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Arbeitswelt-Studie: Wie wird heute Arbeit erlebt?

Die Studie

Die Befragung „Arbeitswelt: DACH 2018“ (kurz: AW-DACH) ist die aktuellste einer Reihe von Befragungen, um die Arbeitsrea­lität von Menschen im deutschsprachigen Raum zu erfassen. Ausgehend vom Institut für Psychologie der Karl-Franzens-Universität Graz wird gemeinsam mit dem Beratungsunternehmen research-team bereits seit 2006 in regelmäßigen Abständen gemessen, was in der Arbeitswelt vor sich geht.

Stichprobe

Hierzu wurden 3584 Personen in Deutschland, Österreich und der Schweiz online über ein Umfragepanel befragt. Die Stichprobe spiegelt ein repräsentatives Bild der Berufstätigen in den drei Ländern wider und besteht sowohl aus Mitarbeitenden (63 %) als auch aus Führungskräften auf unterschiedlichen Hierarchieebenen (37 %). Die Teilnehmenden waren durchschnittlich 41,5 Jahre alt. 53 % der Stichprobe sind weiblich. Zudem arbeiten die Befragten in Unternehmen unterschiedlichster Größen (1 bis mehr als 1000 Personen) und Branchen – von Produktion/Industrie über Handel bis hin zu verschiedenen Dienstleistungsgewerben.

Inhalt

Die Befragung spannt einen weiten thematischen Bogen: Abgefragt wurden klassische arbeitspsychologische Grundkonzepte, wie Zufriedenheit und Motivation, ebenso wie gesundheitsbezogene Zahlen zu Krankenstand, Präsentismus und Arbeitsfähigkeit
(s. Infobox). Besondere Betrachtung fand das aktuell häufig diskutierte Thema Agilität – hier wurde die Unternehmens- und Führungskultur untersucht. Alle Themen wurden mit wissenschaftlich fundierten Fragebögen abgefragt, um einen hohen qualitativen Standard zu gewährleisten.

Personalbindung – zunehmende ­Wechselbereitschaft

Für viele Unternehmen ist das Finden und Halten von qualifizierten Beschäftigten aktuell eines der größten Handlungsfelder. Employer-Branding-Maßnahmen erleben einen großen Zulauf.

Gute Nachrichten liefert die Studie hier für klein- und mittelständische Unternehmen (KMU): Die Bindung der Beschäftigten an den Betrieb ist hier durchschnittlich höher als bei größeren Unternehmen!

Doch auch in größeren Unternehmen bieten sich Chancen zur Personalbindung, wie die Daten zeigen: Speziell das Verhalten von Führungskräften hat einen wichtigen Einfluss darauf, ob Beschäftigte bleiben. Achten Führungskräfte zum Beispiel darauf, das Gemeinschaftsgefühl zu stärken und den Beschäftigten Handlungsspielraum zu geben, steigt die Wahrscheinlichkeit für eine langfristige Zusammenarbeit.

Einen der größten gefundenen Einflüsse auf die Wechselbereitschaft bilden die persönlichen Weiterentwicklungsmöglichkeiten und die Sinnhaftigkeit der Arbeit. Dabei ist wichtig zu sehen, dass Entwicklung nicht nur klassisch „nach oben“ geschehen kann, sondern auch persönliche Weiterentwicklung und stärkenorientierter Einsatz Erscheinungsformen von Weiterentwicklung sein können. Ebenso muss Sinnhaftigkeit nicht unbedingt im altruistischen Sinne vorliegen – es geht stärker um ein Verstehen der Bedeutung der eigenen Arbeit im Gesamtkontext, um Sinn zu erfahren.

Für Führungskräfte ist es daher wichtig, immer wieder das „Big Picture“, also die Zusammenhänge und Überlegungen hinter ihren Entscheidungen, für die Beschäftigten nachvollziehbar zu machen.

Psychische Arbeitsbelastung – Junge am höchsten belastet

Die Erfassung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz ist in allen deutschsprachigen Staaten gesetzlich vorgeschrieben (in Deutschland als „Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen“ [gem. ArbSchG]; in Österreich als „Arbeitsplatzevaluierung psychischer Belastungen“ [gem. ASchG]; in der Schweiz im Rahmen der Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz [ArGV 3]). Wichtig ist es hierbei, ein qualitativ hochwertiges Instrument zu verwenden. Mit dem wissenschaftlich validierten Fragebogen OrgFit (Jiménez u. Dunkl 2017) wurden in der Arbeitswelt-Studie Normwerte für Deutschland, Österreich und die Schweiz gewonnen.

Daher lag ein großes Interesse auch auf den entsprechenden Ergebnissen der Befragung. Es zeigt sich, dass speziell die Gruppe der 20- bis 39-Jährigen durchschnittlich höher belastet ist als ältere Arbeitnehmende. Die Kombination aus Karriereaufbau und gegebenenfalls Familiengründung scheint eine der größten Herausforderungen im Arbeitsleben darzustellen.

Psychische Belastungen am Arbeitsplatz sollten also nach Möglichkeit „optimiert“ werden, so dass sie als Herausforderung gesehen werden: Dazu bedarf es stets der richtigen Ressourcen. Personen mit höheren Belastungen, aber geringeren Ressourcen zeigen durchschnittlich schlechtere Ergebnisse in vielen Werten wie beispielsweise Burnout-Risiko oder erlebter Zufriedenheit.

Arbeitszeiten – ein bisschen mehr ist schon zu viel

Über- oder Mehrstunden leisten zu müssen, führt zu Unmut bei Arbeitenden. Besonders betrifft dies die typischen Vollzeitangestellten (Vertragsarbeitszeit von 31–40 Stunden). Jede dritte Person (38%) gibt hier an, eigentlich 41–50 Stunden zu arbeiten. Weitere 4% arbeiten sogar mehr als 50 Stunden. Das Resultat ist eine geringere Arbeitszufriedenheit und Bindung in diesen Personalgruppen.

Personen, die genau so viel arbeiten, wie sie es sich wünschen, sind hingegen zufriedener, weniger belastet, weniger beansprucht, erholter, engagierter und weniger demotiviert.

Gesundheitsförderliche Führung – besonders im Sozialen wirksam

Führungskräfte, die einen gesundheitsförderlichen Führungsstil zeigen, haben nicht nur tatsächlich gesündere Beschäftigte, sondern insgesamt geringere psychische Belastungen in ihrem Arbeitsbereich.

Gesundheitsförderliche Führung wurde im Rahmen dieser Studie gemäß dem Konzept von Jiménez, Winkler und Bregenzer (2017) definiert (➥ Abb. 1), das auf den so genannten „Six Areas of Worklife“ von Maslach und Leiter (2008) aufbaut.

Speziell das Sozial- und Organisationsklima ist in Arbeitsbereichen von gesundheitsförderlich führenden Führungskräften deutlich belastungsärmer. Zusätzlich sind Beschäftigte in diesen Bereichen motivierter und weniger unzufriedener.

Agilität – hoch wirksam

Agile Arbeitsweisen, wie Scrum oder KANBAN (Definitionen s. Kasten nächste Seite), sind derzeit in aller Munde. Häufig fehlt es jedoch an einem Grundverständnis der dahinter liegenden Konzepte und Prinzipien.

Daher lag ein besonderes Augenmerk der Studie auf der Untersuchung von agiler Unternehmens- bzw. Führungskultur (Höfer et al. 2019). Diese wurde durch einen eigens für diesen Zweck entwickelten Fragebogen erfasst.

Die Ergebnisse bescheinigen agilen Arbeitsweisen ein großes Potenzial. Durchschnittlich waren Beschäftigte in agil geführten und organisierten Unternehmen deutlich motivierter und zufriedener als Beschäftigte aus „unagilen“ Unternehmen.

Dies bedeutet nicht zwingend, dass Werkzeuge wie Scrum eingesetzt werden – letztlich kann auch eine klassisch organisierte Organisation ein agiles Mindset haben.

In diesem agilen Mindset spielen besonders die Themen Gestaltungsfreiheit, Weiterentwicklung/Lernen sowie Orientierung an der Kundschaft eine Rolle.

Speziell die Kombination aus hoher Agilität und klaren Arbeitsprozessen sowie Zuständigkeiten steht mit höherer Arbeitszufriedenheit, guten Belastungswerten und gesundheitsförderlichem Führen in Verbindung.

Erholung- und Beanspruchung

Die Balance zwischen der eigenen Beanspruchung und Erholung/dem Ressourcenaufbau in der Arbeit ist ein entscheidender Faktor für die langfristige Aufrechterhaltung der Gesundheit und Arbeitsfähigkeit (Jiménez u. Kallus 2016).

Im Rahmen der Studie wiesen knapp zwei Drittel der Befragten eine ausgeglichene Erholungs-Beanspruchungs-Balance auf. Bei 5,7% der Stichprobe war die Balance so unausgeglichen, dass von konkretem Burnout-Risiko ausgegangen werden kann. Bei etwa 28% zeigte sich eine unausgeglichene, aber noch nicht kritische Balance.

Krankenstand und Präsentismus

Fast die Hälfte aller Befragten gab an, dass sie in den letzten sechs Monaten kein einziges Mal aufgrund von Krankheit in der Arbeit gefehlt haben. Im gesamten Jahr fehlten die Befragten durchschnittliche 6 Tage lang.

Dagegen sind 57% aller Befragten mindestens einmal krank zur Arbeit gegangen – im Durchschnitt 4 Tage im Jahr.

Fazit: Grundlagenforschung wichtig

Abschließend lässt sich zusammenfassen, dass laufend aktualisierte Studien zur Entwicklung der Arbeitswelt enorm wichtig sind, um die stetigen Veränderungen abzubilden und eine Datengrundlage für Entscheidungen zu bilden.

Interessenkonflikt: Die Autoren geben an, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.

Literatur

Höfer M, Diebschlag A, Jiménez P: Macht agil glücklich? Studie beschreibt Auswirkungen auf Motivation, Bindung und Engagement. personal manager 2019.

Jiménez P, Dunkl A: Assessment of psychosocial risks and mental stress at work: the development of the instrument OrgFit. J Ergonom 2017; 7: 1–6.

Jiménez P, Winkler B, Bregenzer A: Developing sustainable workplaces with leadership. Feedback about organizational working conditions to support leaders in health-promoting behavior. Sustainability 2017; 9: 1944.

Jiménez P, Kallus WK: RESTQ-Work. The Recovery-Stress-Questionnaire for Work. In: Kallus WK, Kellmann M (Hrsg.): RESTQ. The Recovery-Stress Questionnaire. Frankfurt am Main: Pearson Assessment & Information GmbH, 2016, S. 335–353.

Maslach C, Leiter MP: Early predictors of job burnout and engagement. J Appl Psychol 2008; 93: 498–512.

Die Balance zwischen der eigenen Beanspruchung und Erholung/dem Ressourcenaufbau in der Arbeit ist ein entscheidender Faktor für die langfristige Aufrechterhaltung der Gesundheit und Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten

Foto: fizkes / Getty Images

Die Balance zwischen der eigenen Beanspruchung und Erholung/dem Ressourcenaufbau in der Arbeit ist ein entscheidender Faktor für die langfristige Aufrechterhaltung der Gesundheit und Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten

Info

Die Themen der Arbeitswelt: DACH-Befragung im Auszug

  • Psychische Belastungen am Arbeitsplatz
  • Ressourcen am Arbeitsplatz
  • Erholungs-Beanspruchungs-Bilanz
  • Gesundheitsförderliches Führen
  • Agile Unternehmens- und Führungskultur
  • Arbeitszufriedenheit
  • Arbeitszeiten und Arbeitszeitmodelle
  • Wechselbereitschaft von Mitarbeitenden
  • Attraktivität der Unternehmen
  • Engagement und Demotivation
  • Benachteiligungserleben
  • Jobsicherheit
  • Digitalisierung
  • Betriebliche Gesundheitsförderung
  • Gesundheitsverhalten
  • Krankenstand und Präsentismus
  • Info

    An weiteren Studienergebnissen ­Interessierte können sich gern an office@research-team.de wenden oder
    die Website www.gb-psych.de besuchen.

    Definitionen

    SCRUM

    Unter Scrum versteht man einen agilen Prozess für Projektmanagement, der ursprünglich aus der Softwareentwicklung stimmt. Große Aufträge werden hier in kleine Abschnitte eingeteilt, die „Sprints“. Ein Sprint dauert maximal 4 Wochen. Das Team, erhält seine Aufgaben aus einer Liste von Anforderungen (dem Product Backlog), die vom so genannten Product Owner (quasi dem Auftraggebenden) erstellt wird. Für den reibungslosen Arbeitsprozess im Team sorgt dann die Person mit der Funktion des so genannten Scrum Master (die moderiert, vermittelt und unterstützt). Am Ende jedes Sprints wird das Ergebnis der Person mit der Funktion des Product Owner übergeben und evaluiert, bevor es in den nächsten Sprint geht. Entscheidend sind die Kundschafts- und Lösungsorientierung sowie die flexible Zusammenarbeit aller Beteiligten.

    KANBAN

    Kanban nutzt die Begriffe „offen“, „in Bearbeitung“ und „Abgeschlossen“ in einer agilen Methode, um Arbeitsabläufe flexibler zu gestalten. Ziel ist es, die Anzahl gleichzeitig ablaufender Aufgaben zu reduzieren, um Aufträge so möglichst schnell zu bearbeiten und rasch auf Probleme und Engpässe aufmerksam zu werden. Eine klassische Umsetzungsvariante sind s.g. KANBAN-Boards, also Tafeln auf denen ein Team alle zu erledigenden Aufgaben notieren und so allgemein sichtbar machen kann. Zusätzlich kann priorisiert und zum Beispiel die Anzahl der gleichzeitig „in Bearbeitung“ stehenden Aufgaben begrenzt werden.

    Für die Autoren
    Ao. Univ.-Prof. Dr. Paul Jiménez
    Institut für Psychologie
    Karl-Franzens-Universität Graz
    Universitätsplatz
    28010 Graz

    Foto: privat

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