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Zusammenfassung der Leitlinie

„Einsatz von Exoskeletten im beruflichen Kontext zur Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention von arbeitsassoziierten muskuloskelettalen Beschwerden“

Leitlinienniveau und beteiligte Fachgesellschaften: Bei der Leitlinie handelt es sich um eine Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V., AWMF) mit dem Niveau S2k. Die formalen Kriterien dafür sind eine für den Adressatenkreis repräsentative Leitliniengruppe und eine strukturierte Konsensusfindung (Version 1.1 vom 27.03.2013, AWMF Regelwerk 2013). Federführende Fachgesellschaft ist die Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e.V. unter Beteiligung der Gesellschaft für Arbeitswissenschaft e.V., Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V., Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie e.V., Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V., Deutsche Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention e.V., Deutsche Schmerzgesellschaft e.V.

Autoren: Benjamin Steinhilber, Tessy Luger, Peter Schwenkreis, Stefan Middeldorf, Hartmut Bork, Bernhard Mann, Alexander von Glinski, Thomas A. Schildhauer, Stephan Weiler, Martin Schmauder, Kai Heinrich, Gabriele Winter, Gerhard Schnalke, Peter Frener, Ralf Schick, Sascha Wischniewski, Matthias Jäger

Hintergrund und Ziel der Leitlinie

Die Prävention arbeitsassoziierter Muskel-Skelett-Beschwerden (MSB) und Muskel-Skelett-Erkrankungen (MSE) hat vor dem Hintergrund der Prävalenz von MSB und MSE und der damit verbundenen hohen Belastung der Gesundheitssysteme, Wirtschaft und der Betroffenen selbst einen hohen Stellenwert. Ob die Verwendung von Exoskeletten zur Prävention von MSB oder gar MSE beiträgt, wird aktuell kontrovers diskutiert. Die Leitlinie thematisiert Einsatzmöglichkeiten von Exoskeletten in der betrieblichen Anwendung zur Prävention von MSB. Dabei werden die Bereiche Primär-, Sekundär-, und Tertiärprävention von MSB differenziert sowie auch allgemeine Empfehlungen zur Nutzung und Implementierung von Exoskeletten sowie zur Gefährdungsbeurteilung gegeben. Die Leitlinie richtet sich an Betriebsärztinnen und Betriebsärzte, Arbeitsmedizinerinnen und Arbeitsmediziner, Ergonominnen und Ergonomen, Fachkräfte für Arbeitssicherheit, Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sowie alle weiteren Akteurinnen und Akteure des praktischen Arbeitsschutzes, die die Anwendung von Exoskeletten im Betrieb begleiten.

Zusammensetzung der Leitliniengruppe

Die Mitglieder der Leitliniengruppe, die diese Leitlinie erstellt haben, sind Ärztinnen und Ärzte sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Bereichen Arbeitsmedizin, Arbeitswissenschaft, Ergonomie, Arbeitsschutz, Biomechanik, Orthopädie, Orthopädische Chirurgie und Unfallchirurgie, Neurologie, Schmerzforschung sowie Sozialmedizin und Prävention. Zudem sind Vertreter der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, verschiedener Berufsgenossenschaften (BG Handel und Warenlogistik, BG Holz und Metall, BG Verkehrswirtschaft Post-Logistik Telekommunikation), der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin und aus dem Bereich der Rehabilitation mit einem hohen Bezug zur beruflichen Praxis in der Leitliniengruppe vertreten. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sowie Beschäftigte waren nicht direkt an der Leitlinienerstellung beteiligt, da diese Assistenzsysteme im Zeitraum der Leitlinienerstellung noch kaum routinemäßig eingesetzt wurden. Dennoch wurden Firmen, in denen zum Zeitpunkt der Leitlinienerstellung Exoskelette erprobt wurden, nach ihren Erfahrungen und Intentionen bei der Nutzung von Exoskeletten befragt.

Literaturrecherche und Befragung

Zur Erstellung der Leitlinie führten die Autorinnen und Autoren eine systematische Literaturrecherche durch, um den wissenschaftlichen Kenntnisstand zur präventiven Wirkung von Exoskeletten im betrieblichen Kontext aufzuarbeiten. Von 6290 potenziell passenden Literaturstellen wurden nach Prüfung der Titel und Abstracts 216 Volltexte auf ihre thematische Passung geprüft. Schließlich wurden 114 Artikel für die qualitative Synthese genutzt. Ergänzend wurden Fragen zur Anwendung von Exoskeletten an 19 Firmen, die bereits Exoskelette erprobt haben, sowie neun Exoskeletthersteller gestellt. Von sieben Firmen und einem Exoskeletthersteller wurden die Fragen beantwortet. Die gefundene Literatur und die Ergebnisse der Befragung wurden schließlich zur Ableitung von Kernaussagen und Empfehlungen genutzt.

Entwicklung der Empfehlungen

In der gesichteten wissenschaftlichen Literatur (Stand Juli 2019) fanden sich keine Erkenntnisse zum Nachweis einer präventiven Wirkung von Exoskeletten auf Beschwerden oder Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems – weder primär-, noch sekundär- oder tertiärpräventiv. Die gesichtete Literatur beschränkte sich auf die Wirkung von Exoskeletten auf Belastungen und Beanspruchungen des Muskel-Skelett-Systems und gegebenenfalls auf deren „Umverteilungen”, auf biomechanische und physiologische Prinzipien und Wirkungsweisen sowie auf arbeitstechnische Bedingungen für die Nutzung und Implementierung im beruflichen Alltag. Zudem wurden bedeutsame Limitationen der methodischen Qualität der gesichteten Publikationen identifiziert sowie Beschränkungen bezüglich der untersuchten Tätigkeiten, die für die Arbeitswelt allenfalls punktuell repräsentativ sind. Die gesichteten Publikationen hatten daher erhebliche Einschränkungen hinsichtlich ihrer Übertragbarkeit auf andere berufliche Tätigkeiten oder Anwendergruppen. Aufgrund der fehlenden Evidenz wurden die Empfehlungen dieser Leitlinie gemäß dem AWMF-Regelwerk (Version 1.1 vom 27.03.2013, AWMF Regelwerk 2013) im Rahmen einer Konsensuskonferenz innerhalb der Leitliniengruppe verabschiedet. Die konsentierten Empfehlungen wurden anschließend von den Vorständen der beteiligten Fachgesellschaften freigegeben. Vom 1. Juni bis 3. Juli 2020 stand die Leitlinie in einer Konsolidierungsfassung auf der Website der AWMF zur Kommentierung. Es gab keine inhaltlichen Kommentare.

Ergebnisse

Die Leitlinie enthält 20 Empfehlungen und 4 Kernaussagen, die alle im Konsens verabschiedet wurden. Am Ende der Leitlinie werden wichtig Forschungsfelder für zukünftige Studien aufgezeigt. Die wichtigsten Kernaussagen und Empfehlungen sind in den beiden Kästen oben aufgelistet.

Benjamin Steinhilber und Matthias Jäger

Bitte beachten Sie, dass stets die aktuell gültige Version dieser Leit­linie auf der Website der AWMF zitiert werden sollte:
https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/002-046.html

Nächste Überprüfung geplant: 2023/30/05

Kommentare und Hinweise für den Aktualisierungsprozess sind ausdrücklich erwünscht und können an das Leitliniensekretariat gesendet werden (Leitlinienbeauftragte der DGAUM: Prof. Dr. med. Monika A. Rieger, leitlinien@dgaum.de).

Literatur

AWMF-Regelwerk Leitlinien, 2013. Das AWMF-Regelwerk Leitlinien. Ständige Kommission Leitlinien der AWMF. Version 1.1 vom 27.02.2013.

Empfehlungen

  • A) Für Arbeitsplätze, an denen Exoskelette eingesetzt werden, soll eine spezifische Gefährdungsbeurteilung mit Bezug zum verwen­deten Exoskelett durchgeführt werden.
  • B) Dafür sollte die Arbeitshilfe zur Gefährdungsbeurteilung der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung verwendet werden ­(https://www.dguv.de/medien/ifa/de/pra/ergonomie/gefaehrdungs­beurteilung_exoskelette.pdf).

  • So lange ein gesundheitlicher Vorteil durch die Verwendung von Exoskeletten bei beruflichen Tätigkeiten nicht durch wissenschaftliche Evidenz gesichert ist, soll die Nutzung eines Exoskeletts für die Beschäftigten freiwillig sein.
  • A) Die Anwendung von Exoskeletten soll medizinisch-technisch durch Praktiker des Arbeitsschutzes, insbesondere die/den betriebsbetreuende(n) Ärztin/Arzt, überwacht werden.
  • B) Dabei sollten Beschäftigte regelmäßig befragt sowie eine regelmäßige körperliche Untersuchung durch die/den betriebsbetreuende(n) Ärztin/Arzt angeboten werden.

    Kernaussagen

  • Die Maßnahmenhierarchie des Arbeitsschutzes muss beim Einsatz von Exoskeletten eingehalten werden.
  • Eine präventive Wirkung von Exoskeletten auf Muskel-Skelett-­Beschwerden oder sogar Muskel-Skelett-Erkrankungen kann auf Basis des derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstands und der Erfahrungen aus der beruflichen Praxis nicht begründet werden, das heißt, es besteht weder eine primär- noch eine sekundär- oder ­tertiärpräventive Wirkung.
  • Es besteht keine ausreichende Evidenz zum Einsatz von Exoskeletten bei Beschäftigten mit Rückenschmerzen, Gelenkbeschwerden oder Schmerzen der Muskulatur und umgebenden Strukturen hinsichtlich einer Symptomlinderung oder Vorbeugung einer Symptomverschlimmerung.