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Belastungen und Gefährdungen bei berufsbedingter Mobilität: eine Tagebuchstudie

A. Jandova

(eingegangen am 11.07.2019, angenommen am 29.10.2019)

Stresses and risks in job-related mobility: a diary study

Goal: A quarter of full-time workers in Germany are mobile for their work (mobile jobs, weekend commuters and long-distance commuters), which is attributable among other things to the increasing need for a customer- and service-centred approach and to the demand for mobile care for the elderly. In 2012, 139 people died in road traffic whilst going about their business. The consequences of traffic accidents are considerably more serious than those of other occupational accidents and require more time off work. At the same time, they represent a particular challenge for prevention since they mostly happen outside company premises.

Methods: The diary study was one of several data collection methods used within the scope of the DGUV-funded project “BestMobil: Work-related mobility – Identification and Testing of Prevention Approaches”. The diary was completed in the morning/before the shift and in the evening/after the shift. It contained questions about the expectations of the day, well-being (before/after), working and driving hours, break duration, psychological and physical stress, conflicts, supporting factors and the short-term consequences of psychological strain.

Results: The analysis of the diary entries (pre-test) of n=36 participants from nine companies allows an insight into the daily routine of mobile workers. It provides information on very long working hours with rather short breaks, the most common conflicts, factors that make the day easier for mobile workers and the most frequent psychological and physical complaints.

Conclusion: The results of the study show that good time management, which includes good preparation, scheduled breaks and times buffers, has high prevention potential.

Keywords: psychological strain – job mobility – car accidents – stress – diary

ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2019; 55: 38-42

Belastungen und Gefährdungen bei berufsbedingter Mobilität: eine Tagebuchstudie

Zielstellung: Ein Viertel der Vollzeitbeschäftigten in Deutschland ist berufsbedingt mobil (mobile Tätigkeit, Wochenendpendeln und Fernpendeln), was unter anderem auf die steigende Notwendigkeit einer Kunden- bzw. Dienstleistungsorientierung oder Nachfrage nach mobiler Altenpflege zurückzuführen ist. In 2012 fanden 139 Personen ihren Tod im Straßenverkehr, während sie ihren beruflichen Verpflichtungen nachgegangen sind. Verkehrsunfälle haben deutlich schwerere Folgen und längere Ausfallzeiten als andere Arbeitsunfälle, und sie stellen gleichzeitig eine besondere Herausforderung für die Prävention dar, da sie nur zu einem kleinen Teil bei innerbetrieblichen Wegen und Tätigkeiten geschehen.

Methode: Die Tagebuchbefragung stellt eine von mehreren Datenerhebungsmethoden, die im Rahmen des Projekts „BestMobil: Berufsbedingte Mobilität – Identifizierung und Erprobung von Präventionsansätzen“ (DGUV) eingesetzt wurden. Das Tagebuch wurde früh/vor der Schicht und abends/nach der Schicht ausgefüllt und enthielt Fragen zur Erwartungshaltung an den Tag; zum Wohlbefinden (vorher/nachher), zur Arbeits-, Fahrt- sowie Pausendauer, zur psychischen und physischen Belastung, Konflikten, zu unterstützenden Faktoren sowie zu kurzfristigen Folgen psychischer Fehlbeanspruchung.

Ergebnisse: Die Auswertung der Tagebucheinträge (Pretest) von n=36 Teilnehmern aus neun Unternehmen gibt Einblick in den Alltag der mobil Tätigen. Es liegen Informationen über sehr lange Arbeitszeiten bei gleichzeitig eher kurzen Pausen, die häufigsten Konflikte und Faktoren, die den mobilen Arbeitstag leichter machen, sowie über die häufigsten psychischen und physischen Beschwerden vor.

Schlussfolgerung: Aus den Ergebnissen geht hervor, dass ein gutes Terminmanagement, das sowohl gute Vorbereitung, feste Pausenzeitfenster sowie auch Zeitpuffer einbezieht, ein hohes Präventionspotenzial aufweist.

Schlüsselwörter: psychische Belastung – berufliche Mobilität – Verkehrsunfälle – Stress – Tagebuch

Zielstellung

Ein Viertel der Vollzeitbeschäftigten in Deutschland ist berufsbedingt mobil (mobile Tätigkeit, Wochenendpendeln und Fernpendeln; Hüffmeier u. Windel 2014), was unter anderem auf die steigende Notwendigkeit einer Kunden- bzw. Dienstleistungsorientierung oder Nachfrage nach mobiler Altenpflege zurückzuführen ist. Sie nehmen die Herausforderungen aus dem Betrieb mit in den häufig hektischen Verkehr – diese komplexe Situation stellt hohe Anforderungen an die mobil Tätigen. Mobil Tätige denken über die Probleme der Kundschaft nach (Salminen u. Lähdeniemi 2002), sind abgelenkt und stehen aufgrund von Terminverzögerungen oft unter Zeitdruck (Vartiainen u. Hyrkkänen 2010). Diese Faktoren wirken sich auf die Fahrsicherheit und Einhaltung der Verkehrsregeln aus (Rowden et al. 2011). Folge ist, dass es bei berufsbedingter Mobilität immer häufiger zu Unfällen mit schweren Verletzungen oder Todesfolge kommt. In 2016 fanden 112 Personen den Tod im Straßenverkehr, während sie ihren beruflichen Verpflichtungen nachgegangen sind (BAuA 2017). Verkehrsunfälle haben deutlich schwerere Folgen und längere Ausfallzeiten als andere Arbeitsunfälle, und sie stellen gleichzeitig eine besondere Herausforderung für die Prävention dar, da sie nur zu einem kleinen Teil bei innerbetrieblichen Wegen und Tätigkeiten geschehen (Vollrath u. Krems 2011). Obwohl die Unfallforschung in Unternehmen betrieben wird, sind weder die Belastungen der mobil Beschäftigten noch die Wirksamkeit von Maßnahmen zur Vermeidung solcher Unfälle genauer untersucht. Aus diesem Bedarf heraus entstand die Idee für das Projekt „BestMobil“.

Ziel des DGUV-geförderten Projekts „BestMobil – Berufsbedingte Mobilität: Identifizierung und Erprobung von Präventionsansätzen“ ist es zum einen, die Belastungen und Gefährdungen von mobil Tätigen zu beschreiben. Zum anderen sollen wissenschaftlich fundierte und empirisch überprüfte Präventionsmaßnahmen bei berufsbedingten mobilen Tätigkeiten ermittelt und Empfehlung für Unternehmen und Institutionen, insbesondere Unfallversicherungsträger abgeleitet werden.

Im Projekt werden Berufe fokussiert, deren Ausübung zunächst eine Fahrt zur Kundschaft erfordert, Berufsfahrerinnen und -fahrer sind daher ausgeschlossen („mobility for work“; Cohen 2010). Zunächst wurde in den teilnehmenden Unternehmen eine Online-Befragung zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung (Instrument GUROM) durchgeführt. Im Anschluss daran wurden über tätigkeitsbezogene Arbeitssystemanalysen die verkehrsbezogenen Rahmenbedingungen der Tätigkeit eruiert. Vertiefende belastungsbezogene Informationen lieferte schließlich ein Tagebuch-Einsatz (über fünf Arbeitstage), ergänzt um erhobene physiologische Stressmarker (Fahrbegleitung). Die in diesem Artikel vorgestellte Tagebuchstudie stellt somit einen Teil des Prätests dar, auf dessen Grundlage geeignete Maßnahmen in teilnehmenden Unternehmen ausgewählt und anschließend evaluiert wurden.

Das Ziel der Tagebucherhebung war die Erfassung von täglichen, situativen Bedingungen, unter denen mobil Tätige arbeiten. Die Analyse der Belastungen und Ressourcen dient als Ausgangsbasis für die Planung präventiver Maßnahmen für diese Zielgruppe. Über die Aggregation der Daten sollte eine reliable Auskunft über die Arbeitsbedingungen und Gefährdungsfaktoren wie Arbeitszeit, Fahrtzeit, Pausendauer, Konflikte oder psychische Fehlbeanspruchung gewonnen werden.

Methoden

Im Zeitraum von 01/2018 bis 03/2019 wurden n=36 mobil tätige Beschäftigte aus neun Unternehmen mittels eines Tagebuchs befragt. ➥ Tabelle 1 fasst die Berufszugehörigkeit der Befragten zusammen.

Die an der Tagebuchstudie Teilnehmenden wurden gebeten, an fünf zusammenhängenden Tagen jeweils vor der Arbeit sowie zum Schichtende einen knapp gehaltenen Fragebogen auszufüllen. Somit liegen insgesamt Daten über 36 x 5 = 180 Arbeitstage vor. Die Fragen, die früh/vor der Schicht gestellt wurden, bezogen sich auf die Schlafqualität, Erwartungen an den Tag, das Vorbereitetsein sowie das Wohlbefinden. Bei allen genannten Aspekten hatten die Antwortmöglichkeiten folgendes Format: eine 5-stufige Skala mit Beispielwerten 1 „trifft zu“ – 3 „weder noch“ – 5 „trifft nicht zu“. Nach der Arbeit wurden die teilnehmenden Personen gebeten, den Termindruck sowie die körperliche Belastung an dem Tag einzuschätzen (bei beiden Aspekten hatten die Antwortmöglichkeiten folgendes Format: eine 5-stufige Skala mit Beispielwerten 1 „sehr gering” – 3 „mittelmäßig“ – 5 „sehr groß“). Ferner sollte quantitativ Auskunft über Konflikte (Kundschaft, Vorgesetzte oder Kolleginnen und Kollegen, andere Verkehrsteilnehmer) und belastende Veränderungen im Tagesablauf gegeben werden, sowie über Dinge berichtet werden, die den aktuellen Tag leichter gemacht haben (organisationsbezogene Ressourcen, Unterstützung, zwischenmenschliche Kommunikation). Darüber hinaus wurden die Teilnehmenden gebeten, die Anzahl der gearbeiteten und gefahrenen Stunden sowie die Länge der Pause anzugeben. Abschließend wurden Angaben zu körperlichen und psychischen Beschwerden gemacht. Bei der Einstufung der Fehlbeanspruchungen konnten die Befragten eine Antwort auf einer 5-stufigen Skala wählen, zwischen 1 „etwas belastend“ bis 5 „äußerst belastend“.

Im Fall der Einzelunternehmerin sowie der Kleinstunternehmen handelt es sich um eine Vollbefragung, in allen anderen Unternehmen wurden jeweils fünf ausgewählte/freiwillige Beschäftigte befragt (die Rücklaufquote liegt deshalb bei 97%). Insgesamt handelte es sich um 15 Frauen und 16 Männer, bei fünf Personen stand die Geschlechtsangabe nicht zur Verfügung. Eine befragte Person gab an, zwischen 18 und 27 Jahren alt zu sein. Sechs Personen gehören der Altersgruppe 28–37 Jahre an, sieben der Altersgruppe 38–47 Jahre. Das Alter der meisten Personen (n=16) lag zwischen 48 und 57 Jahren, eine Person war älter. Bei fünf Personen stand die Altersangabe leider nicht zur Verfügung. Von den 36 Befragten waren n=24 vollzeitbeschäftigt, neun Personen in Teilzeitbeschäftigung (= durchschnittliche tägliche Arbeitszeit 7,5 und weniger Stunden), bei drei Personen konnte aufgrund lückenhaften Arbeitszeitangaben keine eindeutige Zuordnung vorgenommen werden. Alle Teilzeitbeschäftigten gehörten der Gruppe der ambulanten Pflegedienste an. In jeweils beinahe der Hälfte der Fälle haben die Respondenten in ihren Tagebüchern eine Frühschicht beziehungsweise die übliche Tagesarbeitszeit dokumentiert (jeweils 44%). 11% der Tagebucheinträge bezogen sich auf eine Spätschicht und einmal wurde eine Nachtschicht festgehalten. ➥ Tabelle 2 fasst die Charakteristik der Stichprobe zusammen.

Tabelle 2:  Teilnehmer der Tagebuchstudie – Alter, Geschlecht, Beschäftigungsumfang und erfasste SchichtTable 2: Participants of the diary study – age, sex, employment level, documented shift

Tabelle 2: Teilnehmer der Tagebuchstudie – Alter, Geschlecht, Beschäftigungsumfang und erfasste Schicht
Table 2: Participants of the diary study – age, sex, employment level, documented shift

Ergebnisse

Die Befragten (n=36) gaben vor der Arbeitsaufnahme an, in der vorausgegangenen Nacht im Durchschnitt 6,12 Stunden geschlafen zu haben (Durchschnitt min. 4,55 Stunden bis max. 8,0 Stunden). Die meisten haben ihren Schlaf im Durchschnitt als erholsam bezeichnet (M=2,2; min. 1,0 bis max. 4,2) und sahen dem Arbeitstag entspannt entgegen (M=2,0; min. 1,0 bis max. 4,8). Ebenso fühlten sich die meisten für den Tag im Durchschnitt gut vorbereitet (M= 1,78; min. 1,0 - max. 3,4). Zu Beginn der Schicht stand der Hälfte der Befragten keine schwierige Aufgabe bevor, etwa ein Drittel hatte an einem der fünf Tage eine schwierige Aufgabe zu erledigen und für vier Befragte war dies an 3–4 Tagen der Fall.

Zum Ende des Arbeitstages gaben die Befragten in Vollzeitbeschäftigung (n=24) an, im Durchschnitt 9,20 Stunden gearbeitet zu haben (min. 8 – max. 12,35 Stunden). Fast ein Drittel der Vollzeitbeschäftigten (n=7) arbeitete im Durchschnitt 10 Stunden oder länger pro Tag. Im Vergleich der drei Zielgruppen weisen die im Außendienst arbeitenden und beratenden Beschäftigten die längste durchschnittliche Arbeitszeit auf (➥ Abb. 1).

Abb. 1:  Durchschnittliche tägliche Arbeitszeit in drei Zielgruppen (Box-Plot)Fig. 1: Average daily working hours in three different occupation groups (Box-Plot)

Abb. 1: Durchschnittliche tägliche Arbeitszeit in drei Zielgruppen (Box-Plot)
Fig. 1: Average daily working hours in three different occupation groups (Box-Plot)

Die Arbeitszeit der Vollzeitbeschäftigten wurde durch Pausen unterbrochen, die im Durchschnitt 32 Minuten lang waren (min. 0 bis max. 87 Minuten). Ein Drittel der Befragten (n=8) machte jedoch während ihrer (im Durchschnitt 9,20 Stunden langen) Arbeitszeit eine Pause, die kürzer als eine halbe Stunde ausfiel. Während der angegebenen Arbeitszeit waren die Befragten im Durchschnitt 3,10 Stunden im Auto unterwegs (min. 0 bis max. 7,05 Stunden), ein Viertel war länger als vier Stunden unterwegs. Im Vergleich der drei Zielgruppen verbringen die Beschäftigen im Service und Monteure die längste Zeit im Auto (➥ Abb. 2).

Abb. 2:  Durchschnittliche tägliche Fahrtzeit in drei Zielgruppen (Box-Plot)Fig. 2: Average daily driving hours in three different occupation groups (Box-Plot)

Abb. 2: Durchschnittliche tägliche Fahrtzeit in drei Zielgruppen (Box-Plot)
Fig. 2: Average daily driving hours in three different occupation groups (Box-Plot)

Der Arbeitstag der Teilzeitbeschäftigten (n=9) betrug im Durchschnitt 6,20 Stunden (min. 5 bis max. 7,40 Stunden). Ihre Pausenlänge war im Durchschnitt 21 Minuten lang (min. 0 bis max. 72 Minuten). Die Hälfte der Befragten (n=5) widmet der Pause im Durchschnitt lediglich 12 Minuten oder weniger. Die Fahrtzeiten der Teilzeitbeschäftigten fielen kürzer aus, sie dauerten im Durchschnitt 1,48 Stunden.

Gefragt nach eingehenden Anrufen oder Nachrichten während der Verkehrsteilnahme („Störungen“) gaben sechs Personen (19%) keine Störungen während der gesamten Arbeitswoche an. Im Durchschnitt wurde von zwei Störungen am Tag berichtet – ein Studienteilnehmer hat jedoch an mehreren Tagen von 6–10 eingehenden Anrufen oder Mitteilungen berichtet.

Im Durchschnitt haben die Befragten (n=36) den Zeit- bzw. Termindruck des gerade beendeten Arbeitstages als mittelmäßig bezeichnet (M=2,5; min. 1,6 bis max. 4,0). Beinahe ein Drittel gab an keinem der fünf Tage an, einen großen oder sehr großen Zeit- oder Termindruck erlebt zu haben. Im Vergleich der drei Zielgruppen scheinen die im Außendienst und beratenden Beschäftigten einen tendenziell höheren Zeitdruck zu erleben als das ambulante Pflege- und Servicepersonal (➥ Abb. 3).

Abb. 3:  Durchschnittlich erlebter Termin- und Zeitdruck in drei Zielgruppen (1 = sehr gering bis 5 = sehr groß)Fig. 3: Average experienced schedule and time pressure in three different occupation groups (1 = very low to 5 = very high)

Abb. 3: Durchschnittlich erlebter Termin- und Zeitdruck in drei Zielgruppen (1 = sehr gering bis 5 = sehr groß)
Fig. 3: Average experienced schedule and time pressure in three different occupation groups (1 = very low to 5 = very high)

Die meisten der Befragten hielten die körperliche Belastung ihrer Arbeitstage im Schnitt für gering (M=2,11; min. 1 bis max. 3,6). 78% gaben an keinem der fünf Tage an, einer großen oder sehr großen körperlichen Belastung ausgesetzt gewesen zu sein. Die Arbeit in der ambulanten Pflege bringt im Vergleich mit den anderen Zielgruppen die höchste körperliche Belastung mit sich (➥ Abb. 4).

Abb. 4:  Durchschnittlich erlebte körperliche Belastung in drei Zielgruppen (1 = sehr gering bis 5 = sehr groß)Fig. 4: Average experienced physical strain in three different occupation groups (1 = very low to 5 = very high)

Abb. 4: Durchschnittlich erlebte körperliche Belastung in drei Zielgruppen (1 = sehr gering bis 5 = sehr groß)
Fig. 4: Average experienced physical strain in three different occupation groups (1 = very low to 5 = very high)

Des Weiteren wurden die an der Studien teilnehmende Personen nach Konflikten gefragt. Am häufigsten kamen Konflikte mit anderen Verkehrsbeteiligten sowie Konflikte innerhalb der Kollegenschaft oder mit Führungskräften vor (insgesamt jeweils 13 berichtete Konflikte). Probleme mit der Kundschaft wurden nur selten berichtet (insgesamt fünf Nennungen).

Ein Drittel der Befragten (38%) hat 21-mal von belastenden unerwarteten Veränderungen im Tagesablauf berichtet. Als Gründe wurden am häufigsten zusätzliche Aufgaben (9 Nennungen; Beispiele: „Aufgaben-/Tourenplanänderung“, „zusätzlicher Einsatz“, „unerwartete Kundenanfrage“) und Schwierigkeiten mit dem Terminplan (6 Nennungen; Beispiele: „Terminänderung“, „zu spät losgefahren“, „Termin dauerte länger als geplant“).

Gute Terminplanung (ausreichend Zeit für einzelne Kundentermine), gute eigene Vorbereitung sowie auch seitens der Kundschaft und die Möglichkeit zur freien Zeiteinteilung sind die am häufigsten genannten organisationsbezogenen Aspekte (n=34), die die Arbeit der mobil Tätigen erleichtern. Des Weiteren wurden 27 Momente genannt, in denen Kolleginnen und Kollegenen/Auszubildende im Praktikum/Hilfskräfte mit Hilfe oder Rat den Befragten zur Seite standen. In 17 Fällen war es eine angenehme/konstruktive/lösungsorientierte Interaktion mit der Kundschaft sowie deren Verständnis und Flexibilität, die den Tag des Beschäftigten leichter gemacht haben.

Unter den möglichen Folgen einer Fehlbeanspruchung waren die Verspannungen das stärkste Symptom (berücksichtigt wurde die Anzahl der betroffenen Personen sowie die Stärke der Belastung): Verspannungen wurden von 19 Personen mindestens an einem Tag als „vorhanden“ genannt, davon wiesen sechs Personen eine durchgehende beziehungsweise starke Belastung (täglich mindestens „belastend“) auf. An zweiter Stelle folgt Erschöpfung (16 Personen, davon vier durchgehend stark belastet) und als drittschwerste Folge werden Rückenschmerzen eingestuft (22 Personen, davon drei Personen durchgehend bzw. stark belastet). Von 36 Befragten berichten 11 Personen (31%) bei mindestens einer Folge psychischer Fehlbeanspruchung über konstant erhöhten Leidensdruck (durchschnittlich mindestens Stufe 2). Bei den restlichen 25 Befragten sind keine Beschwerden vorhanden oder beschränken sich (vereinzelt) auf das geringste Ausmaß (1: „etwas belastend“).

Diskussion

Die aufwändige und deshalb selten durchgeführte Methode der Tagebuchführung lieferte im Rahmen des Projekts „BestMobil“ Informationen über die Arbeitsbedingungen und das situative Erleben des Arbeitsalltags bei mobil Tätigen. Gleichzeitig wurden Faktoren erfasst, die präventiv wirksam sein und als Ressource bei der Bewältigung von alltäglichen Herausforderungen dienen können.

Es zeigte sich, dass die meisten Befragten ihren Arbeitstagen entspannt und gut vorbereitet entgegenblicken. Die körperlichen Belastungen sind in der Gesamtstichprobe eher gering ausgeprägt, stärker empfunden wird der Zeit- und Termindruck. Belastung durch terminliche Schwierigkeiten beziehungsweise zu großes Arbeitspensum zeichnet sich – als Gegenpol – auch in den Faktoren ab, von denen die Befragten als situative Unterstützung oder Abhilfe berichten: gute Terminplanung, entfallene Termine, Unterstützung durch Kolleginnen und Kollegen etc. Konflikte während der Arbeitszeit sind eher selten, am häufigsten kommen Konflikte mit anderen Verkehrsbeteiligten und innerhalb der Kollegenschaft sowie mit Führungskräften vor. Konstruktive und angenehme Interaktion mit der Kundschaft zählt zu wertvollen Ressourcen bei mobiler Arbeit.

Unter den untersuchten Zielgruppen zeichnen sich Unterschiede ab. Die ambulanten Pflegekräfte verbringen verhältnismäßig weniger Zeit im Auto, denn sie besuchen ihre Patientinnen und Patienten in einem relativ kleinen Umkreis. Dadurch ergeben sich in dieser Gruppe nur relativ geringe Überstunden. Körperliche Belastung bewegt sich jedoch im höheren mittleren Bereich und ist von allen Gruppen bei ambulanten Pflegekräften am höchsten. Bezüglich des erlebten Zeit- und Termindrucks kann man bei der Hälfte der befragten Pflegekräfte von einer eher geringen Belastung sprechen, die andere Hälfte berichtet etwas erhöhten Zeitdruck.

Die Beschäftigten aus dem Bereich Service/Montage weisen ebenfalls relativ geregelte Arbeitszeiten und eine eher geringe körperliche Belastung auf. Zeit- und Termindruck wird ebenfalls als eher gering bis mittelmäßig wahrgenommen. Die Tätigkeit der in dieser Studie befragten Monteurinnen und Monteure sowie technischen Fachkräfte im Service zeichnet sich durch lange Autofahrten aus, die längsten von allen Zielgruppen.

Die Gruppe der im Außendienst Beschäftigten wies von allen Gruppen die größte Diversität auf – vertreten sind beratende Personen im Qualitätsmanagement, Fachkräfte für Arbeitssicherheit und auch eine mobile Musiklehrerin. Diese Vielfalt erklärt möglicherweise die große (größte) Varianz bei den Zeit- und Termindruckangaben. Allen vertretenen Beschäftigten im Außendienst sind jedoch die langen Arbeitszeiten gemeinsam (alle arbeiten im Durchschnitt deutlich länger als 8 Stunden am Tag) und haben die niedrigste körperliche Belastung in der Stichprobe.

Im Bezug auf die Zielsetzung des Projekts BestMobil zeigt sich, dass Zeit- und Termindruck (z.B. durch Verzögerungen oder zusätzliche Termine), fehlende Pausen und lange Arbeitszeiten die stärksten Belastungen in der Gruppe mobil Tätiger sind. Die Verteilung und Stärke dieser Faktoren variiert jedoch in den untersuchten Berufsgruppen (sowie auch innerhalb einzelner Berufsgruppen). Die Ableitung von präventiven Maßnahmen muss deshalb differenziert und berufsgruppenspezifisch erfolgen.

Schlussfolgerung

Die Ergebnisse der Tagebuchstudie haben einige Faktoren aufgedeckt, die bei mobil Tätigen zu einem erhöhten Verkehrsunfallrisiko beitragen. Zum einen sind ihre Arbeitszeiten lang und die Erholungspausen durch mangelnde Regelung nicht ausreichend. Lange Arbeitszeiten begünstigen nicht nur die Unfallwahrscheinlichkeit, sondern stehen ebenfalls in einem negativen Zusammenhang zur psychischen Gesundheit (BAuA 2017). Zum anderen verbringen sie etwa ein Drittel ihrer Arbeitszeit am Steuer, wodurch ihre Risikoexposition im Verkehr sehr hoch wird. Fehlende Pausen – die aufgrund des Zeitdrucks nicht möglich sind oder deren Bedeutung individuell unterschätzt werden – verhindern die Regeneration der mobil Tätigen. Geiler und Musahl (2003) weisen auf die Bedeutung der Arbeitsgestaltung als präventiven Faktor hin, durch die sowohl die Exposition als auch die Fehlbeanspruchung während der Fahrt deutlich reduziert werden können. Eine regionale Kundenakquisestrategie sowie eine effiziente Dienstreiseplanung könnte die arbeitszeitbezogene Belastung sowie die Risikoexposition der mobil Tätigen verringern. Dies ist auch aus Arbeitsschutzgründen für Unternehmen relevant, denn etwa ein Fünftel der Befragten bewegt sich mit seinem wöchentlichen Arbeitspensum jenseits der gesetzlich vorgeschriebenen 48 Wochenstunden (Arbeitszeitgesetz). Ein gutes Terminmanagement, das sowohl gute Vorbereitung, feste Pausenzeitfenster sowie auch Zeitpuffer einbezieht, weist hier ein zusätzliches Präventionspotenzial auf. Unabdingbar bleibt die Sensibilisierung der mobil Beschäftigten für die Gefahren, die mit Ermüdung und mangelnder Konzentration am Steuer verbunden sind. Besonders betont werden muss die Bedeutung von Pausen, die zur Erholung, Ernährung und Beschäftigung mit nicht arbeitsbezogenen Themen verbracht werden sollten. Die bloße Abwesenheit des Kontakts zur Kundschaft oder die Überfahrt zum nächsten Termin erfüllen die Anforderungen auf eine Pause nicht.

Hinweis: Das Projekt „BestMobil“ wurde mit Mitteln der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung unterstützt. Die Bearbeiter des Projekts sind Technische Universität Dresden (Prof. Dr.-Ing. Martin Schmauder, Dr. Katrin Höhn, Dr. Alzbeta Jandova), Friedrich-Schiller-Universität Jena (Prof. Dr. Rüdiger Trimpop, Tobias Ruttke) und systemkonzept GmbH (Philip Ashton, Martin Templer). Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei der Autorin.

Interessenkonflikt: Die Autorin gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.

Literatur

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA): Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt – Wissenschaftliche Standortbestimmung. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, 2017.

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA): Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit 2016. Unfallverhütungsbericht Arbeit. Dortmund, Berlin, Dresden: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Hrsg.), 2017.

Cohen RL: Rethinking „mobile work“: boundaries of space, time and social relation in the working lives of mobile hairstylists. Work Employment Society 2010; Vol. 24, Nr. 1.

Geiler M, Musahl H-P: Zwischen Wohnung und Arbeitsplatz. Eine Studie zum Wegeunfallgeschehen. Heidelberg, Kröning: Asanger, 2003.

Hüffmeier J, Windel A: Emotionsarbeit, Restrukturierung und Mobilität. BAUA Aktuell 2014, 3: 13–14.

Rowden P, Matthews G, Watson B, Biggs H: The relative impact of work-related stress, life stress and driving environment stress on driving outcomes. Accident; analysis and prevention 2011; 43: 1332–1340.

Salminen, S, Lähdeniemi, E: Risk factors in work-related traffic. Transportation Research 2002; Part F 5, 77–86.

Vartiainen M, Hyrkkänen, U: Changing requirements and mental workload factors in mobile multilocational work. New Technol Work Employ 2010; 25: 117–135.

Vollrath M, Krems J: Verkehrspsychologie. Stuttgart: Kohlhammer, 2011.

Verfasserin
Dr. rer. medic. Alzbeta Jandova
Technische Universität Dresden
Professur für Arbeitswissenschaft
Dürerstraße 26 – 01307 Dresden
alzbeta.jandova@tu-dresden.de

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