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Die neue ASU-Serie ermöglicht einen Einblick in verschiedene Aspekte der Erprobung des Ü45-Checks: den politischen Hintergrund und die Gesetzeslage, die Validierung des eigens für den Ü45-Check entwickelten Befragungsinstruments (Ü45-Screening), zwei Beispiele für durchgeführte Modellprojekte und die Gesamtevaluation der Modellprojekte inklusive Ergebnisse.
In diesem ersten Beitrag geben Vertreterinnen der DRV Bund eine Einführung in die Hintergründe und Umsetzung des Ü45-Checks.
Kernaussagen
Part 1: Ü45-Check – an early detection tool on the rise
Politically desired and tested in scientifically supported pilot trials: The Ü45-Check is a new, unprecedented, work-related medical health check by Deutsche Rentenversicherung. It is currently being developed and is to be made routine in the future.
Teil 1: Ü45-Check – Ein Früherkennungsinstrument im Kommen
Politisch gewollt und in wissenschaftlich begleiteten Modellversuchen getestet: Der Ü45-Check ist eine neue, bisher beispiellose erwerbsbezogene Gesundheitsvorsorge der Deutschen Rentenversicherung. Sie befindet sich derzeit in der Entwicklung und soll perspektivisch in die Routine überführt werden.
Hintergründe
Politischer Auftrag an die Deutsche Rentenversicherung
Mit dem § 14 Abs. 3 im Sozialgesetzbuch (SGB) VI wurde 2016 eine neue Gesetzesgrundlage geschaffen, die auf das Präventionsgesetz Bezug nimmt: Zukünftig soll allen Versicherten im Alter ab 45 Jahren präventiv eine freiwillige individuelle berufsbezogene Gesundheitsvorsorge zur Verfügung stehen. Diese soll zunächst in Modellprojekten erprobt werden.
Zielsetzung des Auftrags
Der Ü45-Check soll als präventiver Ansatz das frühzeitige Erkennen eines Bedarfs an Teilhabeleistungen bei Versicherten ermöglichen. Als Ergebnis des Checks kann betroffenen Versicherten passgenau die entsprechende Leistung angeboten werden.
Durch diese Vorsorgeuntersuchung soll gemäß dem geltenden Grundsatz „Prävention vor Rehabilitation vor Rente“ für mehr Menschen die Möglichkeit geschaffen werden, bis zur Regelaltersgrenze arbeiten zu können. Gesundheitliche Problemlagen können festgestellt werden und bei Bedarf kann die Rentenversicherung durch geeignete Konzepte unterstützen – beispielsweise mit einer medizinischen Rehabilitation.
Umsetzung durch die Deutsche Rentenversicherung
Mit dem oben genannten Gesetz erhielten die Rentenversicherungsträger die Möglichkeit, eine Vorsorgemaßnahme zu entwickeln und zu erproben. Wie vom Gesetzgeber vorgesehen, führen die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung deshalb seit 2018 verschiedene Modellprojekte durch.
Dabei wählten die einzelnen Modellprojekte unterschiedliche Ansätze zur Erprobung von
Parallel dazu lief die wissenschaftliche Begleitung von Einzelprojektverläufen zum Zweck einer Gesamtevaluation der Modellprojekte zur Erprobung des Ü45-Checks in Kooperation mit der Pädagogischen Hochschule Freiburg (Leitung: Prof. Dr. Eva Maria Bitzer; Blitzer u. Flaig 2020).
Entwicklung eines Hauptinstruments: Kurzscreening des Teilhabebedarfs mittels validiertem Screening-Fragebogen
In einem ersten Schritt entwickelte die Rentenversicherung in Kooperation mit der Charité – Universitätsmedizin im Rahmen eines Forschungsprojekts (Leitung: Prof. Dr. Karla Spyra) ein Screening-Instrument mit dem Ziel, Versicherte mit einem Bedarf an Teilhabeleistungen zu identifizieren (Bernert et al. 2019; Brünger et al. 2021). Das Ü45-Screening-Instrument umfasst fünf Dimensionen:
Die Dimensionen werden durch adaptierte Fragen aus bereits etablierten Messinstrumenten zur Identifikation von bestehenden Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit beziehungsweise Gefährdungen der beruflichen Teilhabe abgebildet (➥ Tabelle 1).
Mit dem Ü45-Screening-Fragebogen steht den Rentenversicherungsträgern nun ein Instrument zur Verfügung, mit dem verlässlich ein Bedarf an Teilhabeleistungen bei Versicherten identifiziert werden kann.
In einer der folgenden ASU-Ausgaben wird über den Ü45-Screening-Fragebogen ausführlich berichtet werden.
Ein weiterer Meilenstein: der neue digitale Ü45-Check als zentrales Instrument
Der Ü45-Screening-Fragebogen ist zwischenzeitlich als digitaler Ü45-Check von der Deutschen Rentenversicherung veröffentlicht worden und steht frei zugänglich im Internet zur Verfügung (➥ Abb. 1). Der Check gibt den Versicherten ab 45 Jahren Auskunft über ihren momentanen Gesundheitszustand beziehungsweise möglichen beruflichen Belastungen. Unmittelbar nach der Teilnahme am Ü45-Check steht den Versicherten auf der Basis des definierten Auswertungsschemas ein individuelles Ergebnis über den Bedarf an Teilhabeleistungen und eine Empfehlung für entsprechende Leistungen (kein Bedarf/Handlungsempfehlungen für den Alltag/Präventionsbedarf Krankenkassen/Präventionsbedarf Rentenversicherung/Rehabilitationsbedarf) zur Verfügung. Bei Bedarf erscheint auch eine direkte Verlinkung zu den jeweiligen passenden Anträgen für Präventions- oder Rehabilitationsleistungen (s. Infokasten).
Perspektivisch soll der Ü45-Check den Versicherten auf möglichst vielen Wegen bekannt gemacht werden. Hierfür ist es wichtig, potenzielle Multiplikatorinnen und Multiplikatoren zu sensibilisieren und das Fachpublikum über das Online-Instrument zu informieren.
Fazit
Nach Auswertung der Modellprojektergebnisse im Rahmen des oben genannten Gesamtevaluationsprojekts wird die Deutsche Rentenversicherung für die zukünftige Ausgestaltung des Ü45-Checks ausloten, welche Elemente und Wege für eine Umsetzung in die flächendeckende Routine geeignet sind.
Interessenskonflikt: Die Autorinnen sind bei der DRV Bund, Berlin, beschäftigt. Weitere Interessenskonflikte liegen nicht vor.
Literatur
Bernert S, Brünger M, Spyra K: Validierung eines Fragebogens zur Erfassung des Rehabilitations- und Präventionsbedarfs von Über-45-Jährigen (Ü45-Screening): Abschlussbericht. Berlin: Charité Universitätsmedizin Berlin, 2019.
Bethge M, Egner U, Streibelt M, Radoschewski FM, Spyra K: Risikoindex Erwerbsminderungsrente (RI-EMR): Eine prozessdatenbasierte Fall-Kontroll-Studie mit 8500 Männern und 8405 Frauen. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 2011; 54: 1221–1228. doi:10.1007/s00103-011-1366-2.
Bethge M, Spanier K, Streibelt M: Using administrative data to assess the risk of permanent work disability: a cohort study. J Occup Rehabil 2021; 31: 376–382. DOI:10.1007/s10926-020-09926-7 (Open Access).
Bitzer EM, Flaig S: Vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben frühzeitig erkennen. Public Health Forum 2020; 28: 103–106. DOI:10.1515/pubhef-2020-0004
Brünger M, Bernert S, Graf A, Spyra K: Validierung eines Fragebogens zur Erfassung des Rehabilitations- und Präventionsbedarfs von Über-45-Jährigen – Forschungsprojekt II (Ü45-Screening II): Abschlussbericht. Berlin: Charité Universitätsmedizin Berlin, 2021.
Online-Quellen
Informationen zum Forschungsprojekt „Gesamtevaluation der Modellprojekte zum Ü45-Checkup nach §14 Abs. 3 SGB VI“
https://www.deutsche-rentenversicherung.de/DRV/DE/Experten/Reha-Wissens…
Informationen zum Forschungsprojekt „Validierung eines Fragebogens zur Erfassung des Rehabilitations- und Präventionsbedarfs von Über-45-Jährigen (Ü45-Screening)“
https://www.deutsche-rentenversicherung.de/DRV/DE/Experten/Reha-Wissens…

Info
Vier Fakten zum digitalen Ü45-Check
Erstautorin und Koautorin
Dr. Carolin Ågren
Anke De Masi
Beide Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin