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Prävalenz von MRSA-Besiedlung bei Beschäftigten im Gesundheitsdienst außerhalb von Ausbrüchen

Einleitung

Beschäftigte im Gesundheitsdienst (BiG) mit direktem Patientenkontakt haben ein erhöhtes Risiko für eine Besiedlung mit multiresistenten Staphylococcus-aureus-(MRSA)-Erregern. Die Prävalenz von MRSA-Trägern bei BiG wurde auf der Basis internationaler Studien auf etwa 5 % geschätzt (Albrich u. Harbarth 2008). Die Schätzwerte basieren auf Studien, die während eines MRSA-Ausbruchs oder während einer endemischen Situation durchgeführt wurden (mit sporadischem oder andauernd gehäuftem Auftreten von MRSA außerhalb von Ausbrüchen). Es wird angenommen, dass die MRSA-Prä-valenz bei den Pflegekräften außerhalb von Ausbrüchen höher liegt als während eines Ausbruchs, weil während eines Ausbruchs der Händedesinfektion mehr Aufmerksamkeit zukommt. Die Übertragung von MRSA-Erregern erfolgt meist in direktem Kontakt über die Hände. Eine Besiedlung verläuft un-auffällig; nur bei ungünstigen Bedingungen, wie einem geschwächten Immunstatus oder Hautdefekten, kann der Erreger in den Kör-per eindringen und eine Infektion verursa-chen. Für Patienten, die mit Staphylococcus aureus besiedelt sind, besteht im Vergleich mit nichtbesiedelten Patienten ein 3- bis 4fach erhöhtes Risiko für eine nosokomiale Infektion (Wertheim et al 2004). Aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit können BiG sowohl Überträger oder Auslöser einer MRSA-Besiedlung sein als auch selbst zum Opfer werden und an einer MRSA-Infektion erkranken (Haamann et al 2011). Über eine MRSA-assoziierte Infektion als Berufskrankheit hatten wir bereits in ASU berichtet (Nienhaus u. Dulon 2013). Gegenstand dieses Berichts ist nun die Prävalenz von MRSA-Trägern unter BiG außerhalb von Ausbrüchen sowie die Beschreibung von Berufsgruppen, die ein erhöhtes Risiko für eine MRSA-Besiedlung haben.

Methode

Für den Zeitraum von 2000–2013 wurde in den Datenbanken Medline und Embase eine systematische Literaturrecherche durchgeführt. Eingeschlossen in die Recherche wurden Studien, die sich auf Prävalenzdaten zu MRSA bei Beschäftigten im Gesundheitsdienst bezogen und deren Studienregion in Europa oder den USA lag, da für diese Regionen eine Vergleichbarkeit der Hygienestandards im Pflegebereich angenommen wurde. Ausgeschlossen wurden Studien, die während einer Ausbruchsituation durchgeführt wurden oder sich auf Patienten bzw. auf community- oder livestock-assoziierte MRSA-Trägerschaft bezogen. Von 243 Tref-fern wurden nach Ausschluss der Duplikate (n = 48) und Aufnahme von 10 weiteren Pu-blikationen aus Referenzlisten insgesamt 205 Abstracts geprüft. Nach Berücksichti-gung der Ein- und Ausschlusskriterien wurden 31 Studien in das Review miteinbezogen. Die Prävalenzraten für die MRSA-Be-siedlung wurden als gepoolte Mittelwerte mit 95 % Konfidenzintervall berechnet. Zur Einschätzung des beruflichen Risikos wurde eine Metaanalyse auf Basis von 9 Studien gerechnet, für die Vergleichszahlen zu einzelnen Berufsgruppen vorlagen. Als Effektschätzer wurden Odds Ratios (OR) mit 95 %-Konfidenzintervall (KI) berechnet. Eine detaillierte Beschreibung der Methodik findet sich in Dulon et al. (2014).

Ergebnisse

Bei 7 der 31 Studien wurde die Studienqua-lität als hoch eingestuft. Die Mehrzahl der Studien stammte aus Europa. Die Teilnehmerzahl lag im Durchschnitt bei 200 Personen, wobei die Streuung groß war (zwi-schen 13 und 13 000). Die Studienpopula-tionen umfassten mehrere Berufsgruppen aus unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen; in vier Studien wurden die Abstriche bei Teil-nehmern medizinischer Kongresse entnom-men und damit außerhalb des beruflichen Umfelds ( Abb. 1). Weitere Details zu den einzelnen Studien finden sich bei Dulon et al. (2014). Die mittlere Prävalenz für eine MRSA-Besiedlung lag für die Teilnehmer aus allen 31 Studien bei 1,8 %. Die mittlere Prävalenz erhöhte sich auf 4,4 %, nachdem eine große Studie aus den Niederlanden aus-geschlossen wurde. Unter BiG in den Vereinigten Staaten lag die mittlere Prävalenz der MRSA-Träger höher als unter BiG in Europa (6,6 % vs. 3,9 %; p < 0,05). Unter Kranken-schwestern war die MRSA-Trägerschaft mit 8,4 % am höchsten (gemittelt über Studien aus Europa und den USA).

Insgesamt 9 Studien lieferten Daten für die Metaanalyse. Für zwei Berufsgruppen – Krankenschwestern und Ärzte – konnte das Risiko der MRSA-Besiedlung geschätzt werden. Bei Stratifizierung nach Berufsgruppen ergab sich für die Gruppe der Kranken-schwestern ein signifikant erhöhtes Risiko für eine MRSA-Besiedlung im Vergleich mit den Ärzten (OR 1,72; 95 % KI 1,07–2,77) ( Tabelle 1). Im Vergleich mit der Gesamtheit aller übrigen BiG war das Risiko einer MRSA-Besiedlung für Krankenschwestern 2,58fach erhöht; das Risiko erhöhte sich für die Gruppe der Krankenschwestern sogar auf ein OR von 3,66 bei Ausschluss aller Studien mit nur moderater Qualität. Verzerrungen durch Heterogenität zwischen den 9 Primärstudien oder durch den Publikationsbias konnten durch statistische sowie grafische Überprüfung ausgeschlossen werden.

Diskussion

Außerhalb von Ausbruchsituationen scheint die Prävalenz von MRSA bei BiG nicht höher als bei Ausbrüchen zu sein. Der Schätz-wert unseres Reviews lag auf der Basis von 30 Studien aus Europa und den USA bei 4,4 %; er lag damit auf gleicher Höhe wie die früherer Reviews geschätzte mittlere MRSA-Prävalenz bei BiG von etwa 5 % (Albrich u. Harbarth 2008). Die Übereinstimmung ist überraschend, da die Analysen der beiden Reviews auf weltweiten Studien in endemischen MRSA-Situationen und MRSA-Ausbrüchen basieren.

Die Prävalenz von MRSA-Trägern lag bei BiG in den USA signifikant höher als in Europa. Es fällt auf, dass die BiG in den USA zwar einer dreifach höheren Exposition gegenüber durch MRSA-verursachte Staphylococcus-aureus-Infektionen am Arbeitsplatz ausgesetzt sind, dass sich dies jedoch nicht in gleichem Maße in einer MRSA-Trä-gerschaft bei den BiG wiederfindet. Die Ex-position der BiG gegenüber MRSA-infizier-ten Patienten weist innerhalb Europas ein Nord-Süd-Gefälle auf – mit weniger als 1 % in Nordeuropa und mehr als 25 % in Süd- bzw. Südosteuropa. Die Frage, ob sich die Exposition in entsprechend erhöhten MRSA-Prävalenzraten bei den BiG wiederfindet, lässt sich anhand unseres Reviews nicht beantworten, weil die Anzahl an Studien aus Ländern mit sehr hoher bzw. sehr niedriger Prävalenz zu gering ist.

Das Risiko einer MRSA-Besiedlung war für die Gruppe der Krankenschwestern gegenüber Ärzten 2,6fach und gegenüber der Gesamtheit der übrigen BiG 3,7fach erhöht. Dieser Befund wurde auch von anderen Autoren berichtet, allerdings nicht auf Basis von Risikoschätzern, sondern anhand von erhöhten MRSA-Prävalenzraten für Kranken-schwestern. Ein höheres Risiko für eine MRSA-Besiedlung bei Pflegekräften ist nicht überraschend, da sie intensiveren Kontakt zu Patienten haben als Ärzte oder andere Beschäftigte. Deshalb sollten insbesondere Pflegekräfte intensiv über notwendige Hygienemaßnahmen zu ihrem eigenen Schutz und zum Schutz der Patienten aufgeklärt werden. Wie bereits oben ausgeführt ist das die Händehygiene. Trotz der erhöhten Prävalenz von MRSA-Besiedlungen bei Pflege-kräften empfehlen wir kein MRSA Screening bei Pflegekräften außerhalb von Ausbrüchen, da weiterhin unklar ist, wie mit positiven Befunden bei Beschäftigten verfahren werden soll. Offen ist, ob jeder positive Befund zu einer Behandlung führen sollte und offen ist auch, welche Tätigkeiten Beschäftigte mit einer Besiedlung durchführen können. Wie in unserer vorherigen Publikation berichtet, ist hier in den Betrieben das Vorgehen sehr unterschiedlich (Nienhaus u. Dulon 2013). Ist eine MRSA-Besiedlung mit einer Infektion oder einem Handekzem assoziiert, so kann sich eine Sanierung als kompliziert erweisen. In diesen Fällen kann es sinnvoll sein, einen Verdacht auf eine Berufskrankheit anzuzeigen. MRSA-assoziierte Infektionen können als Berufskrankheit anerkannt werden und die Träger der Unfallversicherung können die Kosten für eine Sanierung im Rahmen eines Berufskrankheitenverfahrens übernehmen. Bei reinen Besiedlungen ist das bisher nicht möglich. Bei einem Handekzem kann die MRSA Sanierung im Rahmen des Hautarzt-verfahrens vorgenommen werden. Neben diesen eingeschränkten Möglichkeiten zur Unterstützung durch die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung ist die Hände-hygiene eine der wichtigsten Maßnahmen zur Eindämmung von MRSA. 

Literatur

Albrich WC, Harbarth S: Health-care workers: source, vector, or victim of MRSA? Lancet Infect Dis 2008; 8: 289–301.

Dulon M, Peters C, Schablon A, Nienhaus A: MRSA carriage among healthcare workers in non-outbreak settings in Europe and the United States: a systematic review. BMC Infectious Diseases 2014; 14: 363.

Haamann F, Dulon M, Nienhaus A: MRSA as an occupational disease: a case series. Int Arch Occup Environ Health 2011; 84: 259–266.

Nienhaus A, Dulon M: MRSA bei Beschäftigten im Gesundheitsdienst aus der Perspektive der Berufs-genossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrts-pflege. Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2013; 48: 196–200.

Wertheim HF, Vos MC, Ott A, van Belkum A, Voss A, Kluytmans JA, van Keulen PH, Vandenbroucke-Grauls CM, Meeser MH, Verbrugh HA: Risk and outcome of nosocomial Staphylococcus aureus bacteraemia in nasal carriers versus non-carriers. Lancet 2004; 364: 703–705.

    Für die Autoren

    Prof. Dr. med. Albert Nienhaus

    Kompetenzzentrum Epidemiologie und Versorgungsforschung

    Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf

    Martinistraße 52 – 20246 Hamburg

    a.nienhaus@uke.de

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