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Eine kritische Analyse des Artikels von W. Roos und C. Vahl: „Infraschall aus technischen Anlagen“. ASU 2021; 7: 420–430

Infraschall von Windenergieanlagen: keine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung

S. Holzheu1

S. Koch2

M. Hundhausen3

Im Juli 2021 erschien in ASU ein Artikel mit dem Titel „Infraschall aus technischen Anlagen“, der jedoch fast ausschließlich Infraschall von Windenergieanlagen (WEA) thematisiert obwohl zahlreiche technische, aber auch natürliche Infraschallquellen existieren, die deutlich intensiver sind. Infraschall wird – anders als die Autoren es behaupten - in der Wissenschaft nicht als gesundheitliches Problem gesehen. Herr Vahl, einer der Autoren, kommentierte kürzlich im Ärzteblatt, dass die Analogie zu Röntgen und UV-Strahlung einen „gewissen Charme“ habe, weil auch diese physikalischen Energien (Röntgen-Strahlung) nicht durch Menschen wahrgenommen werden (Vahl Kommentar Ärzteblatt 14.05.2021). Diese Analogie ist allerdings völlig unpassend, denn der gesundheitsschädliche Effekt von Röntgenstrahlung ist wissenschaftlich belegt und physikalisch bestens verstanden, auf der anderen Seite gibt es keine Evidenz für Gesundheitsschäden durch Infraschall und auch eine physikalische Erklärung fehlt. Obwohl Infraschall physikalisch ein gut verstandenes Phänomen ist, versuchen die Autoren den Infraschall aus Windenergieanlagen als etwas unklares und möglicherweise Gefährliches hinzustellen. Wir möchten in diesem Artikel auf die Falschaussagen des Artikels eingehen und durch eigene Messungen zeigen, was Infraschall ist und wie er einzuordnen ist. Insbesondere werden wir die Behauptung der Autoren, Infraschall würde ungedämpft durch Wände gehen, widerlegen, ungeeignete Zitate aufzeigen, die einzigen eigenen Messungen der Autoren zu angeblichen gesundheitlichen Schäden für Herzmuskeln analysieren und generell eine Übersicht über die wissenschaftliche Diskussion zum Thema gesundheitliche Beschwerden und Infraschall von WEA zusammenfassen.

Abb. 2:  Gemessener natürlicher Infraschall-Hintergrund (23.03.2021 08:00–09:00) bei abgeschaltetem Windrad überlagert mit synthetischen Windrad-Flügeldurchgangssignal in unterschiedlichen Abständen zum Windrad. Links sind jeweils die Schmalbandpegel (Pegelbandbreite 0,01 Hz) gezeigt sowie die Terzpegel und die Wahrnehmungsschwelle. Rechts ist ein Ausschnitt (23.03.2021 08:08:35–08:08:45) aus dem Drucksignal über 10 Sekunden. Der große Ausschlag (ab Sekunde 42) im Drucksignal ist eine Windböe. Druckänderungen durch Wind können selbst im Nahbereich die Infraschallsignale von WEA deutlich überschreiten. Das links zu erkennende Auftreten von Frequenzspitzen im Schmalbandpegel ist kein gutes Kriterium zur Beurteilung, ob Windradsignale deutlich aus dem Hintergrund hervortreten. Sowohl Drucksignal als auch Terzpegel unterscheiden sich kaum zwischen der Messung ohne WEA und mit der WEA in 800 m Abstand

Abb. 2: Gemessener natürlicher Infraschall-Hintergrund (23.03.2021 08:00–09:00) bei abgeschaltetem Windrad überlagert mit synthetischen Windrad-Flügeldurchgangssignal in unterschiedlichen Abständen zum Windrad. Links sind jeweils die Schmalbandpegel (Pegelbandbreite 0,01 Hz) gezeigt sowie die Terzpegel und die Wahrnehmungsschwelle. Rechts ist ein Ausschnitt (23.03.2021 08:08:35–08:08:45) aus dem Drucksignal über 10 Sekunden. Der große Ausschlag (ab Sekunde 42) im Drucksignal ist eine Windböe. Druckänderungen durch Wind können selbst im Nahbereich die Infraschallsignale von WEA deutlich überschreiten. Das links zu erkennende Auftreten von Frequenzspitzen im Schmalbandpegel ist kein gutes Kriterium zur Beurteilung, ob Windradsignale deutlich aus dem Hintergrund hervortreten. Sowohl Drucksignal als auch Terzpegel unterscheiden sich kaum zwischen der Messung ohne WEA und mit der WEA in 800 m Abstand
Abb. 3:  Vergleich der Druckpulse des Flügeldurchgangs von Abb. 1 (ruhiger Abschnitt) mit alltäglichem Infraschall. Auf der gleichen Druckskala ist der Druckpuls einer Windenergieanlage praktisch nicht zu erkennen. Da die Messungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgten, wurde für diese Darstellung eine relative Zeitskala gewählt

Abb. 3: Vergleich der Druckpulse des Flügeldurchgangs von Abb. 1 (ruhiger Abschnitt) mit alltäglichem Infraschall. Auf der gleichen Druckskala ist der Druckpuls einer Windenergieanlage praktisch nicht zu erkennen. Da die Messungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgten, wurde für diese Darstellung eine relative Zeitskala gewählt

Diskussion der physikalischen Fakten

Infraschall geht nicht durch Wände

Vahl und Roos präsentieren Frequenzspektren von Windenergieanlagen (WEA), wobei sich eine Absenkung der Schallamplitude im Gebäude im Vergleich zum Außenbereich (im Freien) zeigt, was den physikalischen Erwartungen entspricht. Die Autoren schreiben dennoch im Text, nicht nur Frequenz, sondern auch Amplitude der genannten Infraschall-Peaks bliebe gleich. Während es selbstverständlich ist, dass die Frequenz im Gebäude gleich ist, ist es nicht korrekt, dass die Amplitude unverändert ist (Abb. 1 in der Arbeit von Vahl und Ross zeigt, dass die so genannte zweite Harmonische um 15 dB gedämpft wird).

Zum besseren Verständnis von Infraschallmessungen, möchten wir hier eigene Infraschallmessungen einer WEA in Harsdorf/Oberfranken mit Frequenzspektrum (➥ Abb. 1a) und das damit korrespondierende Drucksignal (➥ Abb. 1b) im Innen- und Außenbereich präsentieren. Im Frequenzspektrum sind die Flügeldurchgangssignale der WEA gut zu erkennen (vertikale Linien), und auch im Innenraum treten noch zwei Peaks der Windenergieanlage auf. Die weiteren Peaks im Freqenzspektrum sind so stark gedämpft, dass sie sich nicht mehr von dem Hintergrund abheben. Jedoch sind die Peaks genauso wie in der Abbildung von Roos und Vahl deutlich abgesenkt.

Grundlage für ein Frequenzspektrum ist immer ein zeitlich aufgelöstes Drucksignal. Ein Frequenzspektrum wird dabei in der Regel durch Messungen über eine längere Messzeit gewonnen. Für das in Abb. 1a gezeigte Spektrum wurde ein Zeitsignal von 30 Minuten ausgewertet.

Abbildung 1b zeigt einen charakteristischen 10-Sekunden-Ausschnitt aus dem korrespondierenden Drucksignal. Mit grünen Pfeilen markiert sind in diesem Druckverlauf die regelmäßigen sich periodisch wiederholenden N-förmigen Druckpulse von ca. 0,2 Pa Höhe. Das sind die Flügeldurchgangssignale der WEA, um die es geht. Der starke Ausschlag zu Beginn des Signals in Abb. 1b wird jedoch nicht von der WEA emittiert, sondern durch Windböen – es zeigt sich dabei schon, dass natürliche Quellen oft sehr viel intensiver als die Signale einer Windenergieanlage sind. Im Innenraum sind die Flügeldurchgangssignale nicht mehr zu detektieren. Das ist in Einklang mit dem Frequenzspektrum. Die Dämpfung im Bereich der Flügeldurchgangsharmonischen beträgt zwischen 15 und 25 dB. 20 dB entspricht einer Abnahme der Druckamplitude um den Faktor 10. Die höherfrequenten Schwingungen im Innenraum sind die Raummoden. Raummoden sind Resonanzen im Gebäude in Form von stehenden Wellen. Diese treten auf, wenn die Raumgröße der halben Wellenlänge entspricht. Bei der Hauptraummode mit 17 Hz sind dies 10 m. Raummoden werden durch verschiedenste Prozesse (Bewegung und technische Geräte im Haus, Wind) angeregt. Die Flügeldurchgangssignale der WEA haben jedoch für die Anregung der Raummoden keine Bedeutung, da die Hauptemissionsfrequenzen deutlich unterhalb der Resonanzfrequenz der Raummoden liegen. Ebenso ist zu erkennen, dass die von der Windenergie unabhängige Raummode bei 17 Hz im Spektrum genauso hoch sind, wie die Flügelharmonische bei 2 Hz. Tatsächlich wird keine gesundheitliche Beeinträchtigung durch solche Raummoden berichtet, da auch diese Schwingungen – genauso wie beim Infraschall von WEA – unterhalb der Wahrnehmungsschwelle liegen.

Druckpulse, Frequenzspitzen und deutlich stärkere ­Infraschallquellen

Windenergieanlagen emittieren vergleichsweise schwachen Infraschall. Eine wesentlich bedeutendere Infraschallquelle ist der Wind. Auch in fahrenden PKWs werden um Größenordnungen höhere Pegel erreicht. Ebenso erzeugen Autobahnen oder Industrieanlagen Infraschall (LUBW 2016), trotzdem schreiben Roos und Vahl in der Zusammenfassung des Artikels:

„Die häufigsten Emittenten [für Infraschall] sind WEA, deren rascher Ausbau eine zunehmende Zahl von Anwohnern mit Druckimpulsen großer Reichweite konfrontiert.“

Mit den „Druckimpulsen“ meinen die Autoren die bereits in Abb. 1 diskutierten N-förmigen Druckpulse des Flügeldurchgangs. Die Reichweite dieser Druckpulse ist jedoch nicht sehr groß. Das wird in ➥ Abb. 2 demonstriert. Für die Abbildung wurde ein gemessenes Infraschallsignal bei abgeschaltetem Windrad mit berechneten Flügeldurchgangssignalen eines Windrads überlagert. Die „Druckpulse“ kann man direkt nur im Nahbereich beobachten, wenn diese den immer vorhanden Hintergrund-Infraschall übersteigen. Dies ist für die Messung von Abb. 2 nur im ersten Teil des Zeitabschnitts für 200 m Abstand der Fall. Der zweite Teil wird von einer natürlichen, durch eine Windböe induzierten Druckänderung überdeckt. Ab einem gewissen Abstand (hier 800 m) dominiert im Zeitsignal der Hintergrund, unabhängig davon, ob im Frequenzspektrum noch die Windradsignale zu sehen sind oder nicht. Windkraftgegner fokussieren die Diskussion immer auf das Vorkommen von Frequenzspitzen. Das ist jedoch physikalisch unsinnig. Entscheidend ist, ob das Windradsignal den Signalgehalt signifikant erhöht. Das ist natürlich vom Hintergrundrauschen abhängig. In der Regel ist bereits in wenigen hundert Metern Entfernung kein nennenswerter Beitrag des Windrads zum allgemeinen Infraschall feststellbar.

Aber selbst wenn diese „Druckpulse“ vorhanden sind, sind sie völlig harmlos. In unserem alltäglichen Leben sind wir häufig auch deutlich stärkeren Druckpulsen ausgesetzt. Um dies zu demonstrieren, sind in ➥ Abb. 3 die Signale einer Windenergieanlage in 350 m Abstand (a) auf der gleichen Druckskala dargestellt, wie die Signale im Innenraum eines Autos (b), in der Nähe eines Trampolins (c) und in einem Abstand von 8 m bei Öffnung einer Tür (d).

Verweis auf falsche Schallpegel der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe

Weiterhin behaupten Vahl und Ross, Infraschallpegel hätten eine dramatisch hohe Intensität: „Erhebliche Intensitäten des von Windanlagen ausgehenden Infraschalls wurden noch in mehreren Kilometern Entfernung gemessen (u. a. Palmer 2017; Pilger u. Ceranna; 2017).“ Hierbei beziehen sich die Autoren auf falsche (zu hohe) Infraschallpegel, die von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) publiziert wurden (Pilger u. Ceranna 2017). Diese „erheblichen Intensitäten“ von Pilger und Ceranna sind nach dem Eingeständnis des Rechenfehlers im April 2021 tatsächlich um den Faktor 4000 kleiner (BGR Pressemitteilung, 27.04.2021). Abgesehen davon, ist die Publikation von Palmer 2017 hier falsch zitiert, da dort überhaupt nicht über Infraschall diskutiert wird.

Zusammenfassung der physikalischen Fakten

  • Windenergieanlagen erzeugen kleine Druckpulse (0,2 Pa) beim Flügeldurchgang. Diese können im Nahbereich (200–400 m) im Zeitsignal beobachtet werden, wenn der Umgebungsinfraschall (v.a. Windrauschen) vergleichsweise schwach ist.
  • Innerhalb einer geschlossenen Gebäudehülle sind die Druckpulse nicht zu detektieren. Das Gleiche gilt für größere Entfernungen (800 m)
  • Verglichen mit anderem alltäglichem Infraschall, sind die Druckpulse der WEA vernachlässigbar schwach.
  • Nach Korrektur der viel zu hohen Schalldruckpegel durch die BGR besteht wissenschaftlicher Konsens über die Infraschallpegel von WEA.
  • Schon allein durch Betrachtung der physikalischen Grundlagen scheint eine Belästigung oder gar Schädigung von Menschen durch schwachen Infraschall von WEA ausgeschlossen.

    Diskussion gesundheitlicher ­Beeinträchtigungen

    Physische Effekte nur bei sehr hohen Schalldruckpegeln

    Die Autoren haben bei den zitieren Arbeiten jeweils Frequenz und Schallpegel angeben. Wir möchten ausdrücklich darauf hinweisen, dass die zitierten Arbeiten, die mögliche Infraschalleffekte an Zellen bei Ratten (Qui et al. 2002; Pei et al. 2007; Zhang 2016), Mäusen (Zhang 2013) und Kardiomyozyten (Chaban et al. 2021) zeigten, extrem hohe Schallpegel (>110dBz) angewendet haben. An WEA liegen die Pegel bereits im Nahbereich (z.B. 300 m) nur bei 60 dBz. Bezogen auf Schallleistungen, die in logarithmischen Skalen angegeben werden, entspricht dies einem Unterschied um den Faktor 100.000. Die Arbeiten sind aufgrund extrem höherer Exposition somit völlig irrelevant für die Bewertung von Infraschallemissionen von WEA.

    Lediglich die Arbeit von Wysocki et al. (1980) soll angeblich Effekte bereits bei 8 Hz und 75 dBz festgestellt haben. Offensichtlich handelt es sich jedoch um eine längst widerlegte Arbeit. Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen schreibt zu dieser Arbeit im Jahr 2002: „Schaut man sich die zitierte Arbeit jedoch im Original an, so ist erkennbar, dass die Untersuchung mit einem Geräusch durchgeführt wurde, dessen Infraschallanteile zwar unterhalb der Wahrnehmungsschwelle des Menschen lagen, das aber im Bereich der 31,5-Hz-Oktave, also oberhalb des Infraschallbereichs, einen Schalldruckpegel von etwa 70 dB aufwies. Dieser tieffrequente Geräuschanteil war somit deutlich hörbar.” Man fragt sich, warum Vahl und Roos trotzdem diese 40 Jahre alte Arbeit als Beleg für die Wirkung von Infraschall anführen.

    Auch bei seinen eigenen Versuchen an isolierten Herzmuskelzellen hat Vahl Effekte erst bei Schallpegeln >100 dBz festgestellt (Chaban et al. 2021). Diese Arbeit hat jedoch zwei schwerwiegende physikalische Unzulänglichkeiten.

  • Das verwendete Mikrofon war ein sehr preiswertes Amateur-Mikrofon, das bei der verwendeten Frequenz (16 Hz) bereits eine reduzierte Empfindlichkeit aufweist, was zu einer Unterschätzung des tatsächlichen Schalldrucks um 3,5 dB führt.
  • Der Versuchsaufbau war nicht druckdicht. Dadurch wird eine stark überhöhte Schallschnelle (Luftbewegungen) produziert. Eine grobe Abschätzung ergibt, dass die Schallschnelle im Nahbereich des Lautsprechers, wo sich die Probe befand, um den Faktor 32 höher ist als bei Infraschallsignalen im Fernfeld.
  • Da die Schallleistung (oder ganz korrekt Schallintensität) das Produkt aus Schallschnelle und Schalldruck ist, dürften beide Effekte zu einer erheblichen Unterschätzung der tatsächlichen Schallleistung beitragen. Überhaupt ist davon auszugehen, dass die Schallschnelle und die dadurch induzierten Vibrationen der Hauptgrund sind, dass Vahl überhaupt Effekte feststellen konnte. In einer Druckbox hätten wahrscheinlich selbst Schalldruckänderungen von über 120 dB keinen Effekt gezeigt. Es ist nicht plausibel, dass Muskelzellen aus dem Herzen negativ durch Infraschall mit 120 dB (entsprechend einem Druck von 20 Pa) beeinflusst werden, da im Herzen im normalen Betrieb 160 dB (Druckamplituden von 2000 Pa) vorherrschen. Das ist 100-fach größerer Druck.

    Psychische Effekte nur bei Schalldruckpegeln an oder über der Wahrnehmungsschwelle

    Bei zerebralen fMRI- (funktionelle Magnetresonanztomographie-)Untersuchungen an gesunden Testpersonen, die Infraschallwellen mit einer Intensität >80 dB ausgesetzt waren, wurde ein Anstieg der neuronalen Konnektivität nachgewiesen und eine Verbesserung der kognitiven Leistungen im Arbeitsgedächtnis (Weichenberger 2015, 2017). Wir betonen erneut, dass diese in Experimenten an Patientinnen und Patienten angewandten Infraschallpegel von WEA bei weitem nicht erreicht werden. Zusätzlich ist zu beachten, dass bei diesen Experimenten Infraschall mit einer Frequenz von 12 Hz zur Anwendung kam. Im Vergleich zum deutlich tieferem Infraschall von WEA (1–5 Hz) liegt die Wahrnehmungsschwelle bei dieser Frequenz wesentlich niedriger.

    Nocebo-These

    In der Wissenschaft gilt die Nocebo-These als wahrscheinlichste Erklärung für die von Anwohnern geäußerten Beschwerden (Crichton 2015; Chapman 2013). Sehr überzeugend konnten Crichton et al. dies in einer verblindeten Studie nachweisen. Dabei wurden 66 freiwillige Testpersonen gezielt einerseits mit Materialien von Windkraftgegnern verunsichert, anschließend erhielt eine andere Teilgruppe Informationen darüber, dass die wissenschaftlichen Fakten diesen Zusammenhang widerlegen und der Nocebo-Effekt wurde erklärt. Danach wurden die Probandinnen und Probanden mit Infraschall und hörbaren Geräuschen von WEA oder Placebo-Infraschall und hörbaren Geräuschen von WEA beschallt. Unabhängig von der Anwesenheit von Infraschall entwickelten die Teilnehmenden nach Präsentation des Materials von Windkraftgegnern körperliche Symptome. Die Symptome bildeten sich zurück, wenn man die Testpersonen über den Nocebo-Effekt aufgeklärt hatte, ebenfalls unabhängig von einer Infraschallexposition oder einer Placebo-Infraschall-Exposition. Ähnliches beobachteten auch Chapman et al. (2013) in einer Feldstudie in Australien. Dort klagten lediglich 0,4% der Anwohnerinnen und Anwohner von WEAs überhaupt über körperliche Beeinträchtigungen, und 90 % dieser Beschwerden wurden erst geäußert, nachdem Anti-Windkraft-Gruppen offensiv vor Gefahren durch Infraschall in der Gegend einer WEA gewarnt hatten. Diese Studien zeigen deutlich, wie problematisch es sein kann, dem Betrieb von WEA gesundheitliche Beeinträchtigungen zuzuordnen, obwohl es dafür keine wissenschaftliche Evidenz gibt. Diese von Anti-Windkraft-Gruppen ausgelösten gesundheitlichen Befürchtungen haben einen deutlichen Einfluss auf das individuelle Wohlbefinden.

    Die beiden erwähnten Arbeiten werden auch von Roos und Vahl zitiert. Jedoch gehen Roos und Vahl kaum auf die Inhalte ein und versuchen, die These sofort anhand von Feldstudien an Tieren zu entkräften, die von ihnen jedoch falsch interpretiert werden. In beiden Arbeiten (Agnew et al. 2016; Lopucki et al. 2018) geht es um erhöhte Stresshormonlevel bei Dachsen beziehungsweise Feldmäusen im Umkreis von WEA. Generell erklären Korrelationen nicht Kausalitäten, und somit eignen sich diese Arbeiten grundsätzlich nicht als Beleg für vermeintliche negative Wirkungen von Infraschall, da alle anderen Effekte (hörbarer Schall, seismische Schwingungen, Veränderungen in der Umgebung etc.) gleichzeitig wirken und ebenso zu erhöhten Stresshormonleveln beitragen können.

    Zusammenfassung gesundheitlicher Beeinträchtigungen

    Trotz der Vielzahl der angeführten Arbeiten können die Autoren keinen einzigen Beleg präsentieren, dass Infraschall unterhalb der Wahrnehmungsschwelle Reaktionen bei Menschen auslöst. Wie ausgeführt, erreichen WEA im Nahbereich lediglich Schalldruckpegel von ca. 60 dB. Die Wahrnehmungsschwelle liegt in für WEA relevanten Frequenzbereich von 1–5 Hz bei 110–120 dBz (Møller u. Pedersen 2004). Das ist ein Unterschied im Schallintensitätspegel von 100.000–1.000.000.

    Ziemlich überzeugend ist in diesem Zusammenhang die Studie des Technical Research Centre of Finland (Maijala et al. 2020). In einem Versuchsraum bekamen Personen Schallproben vorgespielt, die zuvor unter anderem in einem Windpark aufgenommen wurden. Ein Doppelblind-Algorithmus blendete zufällig den Infraschallbereich aus oder spielte die unveränderte Schallprobe. Die Testpersonen konnten nicht erkennen, ob in den Proben Infraschall enthalten war oder nicht und zeigten auch keinerlei gesundheitliche Beeinträchtigungen oder Unwohlsein in den Versuchen mit Infraschall.

    Schlussfolgerung

    Der Artikel von Roos und Vahl bringt keine neuen Erkenntnisse und beinhaltet einige Argumentationslinien von Windkraftgegnern. Vahl hatte die Wahl der in seinen Experimenten applizierten Schallpegel mit den viel zu hohen Schalldruckpegel der BGR begründet. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Schalldrücke von Vahl korrekt appliziert sind, hätte er gezeigt, dass Infraschall erst ab etwa 110 dBz Effekte zeigt und damit indirekt, dass der viel schwächere Infraschall von WEA völlig harmlos ist. Im Ärzteblatt vertritt er die These:

    „Nach der Korrektur dieser Werte ist davon auszugehen, dass der von Windanlagen generierte Infraschall gefährlicher ist als bisher angenommen, da die Beschwerden der Patienten somit bereits bei 70 dB auftreten“ (Vahl Kommentar Ärzteblatt 14.05.2021, Welt 02.05.2021). In der Wissenschaft ist allerdings bekannt, dass man aus einer Korrelation nie eine Kausalitiät beweisen kann (Windkraftanlagen – Anwohnerbeschwerden). Abgesehen davon zeigen viele epidemiologischen Studien überwiegend keine Korrelation zwischen gesundheitlichen Beeinträchtigungen und der Wohnortnähe zu WEA (Poulsen 2018, 2019; Liebich 2020; Michaud 2016).

    Literatur

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    BGR Pressemitteilung, 27.04.2021 (https://www.bgr.bund.de/DE/Gemeinsames/Oeffentlichkeitsarbeit/Pressemit…)

    Chaban R, Ghazy A, Georgiade E, Stumpf N, Vahl CF: Negative effect of high level infrasound on human myocardial contractility: in vitro controlled experiment. Noise and Health 2021; 23: 57-66

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    Welt: Wetzel D.: Schallemission der Windkraft erhöht Gesundheitsrisiko, 02.05.2021 (https://www.welt.de/wirtschaft/article230800405/Windkraft-Gesundheitsri…).

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    Kontakt

    apl. Prof. Dr. rer. nat. Martin Hundhausen
    Department Physik
    Friedrich-Alexander-Universität Erlangen
    Staudtstraße 1
    91058 Erlangen

    martin.hundhausen@physik.uni-erlangen.de

    Replik der Autoren zur kritischen Analyse von S. Holzheu, S. Koch und M. Hundhausen

    Der Titel der „Gegendarstellung“ trifft eine nicht verantwortbare Aussage. Für ein Gesundheitsrisiko durch Infraschall aus Windanlagen sprechen nicht nur die in unserem Artikel ausgewählten Hinweise aus der experimentellen Medizin, sondern vor allem Befunde an Anwohnern, die nicht mit dem Nocebo-Effekt erklärbar sind.

    Infraschall unterliegt wie jeder andere Frequenzbereich des Schalls den einschlägigen Gesetzen der Physik. Wir beabsichtigen nicht, ihm „gefährliche“ Eigenschaften beziehungsweise Unklarheiten anzudichten.

    Unklarheiten existieren jedoch bezüglich der biologischen Wirkungen von Infraschall auf Säugetier und Mensch. Dazu haben wir konkrete Hinweise aus publizierten Daten gesichtet und nach eingehender Prüfung zusammengetragen. Darunter ist auch ein experimenteller Beitrag aus dem Labor des Autors C. Vahl, der jedoch nicht bestimmend für die Gesamtaussage ist. Wir kommen zum Fazit, dass Infraschall auf mehreren Ebenen des Säugetierorganismus Stressantworten auslöst. Es existieren sowohl wissenschaftlich belegte als auch plausible Angriffspunkte. Wir weisen mehrfach darauf hin, dass einige Kausalketten zwar naheliegend, jedoch nicht bewiesen sind und beschreiben daraus hervorgehende Aufgaben für künftige Forschung. Die jetzt vorliegenden Daten begründen aus unserer Sicht ein erhebliches Gesundheitsrisiko, das im Sinne der präventiven Medizin gesundheitspolitisches Handeln erfordert.

    Im Folgenden nehmen wir zu den Ausführungen von Holzheu, Koch und Hundhausen (kurz als „Kritiker“ bezeichnet) Stellung, soweit diese sachlich begründet werden. Literaturzitate beziehen sich auf unsere Übersichtsarbeit (Roos und Vahl, ASU 2021; 56, 420–430), hier „Artikel“ genannt.

    Zur „Diskussion der physikalischen Fakten“ durch die Kritiker

    Die im Artikel präsentierten Infraschallspektren von Windanlagen (Abb. 1) stammen von der auf diesem Gebiet tätigen USA-Firma Noise Control Engineering, NCE (Bahtiarian u. Beaudry 2015). Die im Gebäude gemessenen Gesamtschalldrucke (rote Kurve) sind in der Tat niedriger als die im Außenbereich festgestellten (grüne Kurve). Die Autoren erklären diese Differenz nicht explizit, vermutlich geschahen Indoor- und Outdoor-Messung bei verschiedenen Windstärken, aber konstanter Drehzahl der Anlage, wie ein genauer Vergleich des Druckverlaufs nahelegt. Wesentlich ist, dass die gemessenen Peaks, sowohl bei der Grundfrequenz als auch bei den Frequenzen der Oberschwingungen, im Gebäude sehr ähnliche Amplituden besitzen wie im Außenbereich: Die Druckdifferenz zwischen dem Messwert vor dem Peak und der Peakspitze beträgt z. B. 16 dB bei der Harmonischen „3 x BPF“, sowohl outdoor als auch in-house. Die Peaks werden also durch das Gebäude kaum gedämmt, wie für Infraschallemissionen seit langem bekannt (z. B. Artikel, RKI 2007).

    Selbstverständlich ist der Wind selbst eine erhebliche Quelle von Infraschall, jedoch in Form von unstrukturiertem Rauschen. Dieses Hintergrundrauschen ist bei einer ruhenden Anlage gut messbar (Artikel, Abb. 1, schwarze Kurve) und kann erhebliche Schalldrucke generieren, wie z. B. im Bereich um 1 Hz zu erkennen. Von diesen Schalldrucken gehen nach Aussage der Anwohner keine gesundheitlichen Beeinträchtigung aus, wohl aber von der rotierenden Anlage (rote Kurve): Diese emittiert im gleichen Druckbereich, aber pulshaltigen Infraschall. Das pathologische Potenzial liegt also sehr wahrscheinlich bei den Druckpeaks, nicht in den Absolutwerten des Schalldrucks.

    Zu den experimentellen Daten der Kritiker

    Es werden ein Frequenzsspektrum und ein Zeitverlauf gezeigt (Kritiker, Abb. 1), die im Außen- und Nahbereich deutliche Infraschallpulse aufweisen, im Innenbereich wesentlich weniger. Damit soll die Behauptung gestützt werden „Infraschall geht nicht durch Wände“. Dies ist nicht überzeugend::

  • Die Abbildung steht im klaren, von den Kritikern nicht kommentierten Widerspruch zu den Daten der Firma NCE (Bahtia­rian u. Beaudry 2015), von denen wir in unserer Arbeit ein Beispiel zeigen (s.o.). Weitere Daten sind bei diesen und anderen, im Artikel zitierten Autoren einsehbar. Diese Messungen belegen beispielsweise, dass der Hintergrundschall mit steigender Windstärke ansteigt, die aufgesetzten Peaks aus der rotierenden Anlage jedoch gut sichtbar bleiben (was an Anlagen mit konstanter Drehzahl leicht nachweisbar ist). Die von den Kritikern beobachtete schwindende Nachweisbarkeit der Peaks mit steigendem Hintergrundschall ist also nicht verallgemeinerungsfähig und hängt u. a. vom Schalldruck des Hintergrundschalls ab.
  • Generell gehen die Kritiker offenbar davon aus, dass die Perzeption der Infraschallpulse im Menschen mit gleicher Empfindlichkeit, Frequenzauflösung und Bandbreite erfolgt wie durch das von ihnen verwendete Messgerät (das nicht näher spezifiziert wird). Dies kann keinesfalls vorausgesetzt werden: Die Sensoren des menschlichen Gleichgewichtssystems können Infraschallvibrationen registrieren, deren Intensität weniger als 1/1000 der vor Ort wirksamen Schwerkraft beträgt (Artikel, Todd et al. 2008). Ähnliches gilt für die Wahrnehmung von Hörschall: Ein Gespräch in Zimmerlautstärke (z. B. 60 dB oder 20 mPa)
    wird exakt registriert, obwohl dessen Amplituden etwa 5 Millionen Mal geringer sind als der wirksame Luftdruck auf Meereshöhe (etwa 101.325 Pa). Für luftgeleiteten Infraschall gibt es Hinweise auf ähnliche Verhältnisse, etwa bei der Wirkung von Infraschall auf die äußeren Haarzellen (Artikel, Hensel et al. 2007). Hier eröffnet sich ein wesentliches Forschungsfeld. Aus heutiger Sicht erscheint die Vermutung gerechtfertigt, dass die Infraschallrezeptoren mit hoher Anpassungsfähigkeit arbeiten und geringste periodische Änderungen auch bei den hohen Absolutwerten des Luftdrucks beziehungsweise der Schwerkraft registrieren.
  • Wir stimmen mit den Kritikern darin überein, dass die Diskussion über den Infraschall aus Windanlagen nicht an „Frequenzspitzen“ festgemacht werden darf, sondern von der Druck-Zeit-Kurve ausgehen sollte. Die (artifizielle) Frequenzanalyse des Infraschalls kann aber helfen, potenzielle Rezeptoren oder resonanzgefährdete Organe aufzufinden und die Zuordnung von Schallereignissen zu konkreten Windanlagen erleichtern, etwa mit Hilfe der Obertöne.

    Angesichts der sehr hohen und variablen Empfindlichkeit der menschlichen Wahrmehmung ist der von den Kritikern gezeigte quantitative Vergleich der Druckpulse von Windanlagen mit denen im fahrendem Auto, am Trampolin usw. (Abb. 3) wenig beeindruckend. Auch wenn die Druckpulse der Windanlagen in der Darstellung vergleichsweise gering erscheinen und bei der Messung im erhöhten Hintergrundschall „ertrinken“ (Kritiker, Abb. 2, 800 m),
    bleiben sie sehr wahrscheinlich für unser Vestibularsystem und andere Rezeptoren feststellbar.

    Insgesamt rechtfertigen die von den Kritikern gezeigten Abbildungen jedoch keinesfalls nicht die pauschale Behauptung, die „Druckpulse“ aus WEA seien „völlig harmlos“. Nach unserer Recherche zur vorliegenden Publikation spricht die aktuelle Datenlage dafür, dass die Druckpeaks eine Stressorwirkung erlangen

  • bei einer periodischen Abfolge regelmäßiger Peaks im Bereich von etwa 1–8 Hz,
  • bei chronischer Einwirkung über mehreren Stunden, besonders im Schlaf.
  • Benutzung des Begriffs der „Wahrnehmungsschwelle“

    Leider nutzen die Kritiker noch immer den Druckunterschied zur „Wahrnehmungsschwelle“ bei der Beurteilung von Infraschallwirkungen, obwohl wir auf diese überholte Fehlinterpretation mehrfach hinweisen (im Artikel z. B. S. 428 unten). Die genannte Schwelle ist am Hören orientiert und bezeichnet einen Schalldruck, den 90 % der Testpersonen nicht mehr hören. Für die Perzeption von Infraschall ist sie nicht relevant, da diese durch andere Mechanismen als beim Hören erfolgt, wie in unserem Artikel erklärt. Die klare Trennung von der Perzeption von Hörschall ist essenziell für das Verständnis der biophysikalischen Wirkungen von Infraschall. Es ist bedauerlich, wenn die Kritiker versuchen, eine unzutreffende Begrifflichkeit zu perpetuieren.

    Zu den Infraschalldaten der Bundesanstalt für Geologie
    und Rohstoffe (BGR)

    Unsere Arbeit spricht hier von „erheblichen (nicht: dramatischen) Intensitäten, die noch in mehreren km Entfernung“ messbar sind. Dies hat sich auch nach der Korrektur der Messwerte der BGR nicht geändert, wie im Korrigendum der BGR vom 27.04.2021 dokumentiert. Die Korrektur bezieht sich nach Angaben der BGR auf einen systematischen Fehler bei der Messung. Sie verändert weder die von WEA real emittierten Schalldrucke noch ihre biologischen Wirkungen – so wie ein Thermometer mit „falscher“ Skala nicht die anliegende Temperatur ändert.

    Die Reichweite der Infraschallemissionen von Windanlagen bzw. Windparks wird auch nach der Korrektur mit > 10 km angegeben, und entspricht ähnlichen Angaben, z. B. von Palmer (Artikel, Palmer et al.2017). Letztere Autoren zeigen Daten sowohl im Hör- als auch im Infraschall, werden also zu Recht zitiert. Sachlich betrachtet entspricht der von der BGR eingeräumte Fehler von 36 dB nicht einem Faktor 4000 im Schalldruck, wie von den Kritikern behauptet, sondern dem Faktor 63.

    Zur „Zusammenfassung der physikalischen Fakten“ der Kritiker

    Die Druckpulse aus Windanlagen sollten nicht als „klein“ bagatellisiert und pauschaliert werden. Einerseits hängt ihre reale Amplitude von der Anlagengröße, Windstärke und Geländestruktur etc. ab, andererseits sind diese Pulse aus heutiger Sicht entscheidend für die Wirkung auf den Menschen.

    Die Aussage, die Druckpulse der WEA seien „innerhalb einer geschlossenen Gebäudehülle nicht detektierbar“, ist nicht haltbar. Sie widerspricht publizierten Daten anderer Arbeitsgruppen, unter anderem von Bahtiarian u. Beaudry 2015 (Artikel, Abb. 1, s.o.) sowie der bekanntermaßen sehr geringen Dämmbarkeit aller Infraschall­emissionen (Artikel, RKI 2007).

    Die Behauptung der Kritiker, schon die Betrachtung der physikalischen Grundlagen lasse eine Belästigung oder Schädigung von Menschen ausgeschlossen erscheinen, ist deshalb fehl am Platze.

    Zur Diskussion gesundheitlicher Beeinträchtigungen durch hohe Schalldrucke

    Im Kapitel „Zur Generalisierbarkeit von Daten aus Tierexperimenten“ stellen wir fest, dass in älteren, von uns zitierten Arbeiten oft sehr hohe Schalldrucke verwendet wurden, die zum Beispiel weit über denen heutiger WEA liegen. Die Ergebnisse können dennoch Hinweise auf mögliche Angriffspunkte (Schwachstellen) für Infraschall in biologischen Systemen liefern, die dann gegebenenfalls durch detaillierte Forschung aufzuklären sind. Auch hier sind Übertreibungen nicht hilfreich: Der Unterschied in der Schallleistung zwischen 60 dB (etwa einer heutigen Windanlage) und den o.g. Arbeiten (z. B. an der menschlichen Schmerzschwelle von 120 dB) ergibt den Faktor 1000, nicht 100.000, wie die Kritiker behaupten.

    Die kritisierte Arbeit von Wysocki aus 1980 (!) dient uns als Beleg für einen frühen Verdacht auf die Wirkung von Infraschall auf hämodynamische Prozesse, die Herzphysiologie und weitere physiologische Parameter. Wir bezeichnen im Text die Schlüsse der damaligen Autoren als Vermutungen und weisen darauf hin, dass der zentrale Befund zur Kraftreduktion des Herzmuskels 2016 durch andere Forscher bestätigt wurde.

    Zur Einschätzung der Arbeit von Chaban et al. 2017

    Die Experimente am isolierten Myokard (Chaban et al. 2017) wurden in der Zeitschrift Noise and Health publiziert und zuvor im Peer-review-Verfahren positiv beurteilt. Sie beschreiben erstmals die hemmende Wirkung von Infraschall auf isolierte, kontraktionsfähige Zellen aus dem Herzmuskel des Menschen und stehen im Einklang mit Befunden anderer Autoren am isoliert schlagenden Säugetierherzen. Die beteiligten Zellstrukturen und molekularen Mechanismen sind unbekannt und erfordern weitere Forschung. Als potenzielle Targets erscheinen uns heute mechanosensitive Ionenkanäle, die inzwischen auch am Herzmuskel nachgewiesen wurden und deren Erstbeschreiber aktuell mit dem Nobelpreis geehrt wurden. Die Mitwirkung von Vibrationen (Körperschall) erscheint uns denkbar – dies ändert aber weder den Befund noch das zu untersuchende Problem.

    Die Tatsache, dass der gemessene Effekt auf die Muskelkontraktion bei weit geringerem Schalldruck (z. B. 100 dB) zustande kommt als dem maximalen Betriebsdruck der Herzkammer (Druckamplituden von bis zu 178 dB), zeigt erneut, dass der Schalldruck allein nicht zur Beurteilung von Infraschallwirkungen am Menschen ausreicht, sondern qualitative Parameter, etwa der detaillierte Druckverlauf, hinzukommen müssen. Der kritisierte Abstand zwischen den Amplituden beider Schalldrucke macht das Ergebnis also nicht weniger wertvoll.

    Zu „Psychische Effekte“ (gemeint sind vermutlich ­Untersuchungen am Gehirn)

    Die Ergebnisse der fMRI-Untersuchungen von Weichenberger et al. werden von den Kritikern leider ohne Verständnis für ihre wissenschaftliche Bedeutung zitiert. Es geht um die Erhöhung der Konnektivität, das heißt der neuronalen Aktivität, in definierten Gehirnbereichen nach Exposition von Testpersonen gegenüber einem artifiziellen Infraschall von 12 Hz Sinus. Dessen Schalldruck wurde individuell so gewählt, dass eine bewusste Hörempfindung ausgeschlossen war. Damit entsteht ein starker Hinweis auf die Verarbeitung von Infraschallsignalen im Unterbewusstsein. Der Hinweis der Kritiker auf die Wahrnehmungsschwelle geht auch hier ins Leere, da diese am Hören orientiert ist (s.o.). Bei der Interpretation weisen wir im Artikel ausdrücklich darauf hin, dass die fMRI-Untersuchung bei einer Frequenz oberhalb der typischen Druckpulse von Windanlagen stattfand und deshalb keine unmittelbare Beziehung zu den Beschwerden von WEA-Anwohnenden hergestellt werden kann. Dennoch ergeben sich indirekte Ansatzpunkte, da in den betroffenen Gehirnarealen Körperfunktionen kontrolliert werden, die bei erkrankten Anwohnern von Windanlagen als gestört diagnostiziert wurden, wie Atemfrequenz und Blutdruck.

    Zur Nocebo-These

    Die Deutung der Kritiker, „in der Wissenschaft gilt die Nocebo-These als wahrscheinlichste Erklärung für die von Anwohnern [von Windanlagen] geäußerten Beschwerden“, ist haltlos und bezieht sich allenfalls auf die von ihnen wahrgenommene epidemiologische Literatur. Im Artikel werden mehrere Schädigungen durch Infraschall konkretisiert oder als plausibel erkannt, die nicht auf eine vorherige oder durch „Windkraftgegner“ provozierte Voreingenommenheit zurückgeführt werden können (von Störungen im Vestibularsystem bis zur Atmungsdepression und Kinetose-ähnlichen Beschwerden der Anwohner). Gleichwohl erklären wir im Artikel, dass wir psychogen ausgelöste Belästigungen oder Modifikationen körperlicher Schäden im Umkreis von Windanlagen für möglich erachten. Körperlich ausgelöste Schäden sollten wo möglich von psychogen ausgelösten Effekten abgegrenzt werden, etwa durch Erstellung der von uns geforderten Dosis-Wirkungs-Kurven.

    Die Stressreaktionen von Wildtieren (Artikel, Agnew et al.2016; Lopucki et al.2018) in der Nähe von Windanlagen zitieren wir nicht mit Bezug zu Infraschall-spezifischen Schäden, sondern weil bei Wildtieren Voreingenommenheit (Nocebo) ausgeschlossen ist. Die Fluchtreflexe können durch Infraschall, hörbaren Schall, seismische Vibrationen u. Ä. ausgelöst sein.

    Zur finnischen Studie (Maijala et al. 2020)

    Im Artikel weisen wir darauf hin, dass keine der in den letzten Jahren publizierten, staatlich veranlassten Studien die Wirkung der Infraschallpeaks aus Windanlagen auf Anwohner konkret getestet hat. In der von den Kritikern hervorgehobenen finnischen Studie wurde eine Korrelation zwischen den geäußerten Beschwerden von Anwohnern und Infraschall-haltigen Emissionen an deren Wohnort gesucht. Außerdem wurden sie im Blindversuch mit Infraschall-haltigen Tonkonserven konfrontiert, die in der Nähe von Windanlagen aufgenommen wurden. Leider wurden alle Emissionen der Windanlagen nicht als hochaufgelöste Spektren, sondern in Form von Terzspektren charakterisiert. Bei dieser Darstellung gehen die Druckpeaks verloren, wie z. B. auch die Kritiker in ihrer Abb. 2 (z. B. in 800 m Abstand) zeigen. Die Studie konnte daher nicht belegen, dass die Infraschall-haltigen Proben die Druckpeaks der Anlagen tatsächlich enthielten und diese korrekt durch die verwendeten Lautsprecher an die Probanden abgestrahlt wurden (aus schalltechnischen Gründen nicht selbstverständlich). Ebensowenig konnten die (womöglich vorhandenen) Druckpeaks der untersuchten Anlagen in die Korrelationsanalyse einfließen. Die Studie fand keine Korrelation zwischen Infraschall-haltigen Emissionen der Windanlagen und den berichteten Beschwerden der Anwohner. Zum Gesundheitsrisiko der Infraschall-Peaks liefert sie aus den genannten Gründen keinen Beitrag.

    Zusammenfassend stellen wir fest, dass die rein quantitative Betrachtungsweise der Kritiker mit Fokus auf dem messbaren Schalldruck nicht geeignet ist, das Gesundheitsrisiko des von Windanlagen emittierten Infraschalls einzuschätzen. Sie ignoriert die hochempfindliche und -selektive Wahrnehmung durch menschliche Rezeptorsysteme und führt zu ungerechtfertigten Vergleichen mit der Wahrnehmung von Hörschall. Die Lösung kann nicht darin bestehen, die Beschwerden von Anwohnern dem Nocebo-Effekt zuzuschreiben, sondern in vorurteilsfreier Wertung der aktuellen und der Erhebung weiterer Daten sowie in problemorientierter Forschung auf klinischer und experimenteller Ebene.

    Werner Roos und Christian Vahl

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