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Prozesshilfe für Schulleitungen und Schulträger

Vorgehen beim Verdacht auf Gebäudeschadstoff­belastungen an rheinland-pfälzischen Schulen

J. Dassow

K. Oehler

J. Kloos

K. Schöne

(eingegangen am 02.01.2020, angenommen am 07.04.2020)

Procedure in the event of suspected exposure to building pollutants in schools in Rhineland-Palatinate: Process aid for school administrations and school boards

Aim: The Institute for Teacher Health (IfL) has been dealing with suspected building pollutants in schools since its foundation in 2011. Dealing with pollutant problems is not an everyday situation for schools. After handling some complicated cases and regularly repeated enquiries, the IfL developed a process aid regarding the procedure in the event of suspected exposure to building pollutants in schools, which was communicated to all school administrations, school boards and supervisors in Rhineland-Palatinate (RLP) in November 2019. The process aid is intended to help decision-makers to adopt an efficient and solution-oriented approach. The aim is to support school decision-makers by providing them with professional expertise from the time when the suspicion of a pollutant arises.

Group and Method: Out of 589 enquiries received by the IfL in relation to occupational safety during the period 2012/13 - 2017/18, 68 (11.5%) concerned building pollutants. Enquiries about building pollutants were the third most frequent reason for seeking advice during the period specified. These enquiries were subjected to an analysis of experience. The above-mentioned process aid was subsequently developed in cooperation with six other institutions, including Unfallkasse RLP and the Ministry of Education RLP.

Results: The experience analysis showed that the IfL was often only involved in the school clarification process at a late stage. The following challenges arose repeatedly on the part of school administrations and school boards: technical complexity and lack of expertise, dealing with increasing emotionality and goal-oriented design of crisis communication.

Conclusions: Negative factors can be mitigated by involving professional support at an earlier stage: less emotionality in dealing with the situation, avoidance of measurements that are not goal-oriented, cost reduction and better crisis communication. Acceptance on the part of the schools is to be expected; the increasing number of enquiries in the 2018/19 school year signals a need for support.

Keywords: pollutants – crisis communication – schools – indoor air – polychlorinated biphenyls (PCB)

ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2019; 56: – S. 35-40

Vorgehen beim Verdacht auf Gebäudeschadstoffbelastungen an rheinlandpfälzischen Schulen – Prozesshilfe für Schulleitungen und Schulträger

Ziel: Aufkommende Gebäudeschadstoffverdachte an Schulen beschäftigen das Institut für Lehrergesundheit (IfL) seit seiner Gründung im Jahre 2011. Der Umgang mit einer Schadstoffproblematik ist für Schulen keine Alltagssituation. Aufgrund einiger komplizierter Fälle und regelmäßig wiederkehrender Anfragen, wurde vom IfL eine Prozesshilfe bezüglich des Vorgehens bei Verdacht auf Gebäudeschadstoffbelastungen an Schulen entwickelt, die im November 2019 an alle Schulleitungen, Schulträger und Aufsichtspersonen in Rheinland-Pfalz (RLP) kommuniziert wurde. Die Prozesshilfe soll Entscheidungsträgern dazu dienen, einen effizienten und lösungsorientierten Weg einzuschlagen. Dadurch soll eine Unterstützung der schulischen Entscheidungsträger durch Fachkompetenz ab dem Zeitpunkt der Entstehung des Schadstoffverdachts erreicht werden.

Kollektiv und Methode: Von 589 Anfragen an das IfL im Zeitraum 2012/13 bis 2017/18, die den Bereich Arbeitssicherheit betrafen, handelten 68 (11,5%) von Gebäudeschadstoffen. Gebäudeschadstoffanfragen markieren im genannten Zeitraum den dritthäufigsten Beratungsanlass. Diese Anfragen wurden einer Erfahrungsanalyse unterzogen. Im Anschluss wurde in Zusammenarbeit mit sechs weiteren Institutionen, darunter unter anderem die Unfallkasse RLP und das Bildungsministerium RLP, die oben genannte Prozesshilfe ausgearbeitet.

Ergebnisse: Die Erfahrungsanalyse zeigte, dass das IfL oftmals erst spät in den schulischen Klärungsprozess eingebunden wurde. Auf Seiten der Schulleitungen und Schulträger traten die folgenden Herausforderungen wiederkehrend auf: fachliche Komplexität und fehlende Fachkunde, Umgang mit aufkommender Emotionalität und zielorientierte Gestaltung der Krisenkommunikation.

Schlussfolgerungen: Durch frühere Einbindung fachlicher Unterstützung können negative Faktoren abgemildert werden: weniger Emotionalität im Umgang mit der Situation, Vermeidung nicht zielführender Messungen, Kostenreduktion und bessere Krisenkommunikation. Eine Akzeptanz auf Seiten der Schulen ist zu erwarten, denn die steigende Anzahl an Anfragen im Schuljahr 2018/19 signalisiert einen Bedarf an Unterstützung.

Schlüsselwörter: Schadstoffe – Krisenkommunikation – Schulen – Innenraumluft – polychlorierte Biphenyle (PCB)

Einleitung

Das Institut für Lehrergesundheit (IfL) wurde im Januar 2011 in Mainz im Auftrag des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur Rheinland-Pfalz (MBWWK) zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben in der arbeitsmedizinischen und sicherheitstechnischen Betreuung aller Beschäftigten im staatlichen Schuldienst in Rheinland-Pfalz (RLP) gegründet. Das Institut ist dem Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universitätsmedizin Mainz angegliedert.

Beschäftigte im Schulwesen können einer Vielzahl von tätigkeitsbezogenen Gefährdungsfaktoren ausgesetzt sein. Neben den vorhandenen tätigkeitsbezogenen Gefährdungs- und Belastungsfaktoren hat auch die Arbeitsumgebung (u. a. Schulgebäude) einen wichtigen Einfluss auf die Sicherheit und Gesundheit der Lehrkräfte und pädagogischen Fachkräfte. In diesem Zusammenhang kam es in der jüngeren Vergangenheit häufiger zu Anfragen bezüglich vermuteter Schadstoffbelastungen am Arbeitsplatz. Wichtige Faktoren der Beratung sind die Ursachenanalyse, die Quantifizierung der vermuteten Schadstoffbelastung sowie die Klärung der Frage, welches gesundheitliche Risiko von einer tatsächlich vorhandenen Belastung ausgeht.

Das Spektrum möglicher Schadstoffquellen ist im schulischen Umfeld breit gefächert und reicht von baubedingten PCB- (polychlorierte Biphenyle) und Asbestbelastungen (besonders: Bauten der 60er/70er Jahre) über fehlerhaftes Reinigungsverhalten bis hin zu Expositionen aufgrund bestimmter Innenraumausstattungen (Stichwort: Formaldehyd). In dem Leitfaden für die Innenraumhygiene in Schulgebäuden des Umweltbundesumweltamtes werden unter anderem die in ➥ Tabelle 1 aufgelisteten Gebäudeschadstoffe benannt (Umweltbundesamt 2008):

Erfahrungen des IfL (aus der nunmehr über achtjährigen arbeitsmedizinischen und sicherheitstechnischen Betreuung) zeigen, dass allein der bloße Verdacht auf eine mögliche Gebäudeschadstoffbelastung im Schulgebäude zu einer Verunsicherung der Schulgemeinschaft führen und dementsprechend bis zur abschließenden Abklärung eine große Belastung für alle Beteiligten darstellen kann.

Fragestellung und Ziel

Die übergeordneten Fragestellungen, die dem Projekt zugrunde liegen, sind folgende: Lässt sich ein aufkommender Gebäudeschadstoffverdacht an Schulen durch die Bereitstellung einer landesweit (RLP) kommunizierten Prozesshilfe hinsichtlich des Ablaufs effizienter, lösungsorientierter und geordneter gestalten? Werden die schulischen Entscheidungsträger dadurch eher ab dem Zeitpunkt der Entstehung des Schadstoffverdachts fachliche Expertise zur Unterstützung einholen? Können hierdurch auch die finale Maßnahmenqualität erhöht sowie nicht zielführende beziehungsweise problemlösende Maßnahmen vermieden werden?

Aus den übergeordneten Fragestellungen ergibt sich das Ziel des Projekts: Entwicklung und Bereitstellung einer Prozesshilfe bezüglich des Vorgehens bei Verdacht auf Gebäudeschadstoffbelastung an Schulen, die im ganzen Bundesland Rheinland-Pfalz als standardisierte Vorgehensweise anerkannt und an alle Schulen in RLP kommuniziert werden soll (Schulleitungen, Schulträger, Aufsichtspersonen).

Kollektiv und Methode

In Rheinland-Pfalz gibt es insgesamt 1627 Schulen (Bildungsministerium Rheinland-Pfalz 2020). In den zurückliegenden Schuljahren (2012/13 bis 2017/18) gingen insgesamt 589 arbeitssicherheitstechnisch-assoziierte Anfragen beim IfL ein (➥ Abb. 1). Einige Schulen hatten innerhalb dieser Zeitperiode mehrere Anfragen an das IfL. Der dritthäufigste Anlass war dabei die Thematik „Gebäudeschadstoffe“ (11,5% aller Anfragen; insgesamt 68 Beratungen). (Gesundheitsberichte Institut für Lehrergesundheit, 2012/13 bis 2018/19).

Aufgrund wiederkehrender Anfragen rheinland-pfälzischer Schulen in Bezug auf Gebäudeschadstoffe an das IfL sowie einiger schwerwiegender Einzelfälle wurde entschieden, eine genauere Analyse gemeldeter Anfragen durchzuführen. Die Erfahrungsanalyse wurde für alle gemeldeten Schadstoffbelastungen durchgeführt, die das IfL seit 2012/13 bis 2018/19 begleitet hat. Dafür wurden die Fälle einzeln analysiert. Ein besonderer Schwerpunkt der Auswertung lag auf der Erörterung der maßgeblichen Herausforderungen für Schulleitung und Schulträger. Zusätzlich wurde geprüft, welche Faktoren bestehende Herausforderungen verkomplizieren und welche zu einer Entlastung, sowohl für die Entscheidungsträger als auch für die gesamte Schulgemeinschaft, führen. Begleitend zur Erfahrungsanalyse wurde eine Literaturrecherche durchgeführt, bei der die Recherche bestehender Leitfäden im Vordergrund stand.

Auf Grundlage der Erfahrungsanalyse wurde durch das IfL ein Vorschlag hinsichtlich einer Prozesshilfe bezüglich des Vorgehens bei Verdacht auf Gebäudeschadstoffbelastung an Schulen als Diskussionsgrundlage entworfen. Um der Zielstellung gerecht zu werden, wurde nachfolgend der Entwurf mit allen hierzu relevanten Institutionen diskutiert. Es handelt sich dabei um folgende Institutionen:

  • Landkreistag RLP,
  • Städtetag RLP,
  • Gemeinde- und Städtebund RLP,
  • Unfallkasse RLP (UK RLP),
  • Bildungsministerium RLP,
  • Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion RLP (ADD).
  • Alle der angefragten Institutionen schlossen sich nach der Projekt- und Ergebnisvorstellung der Entwicklung einer gemeinsamen Prozesshilfe an. Darüber hinaus wurden Experteninterviews und Prozessvorstellungsrunden zur Abstimmung mit der Zielgruppe (u. a. Schulträger) durchgeführt. Dadurch konnte der Prozess zusätzlich auf seine Praxistauglichkeit überprüft werden. Das Feedback der einzelnen Institutionen, Experteninterviews und Prozessvorstellungsrunden war wichtig, um eine praxisorientierte Prozesshilfe ausarbeiten zu können. Diese Art des Vorgehens fördert zum einen die Akzeptanz der Prozesshilfe im gesamten Bundesland. Zum anderen wird durch die Einbindung aller relevanten Institutionen die Grundlage gelegt, dass die Prozesshilfe aktiv gelebt werden kann.

    Abb. 1: Anfragen an das IfL (Schuljahre 2012/13 – 2017/18; n = 589; Bereich Arbeitssicherheit)
    Fig. 1: Enquiries to the IfL (school years 2012/13 – 2017/18; n = 589; area of occupational safety)

    Ergebnisse

    Ergebnisse der Erfahrungsanalyse

    Der Umgang mit einer Schadstoffproblematik ist für Schulen keine Alltagssituation. Auskünfte von Schulen zeigen, dass der Schulleitung, aber auch dem Schulträger, oftmals die Fachkompetenz und Erfahrung bei der Bewältigung solcher Ausnahmezustände fehlt. Da die Schulleitung die Fürsorgepflicht für ihre Lehrkräfte trägt und dieser in der Regel gerecht werden möchte, kann es aufgrund der Komplexität des Sachverhalts zu Überforderung oder Aktionismus kommen. Da Schulträger für den ordnungsgemäßen Zustand von Gebäuden und Einrichtungen verantwortlich sind, kann ein aufkommender Schadstoffverdacht die Verantwortlichen zu übereilten Handlungen veranlassen. Die Auswertung der einzelnen Fälle im Zuge der Erfahrungsanalyse zeigte, dass in der Regel auf ein derartiges Problem schnell reagiert wird und analytische Messungen veranlasst werden – jedoch zum Teil ohne einen durchdachten Aktionsplan. Wiederkehrend wurde berichtet, dass eine nicht abgestimmte Herangehensweise und getroffene Maßnahmen, die sich schlussendlich als nicht zielführend beziehungsweise problemlösend herausstellten, die bereits bestehende Komplexität der Problematik zusätzlich erhöhten. Dazu zählen beispielsweise analytische Messverfahren, deren Ergebnisse aus medizinischer und sicherheitstechnischer Sicht nicht oder nur eingeschränkt bewertbar sind und zu einer weiteren Verunsicherung bei allen am Schulleben Beteiligten führen können. Als Beispiel wären hier analytische Staubmessungen zu nennen. Hinzu kommen vermeidbare Kosten für analytische Messungen aufgrund fehlender Notwendigkeitsprüfungen. Die Erfahrungen des IfL zeigen, dass mit zunehmender Verunsicherung in aller Regel auch die Unruhe innerhalb der Schulgemeinschaft zunimmt. Die grundlegend vorhandene Emotionalität bei diesem Thema kann dadurch nochmals gesteigert werden, wodurch sich der Druck auf Schulleitung und Schulträger erhöhen kann.

    Zusammenfassend ergab die Erfahrungsanalyse, dass auf Seiten der Schulleitungen und Schulträger die folgenden Herausforderungen wiederkehrend auftraten: fachliche Komplexität und mangelnde Erfahrung, Umgang mit aufkommender Emotionalität und zielorientierte Gestaltung der Krisenkommunikation. In der Mehrzahl der gemeldeten Anfragen rund um das Thema Gebäudeschadstoffe wurden das IfL sowie andere Sachverständige oftmals erst spät in den Prozess eingebunden, wodurch im Regelfall die Schwierigkeit der genannten Herausforderungen zunahm.

    Abb. 2:  Praxisbeispiel – PCB SanierungFig. 2: Practical example: PCB clean-up

    Abb. 2: Praxisbeispiel – PCB Sanierung
    Fig. 2: Practical example: PCB clean-up

    Abb. 3: Prozesshilfe für Schulleitungen und Schulträger zum Vorgehen bei gesundheitlichen Bedenken durch Schadstoffbelastungen an Schulen
    Fig. 3: Process aid for school administrations and school boards in relation to procedure in the event of concerns about the health effects of exposure to pollutants in schools

    Praxisbeispiel

    Das folgende Praxisbeispiel soll verdeutlichen, weshalb eine frühe beziehungsweise direkte Einschaltung von Fachexpertinnen und -experten bei einem Gebäudeschadstoffverdacht an Schulen sinnvoll ist (➥ Abb. 2).1 Bei diesem Praxisbeispiel handelt es sich um einen der positiv verlaufenen Fälle im Zuge der Erfahrungsanalyse.

    Vorstellung der erarbeiteten ­Prozesshilfe

    Im Folgenden wird das Ergebnis der gemeinschaftlich ausgearbeiteten Prozesshilfe vorgestellt (➥ Abb. 3).

    Der abgebildete Prozessverlauf soll die betroffenen Entscheidungsträger dabei unterstützen, einen effizienten und lösungsorientierten Weg einzuschlagen. Eine vorliegende Fragestellung soll dadurch in einem gelenkten Prozess, der durch die folgende Systematik visualisiert wird, zielgerichtet geklärt werden:

    Anwendung der Prozesshilfe: Die vorliegende Empfehlung bezieht sich auf gebäudeassoziierte relevante gesundheitliche Bedenken, die nicht in Verbindung zu regulären Umbau- oder Neubaumaßnahmen stehen. Sie stellt keinen Prozess für etwaige Schadstoffthematiken im Hinblick auf reguläre Umbau- oder Neubaumaßnahmen dar.

    Prozessschritt 1 – Abstimmung zwischen Schulleitung
    und ­Schulträger

    Zu Beginn des Prozesses sollten Schulleitungen beziehungsweise Schulträger, wenn sie von einem Schadstoffverdacht erfahren, diesen ernst nehmen und sich gegenseitig darüber in Kenntnis setzen, um ein gemeinsames Vorgehen sowie die Federführung abzustimmen. Folgende Aspekte sollten die Verantwortlichen beim Aufkommen eines Schadstoffverdachtes beachten:

  • Voreilige Beurteilungen oder Aussagen (sowohl intern als auch gegenüber Externen, wie z.B. der Presse) sollten unbedingt vermieden werden.
  • Messungen sollten erst nach vorheriger fachlicher Beratung in Auftrag gegeben werden.
  • Prozessschritt 2 – Einbezug fachlicher Unterstützung

    Nachdem die Schulleitung und der Schulträger die Federführung miteinander abgestimmt haben, sollte einer der beiden Verantwortlichen die im Prozess aufgeführten Institutionen kontaktieren. Dabei handelt es sich um das Institut für Lehrergesundheit (IfL), die Unfallkasse RLP und die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion. Für diesen Prozessschritt wurde ein Online-Kontaktformular entwickelt, um die Kontaktaufnahme zu standardisieren sowie zu vereinfachen. Im Kontaktformular werden unter anderem folgende Sachverhalte erhoben:

  • Konkrete Problembeschreibung
  • Seit wann besteht das Problem?
  • Nennung der vermuteten Ursache
  • Liegen bereits Gutachten und Schadstoffkataster des Schulträgers vor?
  • Bei der abschließenden Frage des Kontaktformulars gibt die Schulleitung beziehungsweise der Schulträger an, mit welcher Institution der Erstkontakt gewünscht wird. Hierbei sollte auch auf die jeweiligen Zuständigkeiten der Institutionen geachtet werden.

    Prozessschritt 3 – Gemeinsame Lösungssuche

    Nachdem die Bewertung der Angaben durch die jeweilige Institution abgeschlossen wurde, findet eine Kontaktaufnahme in Richtung des Antragstellenden statt. Je nach Komplexitätsgrad des Falls können neben der Institution, die den Erstkontakt mit der Schulleitung/dem Schulträger durchgeführt hat, auch weitere Institutionen hinzugezogen werden, um eine bestmögliche Unterstützung und Ursachenforschung realisieren zu können.

    Das gemeinsame Vorgehen wird beispielsweise mittels einer Telefonkonferenz abgestimmt inklusive nachfolgender Facetten:

  • Festlegung erforderlicher Sofortmaßnahmen, Abstimmung eines gemeinsamen Begehungstermins (Teilnehmende, Zeitpunkt). Dazu können zum Beispiel gehören: gebäudebezogene Analyseverfahren (Materialprobe, Raumluftmessungen) sowie gegebenenfalls personenbezogene Analyseverfahren auf der Grundlage durchgeführter Arbeitsanamnese (z.B. bei Indikation Biomonitoring);
  • Bewertung vorliegender Informationen und Ergebnisse sowie Abstimmung der erforderlichen Maßnahmen zur Beseitigung der Schadstoffbelastung.
  • Je nach Entwicklung handelt es sich hierbei um einen Prozess, der gegebenenfalls mehrfach durchlaufen wird, etwa dann, wenn zunächst durchgeführte Maßnahmen weitere Maßnahmen nach sich
    ziehen.

    Prozessschritt 4 – Information betroffener Kreise

    Während der Prüfung beziehungsweise Klärung der vermuteten Schadstoffbelastung stehen die eingebundenen Institutionen hinsichtlich der Krisenkommunikation beratend zur Seite. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die kontinuierliche Information der betroffenen Personenkreise. Dazu zählen unter anderem Bedienstete, örtlicher Personalrat, Schwerbehindertenvertretung, Gleichstellungsbeauftragte, Schülerinnen/Schüler, Eltern und Öffentlichkeit. Als Praxisbeispiel wären hier beispielsweise themenbezogene Informationsveranstaltungen oder Konferenzen, an denen die Schulgemeinschaft teilnehmen kann, zu nennen.

    Diskussion

    Die Ergebnisse der Erfahrungsanalyse weisen auf einen Handlungsbedarf hin, dem mit der Ausarbeitung einer praxisorientierten Prozesshilfe für Schulleitungen und Schulträger Rechnung getragen wurde. Darüber hinaus nahm die Anzahl der Anfragen bezüglich Schadstoffproblematiken an Schulen im Schuljahr 2018/2019 zu. Insgesamt thematisierten im Schuljahr 2018/2019 15,1% aller Anfragen (n=146), die im Bereich Arbeitssicherheit an das IfL herangetragen wurden, aufkommende Schadstoffverdachte an rheinland-pfälzischen Schulen. Im Vergleich zum Durchschnitt der Schuljahre 2012/2013 bis 2017/2018 ist ein prozentualer Anstieg von etwa 3,6% zu verzeichnen. In absoluten Zahlen ausgedrückt, stehen im Schuljahr 2018/2019 22 Schadstoffverdachtsanfragen insgesamt 68 Anfragen aus den Schuljahren 2012/2013 bis 2017/2018 gegenüber. Dieser Trend unterstreicht nochmals die Notwendigkeit eines Unterstützungsangebots. Ein weiterer Grund für diesen Anstieg könnte darin begründet sein, dass sich Schulen untereinander verstärkt austauschen und das IfL als Berater stärker in den Fokus rückt. Die ausgearbeitete Prozesshilfe, die durch das Engagement zahlreicher Expertinnen und Experten entstanden ist, soll Schulleitungen und Schulträger zukünftig unterstützen, bei einem aufkommenden Schadstoffverdacht die richtigen Entscheidungen zum richtigen Zeitpunkt zu treffen. Die im Prozess integrierte Notwendigkeitsberatung hinsichtlich zielführender analytischer Messungen könnte schlussendlich auch zu einer Kostenreduzierung für Schulen führen. Die Prozesshilfe wurde Mitte November an alle Schulleitungen, Schulträger und Aufsichtspersonen in RLP kommuniziert. Ob durch die entwickelte Prozesshilfe Gebäudeschadstoffverdachte an rheinland-pfälzischen Schulen häufiger kontrolliert und lösungsorientiert ablaufen, kann erst nach der Veröffentlichung abschließend beurteilt werden. Für die Folgejahre ist geplant, die Serviceleistung der Prozesshilfe durch erhaltenes Feedback weiter zu optimieren. Nach der Veröffentlichung soll zudem die Praxistauglichkeit via PDCA-Zyklus kontinuierlich überprüft werden.

    Schlussfolgerung

    Die essenzielle Erkenntnis der Erfahrungsanalyse ist, dass ein Schadstoffverdacht an Schulen, der von Anfang an durch fachliche Kompetenz begleitet wird, in der Regel wesentlich weniger emotional abläuft. Wurde das IfL frühzeitig von der Schulleitung beziehungsweise dem Schulträger in den vorliegenden Schadstoffverdacht eingebunden, konnten zudem nicht zielführende analytische Messungen vermieden werden, wodurch der Kostenaufwand reduziert werden konnte. Auch im Bereich der Krisenkommunikation konnte gezielt und zeitnah interveniert werden. Sofern die Prozesshilfe dazu beiträgt, dass sich Schulleitungen und Schulträger in Zukunft bei einem aufkommenden Schadstoffverdacht an die Empfehlungen halten und sich bei den genannten Institutionen melden, so wäre dies als großer Erfolg zu werten. Da sich alle involvierten Institutionen schnell einig darüber waren, dass eine solche Prozesshilfe von Nöten sei und das Feedback von schulträgerseitigen Vorstellungsrunden sehr positiv ausfiel, ist davon auszugehen, dass die Prozesshilfe auf Akzeptanz stoßen wird. Immerhin handelt es sich um eine unabhängige, externe Expertise, die sich Schulträger und Schulleitungen einholen können – und das kostenlos. Bei den zurückliegend begleiteten Schadstoffverdachten durch das IfL hat sich zudem gezeigt, dass die Schulleitungen und Schulträger oftmals sehr dankbar für die erfahrene Unterstützung waren. Wenn Schulleitungen und Schulträger künftig nicht zu allererst versuchen das Problem in Eigenregie zu lösen, sondern direkt fachliche Unterstützung einschalten, könnten viele negative Faktoren, die mit solchen Verdachtsfällen einhergehen, abgemildert beziehungsweise im Voraus vermieden werden.

    Beitrag der Autoren zum Manuskript: J.D.: Erstellung des Manuskripts, KO, J.K. und K.S.: kritische Durchsicht und Einbringung wichtigen Inhalts.

    Interessenskonflikt: Alle Autoren bestätigen, dass keinerlei Interessenskonflikte bestehen.

    Literatur

    Bildungsministerium Rheinland-Pfalz: Bildungsserver – Schuldatenbank (27. März 2020) (https://schulen.bildung-rp.de/liste.html).

    Gesundheitsberichte Institut für Lehrergesundheit (2012/13 - 2018/19).

    PCBAbfallV – Verordnung über die Entsorgung polychlorierter Biphenyle, ­polychlorierter Terphenyle und halogenierter Monomethyldiphenylmethane,
    2000 (http://www.gesetze-im-internet.de/pcbabfallv/).

    PCB-Richtlinie NRW – Richtlinie für die Bewertung und Sanierung PCB-belasteter Baustoffe und Bauteile in Gebäuden, 1996 (https://www.leverkusen.de/vv/forms/10/191.pdf)

    Umweltbundesamt: Leitfaden für Innenraumhygiene in Schulgebäuden, 2008
    (https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/publikation/l…).

    Kontakt

    Jonas Dassow, M. Sc.

    Institut für Lehrergesundheit am Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin
    Universitätsmedizin Mainz
    Kupferbergterrasse 17–19
    55116 Mainz
    jonas.dassow@unimedizin-mainz.de

    Fußnote