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Was hat sich in der MAK- und ­BAT-Werte-Liste 2022 geändert?

ASU führte mit dem Leiter der AG „Beurteilungswerte in biologischem Material“ und stellvertretenden Vorsitzenden der Senatskommission, Univ.-Prof. Dr. med. Hans Drexler (HD), ein Interview zu einigen Änderungen.

ASU: Herr Prof. Drexler, in der neuen Liste wurde ein neuer MAK- und BAT-Wert für Vanadium festgesetzt. Was ist die Grundlage für die Änderung?

HD: Stoffe, die sich als krebserzeugend erwiesen haben, deren Beitrag zum Krebs­risiko für den Menschen bei Einhaltung des MAK- oder BAT-Wertes aber nicht zum Tragen kommt oder bei denen ein sehr geringes Risiko quantifiziert werden kann, können in die Kategorie 4 oder 5 eingestuft werden. Die Kategorie 4 enthält Stoffe, bei denen ein nicht-genotoxischer Wirkungsmechanismus wie die Steigerung der Zellproliferation im Vordergrund der kanzerogenen Wirkung steht, wodurch bei Einhaltung des MAK- oder BAT-Werts genotoxische Effekte keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielen.

Vanadium und seine anorganischen Verbindungen wurden im Jahr 2006 in die Kanzerogenitätskategorie 2 eingestuft. Da zahlreiche Studien zu Vanadiumverbindungen veröffentlicht worden sind, war eine Neubewertung erforderlich. Insbesondere sollte geprüft werden, ob die Ableitung eines MAK-Werts möglich ist und damit eine Umstufung in die Kanzerogenitäts­kategorie 4 vorgenommen werden kann. Für die kanzerogene Wirkung an der Lunge wird das Vanadat(V)- oder das im Stoff­wechsel mit diesem im Gleichgewicht stehende Vanadyl(IV)ion verantwortlich gemacht. Für die kanzerogene Wirkung steht kein genotoxischer Wirkungsmechanismus im Vordergrund, sondern eine entzündliche Wirkung, für die eine Konzentration ohne Effekte festgelegt werden kann. Damit ist kein nennenswerter Beitrag zum Krebsrisiko für den Menschen zu erwarten, solange die Entzündung verhindert wird. Deswegen wurden Vanadium und seine anorganischen Verbindungen in die Kanzerogenitätskategorie 4 eingestuft.

ASU: Auf welcher wissenschaftlichen Basis wurde ein MAK-Wert abgeleitet?

HD: Es liegt eine Inhalationsstudie vor, die die Ableitung einer Konzentration ermöglicht, bei der keine kanzerogene Wirkung zu erwarten ist. Dabei handelt es sich um eine Inhaltationsstudie mit Divanadiumpentoxid-Aerosolen (A-Fraktion). Die Daten der Studie erlauben die Ableitung einer NOAEC („no observed adverse effect concentration“) von 0,14 mg Vanadium/m3 für oxidative DNA-Schäden, Zellproliferation und histopathologische Effekte in der Lunge. Ausgehend von dieser NOAEC von 0,14 mg Vanadium/m3 wird unter Berücksichtigung der Zeitextrapolation (1:6), der Übertragung von tierexperimentellen Daten auf den Menschen (1:2) und dem erhöhten Atemvolumen am Arbeitsplatz (1:2) eine Konzentration von 0,005 mg/m3 für die A-Fraktion abgeleitet, bei der von keiner kanzerogenen Wirkung auszugehen ist.

ASU: Das wäre jetzt eine Konzentration, die vor einer kanzerogenen Wirkung schützen soll. Wie sieht es mit der entzündlichen Wirkung aus?

HD: Für Effekte am oberen Atemtrakt kann weder aus den Daten am Menschen, noch aus den tierexperimentellen Daten eine NOAEC bestimmt werden. Deshalb wird für die Ableitung eines E-Werts auch die NOAEC von 0,14 mg Vanadium/m3 herangezogen, um diese Effekte auch im oberen Atemtrakt zu verhindern. Die abgeleitete Konzentration von 0,005 mg/m3 (A-Fraktion) wird als MAK-Wert für die E-Fraktion festgesetzt.

Informationen zum Vanadiummetallstaub fehlen. Da von anderen Metallen (z. B. Nickel) bekannt ist, dass sie im Körper bioverfügbar gemacht und oxidiert werden können, wird dies auch für das relativ unedle Vanadiummetall angenommen, solange keine gegenteiligen Untersuchungen vorliegen. Der MAK-Wert von 0,005 mg Vanadium/m3  (E-Fraktion) gilt für Vanadiummetall und seine anorganischen Verbindungen.

ASU: Kann bei Vanadium ein Biomonitoring durchgeführt werden?

HD: Für die Ableitung eines BAT-Werts werden idealerweise Studien zur äußeren und inneren Belastung herangezogen. Diese liegen für Vanadium und seine anorganischen Verbindungen nicht vor. Eine andere Möglichkeit zum Aufstellen eines BAT-Werts ist die Ableitung in Korrelation zum MAK-Wert mit Hilfe der Expositionsäquivalente für kanzerogene Arbeitsstoffe (EKA). Hier lag eine EKA-Korrelation vor, die auf eine Studie aus dem Jahr 1979 basierte. Eine Re-Evaluierung der Studie ergab deutliche Schwächen, so dass die EKA-Korrelation zurückgezogen wurde. Um dennoch die Vanadium-Konzentration im Blut beurteilen zu können, wurde ein Biologischer Arbeitsstoff-Referenzwert (BAR), basierend auf Messungen zur Hintergrundbelastung der arbeitenden Bevölkerung von Heitland und Köster, abgeleitet. Er liegt bei 0,15 µg Vanadium/l Urin. Mit dem BAR lässt sich prüfen, ob der Umgang mit einem Arbeitsstoff auch zu einer erhöhten inneren Belastung führt.

ASU: Wie werden die Entscheidungen der DFG Senatskommission für die verbindliche Grenzwertfestlegung umgesetzt?

HD: Die Entscheidungen der Kommission werden jeweils am 1. Juli eines Jahres publiziert und den politischen Entscheidungsträgern zur Kenntnis gegeben. Auf Grundlage der Begründungsdokumente zu den Werten werden mit Unterstützung durch die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) im Unterausschuss III des AGS (Ausschuss für Gefahrstoffe) die Werte auf ihre Plausibilität geprüft und dann in der Regel in die TRGS 900, 903 beziehungsweise 910 übernommen.

ASU: Gibt es auch Grenzwerte, die nicht übernommen werden?

HD: In relativ wenigen Fällen ja. Aktuelles Beispiel ist der MAK-Wert für Blei, dessen Übernahme in die TRGS 900 als Arbeitsplatzgrenzwert (AGW) kontrovers diskutiert wird. Die toxikologischen Befunde, die im Zusammenhang mit dem Blutbleispiegel stehen sind unstrittig. Der Biologische Grenzwert des AGS entspricht dem BAT-Wert der Kommission. Aus diesem Blutwert hat die MAK-Kommission mithilfe eines anerkannten und gut validierten Modells einen korrespondierenden Luftgrenzwert abgeleitet. Diese Ableitung steht aber nicht in Übereinstimmung mit der Bekanntmachung 901 (BekGS 901 Kriterien zur Ableitung von Arbeitsplatzgrenzwerten). Die Diskussion ist noch nicht abgeschlossen. Da ein Luftgrenzwert immer entscheidend ist für die Frage, ob eine arbeitsmedizinische Angebots- oder Pflichtvorsorge bei den Exponierten erforderlich ist, hat ein Luftgrenzwert immer auch große Bedeutung für die Betriebsärztin oder den Betriebsarzt.

ASU: Vielen Dank für das Interview und die interessanten Einblicke in die Grenzwert­ableitung.

doi:10.17147/asu-1-233015

Weitere Infos

Liste mit allen Neuaufnahmen und Änderungen der MAK- und BAT-Werte-Liste 2022, zu den Open-Access-Publikationen der MAK Collection sowie zu weiteren Informationen über die Arbeit der Senatskommission
www.dfg.de/mak

Das PDF dient ausschließlich dem persönlichen Gebrauch! - Weitergehende Rechte bitte anfragen unter: nutzungsrechte@asu-arbeitsmedizin.com.

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