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Umgang mit kontaminierten Personen

Diskussion des Strahlenrisikos

Spätestens seit dem Kernkraftwerksunfall in Tschernobyl ist eine breite Diskussion um die Nutzung der Kernenergie zur Energieversorgung in Deutschland entbrannt. Neben Fragen der Endlagerung und dem Risiko eines Kernkraftwerkunfalls mit möglicherweise verheerenden Folgen für die Bevölkerung wird auch die Frage nach dem allgemeinen Risiko ionisierender Strahlung für den Menschen in unterschiedlichsten Medien und Publikationen aufgegriffen. Die Aussagen gerade über das letztgenannte Thema sind so vielfältig, dass es selbst Fachleuten schwerfällt, sich eine fundierte abschließende Meinung zu bilden. Es bedarf schon eines sehr tiefen Detailwissens auf den Gebieten der Strahlenbiologie und der Strahlenepidemiologie sowie des ständigen Überprüfens neuer Studien, um sich in etwa zurechtzufinden.

Auch das medizinische Personal ist dieser Informationsflut ausgesetzt. Und es ist auch dort eine gewisse Unsicherheit hinsichtlich der realistischen Einschätzung des Strahlenrisikos bemerkbar. Das hat immer wieder dazu geführt, dass Personen, die ionisierender Strahlung ausgesetzt waren und medizinisch versorgt werden mussten, aus unterschiedlichen Gründen, z.B. aus Unsicherheit und daraus resultierenden Ängsten, von einem Krankenhaus zum nächsten weitervermittelt wurden.

Andererseits ist festzustellen, dass im Bereich der Nuklearmedizin täglich routinemäßig mit offenen radioaktiven Stoffen umgegangen wird. Auch dabei ist das medizinische Personal ionisierender Strahlung ausgesetzt und es besteht zudem das Risiko einer Kontamination oder Inkorporation. Um dies zu vermeiden, wird entsprechende Schutzkleidung getragen.

Grundlegende Begriffe

Die angesprochene Unsicherheit beginnt schon mit dem Verständnis einiger grundlegender Begriffe:

  • Ionisierende Strahlung: Hierunter zählen sowohl die beim Zerfall radioaktiver Stoffe entstehende Strahlung wie Alpha-, Beta- und Gammastrahlung als auch Röntgenstrahlung.
  • Externe Strahlenexposition: Ionisierende Strahlung wirkt lediglich von außen auf den menschlichen Körper ein, z. B. weil die betroffene Person in ein Strahlungsfeld gelangt ist. Hierbei ist es unerheblich, um welche Art ionisierender Strahlung es sich handelte. Die aufgrund der Strahlung erhaltene Strahlenexposition wird von der betroffenen Person nicht mehr abgegeben.
  • Kontamination: Die betroffene Person ist mit freigesetzten radioaktiven Stoffen in Kontakt gekommen. Ein Teil dieser radioaktiven Stoffe hat sich auf der Körperoberfläche beziehungsweise der Kleidung abgesetzt, die Person ist kontaminiert. Von dort senden diese Stoffe ionisierende Strahlung sowohl in Richtung Körper als auch vom Körper weg in Richtung der, die betroffene Person umgebenden, anderen Personen. Falls keine Übertragung der radioaktiven Stoffe auf die umgebenden Personen stattfindet, besteht für diese eine externe Strahlenexposition.
  • Inkorporation: Auch in diesem Fall ist die betroffene Person mit freigesetzten radioaktiven Stoffen in Kontakt gekommen. Zusätzlich zu einer Kontamination ist aber ein Teil der radioaktiven Stoffe in den Körper gelangt. Dies kann durch Inhalation, Ingestion oder auch durch die Haut geschehen. Je nach Strahlenart kann eine Inkorporation zu einer Exposition der Umgebung führen.
  • Umgang mit strahlenexponierten Personen

    Hinsichtlich des Umgangs mit strahlenexponierten Personen sind die folgenden Personengruppen zu unterscheiden. Personen,

  • die einer externen Strahlenexposition ausgesetzt waren, mit oder ohne lebensbedrohlichen Verletzungen,
  • die mit radioaktiven Stoffen kontaminiert sind oder zusätzlich solche Stoffe inkorporiert haben, ohne lebensbedrohliche Verletzungen,
  • die mit radioaktiven Stoffen kontaminiert sind oder zusätzlich solche Stoffe inkorporiert haben, mit lebensbedrohlichen Verletzungen.
  • Von den unter 1. genannten Personen geht für andere Personen, auch für das mit der Untersuchung oder Behandlung betraute medizinische Personal, keinerlei Gefahr aus. Daher sind in diesem Fall, bezogen auf die Exposition des Patienten, keine Strahlenschutzmaßnahmen für das medizinische Personal erforderlich.

    In den Fällen 2. und 3. ist eine medizinische Versorgung in Krankenhäusern, die über eine nuklearmedizinische Abteilung verfügen, von Vorteil. Das medizinische Personal sollte die im OP oder im Bereich der Nuklearmedizin übliche Schutzkleidung tragen. Sie dient dazu, von der Kleidung und der Haut radioaktives Material fernzuhalten. Der normalerweise zum Schutz des Patienten getragene Atemschutz schützt in diesem Fall auch das medizinische Personal vor Inhalation und Ingestion radioaktiven Materials. Ein zusätzlicher Schutz bieten FFP3-Masken, falls diese nicht schon routinemäßig verwendet werden.

    Diese Maßnahmen gelten sowohl für den Transport exponierter Personen als auch für die weitere Untersuchung und Behandlung im Krankenhaus.

    Sofern der Gesundheitszustand der betroffenen Person es zulässt, sind Personen, die nennenswert mit radioaktivem Material in Kontakt gekommen sind, in den meisten Fällen schon vor Ankunft des medizinischen Rettungspersonals vom Strahlenschutz vor Ort dekontaminiert worden. Im Falle eines Verkehrsunfalls kann diese Aufgabe von Spezialkräften der Feuerwehr übernommen werden. Eine erste übliche Maßnahme ist, kontaminierte Kleidung der betroffenen Person zu entfernen. Diese Kleidung ist für eine retrospektive Dosisabschätzung in geeigneten Behältnissen aufzubewahren. Diese Maßnahme wird üblicherweise von Strahlenschutzfachleuten des Betriebes oder der Feuerwehr übernommen.

    Um die Verschleppung von (Rest-)Kontamination und ein Auskühlen der betroffenen Person zu verhindern, sollte sie in eine Rettungsdecke, die sich in jedem Fahrzeug befindet, eingepackt werden. Des Weiteren kann das Innere des Rettungswagens mit Folie ausgelegt werden. Das gilt in entsprechender Weise auch für die Transportwege sowie die Untersuchungs- und Behandlungsräume im Krankenhaus.

    Je nach Schwere der Verletzung beziehungsweise nach Dringlichkeit der Versorgung der verunfallten strahlenexponierten Person sind entsprechende Schutzmaßnahmen vorzusehen und zu verwenden.

    Ein Spezialfall stellen kontaminierte Wunden dar. Sollte die Möglichkeit einer kontaminierten Wunde bestehen, ist in jedem Fall mit dem nächstgelegenen Regionalen Strahlenschutzzentrum Kontakt aufzunehmen (s. Infokasten unten). Dort stehen speziell ausgebildete Fachleute zur Verfügung, die weiterhelfen können.

    Die Schutzkleidung muss nach Untersuchung beziehungsweise Behandlung sicher entsorgt werden. Vor der Entsorgung muss die Schutzkleidung auf mögliche Kotamination ausgemessen werden. Entsprechende Behältnisse sind für die Entsorgung vorzusehen. Das Gleiche gilt für exzidiertes kontaminiertes Gewebe.

    Zusammenfassung

    Die im medizinischen Bereich übliche Einhaltung von Hygienevorschriften dient beim Umgang mit strahlenexponierten Personen nicht nur deren Schutz, sondern auch dem Eigenschutz des untersuchenden bzw. behandelnden Personals.

    Im Falle von Strahlennotfallpatienten, die durch radioaktives Material kontaminiert sind beziehungsweise solches Material inkorporiert haben, sind besondere Schutzmaßnahmen vorzusehen. Die Untersuchung oder Behandlung dieser Personen sollte, wenn möglich, in Kliniken durchgeführt werden, die über eine nuklearmedizinische Abteilung verfügen. Das Personal dieser Abteilungen ist im Umgang mit offenen radioaktiven Stoffen und der Anwendung entsprechender Schutzmaßnahmen geübt.

    Interessenkonflikt: Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.

    Info

    Falls erforderlich, kann im Einzelfall auch mit einem Regionalen Strahlenschutzzentrum Kontakt aufgenommen werden. Eine aktuelle Adressen- und Telefonliste findet sich unter http://www.bgetem.de (im Suchfeld den Zahlencode 12178646 eingeben).

    Autor

    Franz Fehringer
    Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro ­Medienerzeugnisse
    Institut für Strahlenschutz
    Gustav-Heinemann-Ufer 130
    50968 Köln
    privat

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