanspruchen.

Beschäftigte in zentralen Verwaltungsbereichen werden quantitativ überlastet. Die Mitwirkung bei der administrativen internen Umsetzung der Corona-Maßnahmen führt in einzelnen Fällen zu massiven Überlastungen: Mehrere tausend E-Mails müssen bearbeitet und Informationen verteilt werden. Die Aggressivität gegen Ordnungskräfte des Kommunalen Vollzugsdienstes ist deutlich gewachsen.

Beanspruchungsfolgen des SARS-CoV-2-bedingten Impacts

Exakte und aussagekräftige Daten über Corona-bedingte Beanspruchungsfolgen – etwa in Form von Arbeitsunfähigkeitskennzahlen – liegen noch nicht vor. Diese Folgen lassen sich aber auf einer theoretischen Ebene diskutieren:

Zu einem relevanten Spezifikum für die Arbeitsbedingungen in den vielfältigen Arbeitsbereichen der kommunalen Verwaltung gehört, dass dort bisher in sehr homogenen und in teils auf Dauer gestellten Gruppenbezügen gearbeitet wurde. Das gilt für die Berufsfeuerwehr, die Kindertagesstätten, den Vollzugsdienst genauso wie für Verwaltungsbereiche. Neben den strukturellen Rahmenbedingungen hatten dort die sozialen Interaktionen, das Netzwerk von Beziehungen und die Kommunikation untereinander bisher erhebliche Relevanz für das Arbeitsunfähigkeitsgeschehen. Neben dem individuellen Gesundheitsverhalten und den individuellen Ressourcen spielen in solchen Gruppenbezügen kollektive Stimmungslagen beziehungsweise Emotionen ebenso wie Team-Ressourcen eine besondere Rolle.

Psychosoziale Bedingungen beeinflussen der Soziopsychoneuroimmunologie zur Folge – in Wechselwirkung mit immunologischen Einflussfaktoren – nahezu jede Erkrankung. In dieser bio-psycho-sozialen Modellvorstellung ist der Beschäftigte „ein lebendiger Mensch, der als Organismus-in-der-[Arbeits-] Welt-mit-anderen eingebettet ist“ (Schubert 2011).

Angst vor einer Infektion als latentes Thema

Auch Rolf Haubl beschreibt in seiner psychodynamischen Sichtweise eine Organisation als eine Interaktions- und Kommunikations­matrix, in der bestimmte Themen latent gehalten werden (Haubl 2008). Über die Pandemie, das Tragen von Masken oder die Regelwerke wird zwar gesprochen. Die dahinterliegende Angst (z. B. vor einer Infektion, vor Arbeitsplatzverlust etc.), Zermürbung, Resignation oder Demotivation werden jedoch im formalen Rahmen noch seltener thematisiert. Diese Themen werden – wenn überhaupt und nun mangels Gelegenheit – eher im informalen System, auf Nebenbühnen der Organisation und neuerdings schwerpunktmäßig eher im Privaten besprochen. Während auf einer vertikalen Organisationsebene sich das Selbst des Individuums – in der psychodynamischen Vorstellung Haubls – durch das Immunsystem, höherkomplex durch das Schmerzsystem schützt, fällt die Schutzfunktion auf der Ebene der sozialen Systeme innerhalb der Organisationen weg. Die dazu nötigen Interaktionen zwischen Menschen sind massiv eingeschränkt.

Zerfall des Sozialkapitals der Arbeitsgruppen

Soziale Distanz und das Abdriften in das Homeoffice, aber auch Maskierung als zentrale Regeln des Infektionsschutzes zersetzen in einigen Bereichen das bisher gelebte „kommunikative Miteinander“ in den organisationalen Gruppen. Führungskräfte berichten beispielsweise von einem hohen Bedarf an Austausch zu zwischenmenschlichen Themen an den Schnittstellen der Begegnungen zwischen Homeoffice und Bürotätigkeiten. Beschäftigte schildern eine zunehmende Müdigkeit bei Tätigkeiten am Computer im Homeoffice, in denen ihnen der soziale Austausch fehlt. Soziale Distanz zerstört auf Dauer exakt jene organisationalen sozialen Ressourcen, die gruppenstützenden und belastungsabfedernden Charakter haben, zum Beispiel durch soziale Unterstützung. Beschäftigte können die Ressourcen der eigenen Arbeitsgruppe als Kollektiv nun nicht mehr uneingeschränkt nutzen, um die Folgen der sonstigen Belastungskonfigurationen zu verarbeiten. Die Gruppe bietet keine Heimat, das Miteinander, wie sich die Gruppe organisiert, um die Tätigkeiten zu bearbeiten, bietet keine Identifikationsmöglichkeiten mehr, und die Form wie das Organisationssystem bisher von Interaktionen lebte, degeneriert (Krainz 2011). Können sich Personen einer Arbeitsgruppe nicht mehr auf das „Gegenüber“ beziehen, ist der Einzelne im schlimmsten Fall auf sich selbst gestellt (s. auch Beispiel im Kasten). Die Corona-bedingt aufgelöste Arbeitsgruppe, die – neben der Hierarchie – bisher Schutzraum und Container von Ängsten war und über deren Struktur Angst kanalisiert wurde, fällt aus. Schließlich erodiert das Sozialkapital der Arbeitsgruppe, allerdings nicht in allen Bereichen der Kommunalen Verwaltung. Beschäftigte der Müllentsorgung und Straßenreinigung, die in ihren produktiven Tätigkeitsbereichen im Entsorgungsbetrieb viel Zeit an der frischen Luft verbringen, sehen sich in ihrem kommunikativen Miteinander dagegen kaum beeinträchtigt.

Für einige Bereiche mit klassischen Verwaltungsaufgaben gilt jedoch: Digitale Zusammenkünfte ersetzen das emotionale Leben von Gruppen nicht. Die Verlagerung der Arbeitstätigkeit in das Homeoffice – wenngleich in einer kommunalen Verwaltung weniger umfangreich und verzögert erfolgt – gleicht dies nicht aus. Vielmehr evoziert die räumliche und zeitliche Verdichtung der privaten, beruflichen oder schulischen Themen neue Belastungs- und Beanspruchungsphänomene. Isolationserfahrungen und Vereinsamung, gestörter Selbstantrieb beziehungsweise eingeschränkte Selbstmotivation, verstärkte Entgrenzung zwischen Familie und Beruf und schließlich die Intensivierung familiärer Konflikte sind oft die Folge.

Was ist zu tun? Gefährdungsbeur­teilung psychischer Belastungen
in der Arbeitsschutzverordnung

Wenn das Sozialkapital von Arbeitsgruppen oder das einer Organisation infolge pandemischer Regelwerke erodiert und die Angst als diffuses kollektives Gefühl in weiten Bereichen ansteigt, stellt sich die Frage, wie eine Organisation jenseits des Betriebskontinuitätsmanagements beziehungsweise verordneter Interaktionsbeschränkungen darauf reagiert. Eigentlich muss die Organisation reagieren: Seit August 2020 greift die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung wenigstens psychische Belastungen in Folge der Veränderungen der Arbeitsorganisation, konflikthafte Auseinandersetzungen oder Isolation im Homeoffice thematisch auf.

Corona-spezifische Gesundheitszirkel

Im Kontext der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandards und auf Basis der zuvor beschriebenen theoretischen Grundannahmen wurden in der kommunalen Verwaltung verschiedene Maßnahmen ergriffen, die darauf zielten, das Sozialkapital rudimentär zu unterstützen, Partizipation zu ermöglichen und die Korrosion von Regeln wenigstens ansatzweise zu verhindern.

So wurden beispielsweise schon im August 2020 insbesondere in pädagogischen Arbeitsfeldern nach Abflauen der ersten SARS-CoV-2-Infektionswelle erste Corona-Gesundheitszirkel implementiert. Speziell die Themen Corona und Lernerfahrungen sollten auf einer professionellen und supervisorisch angelegten Gesprächsplattform aufgegriffen werden. Es zeigte sich, dass ein sehr starkes Gesprächs- und Informationsbedürfnis nach den vergangenen Monaten bestand, zum Beispiel, wenn der Beschäftigte im Jugendzentrum im Rechts- und Ordnungsamt eingesetzt wird. Latente Themen erlebter Sinnlosigkeit und Zermürbung wurden sicht- und supervisorisch bearbeitbar. Im Sinne einer lernenden Organisation waren die Zirkel zugleich konstruktiv und iterativ auf eine wiederkehrende Krisenbewältigung ausgerichtet.

Regeln, Regelabweichung und ­Regelverletzung

Es zeigt sich, dass der Versuch, unwahrscheinliches Verhalten anderer (z. B. das Tragen von Masken an der frischen Luft) durch Einflussnahme (etwa durch top-down übergestülpte Regelwerke) wahrscheinlicher zu machen, durch alltägliche Regelverletzungen außer Kraft gesetzt wird. Der Organisationssoziologe Stefan Kühl schreibt dazu, dass Organisationsmitglieder ständig im Spannungsfeld von Regeleinhaltung und -abweichung navigieren (s. „Weitere Infos“). An der Schnittstelle zur Öffentlichkeit entsteht etwa die Frage, wie es gelingen kann, Beschäftigte der Müllentsorgung und der Straßenreinigung davon zu überzeugen, dass die AHA-L-Regeln das Risiko einer Infektion wahrscheinlich minimieren, obwohl permanente Regeländerungen, Handlungsroutinen oder unreflektierte Wissensbestände Organisationsmitglieder in Entscheidungsdilemmata bringen. Das Tragen der Maske beim Straßenkehren oder beim Befahren von Müllwagen zum Schutz der Arbeitsgruppe entspricht zwar der Umsetzung von offiziellen Regeln, die jedoch unter Umständen in der jeweiligen Situation für die Betroffenen eher weniger verträglich sind, so dass deren Umsetzung im Regelbetrieb stillschweigend unterbleibt. Um diese Entscheidungsdilemmata zwischen formalen Regeln und dem Außerkraftsetzen auf den informalen Wegen auszubalancieren, wurden die Beschäftigten des Entsorgungsbetriebs über Delegiertensysteme stärker in die Diskussion solcher Regeln eingebunden. Ein Weg dazu war die Schulung interner Corona-Lotsinnen und -lotsen, die daran mitwirken sollten, die Akzeptanz von Infektionsschutzregeln zu erhöhen.

Digitalisierungsschübe und ­Netzwerkkapital

Digitalisierungsschübe der Kommunalen Verwaltung lassen sich etwa im Kontext der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen beobachten. Im Mainzer Modell der Gefährdungsbeurteilung ist die Herstellung von Reflexionsräumen in realen Settings und unter Einbindung aller Beschäftigten ein bestimmendes Prozessmerkmal. Die Prozesslogik ist grundlegend partizipativ angelegt. Das Ziel besteht darin, die Beteiligten in eine zunehmend selbstorganisierte Auseinandersetzung mit Bewältigungspotenzialen der psychischen Belastungen zu bringen. Die Intention dabei ist, dass ausgehend von einer Bestandaufnahme die aktuellen Belastungen und die notwendigen Lösungsschritte vergemeinschaftet werden sollten. Die Einbindung aller Beschäftigten eines Amtes ist unter den Bedingungen der Corona-Verordnungen nicht mehr möglich. Die „Vergemeinschaftung“ wurde daher in den Jugendzentren im November 2020 digital in Form einer Videokonferenz umgesetzt. Die Beschäftigten versammelten sich dort unter Wahrung der Abstandsregeln in ihren lokalen Einrichtungen und konnten schließlich gemeinsam an der Videokonferenz, die auf die Leinwände übertragen wurde, teilnehmen. In dieser Form stellten die Sprecherinnen und Sprecher der acht Arbeitsgruppen den aktuellen Stand ihrer Arbeit vor. Auf diese Weise war es möglich, den Prozess des Austausches über wichtige Themen zu psychischen Belastungen – gerade in der aktuellen Corona-Phase – nicht abreißen zu lassen, sondern mit den zur Verfügung stehenden technischen Mitteln fortzuführen. Virtuelle Räume schaffen über die Vernetzung also auch Begegnung und fließen in einer spezifischen Form in das Netzwerkkapital als Facette des Sozialkapitals der Organisation ein.

Soziale Resilienz erhöhen

Man sollte in Organisationen nicht nicht über Krisen sprechen. Die Folgen der Pandemie sind aber nicht ausschließlich in Form betriebspsychologischer Beratungen zu bewältigen. Organisation, Gruppe und Individuum sind in ihrer Wirkung auf die Psyche rekursiv miteinander verknüpft. Auf der Ebene der Organisation bietet das Konzept der sozialen Resilienz Krisenbewältigungspotenzial.

Darin wird diskutiert, ob der Umgang mit und die Widerstandsfähigkeit (als Resilienz) gegenüber „Bedrohungen“, die etwa aus der Natur (Hurrikans, Überschwemmungen), aus Schadensereignissen und Katastrophen resultieren, qua Naturkraft gegeben oder eingeübt, sozial produziert beziehungsweise generierbar ist und damit eine soziale Leistung darstellt. Soziale Resilienz bezieht sich also auf die Widerstandsfähigkeit eines sozialen Systems. Sie meint die Fähigkeit, Stress zu tolerieren und die bestehende soziale Infrastruktur aufrechtzuerhalten. Schließlich geht es um die Kapazität, den Ausgangszustand relativ rasch wiederherzustellen, die Fähigkeit des Systems zu lernen und sich an sich verändernde Bedingungen anzupassen. Es geht aber nicht nur um „Anpassungsfähigkeit“, sondern auch um die kreative Umgestaltung und Weiterentwicklung der entsprechenden Organisation. Derart konzipierte Gefährdungspotenziale werden zu Quellen des organisatorischen Wachstums. Voraussetzung dafür ist im organisationalen Umgang mit der Corona-Pandemie auf einer ersten Stufe systematische Selbstbeobachtung und Selbstkritik im Sinne einer institutionellen Reflexivität (Moldaschl 2006). Wie ist die kommunale Verwaltung mit der Krise umgegangen? Welche Auswirkungen hatte dies auf das Arbeitsunfähigkeitsgeschehen und was ist daraus (für die Zukunft) auf verschiedenen Ebenen zu lernen? Ziel ist die Erhöhung des kollektiven Organisationsbewusstseins als Startbasis zur Entwicklung einer sozialen beziehungsweise organisationalen Resilienz.

Ein Design dafür steht in der kommunalen Verwaltung (noch) aus.

Interessenkonflikt: Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.

Literatur

Endreß M, Maurer A: Resilienz im Sozialen –Theoretische und empirische Analysen. Wiesbaden: Springer, 2015.

Haubl R: Historische und programmatische Überlegungen zum psychodynamisch-systemischen Leitungscoaching. Positionen – Beiträge zur Beratung in der Arbeitswelt 2008; 1.

Krainz EE: Leiden an der Organisation. In: Ratheiser KM, Menschik-Bendele J, Krainz EE, Burger M (Hrsg.): Burnout und Prävention. Ein Lesebuch für Ärzte, Pfleger und Therapeuten. Berlin: Springer, 2011, S. 115–200.

Moldaschl M: Institutionelle Reflexivität. In: Rehberg K-S (Hrsg.): Soziale Ungleichheit, kulturelle Unterschiede: Verhandlungen des 32. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in München. Teilband 1 und 2 . Frankfurt am Main: Campus Verlag, 2006, S. 4059–4078.

Schubert C: Psychoneuroimmunologie und Psycho­therapie. Stuttgart: Schattauer, 2011.

Weitere Infos

Buttlar von H: Interview mit Stefan Grünewald): Viele Deutsche sind vom Lockdown erschöpft und zermürbt. In: Capital.de. 31. Januar 2021
https://www.capital.de/wirtschaft-politik/viele-deutsche-sind-vom-lockd…

Kühl S: Funktionale Regelverstöße und brauchbare Illegalität. Weswegen sich Regelabweichungen in Organisationen n
icht vermeiden lassen. Working Paper 8/2019

https://sozialtheoristen.de/2019/08/12/funktionale-regelverstoesse-und-…

Next:Public (2020): Verwaltung in Krisenzeiten - Eine Bestandsaufnahme der Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Öffentlichen Dienst
https://nextpublic.de/studie-verwaltung-in-krisenzeiten

Beschäftigte der Müllentsorgung verbringen während ihrer Tätigkeit viel Zeit an der frischen Luft und sehen sich in ihrem kommunikativen Miteinander durch Corona kaum beeinträchtigt

Foto: kzenon / Getty Images

Beschäftigte der Müllentsorgung verbringen während ihrer Tätigkeit viel Zeit an der frischen Luft und sehen sich in ihrem kommunikativen Miteinander durch Corona kaum beeinträchtigt

Beispiel

Eine Erzieherin leidet unter einer massiven Angst- und Panikstörung. Die Angst vor ­Ansteckung durch das Virus ist bei dieser Mitarbeiterin so intensiv, dass sie nicht mehr in der Lage ist, ihrer pädagogischen Arbeit nachzukommen. Gleichzeitig ist sie im privaten Umfeld sozial völlig isoliert. Die Arbeitsgruppe der Kita als soziale Bezugsgruppe fällt Corona-bedingt als Ressource zur Angst- und Lebensbewältigung aus. Der Zustand verschlechtert sich zusehends.

Kontakt

Dipl.-Psych.Klaus Gaalken, M.A.
Organisationsberatung MDO; Landeshauptstadt Mainz; Rheinallee 3a; 55118 Mainz

Foto: privat

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