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Praxisbeispiel

Entwicklung eines Health & Well-being Policy Statements für DHL Group

Das PDF dient ausschließlich dem persönlichen Gebrauch! - Weitergehende Rechte bitte anfragen unter: nutzungsrechte@asu-arbeitsmedizin.com.

Development of a Health & Well-Being Policy Statement for DHL Group

Beispielhaft angeboten werden Beratungsleistungen zur Implementierung von IT-Gesundheitsplattformen zur Verbesserung des individuellen Gesundheitsverhaltens der Beschäftigten. Andere Anbieter fokussieren unter dem Begriff „Health & Well-being“ mit ihren Angeboten auf das Themenfeld der mentalen Gesundheit und die Steigerung der individuellen Beschäftigtenresilienz. Dabei ist das Themenfeld weder neu noch von Arbeitsschutz/Occu­pational Health & Safety zu trennen. In den zurückliegenden Jahren hat DHL Group eine detaillierte Bedarfsanalyse zu internen und externen Stakeholder-Erwartungen im Themenfeld „Health & Well-being“ durchgeführt und das DHL Group Occupational Health & Safety Policy Statement im Jahr 2023 um ein Health & Well-being Policy Statement ergänzt.

Was ist „Health & Well-being/­Gesundheit und Wohlbefinden“?

Entscheidend für die Ausgestaltung des Unternehmensselbstverständnisses zu Maßnahmen der Steigerung der Gesundheit und des Wohlbefindens war zunächst eine Klärung der Begrifflichkeit „Gesundheit & Wohlbefinden“. Was bedeutet „Gesundheit und Wohlbefinden am Arbeitsplatz“? Wodurch wird beides beeinflusst?

Zu wesentlichen, Gesundheit und Wohlbefinden beeinflussenden Elementen, gehören der Bildungsstatus, die Arbeit, soziale Beziehungen, Sicherheit in der Lebensplanung und gesellschaftliche Beteiligungsmöglichkeiten. Eine wissenschaftliche Definition beschreibt Wohlbefinden am Arbeitsplatz als Balance zwischen individuellen Ressourcen und zu bewältigenden Arbeitsherausforderungen (Dodge 2012). Eine Beschreibung, die die Bedeutung etablierter arbeitswissenschaftlicher Modelle, wie dem Belastungs-Beanspruchungs-Modell (Rohmert u. Rutenfranz 1975) und dem Anforderungs-Kontroll-Modell (Karasek 1979), unterstreicht.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Wohlbefinden als Bestandteil von Gesundheit. Gesundheit sei ein Zustand des körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens. Aufgabe von „Occupa­tional Health“ sei „die Förderung und Aufrechterhaltung eines Höchstmaßes an
körperlichem, geistigem und sozialem Wohlbefinden von Arbeitnehmern in allen Berufen“ (WHO 2023, s. „Weitere Infos“). Ein gesundheitsförderlicher Arbeitsplatz sei ein Arbeitsplatz, bei dem Arbeitnehmende und Management zusammenarbeiten, um Gesundheit, Sicherheit und Wohlbefinden aller Beschäftigten und die Nachhaltigkeit des Arbeitsplatzes zu fördern. Die interna­tionale Arbeitsorganisation (ILO) sekundiert: „Wohlbefinden am Arbeitsplatz bezieht sich auf alle Aspekte des Arbeitslebens, von der Qualität und Sicherheit der physischen Umgebung bis hin zur Einstellung der Arbeitnehmer zu ihrer Arbeit, ihrem Arbeitsumfeld, dem Klima am Arbeitsplatz und der Arbeitsorganisation.“ „Das Ziel von Maßnahmen zum Wohlbefinden am Arbeitsplatz ist die Ergänzung von Arbeitsschutzmaßnahmen, um sicherzustellen, dass Arbeitnehmer bei der Arbeit sicher, gesund, zufrieden und engagiert sind“ (ILO 2023, s. „Weitere Infos“). Institutionen, wie das US-amerikanische Center of Disease Control (CDC) sowie das National Institute of Occupational Safety & Health, unterstreichen ebenfalls den unmittelbaren Zusammenhang von Arbeitsschutz und Gesundheit & Wohlbefinden (National Institute of Occupational Safety & Health 2023, s. „Weitere Infos“) – hier die grundlegende Bedeutung von Gesundheit für soziale, wirtschaftliche und persönliche Entwicklung, und damit das Wohlbefinden der Menschen.

Einflussreiche Unternehmensberatungen sehen das Wohlbefinden der Belegschaft als Schlüsselfaktor für die Gewährleistung eines widerstandsfähigen und nachhaltigen Unternehmens, und zwar branchenübergreifend und an erster Stelle der Geschäftsprio­ritäten (Deloitte 2021). Wohlbefinden sei eine Priorität bei der Gestaltung der Arbeitsplätze. Wenn Unternehmen die Gesundheit und das Wohlbefinden ihrer Beschäftigten steigern möchten, sollten sie sich auf Gestaltungsmöglichkeiten bei der Arbeit und soziale Unterstützung fokussieren (Segel et al. 2021, s. „Weitere Infos“).

Interne Datenanalyse

Eine interne Analyse der Haupteinflussfaktoren auf den Krankenstand und ein nachfolgendes Interventionsmodell belegen die elementare Bedeutung dieser Faktoren. Die im Jahr 2017 vom Gesundheitsmanagement in Kooperation mit Datenanalystinnen und -analysten aus dem Bereich Human Resources (HR) durchgeführte Untersuchung, konnte nach anonymisierter Auswertung der Personalbefragungsdaten von 100.000 Beschäftigten in 3400 vergleichbaren Zustellteams als Haupteinflussfaktoren auf den Krankenstand in Zustellteams die beiden Faktoren „Arbeitszufriedenheit“ und „empfundene Handlungsspielräume bei der Arbeit“ identifizieren (Teamunterschiede bis 3,1 Prozentpunkte). Weitere entscheidende Einflussfaktoren waren die Teamgröße und unmittelbar vor Ort erlebte Führung.

Auf Basis dieser Erkenntnisse und auf Auswertungen der Gefährdungsbeurteilung wurde eine Vorgehensweise zur Steigerung der Gesundheit und des Wohlbefindens in Zustellteams entwickelt: Betriebsärztlich qualifizierte Moderatorinnen und Moderatoren analysieren in einem Workshop mit Zustellkräften in deren Zustellstützpunkt die Ist-Situation und dokumentieren deren Veränderungswünsche in den Bereichen Führung und Kommunikation, Organisation, Belastung, Arbeitsmittel, Arbeitssicherheit sowie Stimmung und Miteinander. Die Ergebnisse werden mit Führungskräften reflektiert. In einem dritten Schritt werden in einem gemeinsamen Workshop von Zustell- und Führungskräften Veränderung für einen Zeitraum von zunächst drei Monaten vereinbart und in einem gemeinsamen Vertrag fixiert. Nach drei Monaten wird gemeinsam über eine Verlängerung/Anpassung von Maßnahmen beraten. Die Moderatorinnen und Moderatoren begleiten die Zustellstützpunkte auch in den Folgemonaten. Im Ergebnis können signifikante Verbesserungen insbesondere in drei Bereichen dokumentiert werden:

  • HR-Kennzahlen: verringerter Krankenstand, geringere Fluktuation,
  • Personalbefragung: gesteigertes Engagement der Mitarbeitenden, gesteigerte Zufriedenheit mit der Führung, Zunahme der empfundenen, individuellen Handlungsfähigkeit,
  • Qualitätskennzahlen: gesteigerte Produktivität; Rückgang der Kundenreklama­tionen.
  • Die Ergebnisse dieser Vorgehensweise sind in die Weiterentwicklung der Gefährdungsbeurteilungssystematik zur Erfassung psychosozialer Belastungen eingeflossen, ebenso wie in gezielte Entwicklungsmaßnahmen für Beschäftigte und Führungskräfte. In einer gemeinsamen, internationalen Arbeitsgruppe mit Vertreterinnen und Vertretern aus den unterschiedlichen Unternehmensdivi­sionen wurden auf Basis dieser Erkenntnisse Kerndimensionen eines gemeinschaftlichen Verständnisses von Gesundheit & Wohlbefinden und die diesbezüglichen Haupteinflusshebel diskutiert.

    Kernvoraussetzungen für ­Wohlbefinden am Arbeitsplatz

    Voraussetzung für größtmögliches Wohlbefinden am Arbeitsplatz ist in diesem Sinne eine gesundheitsförderliche Gestaltung der Arbeit und der Sozialbeziehungen am Arbeitsplatz.

    Hierzu gehört, dass

  • Sinn und Ziel der Arbeit klar ersichtlich sind und als Teil eines Ganzen verstanden werden können;
  • die Arbeit leistbar gestaltet ist und die Beschäftigten über angemessene Entscheidungs- und Gestaltungsspielräume zur bestmöglichen Erfüllung der Arbeitsaufgabe verfügen;
  • die Beschäftigten soziale Unterstützung durch Kolleginnen/Kollegen und Führungskräfte erhalten und sich in ihren Teams „sicher“ fühlen;
  • das Arbeitsengagement angemessen „belohnt“ wird (Bezahlung, Anerkennung, Arbeitsplatzsicherheit, Weiterentwicklungsmöglichkeiten);
  • Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung arbeitsorganisatorische Ansätze mit individualpräventiven Maßnahmen verknüpfen.
  • Nicht zuletzt gehört hierzu auch das Bewusstsein, dass die Arbeitsplätze weltweit das größte Präventionssetting darstellen. Auf der individuellen Ebene gilt es, das Präventionssetting Arbeitsplatz zu nutzen, um Gesundheitskompetenz zu stärken, einen gesunden Lebensstil zu unterstützen und Stressresistenz zu vermitteln. Dies gelingt jedoch nur in einer Ausgewogenheit mit der gesundheitsförderlichen Gestaltung von Arbeit und sozialer Unterstützung am Arbeitsplatz. Arbeit besitzt primär gesundheitsförderliche Potenziale; ein schlecht gestaltetes Arbeitsumfeld aber kann potenziell Gesundheitsschäden (mit-)auslösen und so maßgeblich zur gesamtgesellschaftlichen Krankheitslast beitragen.

    Inhalte des DHL Group Health & Well-being Policy Statement

    Die aus den vorgenannten Analysen gewonnenen Erkenntnisse wurden vom Chief Medical Officer Group in einem Entwurf zu einem Health & Well-being Policy Statement gebündelt und in weiteren Diskussionen mit internen und externen Stakeholdern analog zur Delphi-Methodik (mehrstufiges Befragungsverfahren mit Rückkopplung) weiterentwickelt. Das Health & Well-being Policy Statement wurde im Juni 2023 vom Corporate Board beschlossen. In weiteren Workshops mit internen Stakeholdern wird in Verantwortung des Personalvorstands aktuell die Kommunikation an die rund 600.000 Beschäftigten des Konzerns vorbereitet.

    Das Health & Well-being Policy Statement beinhaltet eine Grundpositionierung zu einem gemeinsamen Verständnis von Gesundheit, analog der Definition der Weltgesundheitsorganisation:

    Kernbotschaften sind:

  • Wir sind uns der Bedeutung des Arbeitsplatzes als einer der größten Präventionsplattformen weltweit bewusst. Mit unserem Engagement für die Gesundheit und das Wohlbefinden unserer Beschäftigten leisten wir auch einen gesellschaftlichen Beitrag zur Gesundheit.
  • Ein wesentlicher Aspekt unserer Führungsverantwortung ist die Schaffung einer unterstützenden, vertrauensvollen Unternehmenskultur und eines gesundheitsförderlichen Arbeitsumfelds, in dem unsere Beschäftigten dazu ermutigt werden, gesund zu leben.
  • Die Gesundheit und das Wohlbefinden unserer Beschäftigten möchten wir durch wissenschaftlich validierte und kontinuierlich optimierte Gesundheitsmanagement-Maßnahmen fördern. Dafür führen wir unsere globale und bereichsübergreifende Expertise mit der externen Expertise von Organisationen wie der WHO zusammen.
  • Im Rahmen unseres Risikomanagements analysieren und berichten wir regelmäßig über für unser Unternehmen relevante Gesundheitsrisiken und passen unsere Präventivmaßnahmen entsprechend an.
  • Wir stärken die Veränderungskompetenz unserer Beschäftigten und ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber Herausforderungen und Transformationsprozessen. Unsere Führungskräfte unterstützen wir dabei, unsere Mitarbeitenden einfühlsam und positiv durch Herausforderungen und Veränderungen zu führen.
  • Bei allen Beschäftigten möchten wir ein Gefühl der Zugehörigkeit schaffen und ihnen einen sicheren Arbeitsplatz bieten, an dem sie fair behandelt werden.
  • Unser Ziel ist es eine Teamkultur zu etablieren, in der alle Beschäftigten respektvoll behandelt und wertgeschätzt werden und sich nicht verstellen müssen.
  • Ausblick

    Eine Verpflichtung zur Förderung der Gesundheit und des Wohlbefindens der Beschäftigten steht im Einklang mit dem übergreifenden UN Sustainable Development Goal Nr. 3: „Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern.“

    Die Umsetzung der Verpflichtung erfordert messbare Aktivitäten im Unternehmen. Beispielhafte Maßnahmen bei DHL Group sind die kontinuierliche Weiterentwicklung der Gefährdungsbeurteilungssystematik unter unmittelbarer Einbeziehung der Beschäftigten, die ergänzende Implementierung eines Well-being Pulse Checks, der Relaunch eines e-Learning-Programms zum Thema „Führung und mentale Gesundheit“ in Kombination mit gezielten Personalentwicklungs-/Fortbildungsmaßnahmen für Beschäftigte und Führungskräfte zur Stärkung deren mentalen und körperlichen Wohlbefindens.

    Die Wirksamkeit entsprechender Maßnahmen wird regelmäßig überprüft und in Gremien, wie dem HR-Board, dem Zentralen Arbeitskreis Gesundheit und dem Health & Well-being-Forum diskutiert.

    Zudem erfolgt ein intensiver Austausch mit anderen im Gesundheitsmanagement aktiven Unternehmen. Dies auf nationaler (z. B. in Deutschland: Unternehmen für Gesundheit) und internationaler Ebene (z. B. Chief Health Officer Forum des Weltwirtschaftsforums).

    Interessenkonflikt: Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.

    Literatur

    Deloitte: Well-being: A new cornerstone for ESG strategy and reporting. Deloitte 2021.

    Dodge R, Daly AP, Huyton J, Sanders LD: The challenge of defining wellbeing. Int J Wellbeing 2012; 2: 222–235.

    Karasek R Jr.: Job demands, job decision latitude, and mental strain: implications for job redesign. In: Adm Sci Q 1979; 24: 285–308.

    Rohmert W, Rutenfranz J: Arbeitswissenschaftliche Beurteilung der Belastung und Beanspruchung an unterschiedlichen industriellen Arbeitsplätzen. Bonn: Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, 1975.

    Tautz A: Basisarbeit – Mittendrin und außen vor: Initiiert vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales; Hrsg.: Große-Jäger A et al., TÜV Media GmbH; Stand Oktober 2021.

    doi:10.17147/asu-1-328866

    Weitere Infos

    ILO – Internationale Arbeitsorganisation: Workplace well-being, 2023
    https://www.ilo.org/safework/areasofwork/workplace-health-promotion-and…

    National Institute of Occupational Safety & Health, CDC: NIOSH Total Worker Health® Program, 2023
    https://www.cdc.gov/niosh/twh/default.html

    Segel L, McKinsey & Company, World Economic Forum, The Davos Agenda 2021: The priority for workplaces in the new normal? Wellbeing 2021
    https://www.weforum.org/agenda/2021/01/priority-workplaces-new-normal-w…

    WHO – Weltgesundheitsorganisation: Occupational health

    https://www.who.int/health-topics/occupational-health

    Kernaussagen

  • Arbeitsplätze bilden weltweit das größte Präventionssetting – Arbeit besitzt primär gesundheitsförderliche Potenziale, ein schlecht gestaltetes Arbeitsumfeld aber kann potenziell ­Gesundheitsschäden (mit-)auslösen und so maßgeblich zur gesamtgesellschaftlichen Krankheitslast beitragen.
  • Die Förderung von Gesundheit und Wohlbefinden der Beschäftigten ist als Bestandteil eines systematischen Gesundheitsmanagements untrennbar mit dem Arbeitsschutz und der Organisationskultur verbunden.
  • Wohlbefinden am Arbeitsplatz ist durch eine Balance von individuellen Ressourcen zu bewäl­tigenden Arbeitsherausforderungen – als Kernbestandteil einer gesundheitsförderlichen Gestaltung von Arbeit und unterstützender Sozialbeziehungen am Arbeitsplatz – gekennzeichnet.
  • Definition

    „Wir verstehen Gesundheit nicht nur als Abwesenheit von Krankheit, sondern als einen Zustand körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens. Arbeit kann eine wesentliche Quelle für Zufriedenheit und damit für Gesundheit sein. Als gesunden Arbeitsplatz verstehen wir ein Umfeld, in dem Mitarbeitende und Führungskräfte zusammenarbeiten, um die Gesundheit und das Wohlbefinden aller Beschäftigen zu fördern und für eine nachhaltige Arbeits­umgebung zu sorgen. Dies umfasst auch die Förderung der Inklusion im Arbeits­alltag durch Schaffung eines Umfelds, in dem alle Beschäftigten akzeptiert werden und jeden Tag ihr Bestes geben können. Für uns als globales Unternehmen ist die Vielfalt unserer Mitarbeitenden eine besondere Stärke.“

    Kontakt

    Dr. Andreas Tautz
    Chief Medical Officer; Deutsche Post DHL Group; Fritz-Schäffer-Straße 15; 53113 Bonn

    Foto: Cornelis Gollhardt

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