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Was können Organisationen und Mitarbeitende gegen die Todesursache Nummer eins in der Arbeitswelt tun?

Psychische Belastungen und berufliche Mobilitätsunfälle

Das PDF dient ausschließlich dem persönlichen Gebrauch! - Weitergehende Rechte bitte anfragen unter: nutzungsrechte@asu-arbeitsmedizin.com.

Y. Mohr

R. Trimpop

(eingegangen am 14.09.2023, angenommen am xxx)

Abstract / Zusammenfassung

Mental stress and occupational mobility accidents – What can organisations and employees do about the number one cause of death in the workplace?

Mobility accidents are the most frequent cause of death in the work context. With regard to participation in road traffic, numerous risk factors in terms of technology and environment, organisation, the person and the situation are known to be psychological strains which exercise an influence on the probability of accidents. Nevertheless, traffic participation as part of the occupational activity is little considered in risk assessments and the issue of road safety plays almost no role in the organisational context. After a classification of the relevance, therefore, this overview presents a framework model for the systematic observation of hazards and the resulting mental stress in the context of occupational mobility. This is followed by an overview of the most relevant empirically proven risk factors in the context of traffic participation. Finally, a free and proven instrument of the accident insurance institutions and the German Road Safety Council for hazard assessment and the risk evaluation of organisational mobility (GUROM) is presented, as well as other measures for organisations that have been empirically proven to be successful. It is very much hoped that many readers and managerial staff in companies will be inspired and take the opportunity to do something about the number one killer in the working world.

Keywords: mental stress – occupational mobility – road safety – risk assessment – GUROM

doi:10.17147/asu-1-316857

ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2022; 58: 718–726

Psychische Belastungen und berufliche Mobilitätsunfälle – Was können Organisationen und Mitarbeitende gegen die Todesursache Nummer eins in der Arbeitswelt tun?

Mobilitätsunfälle stellen die häufigste Todesursache im Arbeitskontext dar. Hinsichtlich der Teilnahme am Straßenverkehr sind zahlreiche Gefahrenfaktoren aus den Bereichen Technik und Umfeld, Organisation, Person und Situation, die als psychische Belastungen Einfluss auf die Unfallwahrscheinlichkeit ausüben, bekannt. Trotzdem wird die Verkehrsteilnahme als Teil der beruflichen Tätigkeit kaum in Gefährdungsbeurteilungen berücksichtigt und das Thema Verkehrssicherheit spielt im organisationalen Kontext fast keine Rolle. In dieser Übersichtsarbeit wird daher, im Anschluss an eine Einordnung der Relevanz der Thematik, ein Rahmenmodell zur systematischen Erfassung der Gefährdungen und den daraus resultierenden psychischen Belastungen im Kontext beruflicher Mobilität vorgestellt. Anschließend wird ein Überblick über die relevantesten empirisch nachgewiesenen Gefahrenfaktoren im Kontext der Verkehrsteilnahme gegeben. Zuletzt wird ein bewährtes und kostenfreies Instrument der Unfallversicherungsträger und des Deutschen Verkehrssicherheitsrates zur Gefährdungsbeurteilung und Risikobewertung organisationaler Mobilität (GUROM) sowie weitere, empirisch als erfolgreich erwiesene Maßnahmen für Organisationen, vorgestellt. Es besteht die große Hoffnung, dass sich viele Lesende und betrieblich Verantwortliche inspirieren lassen und die Chance nutzen, etwas gegen die Todesursache Nummer eins in der Arbeitswelt zu unternehmen.

Schlüsselwörter: psychische Belastung – berufliche Mobilität – Verkehrssicherheit – Gefährdungsbeurteilung – GUROM

Unfallgefährdung im beruflichen Kontext

Die Unfalldaten der letzten 25 Jahre zeigen, dass die Teilnahme am Straßenverkehr für mehr als 50 %, in manchen Jahren mehr als 60 % der berufsbedingten Todesfälle verantwortlich ist (z. B. Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung, DGUV, 2011, 2022).

Insgesamt ist die Zahl der im Straßenverkehr Getöteten deutschlandweit in den letzten zwanzig Jahren zurückgegangen, wobei dies zuletzt nur im geringen Ausmaß zu beobachten ist. Im Jahr 2022 waren insgesamt 2788 Todesopfer zu verzeichnen, was nach einem deutlichen Rückgang in den pandemiegeprägten Jahren einen Anstieg um 9 % bedeutet (Statistisches Bundesamt 2023a). Zudem wurden im vergangenen Jahr mit knapp 361.134 Personen wieder mehr Menschen im Straßenverkehr verletzt (Statistisches Bundesamt 2023b).

Betrachtet man die meldepflichtigen Arbeits- und Wegeunfälle, machen ca. 18 % davon Wegeunfälle aus (DGUV 2023) und ereignen sich somit auf dem Weg zur Arbeitsstelle oder auf dem Heimweg. Zusätzlich verlaufen Arbeitsunfälle im Straßenverkehr häufiger schwer oder tödlich im Vergleich zu anderen Arbeitsunfällen (Gericke 2018). Es wird davon ausgegangen, dass 40–60 % aller tödlichen Arbeitsunfälle innerhalb der EU Verkehrsunfälle ausmachen (European Road Safety Observatory 2018). Hinzu kommen alle anderen Mobilitätsunfälle auf Dienstwegen, die aber als Arbeitsunfälle verzeichnet werden.

Beschränkt man Mobilität also nicht nur auf den Straßenverkehr, sondern bezieht andere Mobilitätsunfälle mit ein, so machen zusätzlich Stolper- und Umknickunfälle schätzungsweise 40 % aller meldepflichtigen Unfälle über alle Branchen hinweg aus. Von diesen werden jedoch rund 24 % nicht als Mobilitäts-, sondern als Arbeitsunfälle statistisch erfasst (DGUV 2023). Allerdings wurde vielfach nachgewiesen, dass die Hauptunfallfaktoren nicht nur technisch oder durch Stolperstellen bedingt sind, sondern auch durch Ablenkung, Stress, Telefonieren und andere Nebentätigkeiten sowie organisa­tionale Faktoren, genau wie bei Mobilitätsunfällen im Straßenverkehr (Fischer et al. 2008). Diese und weitere bedingende Faktoren, wie Arbeits- und Mobilitätsgestaltung, zum Beispiel Fahrtplanung, sind lange bekannt und werden auch von Beratungsorganisationen, wie dem Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR) und einigen Unfallversicherungsträgern etc., sowie aus der Wissenschaft immer wieder dargestellt und propagiert. Dennoch verändert sich im tödlichsten Teil des Arbeitslebens über die Jahre hinweg sehr wenig.

Ein Grund ist, dass die beratenden betrieblichen Personen diesbezüglich nur wenig geschult sind, denn technisches und medizinisches Personal wird nur im geringen Umfang in psychologischen Themen aus- und weitergebildet (Institut für Arbeit und Gesundheit 2011; Bundesärztekammer 2022). Zusätzlich fühlen sich viele Führungskräfte, aber auch Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Betriebsmediziner, nicht für das Mitarbeitendenverhalten außerhalb des Werksgeländes verantwortlich (Trimpop et al. 2012). Sogar die Unfallstatistiken und gegebenenfalls Gebührenerhöhungen klammern die Wegeunfälle für den einzelnen Betrieb bei der Quotenberechnung oder Belohnungsprozessen und eventuellen Sanktionierungen durch die Unfallversicherungsträger weitgehend aus. Warum bleibt die Anzahl der berufsbedingten Todesfälle im Straßenverkehr über Jahrzehnte kaum verändert, obwohl die „Vision Zero“ (keine Toten oder Schwerverletzten) längst europaweit eingeführt wurde? Was kann dagegen unternommen werden? Was können Unternehmen, Aufsichtsbehörden, Beratungen und die Personen selbst dagegen tun?

Mögliche Ursachen könnten wenige Anreize (oder Strafen) und mangelnde wahrgenommene Kompetenz, kombiniert mit psychologischen Fehlbelastungen, über die bei Organisationsangehörigen wenig Wissen und Verhaltenskompetenz zu bestehen scheinen und für die organisationale Strukturen nur bedingt ausgelegt sind, darstellen. Dabei ist der Erhalt der Gesundheit der Beschäftigten eine der wichtigsten Herausforderungen in der derzeitigen Arbeitswelt. In diesem Beitrag wird daher auf die Bedeutsamkeit psychischer Belastung, die Ursachen, die betrieblichen Gegebenheiten und die Interventionsmöglichkeiten eingegangen.

Eine Grundvoraussetzung ist die Erkennung von Gefahren rund um die Mobilität sowie die entsprechenden verhältnis- und verhaltensbezogenen Ursachen und Lösungsmöglichkeiten. Dazu wird eine spezielle Komponente der Gefährdungsbeurteilung beschrieben, die genau diesen vernachlässigten Arbeitsbereich fokussiert und sowohl personenbezogene Lösungsansätze als zahlreiche verhältnis- beziehungsweise betriebsbezogene Lösungsansätze zur Verfügung stellt. Es besteht die große Hoffnung, dass sich viele Lesende und betrieblich Verantwortliche inspirieren lassen und die Chance nutzen, etwas gegen die Todesursache Nummer eins in der Arbeitswelt zu unternehmen.

Berufliche Mobilität und psychische Belastung: eine Einordung der Bedeutsamkeit

Echterhoff et al. (2009) beschreiben Mobilität als ein fundamentales menschliches Bedürfnis. Im Sinne des SGB VII umfasst berufliche Mobilität alle Arbeits- und Dienstwege, das heißt alle im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit auszuführenden räumlichen Ortsveränderungen. Eingeschlossen werden somit Wege von und zur Arbeit, Wege im Rahmen der Tätigkeitsausführung (z. B. berufsbedingtes Fahren) und das Fahren als Beruf. Die Überwindung der Distanzen zu Fuß ist ebenfalls ein Teil der berufsbedingten Mobilität (Gericke et al. 2010).

Die Berücksichtigung psychischer Belastungsfaktoren im Zuge der Gefährdungsbeurteilung ist im Arbeitsschutzgesetzt verankert (§ 5 Absatz 3 ArbSchG). Psychische Belastung umfasst die Gesamtheit der Anforderungen, die aus der Tätigkeit hervorgehen und mit
einer Beanspruchung des Individuums einhergehen (BAuA 2001). Der Einfluss der Beanspruchung auf die Person kann positiv, in Form von Abwechslung oder Lernfortschritt, aber auch neutral oder negativ, beispielsweise durch Stresserleben und daraus resultierende gesundheitliche Beeinträchtigungen, ausfallen. Berufliche beziehungsweise organisationale Mobilität ist eine notwendige Teil- oder Hauptaufgabe der beruflichen Tätigkeit, wodurch psychische Belastungen durch die Verkehrsteilnahme im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung (GBU) zwingend zu berücksichtigen sind. Diese sollten daher unbedingt durch betriebliche Akteure, wie Führungskräfte, Fachkräfte für Arbeitssicherheit aber auch Betriebsmedizinerinnen und -mediziner, in die betriebliche Gefährdungsbeurteilungen einbezogen werden.

Verkehrsunfälle und Gefährdungsfaktoren

Berufsbedingtes Verhalten im Verkehr wird in vielen Fällen nur eingeschränkt betrachtet: wirtschaftliche und/oder logistische Gesichtspunkte werden im betrieblichen Verkehr deutlich häufiger und intensiver betrachtet als psychologisches Wissen über menschliches Denken und Handeln oder arbeits- und organisationspsychologische Zusammenhänge zwischen Arbeitsgestaltung und Mobilitätsstress (Kalveram et al. 2010). Fundierte Interventionsstrategien scheinen oft erst berücksichtigt zu werden, wenn es zu Verkehrsunfällen gekommen ist. Präventive Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrs­sicherheit durch entsprechende betriebliche Akteure werden nur teilweise berichtet (Trimpop et al. 2012). Die Auswirkungen der Arbeitsunfälle im Straßenverkehr sind jedoch nicht auf die Fahrenden zu reduzieren, sondern als gesellschaftliche und organisationale Herausforderung zu verstehen. Ein Viertel der Vollzeitbeschäftigten in Deutschland ist berufsbedingt außerhalb des Arbeitsortes mobil (Hüffmeier et al. 2014). Die wachsenden globalen und lokalen Märkte und die Notwendigkeit einer Kunden- oder Dienstleistungsorientierung ziehen zusätzlich erhöhte Mobilitätserfordernisse nach sich (z. B. Lösung komplexer technischer Probleme bei Kundinnen und Kunden vor Ort, steigende Nachfrage nach ambulanter Pflege, Verkürzung von Lieferzeiten).

Arbeitsbedingte Verkehrs- und Mobilitätsunfälle stellen eine besondere Herausforderung für die Prävention dar, da die fahrzeugbedingten Unfälle nur zu einem kleinen Teil bei innerbetrieblichen Wegen und Tätigkeiten geschehen (Vollrath et al. 2011), während Fußunfälle etwa 40 % der innerbetrieblichen meldepflichtigen Unfälle ausmachen (DGUV 2021). Zusätzlich hängt vieles im Verhalten der Fahrenden von ihrer persönlichen Risikoeinschätzung und Risikobereitschaft ab, die sich der direkten Kontrolle des Betriebs entziehen (Trimpop et al. 2009). Weitere maßgebliche unfallbegünstigende Situationen beziehen sich auf das Fahrumfeld, Verkehrsumfeld und die Verkehrssituation sowie das Fahrzeug. Die verhältnisorientiert stärkste Einflussgröße bezieht sich jedoch auf das betriebliche Umfeld. Neben der „akuten“ Gefährdung durch Unfälle kann sich ungünstig gestaltete Mobilität (psychische Belastungen, ergonomische Mängel in der Gestaltung des Fahrumfeldes etc.) mittel- und langfristig negativ auf die Gesundheit der Beschäftigten auswirken.

Die Auswirkungen dieser und anderer Faktoren werden häufig unterschätzt, weil Verkehrsunfälle seltene Ereignisse sind. So kommt es etwa alle 294.000 gefahrene Kilometer zu einem Unfall (Statistisches Bundesamt 2023b; Kraftfahrtbundesamt 2023). Für die Einzelperson heißt das, dass es in den meisten Fällen gut geht, „mal eben eine Nachricht zu schreiben“ oder sich sehr müde ans Steuer zu setzen. Dass sich dadurch das Unfallrisiko im Vergleich zum normalen Fahren vervielfacht, ist zwar wissenschaftlich belegt (Dingus et al. 2016), dennoch herrscht in vielen Betrieben die Einstellung vor, dass diese Faktoren außerhalb der Werkstore nicht durch den Betrieb beeinflusst werden können (Kalveram et al. 2010).

Insgesamt stellt berufliche Mobilität jedoch ein essenzielles Thema für den Unternehmenserfolg und die Mitarbeitendengesundheit dar, was einer genauen Vorbereitung und einer situationsspezifischen Analyse der jeweiligen personen-, organisations- und technikbezogenen Ebenen und Faktoren vor dem Hintergrund der jeweiligen Unternehmensspezifika bedarf. Nur so können gezielt Maßnahmen abgeleitet und umgesetzt werden, die zur Reduktion von Fehlbelastungen und -beanspruchungen und Stärkung von Ressourcen beitragen. Dadurch können sowohl „akute“ Unfallgefährdungen reduziert als auch mittel- und langfristige gesundheitliche Folgen der Arbeit positiv beeinflusst werden. Zur umfassenden Analyse des Arbeitssystems empfiehlt sich der TOP-S-Ansatz, der aus der Arbeitspsychologie bekannt ist und Faktoren von Technik, Organisation, Person und Situation beinhaltet.

TOP-S-Ansatz – Ein Rahmenmodell zur mobilitäts­bezogenen Gefährdungsanalyse

Gericke et al. (2008) beschreiben mit dem TOP-S-Ansatz ein Rahmenmodell zur Gefährdungsbeurteilung im betrieblichen Verkehr. Es fasst – unter den vier übergeordneten Aspekten Technik und Umfeld, Organisation, Person und Situation (TOP-S) – eine Vielzahl an empirisch nachgewiesenen Einflussfaktoren auf die Unfallwahrscheinlichkeit im Zuge der berufsbedingten Verkehrsteilnahme systematisch zusammen (Trimpop et al. 2010).

Technik und Umfeld beinhalten zum Beispiel das gewählte Fahrzeug, den Wegzweck, die technischen Charakteristika des Fahrzeugs sowie die räumlichen und zeitlichen Bedingungen der Wegstrecke. Der Aspekt Organisation umfasst wiederum Faktoren der Tätigkeit selbst, den Kontext der Tätigkeit und strukturelle Bedingungen der Organisation. Bei der Betrachtung der Person verweist der Ansatz auf die demografischen Eigenschaften der Person (z. B. Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand), Persönlichkeitseigenschaften, Kompetenzen und verhaltensleitende Einstellungen, wie die Risikobereitschaft. Der Aspekt Situation umfasst alle situationalen Bedingungen während der Verkehrsteilnahme und erweitert somit die im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigenden Faktoren, die insbesondere die psychische Belastung beeinflussen können. Dabei können die situa­tionalen Faktoren sowohl aus komplexen Interaktionen von Faktoren anderer Aspekte (Gericke 2018; ➥ Abb. 1), aber auch aus situativen Bedingungen, wie Witterungsbedingungen, Tageszeit, Ablenkung oder das Verhalten anderer Verkehrsteilnehmenden resultieren und zur Unfallentstehung oder -vermeidung beitragen. Wenn zusätzliche situative Parameter ungünstig sind (Müdigkeit, Ablenkung, besonders kritische Verkehrssituationen), steigt die Unfallwahrscheinlichkeit, denn ungünstige Faktoren aus den anderen Aspekten allein, führen nicht zwangsläufig zu vermehrten Unfällen (Gericke et al. 2016). Die relevantesten Faktoren werden im Folgenden näher betrachtet.

Ablenkung und Müdigkeit als wesentliche Unfallursachen

Im Zeitalter der Digitalisierung rückt Ablenkung als Ursache von Unfällen verstärkt in den Fokus der Unfallforschung und stellt nach aktuel­len Schätzungen mit 10–36 % bei Verkehrsunfällen die Unfallursache Nummer eins dar (Süßner 2021). Problematisch ist vor allem, dass dabei die kognitiven Ressourcen der Fahrenden durch unterschiedliche Aufgaben gebunden werden und damit nicht die volle Aufmerksamkeit auf der Fahrtätigkeit und der unmittelbar relevanten Umgebung liegt. Bei berufsbezogenen Fahrten fällt das Problem der Ablenkung noch größer aus als auf privaten Fahrten, da hier oft auch andere Aufgaben bewältigt werden, wie die telefonische Terminkoordination, Arbeitsveränderung, Vorplanungen oder Essen und Trinken (Huemer 2012). Kidd et al. (2016) konnten nachweisen, dass die häufigsten Parallelhandlungen die Handynutzung, Essen oder Trinken sowie Interaktionen mit Passagieren umfassen. Ein besonderer Belastungsschwerpunkt ist hier durch die weite Verbreitung von Smartphones und zunehmend digitalisierten Bedieninstrumente sowie Infotainmentsysteme in neueren
Kfz entstanden. Schon das Greifen nach einem Gerät und erst recht die Bedienung während der Fahrt können zu gefährlich langen Blickabwendungszeiten von der Straße führen (Simmons et al. 2016). Aber auch das Telefonieren – sowohl mit als auch ohne Freisprechanlage – und erst recht das Schreiben von Nachrichten beeinträchtigen das Fahrverhalten erheblich (Vollrath et al. 2014). So geht die Nutzung von Mobiltelefonen mit einem vierfach erhöhten Unfallrisiko einher (McEvoy et al. 2005). Aber auch eher mittelbar ablenkende Faktoren weisen einen erheblichen Einfluss auf das Unfallrisiko auf. Kognitive Ablenkungen erhöhen zum Beispiel im Sinne starker Emotionen wie Wut oder Traurigkeit das Unfallrisiko um rund ein Zehnfaches (Dingus et al. 2016).

Ebenfalls umfassend untersucht ist der situationale Faktor der Müdigkeit beim Fahren, der im Wesentlichen auf drei unterschiedliche Ursachen zurückzuführen ist: Qualität und Dauer des Schlafs in der Nacht vor einer Fahrt, die Dauer der Fahrt selbst sowie der Zeitpunkt der Fahrt (Vollrath u. Krems 2011). Eine Untersuchung von Berufskraftfahrenden durch Vitols et al. (2021) ergab, dass 24–30 % der Befragten in den vergangen zwölf Monaten mindestens einmal am Steuer eingeschlafen sind. Grundsätzlich ist vielfach belegt, dass das Fahren unter Müdigkeit das Unfallrisiko deutlich erhöht (z. B. Salminen et al. 2002), bis hin zur vier- bis sechsfach erhöhten Wahrscheinlichkeit für Unfälle und Beinaheunfälle (Klauer et al. 2006). Stangneth et al. (2016) zeigten, dass fast 90 % der Verunfallten an den Tagen und Nächten vor dem Unfall nach eigenen Einschätzungen nicht ausreichend Schlaf bekommen haben. Ablenkung und Müdigkeit sind also zwei Hauptfaktoren für die Entstehung von Fehlhandlungen im Straßenverkehr.

Organisationale Belastungsfaktoren

Zu den wichtigsten Ermüdungsfaktoren zählen die Arbeitstätigkeit und die damit einhergehenden Anforderungen, Arbeitszeiten und Arbeitsabläufe (z. B. Tourenplanung, fixe Lieferzeiten, Just-in-time-Konzepte), unter anderem damit einhergehender Zeitdruck und das Arbeitsstresserleben oder das in der Organisation vorherrschende Sicherheitsklima. Salminen et al. (2002) fanden heraus, dass mittelbar ablenkende Faktoren beruflich bedingt sind. Demzufolge stellen – neben Eile, Müdigkeit und der Verkehrssituation – Gedanken an Arbeitsinhalte ebenso wie Arbeitszeiten bedeutsame Belastungsfaktoren dar. Insbesondere Arbeitszeiten, die nicht mit der individuellen zirkadianen Rhythmik übereinstimmen, zeigen einen deutlichen negativen Effekt. Durch wechselnde Schichten verschlechtern sich sowohl Qualität als auch Dauer des Schlafs und in der Folge wird in müdem Zustand gefahren (Vollrath et al. 2011). Insbesondere im Fernverkehr und auf langen Pendelwegen sind überlange Arbeitszeiten teilweise eher die Regel als die Ausnahme und führen dazu, dass aus zu langem Fahren ohne (ausreichende) Ruhezeiten resultierende Erschöpfungszustände eine der größten Gefährdungen beruflicher Vielfahrer darstellt (GDV 2002). Ursächlich hierfür sind wiederum infrastrukturelle Bedingungen (z. B. eine zu geringe Anzahl von Park- und Rastplätzen), aber auch ungünstige Routenplanungen und Zeitdruck (Trimpop et al. 2009).

Berufsbedingter Stress (= psychomentale Fehlbeanspruchung)

Arbeitsstress steht ebenfalls mit Arbeitsunfällen und betriebsbedingten Verkehrsunfällen in Verbindung. Eine belastende Arbeitssituation wirkt auch nach Dienstende nach, woraus eine verringerte Aufmerksamkeit und infolgedessen Unfälle auf dem Arbeitsweg resultieren können (Trimpop et al. 2010). Aber auch das Arbeitszeitvolumen (Greubel et al. 2013) sowie der empfundene Arbeitsstress (Hilton et al. 2010) wurden als signifikante Prädiktoren für Arbeitsunfälle nachgewiesen. Zusätzlich konnten Zusammenhänge von Autounfällen mit Arbeitsklima und Arbeitszufriedenheit aufgezeigt werden (Trimpop et al. 2000).

Auf organisationaler Ebene ist zudem relevant, dass auch spezifische übergreifende Charakteristika der Organisation einen bedeutsamen Einfluss auf Einstellungen, Kompetenzen und Verhalten der Mitarbeitenden ausüben können. Fahrverhalten und Sicherheitseinstellungen von Beschäftigten hängen auch vom wahrgenommenen Sicherheitsklima einer Organisation ab. Newnam et al. (2008), zeigen, dass die wahrgenommene Sicherheitsorientierung der Flottenverantwortlichen und Vorgesetzten die Motivation der Angestellten zum sicheren Fahren erhöhen kann. Organisationale Unterstützung kann ebenfalls einen Einfluss auf das Unfallrisiko haben. So zeigten Caird et al. (2004), dass ein organisational unterstützendes Klima die gründliche Planung von betrieblichen Fahrten seitens der Fahrenden fördert und diese Form der Entlastung sich positiv in Fehlerhäufigkeiten und Unfallzahlen bemerkbar macht.

Insgesamt wird damit deutlich, dass eine Vielzahl organisationaler Faktoren und Rahmenbedingungen mit dem Verkehrsverhalten und Unfallgeschehen der Beschäftigten in Verbindung steht und die Verantwortlichkeit für eine sichere Verkehrsteilnahme nicht allein an die Verkehrsteilnehmenden abgegeben werden darf.

Technische und umfeldbezogene Belastungsfaktoren

Zu den technischen Faktoren, die das berufsbedingte Verkehrsverhalten beeinflussen, zählt die Gestaltung der Arbeitsmittel. Eine Besonderheit der beruflichen Mobilität besteht darin, dass zu den (technischen) Arbeitsmitteln das Verkehrsmittel gehört und ein Teil der Arbeitsaufgabe dessen Steuerung ist. Hier erfordert die dynamische Natur der Fahraufgabe permanente Aufmerksamkeit und ein angemessenes Situationsbewusstsein. Die technische beziehungsweise ergonomische Gestaltung, von unternehmensseitig eingesetzten Fahrzeugen berücksichtigt selten spezifische sicherheitsbedingte Faktoren, wie die technische Wartung, Klimaausgleich, Radio für Verkehrsmeldungen, Rangierhilfen oder Ladungssicherungsoptionen. Zusätzlich stellen ergonomische Aspekte des Fahrzeugs, wie Sitz-, Spiegel- oder Bedienpositionen, technische Belastungsfaktoren dar, die individuell auf die nutzende Person einzustellen sind. Diese werden besonders bei wechselnden oder geteilten Dienstfahrzeugen, wie zum Beispiel Pool- oder Mietfahrzeugen, relevant, da vor jedem Fahrtantritt eine Anpassung erfolgen sollte. Beunruhigend ist zudem die Entwicklung der Parallelisierung fahr- und arbeitsinhaltsspezifischer Tätigkeiten. Das mobile Büro, bei dem während der Fahrt fahrfremde, aber mit der Arbeitstätigkeit assoziierte Aufgaben übernommen werden, birgt Chancen und Gefahren für Mitarbeitende, was durch das daraus resultierende Kosten-Nutzen-Verhältnis mit Risiken im Zusammenhang stehen kann
(Trimpop 2014).

Personenspezifische Belastungsfaktoren und ­Risikobereitschaft

Körperliche und geistige Gesundheit sowie Leistungsfähigkeit sind grundlegende Voraussetzungen, um die Verkehrsteilnahme sicher zu gestalten und Gefahren adäquat wahrnehmen, bewerten und vermeiden zu können. Einschränkungen dieser Leistungsfähigkeit können nicht nur durch organisationale Bedingungen, sondern auch durch private Belastungen entstehen und somit die Verkehrs­sicherheit in Form von Müdigkeit, Erschöpfung und Ablenkung, aber auch zu Zeitdruck und wahrgenommenen Stress negativ beeinflussen (Stangneth et al. 2016). Auch Substanzmittelkonsum und deren Missbrauch spielen eine nicht unerhebliche Rolle (Statistisches Bundesamt 2023b). Zudem sind auf personenspezifischer Seite Einstellungen, Erfahrungen und in der Person liegende Eigenschaften relevant. Um das Verkehrsverhalten erklären zu können, müssen zahlreiche Einflussfaktoren berücksichtigt werden, die insbesondere auf motivationale Aspekte zurückgehen. So sind neben weiteren mit Emo­tionen besetzte Funktionen des Fahrens, die zumindest mittelbar Einfluss auf das berufliche Verkehrsverhalten haben, auch Freude am Fahren (vgl. Keskinen 1996), Sensation Seeking (vgl. Zuckermann et al. 1980) oder die Risikobereitschaft (vgl. Trimpop 1994) relevant.

Aus psychologischer Perspektive wird Risikoverhalten als „[…] jedes bewusst oder unbewusst kontrollierte Verhalten mit einer wahrgenommenen Unsicherheit über das Ergebnis und/oder die möglichen Gewinne oder Verluste für das physische, ökonomische und psychosoziale Wohlbefinden von einem selbst oder von anderen“ definiert (Trimpop 1994, S. 9). Danach ist auch die Teilnahme am Straßenverkehr als Aktivität, bei der eine gewisse Unfallwahrscheinlichkeit besteht, als Verhaltensweise, die mit Risiken assoziiert ist, zu verstehen. Dieses kann negative Folgen (wie Unfälle, körperliche, soziale, finanzielle Schäden etc.), aber auch positive Konsequenzen (wie Zielerreichung, Mobilität, Flexibilität, Zeitgewinn etc.) mit sich bringen. Die Risikobereitschaft einer Person ist von den jeweiligen Situationen und Rahmenbedingungen, zum Beispiel den organisationalen Aufgaben, abhängig. Die Risikoakzeptanz ist also nicht nur dann höher, wenn eine subjektiv hohe Kontrollierbarkeit der Situation besteht, sondern unter Umständen auch dann, wenn ein sicherheitsorientierteres Verhalten mit hohem Aufwand/Kosten oder sicherheitswidriges Verhalten mit hohen Gewinnen oder Zeitersparnissen einhergehen würde. Unpünktlichkeit, Ausfälle oder Störungen können zu wirtschaftlichen oder subjektiven Kosten führen, die vermieden werden wollen. Oft ist eine riskantere Fahrweise (höhere Geschwindigkeiten, geringere Abstände, Nebentätigkeiten) die Folge. Dass Zeitdruck wiederum durch viele organisationale Faktoren bestimmt ist, wurde bereits erläutert.

Im Folgenden wird ein Instrument vorgestellt, das zur ganzheitlichen Gefährdungs- und Risikobeurteilung im Kontext der beruflichen Verkehrsteilnahme entwickelt wurde, um potenzielle Gefährdungsfaktoren zu erfassen und diese hinsichtlich ihres Einflusses auf die Sicherheit im Kontext der Verkehrsteilnahme zu bewerten sowie adäquate Interventionsmöglichkeiten anzubieten.

Interventionsmöglichkeiten

Die Grundvoraussetzung für gezielte Interventionen und jede Form von Maßnahmen, sowohl auf die Person, Technik, Organisation oder Situation gerichtet, ist die systematische Suche und Identifikation von Gefährdungsfaktoren. Die etablierte Gefährdungsbeurteilung und Risikobewertung Organisationaler Mobilität (GUROM) für jede Art mobiler Tätigkeit wird hier beschrieben und anschließend auf die abgeleiteten Interventionsmöglichkeiten hingewiesen.

GUROM – Gefährdungsbeurteilung und Risikobewertung ­organisationaler Mobilität

Mit dem Ziel der Entwicklung eines Instruments zur Gefährdungsbeurteilung und Risikobewertung Organisationaler Mobilität (www.gurom.de), begründeten der DVR und der Lehrstuhl für Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie der FSU Jena 2008 ein gemeinsames Forschungs- und Entwicklungsprojekt. Seither kamen die DGUV mit verschiedenen Unfallversicherungsträgern sowie die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA), als wesentlicher Teil der gesetzlichen Unfallversicherung Österreichs, als kooperierende Organisationen hinzu. Von Beginn an stellte die Nutzbarkeit für alle versicherten Personengruppen der gesetzlichen Unfallversicherungen einen grundlegenden Anspruch an das Instrument dar. Um diesen gerecht zu werden, wurde aufbauend auf dem TOP-S-Ansatz (Trimpop et al. 2010) ein adaptiver Online-Fragebogen entwickelt, der stetig erweitert und an aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse angepasst wird. Dabei steht einerseits eine personenbezogene Erfassung der Gefährdungen im Vordergrund, da die betroffenen Personen die Gefährdungen im Zuge ihrer beruflichen Mobilität aus eigener Perspektive einschätzen.. Andererseits werden die organisationalen Variablen aus den Antworten verhältnisbezogen eruiert, wodurch eine zuverlässigere und vollumfänglichere Analyse ermöglicht wird.

Das übergeordnete Projektziel umfasst also die Entwicklung und Bereitstellung einer verkehrsbezogenen Gefährdungsbeurteilung, die fast alle Bereiche der berufsbezogenen Mobilität abdeckt und die hauptsächlichen Gefahrenfaktoren und mögliche Wechselwirkungen dieser umfasst. Weiterhin soll durch einen modularen Aufbau des Instruments eine ökonomische Verwendbarkeit in Kooperation mit Organisationen unterschiedlicher Größe ermöglicht werden.

Es wurden verschiedene Module spezifisch für bestimmte berufliche Tätigkeiten, zum Beispiel Kurierdienst, Außendienstmitarbeitende, Gabelstapler- und Flurförderzeugnutzung, Rettungsdienst sowie für Berufskraftfahrende im Güterfern- und Fernbusverkehr integriert. Durch diese modulare Erweiterung können tätigkeitsspezifische Gefährdungen einer Vielzahl von Berufsgruppen erfasst werden. Insbesondere wird auch die psychische Belastung und Fehlbeanspruchung durch Arbeitsfehlgestaltung, Führungsverhalten und situative Faktoren adaptiv erfasst. Dabei zeigt sich eine hohe Augenscheinvalidität mit anderen betrieblichen Gefährdungsbeurteilungen psychischer Belastungen (z. B. Trimpop et al. 2022). Durch diese stetige Erweiterung der Modulstruktur und die Bereitstellung einer Interventionsdatenbank, die mittlerweile rund 1500 Maßnahmen umfasst, erfolgt zunehmend die ganzheitliche Erfassung der Gefährdungen der sicheren Verkehrsteilnahme sowie die zielgruppenspezifische Ableitung verhaltens-, aber auch verhältnisorientierter Präventionsmaßnahmen (Gericke et al. 2016).

Einen großen Mehrwert stellt die Ergebnisrückmeldung sowohl für jede Einzelperson als auch für jede Organisation dar. Dabei enthalten beide Rückmeldungen Vorschläge, welche spezifischen verhaltens- und verhältnisbezogenen Maßnahmen zur Intervention oder Prävention ergriffen werden können. Zusätzlich kann die Wirksamkeit dieser Maßnahmen anhand einer wiederholten Teilnahme evaluiert werden.

Zusätzlich zu diesem praktischen Nutzen hinsichtlich der alltäglichen Verkehrsteilahme leisten die anonym gewonnen Daten einen Beitrag in der Unfallforschung. So konnten Zusammenhänge zwischen psychischen Belastungen durch die Organisation der Arbeit (z. B. Mehrarbeit), das Privatleben (z. B. Konflikte) sowie der Situation (z. B. Müdigkeit, Ablenkung) und Verkehrsunfällen nachgewiesen werden (Stangneth et al. 2016).

GUROM wird durch den DVR, die DGUV und die AUVA inhaltlich unterstützt und finanziert, wodurch die Teilnahme und die Erstellung der Rückmeldung, sowohl für Privatpersonen als auch für Organisationen kostenfrei zur Verfügung gestellt wird.

Weitere Interventionen zur Prävention und Reduktion von Mobilitätsunfällen

In der oben erwähnten Datenbank, aber natürlich auch in der Gesamtliteratur findet sich eine Fülle weiterer betrieblicher Verkehrs­unfallpräventionsmaßnahmen, von denen hier auf einige, längst nicht alle, die empirisch validiert wurden, eingegangen wird.

Personenorientierte Interventionsansätze

Der Bereich der Verhaltensprävention bietet eine Vielzahl vielversprechender Maßnahmen, um eine sicherheitsförderliche Modifikation des Verhaltens aller am Verkehr beteiligten Personen zu erreichen. Hierunter fallen unter anderem informationsvermittelnde Interventionen, die vorrangig eine Auseinandersetzung mit den Folgen eines (potenziell gefährlichen) Verhaltens anregen. Die Wirksamkeitserwartung hängt von Faktoren wie Geschlecht oder Berufserfahrung oder einer hohen Übereinstimmung zwischen dem Vermittelten und dem persönlich Erlebten (persönliche Relevanz) ab, was bei der Konzipierung oder Auswahl informationsvermittelnder Maßnahmen seitens der Organisation berücksichtigt werden sollte (Trimpop et al. 2009).

Bezüglich Stress und Zeitdruck bieten sich Stresspräventions- oder Zeitmanagementtrainings an, zum Beispiel computerbasierte Simula­tionen, Selbstbeobachtungsinstrumente und Gruppendiskussionen. Die positive Wirkung von Stressmanagement im Falle der Verkehrssicherheit demonstrieren Trimpop et al. (2003), wobei das Lesen einer zielgruppenspezifischen Stressbroschüre mit Einstellungs- und Ver­haltensänderungen im Straßenverkehr zusammenhing. Weitere wissens- und kompetenzvermittelnde Maßnahmen zum Mobilitätsverhalten betreffen Ernährung, Schlafhygiene, Bewegung, Work-Life-Balance oder Medikamenten- und Substanzkonsum. Besonders hinsichtlich dieser personenbezogenen Ansatzpunkte für Interventions- und Präventionsmaßnahmen ist die Einbeziehung von Fachkräften aus dem arbeitspsychologischen und betriebsmedizinischen Kontext ratsam.

Eine weitere kompetenzfokussierte Maßnahmengruppe umfasst Trainings, die insbesondere die individuelle Fahrkompetenz der verschiedenen Verkehrsteilnehmer erhöhen sollen. Hierzu gehören sowohl die zertifizierten Fahrsicherheitstrainings als auch Spritspar-, Eco- oder Fahrsimulatortrainings. Diese können nach zahlreichen Studien eine sicherheitsförderliche Wirkung auf Basis einer Erhöhung der Fahrkompetenzen und Risikokognition erzielen, bedürfen jedoch einer spezifischen, realitätsnahen sowie die Wahrnehmungen und Einstellungen berücksichtigende Konzeption. Fahrsicherheitstrainings erhöhen zum Beispiel die wahrgenommene Kompetenz der Fahrenden und damit die Bereitschaft, risikobereiter zu fahren (Fastenmeier et al. 2008). Diese Risikokompensationseffekte sind bei der Abschätzung und Beurteilung des Sicherheitspotenzials notwendigerweise zu berücksichtigen und ein wesentlicher Grund für die Heterogenität der Ergebnisse in den zahlreichen Evaluationsstudien (Fastenmeier u. Gstalter 2000; DVR 2004). Sie berücksichtigen auf besondere Personengruppen ausgerichtete Trainings (z. B. Trainings für Auszubildende, Vielfahrer-, Transporter- oder betriebliche Trainings) und deren individuelle Anforderungen und Belastungsfaktoren. Insbesondere sollten bezüglich der beschriebenen Belastungsfaktoren auch Kompetenzen vermittelt werden, die mit sogenannten Fahrnebentätigkeiten (Ladungssicherung oder Verwaltungsaufgaben) einhergehen.

Ein grundlegendes Ziel und entscheidender Wirkfaktor verhaltensbasierter Maßnahmen ist nicht, eine vollkommene Risikovermeidung anzustreben, sondern das für die jeweilige Person und Situation optimale Verhältnis aus potenziellen Nutzen und Gefahren abzuwägen. Bei allen Analysen von Verhalten und Fehlverhalten sollte daher unbedingt der Nutzen des Fehlverhaltens erfasst werden, denn darin besteht häufig der Hebel, um Interventionen wirksam werden zu lassen. Belässt man der Person die Vorteile des Fehlverhaltens, aber mit einer sichereren Alternative, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass dieses Verhalten gewählt wird.

Technik- und umfeldfokussierte Interventionsansätze

Im Bereich technischer Interventionsstrategien können vor allem gestalterische und anschaffungsbezogene Ansätze genannt werden. So können bereits in der Anschaffung der Fahrzeuge sicherheitsförderliche Aspekte bedacht werden. Dies beinhaltet die Prüfung und Berücksichtigung der zweckspezifischen Eignung (z. B. Ladungskapazitäten, Sicherungsmöglichkeiten u. Ä.) der Funktionalität und Ergonomie.

Zu den gestalterischen Ansätzen der Arbeitsmittel gehört insbesondere die sicherheitstechnische Ausstattung von Fahrzeugen. So scheint der Einsatz technischer Unterstützungssysteme, auch im betrieblichen Bereich, ein vielversprechendes Mittel zur Erhöhung der Verkehrssicherheit zu sein. Insgesamt zeigen Untersuchungen zu Wirksamkeitserwartungen von Fahrerassistenzsystemen und teil- oder vollautomatisiertem Fahren ein positives und zuversichtliches Bild auf (Weiß 2021). Wie bereits ausführlich beschrieben, kann eine unreflektierte Nutzung solch sicherheitstechnischer Ausstattungen auch zu gegenteiligen Effekten, dem illusionären Gefühl von Sicherheit, führen (Risikokompensation/-homöostase). Als Schlussfolgerung für die betriebliche Präventions- und Interventionspraxis ergibt sich daher die Notwendigkeit, technische Maßnahmen nicht unreflektiert oder alleinig einzuführen, sondern das Potenzial der Sicherheitstechnik nutzbar zu machen, in dem der Umgang damit vermittelt und die Effekte auf das Fahrverhalten im Betrieb in angemessenen Sicherheitsunterweisungen thematisiert werden.

Eine weitere Interventionsstrategie ist die Gestaltung der (inner-)betrieblichen Verkehrsumgebung. Insbesondere bauliche Veränderungen zur Reorganisation des Verkehrsraums durch Umgestaltungen der Verkehrswege, die sich vor allem an den unterschiedlichen Raumbedarfen der Verkehrsteilnehmenden orientieren, sind hier zu nennen. Um wirksame Veränderungspotenziale zu identifizieren, muss allerdings eine ganzheitliche Betrachtung erfolgen. Nur so kann eine gemeinsame Optimierung der sich oftmals scheinbar widersprechenden Unternehmensziele der Verkehrseffizienz und Sicherheit erreicht werden (Ruttke et al. 2016).

Interventionsansätze mit Fokus auf die Organisation

Auch im typischen Kreislauf der gesetzlich vorgeschriebenen GBU, die selbst schon eine Maßnahme auf organisationaler Ebene darstellt, sieht man in der Gefährdungsbeurteilung und in der Risikobewertung einen Risikooptimierungsprozess vor und legt ihn in die Hand des Unternehmers (Trimpop 2014). Auch die Organisation selbst sollte daher darauf bedacht sein, risikokompetent zu handeln und die Kompetenz bei sich und den Mitarbeitenden zu fordern und zu fördern. Auch im Bereich der beruflichen Mobilität können organisationale Maßnahmen sowohl verhaltenspräventiv auf die Angehörigen der Organisation als auch verhältnispräventiv auf die Strukturen und Abläufe abzielen. Gerade bezüglich der Belastungsfaktoren Zeitdruck, Ablenkung, Arbeitszeit und Arbeitspensum werden strukturelle Maßnahmen notwendig, die die bisherigen Abläufe analysieren und Optimierungsmöglichkeiten ableiten und umsetzen. Hier liegen Lösungsmöglichkeiten beispielsweise in einer Restrukturierung der Kommunikationsabläufe, der Disposition selbst, der Termin-, Touren- oder Einsatzplanung sowie der Arbeitszeit- und Dienstplangestaltung. Verkehrssicherheitliche Aspekte können aber auch bereits bei der Stellenausschreibung beziehungsweise der Personalauswahl berücksichtigt werden, vor allem dort, wo die Teilnahme am Straßenverkehr im erheblichen Maße beruflich erforderlich ist oder zum Beispiel durch Homeofficetätigkeit vermieden werden kann (Trimpop et al. 2009).

Multikausalität und Wechselwirkungen der beschriebenen Belastungsfaktoren machen integrative Ansätze, zum Beispiel partizipative Verkehrssicherheitszirkel, unverzichtbar. Ein erfolgreiches Beispiel für ein solches Konzept ist das Programm „Betriebsberatung Verkehrs­sicherheit und Arbeitswelt“, das der DVR in Kooperation mit Universitäten und Berufsgenossenschaften entwickelt hat und anbietet (Kalveram et al. 2000; Ruttke et al. 2016).

Fazit

Der Schutz der Beschäftigten vor Unfällen bei der betrieblich bedingten Mobilität gehört zu den Kernaufgaben von Organisationen und der gesetzlichen Unfallversicherungsträger. Durch die hohe Zahl an Verkehrstoten, neuen Unfallrenten und Ausfalltagen ist diese Aufgabe besonders bedeutsam. Die psychischen Fehlbeanspruchungen und Gesundheitsfolgen mobiler Arbeit erhöhen die Notwendigkeit, zielgruppen- und belastungsspezifische, geeignete Interventionsmaßnahmen abzuleiten, zu entwickeln und einzusetzen. Zudem sollten, um der Multikausalität und den verschiedenen Wechselwirkungen der beschriebenen Belastungsfaktoren gerecht zu werden, insbesondere integrative, ganzheitliche Ansätze, die erfolgsversprechende Einzelmaßnahmen zielgruppenspezifisch kombinieren, verfolgt werden. Um gerade auch den aktuellen und zukünftigen gesellschaftlichen beziehungsweise globalen Entwicklungen Rechnung zu tragen (Flexibilität, Schnelligkeit, Pünktlichkeit, steigende Anforderungen), muss hier vor allem der Wandel hin zu einem erweiterten Schutzgedanken erfolgen.

Der generelle Straßenverkehr besitzt keinerlei Schulungsmöglichkeit. Es gibt keine einheitliche Weiterbildung nach dem Führerscheinerwerb und es kommen ständig neue Verkehrsmittel, wie Elektroroller, E-Scooter etc. hinzu, ohne dass dazu eine geplante oder koordinierte Schulung stattfindet. In Fahrschulen werden betriebliche Aspekte kaum besprochen. Es besteht somit nur die innerbetriebliche Unterweisungs- und Kommunikationsmöglichkeit, um Gefahren, Lösungen und Chancen in der berufsbedingten Mobilität zu vermitteln. Eine von vielen Regierungen und Organisationen angestrebte „Vision Zero“ kann nur durch die Kombination aller organisationalen und gesellschaftlichen Akteure (Unternehmen, Schulen, Arbeitsagenturen) für „Sicherheit auf allen Wegen“ erreicht werden.

Interessenkonflikt: Die Autoren geben an, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.

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Kontakt

Prof. Dr. Rüdiger Trimpop

Yannic Mohr, M.Sc.

Lehrstuhl für Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Humboldtstraße 27, 07743 Jena
ruediger.trimpop@uni-jena.de
yannic.mohr@uni-jena.de

Sonderfall: Fahrerassistenzsysteme

In der jüngsten Zeit sind diese Entwicklungen vor allem vor dem ­Hintergrund der assistierten und automatisierten Fahrfunktionen zu ­beobachten. Hier wird der Gefährdungsfaktor der Risikokompensation/-homöostase beziehungsweise Verhaltensadaptation durch technische Unterstützungssysteme relevant (Wilde 2013; Trimpop 1994). Fahrer­assistenzsysteme können als Gestaltungsoption des Arbeitsmittels Fahrzeug einen sicherheitserhöhenden Beitrag leisten. Allerdings ist ebenso darauf zu achten, dass diese auch negative Auswirkungen im Sinne einer unerwünschten Verhaltensanpassung hervorrufen können und beispielsweise die Ablenkungsbereitschaft erhöhen, zu Überforderungen führen oder eine unrealistische Sicherheitsillusion erzeugen, die das Unfallrisiko erhöhen.

Verhaltensanpassungen, wie erhöhte Geschwindigkeiten und reduzierter Abstand zu anderen Fahrzeugen, wurden für Assistenzsysteme, wie das Antiblockiersystem oder die adaptive Abstandsregelung, nachgewiesen, die mittlerweile oft zur Standardausstattung von Neufahrzeugen gehören (Sagberg et al. 1997). Aber auch bei der Nutzung von modernen Assistenzsystemen (Muhrer et al. 2012) und (teil-)automatisierten Fahrzeugen (Metz et al. 2021) wurden vergleichbare Verhaltensanpassungen vielfältig nachgewiesen. Durch die rasante Weiterentwicklung von Fahrerassistenzsystemen erfolgt zunehmend die (Teil-)Automatisierung der Fahraufgabe mit der Konsequenz, dass die Kontrolle über das Fahrzeug nahezu vollständig an ein technisches System abgegeben wird, dessen Zustands- und Funktionsparameter häufig unklar sind. Die Tätigkeit der fahrenden Person wechselt vom aktiven Handeln hin zur Überwachung der verschiedenen Systeme (Vollrath et al. 2011). Gleichzeitig erhöht sich die Ablenkungsbereitschaft und Fahrende wenden sich vergleichsweise ir­relevanten Aufgaben zu. Dabei ist die Konzentration auf die aktuelle Verkehrssituation gesundheitsrelevant und überlebenswichtig. Dennoch werden bei Fahrzeugen mit Fahrerassistenzsystemen deutlich häufiger während der Fahrt zum Beispiel die Touchscreens digitaler Endgeräte oder Infotainmentsysteme bedient, Telefongespräche geführt, Nachrichten geschrieben oder andere arbeitsbezogene Handlungen ausgeführt. Diese Nebentätigkeiten absorbieren die Aufmerksamkeit und lenken diese komplett von der Fahrtätigkeit weg. So konnte gezeigt werden, dass die durchschnittlichen Rückübernahmezeiten der Fahraufgaben von teilautomatisierten Fahrzeugen, in Abhängigkeit von der Fahrsituation und des Zustandes der steuernden Person, zwischen 3 und 15 Sekunden (Vogelpohl et al. 2018) dauern kann. Innerhalb dieser Zeit kann das Fahrzeug teils erhebliche Strecken zurücklegen.

Diese Verhaltensanpassungen bei der Nutzung von Fahrzeugen sind besonders kritisch zu bewerten, wenn die häufig mangelhaften Kenntnisse über die genaue Funktionsweise und den aktuellen Betriebszustand, der im jeweiligen Fahrzeug verbauten Assistenzsys­teme, berücksichtigt wird. Besonders schwerwiegend ist dieses Problem, wenn Unternehmen und Betriebe neue Dienstfahrzeuge anschaffen oder leasen, die in Pool- und Angebotspaketen geliefert werden, bei denen die Ausstattung in Bezug auf Assistenz- und Automatisierungssysteme unterschiedlich ist und die weiteren Informationen darüber sehr schwierig nachzuvollziehen sind oder gar nicht zur Verfügung stehen. Auch die Mitarbeitenden, die dann die Fahrzeuge übernehmen und nutzen, wissen meist sehr wenig über das Fahrzeug, die verbauten Assistenzsysteme und ihre Funktionsweise und mög­liche Fehlfunktionen. Diese Probleme bestehen insbesondere bei wechselnden Fahrzeugen, beispielsweise bei Dienstfahrten mit Mietfahrzeugen. Bezogen auf die Unternehmensverantwortung für die Sicherheit und Gesundheit der Mitarbeitenden stellen sich die Folgefragen zuerst den Führungskräften oder Fachkräften für Arbeitssicherheit, die diese Thematik angemessen unterweisen und gegebenenfalls vor potenziellen Gefahren warnen können.

Zusammenfassend ist durch die Nutzung von Fahrzeugen mit entsprechenden Assistenzsystemen, entgegen dem eigentlichen Zweck dieser, auch ein negativer Einfluss auf Verhaltensebene zu erwarten, welcher wiederum den angestrebten positiven Effekt auf die Gefährdungssituation der Nutzenden kompensieren kann (vgl. Sagberg et al. 1997; Muhrer et al. 2012; Vogelpohl et al. 2018).