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COVID-19 und SARS-CoV-2 im Arbeitsschutzrecht

Einstufung von SARS-CoV-2

Das Virus „Severe Acute Respiratory Syndrome-Related Virus 2“ (abgekürzt: SARS-CoV-2), das die Erkrankung COVID-19 verursacht, weist große Ähnlichkeiten mit dem SARS-Virus und dem MERS-Virus auf. Auf Grundlage der derzeit verfügbaren epidemiologischen und klinischen Daten über die Merkmale des Virus, wie Übertragungsmuster, klinische Merkmale und Infektionsrisikofaktoren, sah es die Europäische Kommission als erforderlich an, SARS-CoV-2 in den Anhang III der Europäischen Richtlinie RL 2000/54/EG mit aufzunehmen, um weiterhin einen angemessenen Schutz der Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten am Arbeitsplatz zu gewährleisten.

SARS-CoV-2 wurde in die Risikogruppe 3 eingestuft. Die entsprechende Änderung der RL 2000/54/EG erfolgte am 24.06.2020 durch die RL (EU) 2020/739 (AmtsBlatt L 175, S. 11). Bei biologischen Arbeitsstoffen der (Risiko-)Gruppe 3 handelt es sich um Biostoffe, die eine schwere Krankheit beim Menschen hervorrufen und eine ernste Gefahr für Beschäftigte darstellen können. Die Gefahr einer Verbreitung in der Bevölkerung kann bestehen, doch ist normalerweise eine wirksame Vorbeugung oder Behandlung möglich (Art. 2 S. 2 Nr. 3 RL 2000/54/EG; in nationales Recht umgesetzt durch § 3 Abs. 1 Nr. 3 Biostoffverordnung [BioStoffV]). Die geänderte Richtlinie musste bis 24.11.2020 in den Mitgliedsstaaten umgesetzt werden.

Richtlinien der EU bedürfen immer der nationalen Umsetzung. Sie sind hinsichtlich des zu erreichenden Zieles verbindlich. EU-Richtlinien überlassen dabei aber dem Mitgliedsstaat die Wahl der Form und der Umsetzungsmittel (vgl. Art. 288 Unterabsatz 3 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union [AEUV]). Eines speziellen Umsetzungsaktes bedurfte es in Deutschland allerdings nicht, da geänderte Einstufungen in der RL 2000/54/EG nach Ablauf der festgelegten Umsetzungsfrist unmittelbar anzuwenden sind (§ 3 Abs. 2 S. 3 BioStoffV).

Auch vor dem 24.11.2020 war es allerdings Konsens, dass SARS-CoV-2 in die Risikogruppe 3 einzustufen ist. So hat der Ausschuss für Biologische Arbeitsstoffe (ABAS) bereits im Februar 2020 SARS-CoV-2 vorläufig in diese Risikogruppe eingestuft (Beschl. 1/2020 des ABAS v. 19.02.2020, aktualisiert am 08.12.2020). Seit dem 24.11.2020 ist allerdings primär die Einstufung des Anhangs III RL 2000/54/EG maßgeblich (vgl. §3 Abs. 2 S. 1 BioStoffV).

Grundsätzliche Anwendbarkeit der Biostoffverordnung (BioStoffV)

Bei dem Coronavirus SARS-CoV-2 handelt es sich um einen Biostoff im Sinne der BioStoffV (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1 BioStoffV), da es sich um ein entsprechendes Agens handelt, das den Menschen durch Infektionen gefährden kann. Innerhalb der arbeitsschutzrechtlichen Normen ist folglich die BioStoffV (neben dem Arbeitsschutzgesetz [ArbSchG]) hier hauptsächlich anzuwenden. Auch muss im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG ein spezifisches Augenmerk auf die Besonderheiten von Biostoffen gelegt werden (vgl. § 4 BioStoffV). Insbesondere müssen hier die möglichen Übertragungswege und die Aufnahmepfade berücksichtigt werden (vgl. § 4 Abs. 3 Nr. 1 BioStoffV). Aber auch Art, Dauer und Häufigkeit der Exposition in Bezug auf SARS-CoV-2 (vgl. § 4 Abs. 3 Nr. 3 BioStoffV) und tätigkeitsbezogene Erkenntnisse über Belastungs- und Expositionssituationen sind in die Beurteilung der Arbeitsbedingungen mit einzubeziehen (vgl. § 4 Abs. 3 Nr. 5 lit. [Buchstabe] a
BioStoffV). Gerade im Gesundheitswesen (z. B. in Altenheimen, Notaufnahmen und Intensivstationen) kann die Gefahr einer Ansteckung mit SARS-CoV-2 eine psychische Belastung darstellen, die auch verpflichtend in der Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen ist (vgl. § 5 Abs. 3 Nr. 6 ArbSchG).

Die zu treffenden Maßnahmen müssen den Stand der Technik, der Arbeitsmedizin und der Hygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigen (§ 4 Nr. 3 ArbSchG). Verfügt der Betrieb als Normadressat diesbezüglich nicht über die erforderlichen Kenntnisse, so muss er sich (z. B. durch die Betriebsärztin/den Betriebsarzt oder die Fachkraft für Arbeitssicherheit) entsprechend beraten lassen. Für den Bereich der Tätigkeiten mit Biostoffen hebt § 4 Abs. 1 S. 2 BioStoffV nochmals hervor, dass die Gefährdungsbeurteilung nur fachkundig durchgeführt werden darf. Auch hier besteht eine explizite Beratungsverpflichtung, sofern die entsprechenden Kenntnisse beim Unternehmen nicht vorliegen (vgl. § 4 Abs. 1 S. 3 BioStoffV). Die Fachkundeanforderungen nach der BioStoffV werden in der Technischen Regel für Biologische Arbeitsstoffe (TRBA) 200 konkretisiert.

In Bezug auf den persönlichen Anwendungsbereich der BioStoffV (dieser regelt, für welche Personen die BioStoffV gilt) ist weiterhin zu beachten, dass neben den Beschäftigten i. S. v. § 2 Abs. 2 ArbSchG (z. B. Arbeitnehmende, die zur Berufsbildung Beschäftigten, Beamte, Soldaten) die BioStoffV auch für Schülerinnen und Schüler, Studierende sowie sonstige Personen gilt, die gegenüber SARS-CoV-2 i. S. d. BioStoffV exponiert sind (§ 2 Abs. 9 S. 2 BioStoffV). Somit ist die BioStoffV auch für Ehrenamtliche unmittelbar anwendbar.

Schutzstufenzuordnungen

Bei Tätigkeiten in Laboratorien, in der Versuchstierhaltung, in der Biotechnologie sowie in Einrichtungen des Gesundheitsdienstes hat das Unternehmen auch eine Zuordnung der Infektionsgefährdung zu einer Schutzstufe vorzunehmen (§ 5 Abs. 1 S. 2 BioStoffV). Schutzstufen orientieren sich an der Risikogruppe des jeweiligen Biostoffs und sind ein Maßstab für die Höhe der Infektionsgefährdung einer Tätigkeit (§ 2 Abs. 13 S. 1 BioStoffV). Sofern bestimmte Schutzstufen zutreffen, so sind zusätzliche Schutzmaßnahmen nach den Anhängen II und III nach der BioStoffV zu treffen (§ 2 Abs. 13 S. 3
BioStoffV).

Gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c RL 2000/54/EG sind nichtproliferative diagnostische Laborarbeiten an SARS-CoV-2 in einer Einrichtung unter Anwendung von Verfahren durchzuführen, die mindestens der Sicherheitsstufe 2 (entspricht der Schutzstufe 2 nach der BioStoffV) entsprechen. Proliferative Arbeiten an SARS-CoV-2 sind in einem Hochsicherheitslabor der Sicherheitsstufe 3 (entspricht Schutzstufe 3 nach der BioStoffV) mit Unterdruck zur Atmosphäre durchzuführen. Nach deutschem Recht ist hierbei allerdings zu berücksichtigen, dass die Schutzstufenzuordnung sich bei gezielten Tätigkeiten nach der Risikogruppe des ermittelten Biostoffs richtet (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 BioStoffV).

Unterweisung der Beschäftigten

Die Beschäftigten sind gem. § 12 ArbSchG, § 14 Abs. 2 S. 1 BioStoffV mündlich über die in Bezug auf SARS-CoV-2 auftretenden Gefährdungen und erforderlichen Schutzmaßnahmen zu unterweisen. Die Unterweisung ist so durchzuführen, dass bei den Beschäftigten ein Sicherheitsbewusstsein geschaffen wird. Im Rahmen der Unterweisung sind die Beschäftigten auch darüber zu informieren, unter welchen Voraussetzungen sie Anspruch auf arbeitsmedizinische Vorsorge nach der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) haben (§ 14 Abs. 2 S. 3 BioStoffV).

Die Unterweisung muss bei der Einstellung, bei Veränderungen im Aufgabenbereich, der Einführung neuer Arbeitsmittel oder neuer Technologien vor Aufnahme der Tätigkeit erfolgen (§ 12 Abs. 1 S. 3 ArbSchG). Unabhängig davon ist die Unterweisung mindestens jährlich arbeitsplatzbezogen erneut durchzuführen (§ 14 Abs. 3 S. 1 BioStoffV). Bei Jugendlichen ist die Unterweisung mindestens halbjährlich zu wiederholen (§ 29 Abs. 2 JArbSchG).

Normadressat ist der Betrieb, der aber die Unterweisung selber an andere geeignete Personen (z. B. Spezialisten im Unternehmen, Betriebsärztin/-arzt, Fachkraft für Arbeitssicherheit, Sicherheitsbeauftragte) übertragen kann. Der Betrieb bleibt aber hier durchführungsverantwortlich. Auch sofern die Unterweisung an Personen delegiert wird, die gem. § 13 Abs. 2 ArbSchG auch formell für die Umsetzung von Arbeitsschutzvorschriften verantwortlich sind, verbleibt die Verantwortung (neben der Delegationsperson) beim Unternehmen.

Allgemeine arbeitsmedizinische ­Beratung

Auch in Bezug auf SARS-CoV-2 und der daraus resultierenden Erkrankung COVID-19 ist eine allgemeine arbeitsmedizinische Beratung durchzuführen, die im Rahmen der Unterweisung nach § 12 ArbSchG, §14 Abs. 2 S. 1 BioStoffV erfolgen muss (§ 14 Abs. 2 S. 4 BioStoffV). Die allgemeine arbeitsmedizinische Beratung muss dem aktuellen Stand der Arbeitsmedizin entsprechen (vgl. § 4 Nr. 3 ArbSchG). Dies kann dazu führen, dass eine Fachärztin/ein Facharzt für Arbeitsmedizin oder eine Ärztin/ein Arzt mit der Zusatzbezeichnung „Betriebsmedizin“ (z. B. der Betriebsärztin/-arzt) bei der Beratung zu beteiligen ist (vgl. § 14 Abs. 2 S. 5 BioStoffV). Die Beteiligung muss hier nicht zwingend in Form der persönlichen ärztlichen Beratung erfolgen. Eine Beteiligung kann auch in Form einer Schulung der unterweisenden Personen oder der Mitwirkung bei der Erstellung geeigneter Unterweisungsunterlagen erfolgen (vgl. Nr. 3 Abs. 3 S. 4 AMR Nr. 3.2).

Grundlage der allgemeinen arbeitsmedizinischen Beratung ist die Gefährdungsbeurteilung, um auch die konkreten spezifischen Gefährdungen im Unternehmen erfassen zu können. Sie dient der Erläuterung der möglichen Gesundheitsgefahren und deren Vermeidung, einschließlich der Sofortmaßnahmen (Nr. 3 Abs. 1 S. 3 AMR Nr. 3.2).

Die allgemeine arbeitsmedizinische Beratung unterscheidet sich von der arbeitsmedizinischen Vorsorge nach der ArbMedVV dadurch, dass sie allgemeine medizinische Aspekte umfasst und individuelle Gesundheitsfragen nicht berücksichtigt, folglich Faktoren umfasst, die alle Beschäftigten mit entsprechender Exposition (bzw. jede Beschäftigungsgruppe) betreffen (z. B. Informationen über Aufnahmewege, Wirkungen, Krankheitsbilder, Sofortmaßnahmen). Körperliche und klinische Untersuchungen und Impfungen sind dagegen nicht Bestandteil der allgemeinen arbeitsmedizinischen Beratung, sondern können gegebenenfalls Bestandteil der Pflicht-, Angebots- und Wunschvorsorge nach der ArbMedVV sein (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 3, § 6 Abs. 2 S. 3 ArbMedVV). Insofern kann die allgemeine arbeitsmedizinische Beratung auch in der Gruppe erfolgen.

Jugendarbeitsschutzgesetz ­(JArbSchG)

Tätigkeiten mit einer Exposition in Bezug auf das Coronavirus SARS-CoV-2 müssen auch vor dem Hintergrund des JArbSchG betrachtet werden.

Kinder. Kinder dürfen nicht mit Tätigkeiten beschäftigt werden, bei denen sie einer Exposition durch SARS-CoV-2 ausgesetzt sind. Als Kinder im Sinne des JArbSchG gelten Personen, die noch nicht 15 Jahre alt sind (vgl. § 2 Abs. 1 JArbSchG). Für Kinder i. d. S. greift hier das grundsätzliche Verbot der Beschäftigung nach § 5 Abs. 1 JArbSchG. In Bezug auf Infektionsgefährdungen durch Biostoffe greifen auch die für Kinder vorhandenen Ausnahmetatbestände (vor allem § 5 Abs. 3 JArbSchG jeweils auch in Verbindung mit der Kinderarbeitsschutzverordnung) nicht.

Jugendliche. Bei Jugendlichen muss in Bezug auf Tätigkeiten mit Exposition gegenüber SARS-CoV-2 eine differenzierte Betrachtung vorgenommen werden. Als Jugendliche i. S. d. JArbSchG gelten Personen, die 15, aber noch nicht 18 Jahre alt sind (§ 2 Abs. 2 JArbSchG).

Für Jugendliche, die der Vollzeitschulpflicht unterliegen, finden die für Kinder geltenden Vorschriften Anwendung (§ 2
Abs. 3 JArbSchG). Dies bedeutet, dass diese nicht mit Tätigkeiten mit SARS-CoV-2-Exposition beschäftigt werden dürfen (generelles Verbot nach § 5 Abs. 1 JArbSchG).

Sofern Jugendliche nicht mehr der Vollzeitschulpflicht unterliegen (diese dauert in der Regel 9 Jahre, so dass es möglich ist, dass eine Person mit 16 Jahren dieser nicht mehr unterliegt), so ist weiterhin zu beachten, dass Jugendliche einem Beschäftigungsverbot für gefährliche Arbeiten unterliegen, bei denen sie schädlichen Einwirkungen von biologischen Arbeitsstoffen i. S. d. BioStoffV ausgesetzt sind (§ 22 Abs. 1 Nr. 7 JArbSchG). Eine Gesundheitsgefährdung in diesem Sinne liegt dann vor, wenn bei der Beschäftigung ein Zustand herbeigeführt wird, in dem nach den konkreten Umständen der Eintritt einer Gesundheitsschädigung naheliegt (LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 07.12.1994 – 2 Sa 14/93).

Aufgrund der Eigenschaften des Coronavirus SARS-CoV-2 (Übertragung von Mensch zu Mensch via Tröpfcheninfektion und über Aerosole, Aufnahme virushaltiger Partikel, die beim Atmen, Husten, Sprechen, Singen und Niesen entstehen, Ausbreitungsabstand von 1–2 m; vgl.RKI 2021, s. „Weitere Infos“) ist bei einer Exposition in Bezug auf SARS-CoV-2 regelmäßig davon auszugehen, dass es sich um gefährliche Tätigkeiten i. S. v. § 22 Abs. 1 Nr. 7 JArbSchG handelt.

Eine Ausnahme von dem Beschäftigungsverbot bei Jugendlichen ist hier dann möglich, wenn die Beschäftigung zur Erreichung des Ausbildungsziel erforderlich ist und der Schutz des Jugendlichen durch die Aufsicht einer (erwachsenen) fachkundigen Person gewährleistet ist (§ 22 Abs. 2 S. 1 JArbSchG). Vom Grundsatz her könnte somit hier auch eine Beschäftigung mit Tätigkeiten erfolgen, bei denen der Jugendliche einer Exposition in Bezug auf SARS-CoV-2 ausgesetzt ist.

Sofern es sich hierbei allerdings um gezielte Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen der Risikogruppe 3 handelt (SARS-CoV-2 ist in diese Risikogruppe eingestuft), so gilt der Ausnahmetatbestand allerdings nicht. Um gezielte Tätigkeiten handelt es sich dann, wenn die Tätigkeit auf einen oder mehrere Biostoffe unmittelbar ausgerichtet ist, der Biostoff mindestens der Spezies nach bekannt ist (hier: SARS-CoV-2) und die Exposition der Beschäftigten im Normalbetrieb hinreichend bekannt oder abschätzbar ist (vgl. § 2 Abs. 8 S. 1 BioStoffV). Die gezielte Tätigkeit (als absichtlicher Umgang) mit Biostoffen ist folglich charakterisiert durch eine gezielte und auf einen bekannten Biostoff (SARS-CoV-2) ausgerichtete Tätigkeit. Er ist insbesondere für die Produktion solcher Stoffe und für Speziallaboratorien typisch (z. B. für Labore bei der Auswertung von PCR-Abstrichen). Diese Tätigkeiten bleiben für Jugendliche folglich auch in der Ausbildung verboten (vgl. § 22 Abs. 2 S. 1 JArbSchG). Dieses Beschäftigungsverbot entspricht auch europarechtlichen Vorgaben (vgl. Art. 7 Abs. 2 lit. b, Anhang I, Nr. 2 lit. a Anhang RL 94/33/EG). Dieses absolute Beschäftigungsverbot in Bezug auf die entsprechenden Tätigkeiten begründet sich aus dem Umstand, dass beim gezielten Umgang mit diesen Biostoffen eine Gewissenhaftigkeit und Erfahrung vorausgesetzt wird, die bei Jugendlichen noch nicht vorausgesetzt werden kann.

Weiterhin unterliegen dem absoluten Beschäftigungsverbot auch Tätigkeiten i. S. d. BioStoffV, wenn es sich um nichtgezielte Tätigkeiten (z. B. im Gesundheitsdienst) handelt, die der Schutzstufe 3 oder 4 zuzuordnen sind (§ 22 Abs. 2 S. 2 JArbSchG). Diese Tätigkeiten bleiben folglich auch dann verboten, wenn sie im Rahmen der Ausbildung erfolgen würden.

Mutterschutzgesetz (MuSchG)

Auch das MuSchG enthält Regelungen, die sich auf die Exposition in Bezug auf SARS-CoV-2 auswirken (ohne COVID-19 bzw. SARS-CoV-2 allerdings ausdrücklich zu benennen). Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG muss das Unternehmen weiterhin beurteilen, welchen Gefährdungen schwangere und stillende Frauen in Bezug auf SARS-CoV-2 ausgesetzt sind (vgl. § 10 Abs. 1 MuSchG). Ein Betrieb darf eine schwangere oder stillende Frau keine Tätigkeiten ausüben lassen und sie keinen Arbeitsbedingungen aussetzen, bei denen sie in einem Maß mit Biostoffen der Risikogruppe 3 (folglich auch SARS-CoV-2) in Kontakt kommt oder kommen kann, dass dies für sie oder ihr Kind eine unverantwortbare Gefährdung darstellt (§§ 9 Abs. 2 S. 1, 11 Abs. 2 S. 1, 12 Abs. 2 S. 1 MuSchG). Eine unverantwortbare Gefährdung liegt dann vor, wenn die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Gesundheitsbeeinträchtigung angesichts der zu erwartenden Schwere des möglichen Gesundheitsschadens nicht hinnehmbar ist (§ 9 Abs. 2 S. 2 MuSchG). Ob dies jeweils vorliegt, ist im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zu ermitteln. Die Gefährdungsbeurteilung nach § 10 MuSchG muss immer erfolgen, also auch dann, wenn in dem Betrieb keine Frauen arbeiten.

Auch wenn es derzeit keine Hinweise dafür gibt, dass ein höheres Infektionsrisiko mit SARS-CoV-2 in der Schwangerschaft besteht, so darf allerdings nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Datenlage in Bezug auf das Infektionsrisiko und einen eventuellen Krankheitsverlauf bei Schwangeren noch nicht aussagekräftig genug ist, um absolut verlässliche Bewertungen im Sinne des MuSchG treffen zu können. Für Betriebe ist es hier somit teilweise schwierig, entsprechende Schutzmaßnahmen festzulegen beziehungsweise zu entscheiden, inwieweit ein betriebliches Beschäftigungsverbot i. S. v. § 13 Abs. 1 Nr. 3 MuSchG festgelegt werden muss. Hier muss sich der Betrieb regelmäßig durch einen arbeitsmedizinisch fachkundige Person beraten lassen, da die Schutzmaßnahmen dem Stand der Arbeitsmedizin entsprechen müssen (vgl. § 9 Abs. 4 S. 1 MuSchG). Vertiefende Informationen auf die Gefährdungslage können auch der „Aktualisierten Empfehlung zu SARS-CoV-2/COVID-19 und Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett“ der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. entnommen werden.

In der Gefährdungsbeurteilung sind das regionale und lokale Infektionsgeschehen in Bezug auf SARS-CoV-2 sowie andere entscheidende Faktoren zu berücksichtigen (z. B. kann ein Mindestabstand von 1,5 m zu anderen Personen eingehalten werden, Lüftungsverhältnisse, Art der Kontakte, Zusammensetzung der zu treffenden Personengruppen).

Eine unverantwortbare Gefährdung i. S. v. § 9 Abs. 2 S. 2 MuSchG, die zu einem betrieblichen Beschäftigungsverbot nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 MuSchG führt, kann regelmäßig dann angenommen werden, wenn die schwangere Frau bei ihren beruflichen Tätigkeiten einer höheren Infektionsgefährdung durch SARS-CoV-2 ausgesetzt ist oder sein kann als die Allgemeinbevölkerung. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn grundsätzliche Schutzmaßnahmen (z. B. Abstand von mindestens 1,5 m) nicht eingehalten werden können (z. B. im Gesundheitswesen oder in der Kinderbetreuung).

Allerdings gilt auch in Zeiten von Corona die verpflichtende Rangfolge der Schutzmaßnahmen nach § 13 MuSchG. Vorrangig sind folglich die Arbeitsbedingungen so umzugestalten, dass keine unverantwortbaren Gefährdungen mehr vorliegen. Ist dies nicht möglich, so ist die schwangere Frau an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz (z. B. im Homeoffice) einzusetzen. Erst, wenn auch dies nicht möglich ist, tritt als Ultima Ratio das betriebliche Beschäftigungsverbot nach § 13 Abs. 1 Nr. 3 MuSchG in Kraft. Für die Zeiten eines coronabedingten Beschäftigungsverbots erhält die Frau einen Mutterschutzlohn nach § 18 MuSchG.

Bei den Schutzmaßnahmen, die vorrangig vor einem betrieblichen Beschäftigungsverbot zu prüfen sind, ist allerdings weiterhin zu berücksichtigen, dass persönliche Schutzausrüstungen in Form von Atemschutzmasken (FFP2, FFP3) für schwangere Frauen aufgrund des Atemwiderstands nur bedingt geeignet sind. Unternehmen dürfen schwangere Frauen keine Tätigkeiten ausführen lassen, bei denen sie eine Schutzausrüstung tragen müssen und das Tragen eine Belastung darstellt (vgl. § 11 Abs. 5 S. 2 Nr. 7 MuSchG). Mund-Nasen-Bedeckungen (MNB) i. S. v. Nr. 2.3 SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel, § 28a Abs. 1 Nr. 2 IfSG stellen allerdings keine Schutzausrüstung dar, da es sich hier um textile Bekleidungsgegenstände handelt. Sofern sich durch das Tragen einer MNB individuell Gefährdungen für die Schwangerschaft ergeben (z. B. aufgrund von Angst- und Panikzuständen), so kann hier ein ärztliches Beschäftigungsverbot nach § 16 Abs. 1 MuSchG in Frage kommen, sofern sich aus der Tätigkeit die Notwendigkeit ergibt, dass am Arbeitsplatz eine MNB getragen werden muss.

Weiterhin können individuelle Risikofaktoren in der Schwangerschaft zu einem ärztlichen Beschäftigungsverbot nach § 16 Abs. 1 MuSchG führen.

Leiharbeit

Die Leiharbeit ist dadurch gekennzeichnet, dass der Betrieb („Verleiher“) seinen Beschäftigten („Leiharbeitnehmer“) einem anderen („Entleiher“) zur Arbeit überlässt und der Leiharbeitnehmende organisatorisch und weisungsrechtlich im Betrieb des Entleihers eingegliedert ist (Arbeitnehmerüberlassung nach dem AÜG). In Bezug auf die coronaspezifische Umsetzung der Arbeitsschutzvorschriften sind sowohl der Verleiher als auch der Entleiher verantwortlich (vgl. § 11 Abs. 6 AÜG). Lediglich für die Unterweisungen ist lediglich der Entleiher zuständig (§ 12 Abs. 2 S. 1 ArbSchG).

Verordnung zur arbeitsmedizini­schen Vorsorge

Die Zielsetzung der ArbMedVV, arbeitsbedingte Erkrankungen (einschl. Berufskrankheiten) frühzeitig zu erkennen und zu verhüten (§ 1 Abs. 1 S. 1 ArbMedVV), ist selbstverständlich auch auf COVID-19 anzuwenden.

Während sich in Bezug auf die Pflichtvorsorge nach § 4 ArbMedVV keine Anlässe in Anhang Teil 2 ArbMedVV finden (diesbezüglich wurde die ArbMedVV bislang nicht angepasst), so ist allerdings im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG, § 4 BioStoffV zu ermitteln, inwieweit Tätigkeiten mit Exposition gegenüber SARS-CoV-2 Anlässe für eine Angebotsvorsorge nach § 5 Abs. 1 ArbMedVV darstellen können.

Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn gezielte Tätigkeiten mit SARS-CoV-2 (z. B. im Labor) durchgeführt werden (§ 5 Abs. 1 i. V. m. Anhang Teil 2 Abs. 2 Nr. 1 lit. a ArbMedVV), da das Coronavirus SARS-CoV-2 in die Risikogruppe 3 eingestuft wurde (§ 3 Abs. 2 S. 1 BioStoffV i. V. m. Anhang III RL 2000/54/EG). Eine Angebotsvorsorge ist aber auch bei nicht gezielten Tätigkeiten nach der BioStoffV anzubieten, sofern die Tätigkeit der Schutzstufe 3 zuzuordnen ist oder eine vergleichbare Gefährdung besteht (Anhang Teil 2 Abs. 2 Nr. 1 lit. a ArbMedVV). Gleiches gilt für Tätigkeiten, die der Schutzstufe 3 zuzuordnen sind beziehungsweise für diesen vergleichbare Tätigkeiten (Anhang Teil 2 Abs. 2 Nr. 1 lit. b ArbMedVV). Insbesondere im Gesundheitsdienst mit entsprechend erhöhter Exposition in Bezug auf SARS-CoV-2 (z. B. Notaufnahme, Intensivstation, Altenheime, Rettungsdienst etc.) kann somit eine Angebotsvorsorge in Frage kommen.

Letztendlich muss der Betrieb auch Wunschvorsorge nach § 5a ArbMedVV, §11 ArbSchG ermöglichen. Dies gilt in Bezug auf alle Tätigkeiten, bei denen aufgrund SARS-CoV-2 mit einer Gesundheitsgefährdung zu rechnen ist. Dies betrifft beispielsweise alle Tätigkeiten mit erhöhtem Kundenkontakt in Gebieten mit hoher Infektionszahl (z. B. Verkaufspersonal im Einzelhandel, Personal im öffentlichen Personenverkehr, Polizei).

Aber auch, wenn eine Infektion mit SARS-CoV-2 erfolgt ist, muss der Betrieb dem betroffenen Beschäftigten unverzüglich eine Angebotsvorsorge anbieten (§ 5 Abs. 2 i. V. m. Anhang Teil 2 Abs. 2 Nr. 2 lit. a ArbMedVV). Dies ist aber aufgrund der hier regelmäßig erfolgenden Quarantäne (Absonderung i. S. v. § 30 IfSG) eher ein theoretisches Konstrukt. Nach Beendigung der Quarantäne muss aber unverzüglich das entsprechende Angebot nachgeholt werden, da hier gegebenenfalls festgestellt werden kann, ob eventuell in Bezug auf Arbeitsschutzmaßahmen nachgebessert werden muss. Weiterhin muss das Angebot auf die infektionsbedingte Angebotsvorsorge auch allen Beschäftigten angeboten werden, die Tätigkeiten durchführen, die mit der Tätigkeit der infizierten Person vergleichbar sind (§ 5 Abs. 2 S. 2 ArbMedVV).

Impfungen nach der ArbMedVV

Sobald COVID-19-Impfstoffe im Regelversorgungssystem verfügbar sind, kann weiterhin auch ein Impfanspruch nach der ArbMedVV bestehen, wenn das Risiko einer Infektion mit SARS-CoV-2 tätigkeitsbedingt und im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung erhöht ist (§ 6 Abs. 2 S. 3 ArbMedVV). Ob dies gegeben ist, ist im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG, § 4 BioStoffV zu ermitteln. Ist festgestellt, dass die den Impfanspruch begründeten Umstände (Tätigkeitsbezug, erhöhte Gefährdung) vorliegen, so besteht im Rahmen der Angebots- und Wunschvorsorge ein Impfanspruch in Bezug auf COVID-19-Impfungen. Die faktische Umsetzung kann hier allerdings erst dann erfolgen, wenn COVID-19-Impfstoffe auch tatsächlich über das Regelversorgungssystem (Apotheken) verfügbar sind.

Arbeitsschutzregel

Anders als im Infektionsschutzrecht (hier erfolgte 2020 mehrfach eine Gesetzesan­passung/-ergänzung) erfolgten im Arbeitsschutzrecht in Bezug auf COVID-19 keine entscheidenden Anpassungen. Allerdings haben die Arbeitsschutzausschüsse des ­Bundesministeriums für Arbeit und Soziales1 eine Technische Regel (SARS-CoV-2- Arbeitsschutzregel) erstellt, die am 20.08.2020 im Gemeinsamen Ministerialblatt veröffentlicht wurde (GMBl. 2020, S. 484–495).

Die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel enthält Konkretisierungen der Anforderungen des ArbSchG und der aufgrund der ArbSchG erlassenen Rechtsverordnungen. Sie gelten als Stand der Technik, der Arbeitsmedizin, der Hygiene und sonstiger arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse i. S. v. § 4 Nr. 3 ArbSchG. Bei Einhaltung der in der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel enthaltenen Regelungen kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass der Arbeitgeber die diesbezüglichen coronabezogenen Regelungen einhält (rechtliche Vermutungswirkung; vgl. § 3 Abs. 1 S. 3 ArbMedVV, § 8 Abs. 5 S. 3 BioStoffV).

Fazit

Die meisten Tätigkeiten mit Exposition gegenüber SARS-CoV-2 können unter bereits vorhandene Tatbestände des Arbeitsschutzrechts subsumiert werden. Dies beinhaltet zugleich eine Verpflichtung, diese Regelungen dann auch anzuwenden. Nur so kann verlässlich eventuellen Regressforderungen der Unfallversicherungsträger nach § 110 Sozialgesetzbuch (SGB) VII entgegengewirkt werden. Zugleich wird mit der coronaspezifischen Umsetzung des Arbeitsschutzes ein wichtiger Beitrag geleistet, Infektionsketten zu unterbrechen und somit zu einer Normalisierung der Lage in 2021 beizutragen.

Interessenkonflikt: Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.

Weitere Infos

Bundesministerium für Arbeit und Soziales: SARS-CoV-2-­Arbeitsschutzverordnung https://www.bmas.de/DE/Service/Gesetze/sars-cov-2-arbeitsschutzverordnu…

Robert Koch-Institut (RKI): Epidemiologisches Bulletin 2/2021, Beschluss der STIKO zur 1. Aktualisierung der COVID-19-Impfempfehlung, S. 8 f. https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2021/Ausgaben/02_2…

Eine schwangere oder stillende Frau darf keine Tätigkeiten ausüben, bei denen sie in einem Maß mit Biostoffen der Risikogruppe 3 (folglich auch SARS-CoV-2) in Kontakt kommt, dass dies für sie oder ihr Kind eine unverantwortbare Gefährdung darstellt

Foto: Drazen_ / Getty Images

Eine schwangere oder stillende Frau darf keine Tätigkeiten ausüben, bei denen sie in einem Maß mit Biostoffen der Risikogruppe 3 (folglich auch SARS-CoV-2) in Kontakt kommt, dass dies für sie oder ihr Kind eine unverantwortbare Gefährdung darstellt

Kontakt

Patrick Aligbe
LL. M. (Medizinrecht); Sauerbruchstr. 10; 81377 München

Foto: privat

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