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Geringe anti-SARS-CoV-2-Seroprävalenz unter Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes in Bremen

J. Neumann1

H. Zeeb2,3

A. Dotzauer4

O. Janssen-Weets4

(eingegangen am 08.06.2020, angenommen am 24.06.2020)

Low anti-SARS-CoV-2 seroprevalence among public sector employees in Bremen

An epidemiological observational study was conducted in order to estimate seroprevalence (SARS-CoV-2 serology) among public sector employees in the state of Bremen by using an established ELISA test system. Those who took part were police officers, firefighters, rescue personnel, health workers and administrative staff who worked despite the lockdown and may have been in contact with COVID-19 infected individuals.

The results show a small number of previously undiscovered cases (3/281) and, in addition, a low seroprevalence (2.1 %; 6/281) among public service employees. We believe this data is important for further research and for epidemiological purposes. It may also be useful for decision makers.

Keywords: COVID-19 – virology – epidemiology – seroprevalence – unreported cases

ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2019; 55: 515-516

Geringe anti-SARS-CoV-2-Seroprävalenz unter Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes in Bremen

Es wurde eine epidemiologische Beobachtungsstudie zur Schätzung der Seroprävalenz (SARS-CoV-2-Serologie) bei Beschäftigten des öffentlichen Dienstes im Bundesland Bremen mit Hilfe eines etablierten ELISA-Testsystems durchgeführt. Polizeibeamte, Feuerwehrleute sowie Rettungsdienstpersonal, Mitarbeiter der Gesundheitsdienste, Ordnungsamt- und Verwaltungspersonal, die trotz des „Lockdown“ arbeiteten und möglichen Kontakt zu COVID-19 Infizierten hatten, wurden einbezogen.

Die Ergebnisse zeigen eine geringe Anzahl bisher unentdeckter Fälle (3/281) und darüber hinaus eine geringe Seroprävalenz (2,1%; 6/281) unter den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. Wir halten diese Daten für die weitere Forschung und für epidemiologische Zwecke für wichtig. Es kann zudem für Entscheidungsträger von Nutzen sein.

Schlüsselwörter: COVID-19 – Virologie – Epidemiologie – Seroprävalenz – Dunkelziffer

Einleitung

Um die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf den bremischen Öffentlichen Dienst abschätzen zu können, wurde eine serologische Studie bei Beschäftigten durchgeführt. Nach einem positiven Votum der Ethik-Kommission der Ärztekammer Bremen (Vorlage-Nr.: 713) wurde die monozentrische, nicht-interventionelle epidemiologische Querschnittsstudie in das Deutsche Register Klinischer Studien aufgenommen (DRKS-ID: DRKS00021289).

Methode

Bei den freiwilligen Studienteilnehmenden wurden im Zeitraum vom 31. März bis 16. Mai 2020 Blutproben auf anti-SARS-CoV-2-IgA- und IgG-Antikörper durch ein akkreditiertes Labor mittels Enzyme-linked Immunosorbent Assay (ELISA; Euroimmun AG, Kiel) analysiert. Der IgG-ELISA wies nach Herstellerangaben eine Spezifität von 99,6 % und eine Sensitivität von 93,8 % auf. Die Werte für den IgA-ELISA lagen bei 92,4 % (Spezifität) und 90–100 % (Sensitivität). Der IgG-Test erhielt am 05. 05. 2020 die „emergency use authorization“ von der „U.S. Food and Drug Administration (FDA)“ (FDA News Release 2020). Darüber hinaus wurden mittels Fragebogen-Screening Angaben zu klinischen Beschwerden der letzten drei Monaten und etwaigen PCR-Vortests der getesteten Personen erfasst.

Die an der Studie teilnehmenden Personen gliederten sich in Gesundheitsdienste [Gesundheitsamt, Arbeitsmedizinischer Dienst (n = 112)], Feuerwehr und Rettungsdienste (86), Polizei (26), Ordnungsamt (32) und Personen einer Senatorischen Behörde (25). Enthalten waren dabei auch Personenkreise, die selbst im Sinne von „Abstrich-Teams“ bei PCR-Tests unterstützt haben, sowie Personen, die zur Einhaltung beziehungsweise Überwachung der Quarantänen nach Infektionsschutzgesetz eingesetzt wurden. Einen direkten Kontakt zu bestätigten COVID-19 Fällen wurde dabei in 22,8 % (n = 64) angegeben.

Ergebnis

Im Ergebnis wurden insgesamt bei sechs von 281 teilnehmenden Personen IgG-Antikörper nachgewiesen (Seroprävalenz 2,1 %, 95 %-KI 0,08–4,9). Alle sechs wiesen ebenfalls hoch-positive IgA-Werte auf. Drei dieser Personen waren vorher mittels PCR-Test positiv getestet worden, eine negativ und zwei wurden vorher nicht getestet. Damit wurden alle bekannten positiven Fälle durch das serologische Testsystem klar identifiziert, und für das hier untersuchte Kollektiv ist von einem Faktor 2 zwischen vorab mittels RT-PCR erkannten und nicht erkannten Fällen auszugehen.

Die Daten zur Seroprävalenz korrelieren mit Ergebnissen, die bei Untersuchungen von Beschäftigten der Charité Berlin sowie des Universitätsklinikums Essen gewonnen wurden (Deutsches Ärzteblatt 2020; Korth et al. 2020).

Bei 31 weiteren Personen wurden ausschließlich IgA-Antikörper detektiert. Zur Klärung der Ergebnisse erfolgte eine partielle Nachtestung dieser Personengruppe (n = 24) nach 13–23 Tagen. In keinem dieser Fälle konnte ein Antikörperklassenwechsel zu IgG oder ein wesentlicher IgA-Titeranstieg beobachtet werden. Insofern ist im Vergleich zum IgG-ELISA eine geringere Spezifität des IgA-ELISA anzunehmen.

72,5 % der Teilnehmenden gaben klinische Beschwerden innerhalb der letzten drei Monate an, wobei typische Erkältungssymptome wie „Husten“ (n = 119), „verstopfte Nase“ (122) sowie „Kopf-“ (131) und „Halsschmerzen“ (128) dominierten.

Fünf der sechs IgG-positiv getesteten Personen litten an Krankheitssymptomen, wobei am häufigsten „Kopfschmerzen“ und „verstopfte Nase“ auftraten. „Kurzatmigkeit“ und „Fieber“ traten nur in einem beziehungsweise zwei Fällen auf. 50 % der positiv Getesteten gaben einen direkten Kontakt zu bestätigten COVID-19 Fällen an.

Einen PCR-Vortest wiesen 16,4 % aller teilnehmenden Personen (n = 46) auf, der bei 6,5 % der Fälle ein positives Resultat ergab. Diese Positivrate deckt sich mit Angaben zu der Anzahl aller in Deutschland positiven SARS-CoV-2-Testungen, die für die 16. Kalenderwoche mit 6,7 % angegeben wurde (Robert Koch-Institut 2020).

Diskussion

Die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere Personengruppen erscheint nur bedingt möglich. Bei den untersuchten Gruppen handelt es sich einerseits um Personen, die eine berufliche Tätigkeit innerhalb des öffentlichen Dienstes innehatten und zudem trotz des „Lockdown“ weiterhin ihren Arbeitsaufgaben nachgekommen sind. Gleichzeitig waren sie durch die Art der Tätigkeiten einem erhöhten Kontaktrisiko zu COVID-19 erkrankten Personen ausgesetzt.

Andererseits verfügten diese Personen zu einem hohen Anteil über eine gewisse Erfahrung im Umgang mit potenziell Erkrankten und auch Kenntnisse zu Grundlagen der Hygiene können vorausgesetzt werden. Des Weiteren war im Rahmen der Verfügbarkeit entsprechende persönliche Schutzausrüstung (PSA) vorhanden und konnte jeweils genutzt werden.

Nichtsdestotrotz konnte eine massive Infizierung dieser Personengruppen mit dem vermutlich höchsten Risiko einer SARS-CoV-2-
Infektion in Zeiten des „Lockdown“ bisher nicht nachgewiesen werden. Es erscheint unwahrscheinlich, dass andere Bereiche des öffentlichen Dienstes, deren Beschäftigte zum Teil im „Homeoffice“ tätig waren und damit über deutlich weniger berufliche infektionsrelevante Kontakte verfügten, eine höhere Prävalenz als die der untersuchten Bereiche aufweisen.

Schlussfolgerung und Fazit

Eine Ansteckungsgefahr für Bürgerinnen und Bürger durch Beschäftigte der untersuchten Personengruppen kann als gering eingeschätzt werden. Eine Krankheitsübertragung durch die beschriebenen Personenkreise im Sinne eines Multiplikatoreffekts ist aufgrund der niedrigen Prävalenz aktuell nicht in relevantem Ausmaß zu befürchten.

Zusammenfassend weisen die Ergebnisse auf eine geringe Seroprävalenz und eine relativ niedrige Anzahl nicht erkannter SARS-CoV-2-Infektionen bei Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in Bremen hin. Weitere vergleichende Untersuchungen im Zeitverlauf sind notwendig, um diese Ergebnisse besser einordnen zu können.

Interessenkonflikt: Die Autoren geben an, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.

Literatur

EUROIMMUN AG: https://www.coronavirus-diagnostik.de/fileadmin/coronavirus/pdf/PR/Wich… (06.05.2020).

FDA News Release: Coronavirus (COVID-19) Update: Daily Roundup May 5, 2020. https://www.fda.gov/news-events/press-announcements/coronavirus-covid-1… (05.05.2020).

Deutsches Ärzteblatt: Wenig Infektionen beim Charité-Personal. https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/112809/Wenig-Infektionen-beim-Ch… (19.05.2020).

Korth J et al.: SARS-CoV-2-specific antibody detection in healthcare workers in Germany with direct contact to COVID-19 patients. J Clin Virol 2020; 128: 104437.

Robert Koch-Institut: Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19). 22.04.2020 – Aktualisierter Stand für Deutschland. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situations… (03.06.2020).

Kontakt:

Dr. med. Jan Neumann, MaHM
Performa Nord, Zentrum für Gesunde Arbeit
Arbeitsmedizinischer Dienst
Bahnhofstraße 35
28195 Bremen
jan.neumann@performanord.bremen.de