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Eine kritische Auseinandersetzung mit der Feuerwehr-Dienstvorschrift (FwDV) 8 “Tauchen“

Tauchcomputer für die Feuerwehr — ein Update

Vor über einem Jahrzehnt wurde in der Deutschen Feuerwehrzeitung BRANDSchutz ein nahezu gleichnamiger Artikel ver-öffentlicht; allerdings noch mit einem Frage-zeichen versehen (Bartmann 2001). Die Ungewissheit, wozu man einen Tauchcomputer benötigt und ob sich die Feuerwehren damit ausrüsten sollen, besteht zwischenzeitlich nicht mehr. Eine Vielzahl von Feuerwehren hat ihre Tauchgruppen seither mit Tauchcomputern ausgestattet (Bartmann 2013).

In jüngster Zeit kommen jedoch bei einzelnen Feuerwehren Diskussionen über den korrekten Betrieb der Tauchcomputer auf. Ursächlich hierfür sind die unterschiedlichen Regelwerke. Gerade junge Feuerwehrtaucher, die auch in ihrer Freizeit tauchen und den Tauchcomputer prinzipiell nutzen, legen offensichtlich die zugegeben konser-vative Feuerwehr-Dienstvorschrift (FwDV) 8 „Tauchen“ anders aus, weil sie gelernt haben, dass ihr Tauchcomputer sie im Freizeitbereich sicher unter Wasser führen kann. Der nachfolgende Beitrag versucht anhand der den Autoren vorliegenden Fragestellungen Antworten für die vorschriftenkonforme Verwendung von Tauchcomputern im Feuerwehrdienst zu geben, nimmt aber auch kritisch zu redaktionellen Inhalten der FwDV 8 Stellung.

Für welche Aufgaben dürfen Tauchcomputer im Feuerwehrdienst verwendet werden?

Üblicherweise werden Tauchcomputer (TC) beim militärischen und wissenschaftlichen Tauchen sowie bei der Ausübung sonstiger hoheitlicher Aufgaben zur Anzeige der aktuellen Tauchgangsdaten (Tiefe, Zeit) sowie zur minutengenauen Dokumentation des gesamten Tauchganges benutzt. So ist beispielsweise bei der US Navy der TC nur für diese Zwecke erlaubt und zudem auf das zertifizierte Modell Cochran von Technologies (Texas) beschränkt.

In Deutschland gehört ein TC mit inte-grierter Höhenanpassung gemäß Polizeidienstvorschrift (PDV) 415 „Tauchdienst“ Ziffer 3.2 zur Grundausstattung der Polizeitaucher. In Anlage 14 der PDV 415 wird der TC als „Elektronisches Gerät zum Erfassen, Speichern und Wiedergeben aller tauchspezifischen Daten“ definiert. Weiter wird dort ausgesagt, dass der TC den Tauchgang überwacht und den Polizeitaucher vor Dekompressionsgefahren warnt. Konkrete Aussagen zum Planen und Berechnen von Tauchgängen enthält die Anlage 9 der PDV 415: „Tauchgänge sind anhand der Austauchtabellen zu planen und zu berechnen. Beim Verwenden von Tauchcomputern haben die Berechnungen nach den Tabellen Vorrang. Warnungen der Tauchcomputer sind zu beachten.“

Die FwDV 8 sieht den TC wie bisher auch im neuen Entwurf (11/2012) lediglich als „Weitergehende Ausrüstung“ vor, also optional und nicht zwingend. Damit wird ungesagt klargestellt, dass der TC analog dem Polizeidienst auch im Feuerwehrdienst lediglich für Dokumentationszwecke, aber nicht zur Berechnung des Tauchprofils heran-gezogen werden darf. Dies muss nach wie vor anhand der Tabellen 1 bis 4 in Anlage 3 der FwDV 8 erfolgen. Lediglich die angezeigte Auftauchgeschwindigkeit des TC, sofern er verwendet wird, ist gemäß Ziffer 6.7.1 der FwDV 8 zu beachten.

Ob der TC den Verbrauch der Atemluft durch den Taucher in seine Berechnungen mit einbezieht („luftintegriert“) oder nicht, ist dabei unerheblich. Problematisch ist diese Forderung ohnehin, denn nahezu jeder moderne TC wird bei tieferen Tauchgängen beim Austauchen einen sog. „Deep Stop“ (Tiefenstopp) von ein bis zwei Minu-ten auf etwa der halben Maximaltiefe und des weiteren einen „Safety Stop“ (Sicherheitsstopp) von in der Regel drei Minuten auf zirka 4 bis 5 Metern verlangen. Diese Tiefen- und Sicherheitsstopps stehen aber im Gegensatz zu den Austauchvorgaben der FwDV 8 und lösen, wenn sie vom Taucher beachtet werden, sehr wahrscheinlich beim Signalmann Irritationen aus. Zwar können hier Absprachen getroffen werden, trotzdem wären es aber Abweichungen von den Vorgaben der FwDV 8.

Eine in diesem Zusammenhang interessante Bestimmung enthält sowohl die aktuelle Fassung als auch der Entwurf zur neuen FwDV 8 in Ziffer 6.4. Dort wird gefordert, dass der Feuerwehrtaucher vor dem Einsatz eine vorhandene Reststickstoffsättigung (Druckexposition) dem Taucheinsatzführer anzuzeigen hat. Wie soll ein Feuerwehrtaucher dieser Forderung nachkommen, wenn der Tauchcomputer nicht zwingend ist?

Ist die Definition Tauchzeit der Tabelle 2 in Anlage 3 der FwDV 8 gleichzusetzen mit dem Begriff Grundzeit der Sporttauchtabellen?

Der Begriff „Grundzeit“ ist in der FwDV 8 nicht definiert. Gemeint ist damit die Zeit vom Verlassen der Wasseroberfläche (Abtauchen) bis zum Verlassen der maximalen Tauchtiefe (Beginn des Auf- bzw. Austauchens; Kromp u. Mielke 2012). Er ist nicht mit dem Begriff „Tauchzeit“ der FwDV 8 ver-gleichbar, wie aus  Abb. 2 ersichtlich ist.

Dürfen die Grundzeiten eines Feuer-wehrtauchers addiert werden, um zwei Tauchgänge z. B. im Bodensee (395 m ü. NN) auf 30 m nach einer Oberflächenpause von 120 min an einem Tag zu ermöglichen?

Zur weiteren Klärung der Fragestellung erscheint es sinnvoll, vorab einige Begriffsbestimmungen zu erläutern.

  • Gesamtzeit eines Tauchgangs
  • In der aktuellen FwDV 8 ist diese Zeit nicht speziell definiert. Im Entwurf der neuen FwDV 8 wird dagegen diese Zeit wie folgt erklärt: „Zeit vom Verlassen der Wasseroberfläche bis zu deren Wiedererreichen.“ Besonderheit: Die Gesamtzeit eines Tauchgangs darf die Nullzeit nach Tabelle 2 der FwDV 8 nicht überschreiten.
  • Tauchzeit
  • Die Definition ergibt sich aus Tabelle 2: Die im Verlauf des Tauchgangs bis zum Be-ginn des Auftauchens verstrichene Zeit.
  • Nullzeit
  • Die maximale Tauchzeit vom Verlassen der Oberfläche bis zum Beginn des Austauchens, bei der noch keine Dekompressionspausen erforderlich sind.
  • Austauchzeit
  • In der aktuellen FwDV 8 ist diese Zeit nicht speziell definiert. Es wird unterstellt: Zeit vom Beginn des Austauchens bis zum Erreichen der Wasseroberfläche.
  • Wiederholungstauchgang
  • Tauchgänge, die in weniger als 12 Stunden Abstand auf das Ende des vorangegangenen folgen.
  • Oberflächenintervall
  • Die Zeit zwischen Beendigung des ersten Tauchganges und Beginn des Wiederholungstauchganges.

Anmerkung: Oberflächenintervalle, wie sie bislang berücksichtigt worden sind, werden in Zukunft nicht mehr einbezogen, was die Sache einfacher macht, aber auch Wiederholungstauchgänge erschwert, so eine Stellungnahme der DGUV (Garz 2013).

Berechnung A (Oberflächenintervall 120 min)

  • 1. Tauchgang
    • Tauchtiefe = 30 Meter; Höhenkorrek-tur nach Tabelle 3 (> 300 m ü. NN) = 33 Meter
    • Nullzeit (Gesamtzeit des Tauchgangs) für 33 Meter gem. Tabelle 2 = 12 min (davon Austauchzeit aus 33 Metern nach Tabelle 2 = 2 min 45 s)
  • 2. Tauchgang
    • Geplante Tauchtiefe = 30 Meter; Höhenkorrektur nach Tabelle 3 (> 300 m ü. NN) = 33 Meter
    • Zeitzuschlag für das Austauchen nach Tabelle 4 (für 35 Meter, da 33 Meter nicht enthalten) = 20 min; rechnerische Tauchzeit > 20 min; auf rechnerisch 33 Meter nicht möglich!

Berechnung B (Addition der Tauchzeiten auf größter erreichter Tiefe)

  • 1. Tauchgang
    • Tauchtiefe = 30 Meter; Höhenkorrek-tur nach Tabelle 3 (> 300 m ü. NN) = 33 Meter
    • Nullzeit (Gesamtzeit d. Tauchgangs) für 33 Meter gem. Tabelle 2 = 12 min (davon Austauchzeit aus 33 Metern nach Tabelle 2 = 2 min 45 s)
  • 2. Tauchgang
    • Jeder Tauchgang > 00:00 min wäre dem vorangegangenen bei einer Tauchtiefe von 33 Metern hinzuzuzählen
    • Eine addierte Tauchzeit auf 33 Meter > 12 min ist nicht möglich!

Ergebnis

  • Bei exakter Beachtung der FwDV wäre im Bodensee auf nominal 30 m Tauchtiefe nur ein einziger Tauchgang mit einer Ge-samtzeit des Tauchgangs von zwölf Minuten möglich.
  • Unter Beachtung der Höhenkorrektur sind mithin 30 Meter-Tauchgänge in bei-nahe allen bayerischen Seen (Ammersee, Starnberger See, Walchensee usw.) nur mit einer Gesamttauchzeit des Tauchganges von zehn Minuten möglich, da aufgrund der Lage (> 500 m ü. NN) die fiktive Tauchtiefe 36 Meter beträgt.
  • Selbstverständlich verbieten sich danach Wiederholungstauchgänge nach einem Oberflächenintervall von 120 Minuten erst recht.

Resümee

Diese restriktive Auslegung ist umso erstaun-licher, als die „Sporttauchtabellen“ für mehr oder minder geübte und nicht unbedingt körperlich durchtrainierte Taucher jeglichen Alters und jeglicher Statur ausgelegt sind. Mit den Vergleichstabellen wurden in den letzten Jahren mehrere Millionen Tauchgänge auf sehr hohem Sicherheitsstandard durchgeführt. Nur eine im Vergleich zu den Fallzahlen verschwindend geringe Zahl von Tauchunfällen führt zu Dekompressionspro-blemen. Wobei sich diese auf physiologische Probleme der Taucher oder heikle Tauchprofile zurückführen lassen (Salm 2012).

Hervorzuheben ist ferner, dass es kein Indiz für eine Häufung von Dekompressions-unfällen in den hoch gelegenen bayerischen und österreichischen Seen wegen der ersten Höhenkorrektur in den Tauchtabellen erst über 700 m ü. NN gibt.

Dies belegt mit Einschränkungen einen noch durchaus ausreichenden „Sicherheitsabstand“ der gängigen Tabellen und TC-Programme zu tauchmedizinisch objektiv begründeten Grenzen in den Tauchprofilen. Der Feuerwehrtaucher ist entsprechend den Vorgaben zur arbeitsmedizinischen Vorsorge-untersuchung gemäß DGUV-Grundsatz 31 („Überdruck“) gesund und fit, was jährlich nachuntersucht wird, und er führt keine problematischen Tauchprofile (z. B. Yo-Yo-Tauchgang) durch (Winkler 2011).

Die wesentlichen Einschränkungen nach FwDV 8 gegenüber gängigen Tauchcomputer-programmen und Tabellenwerken können wie folgt zusammengefasst werden:

  • Das Einsetzen der Höhenkorrektur in einer ersten Stufe ab nur 300 m ü. NN und bereits einer zweiten Stufe bei Höhen über 500 m ü. NN anstelle einer ersten Stufe ab 700 m ü. NN.
  • Die äußerst restriktive Nullzeittabelle.
  • Die Gesamtzeit (nicht Grundzeit) des Tauchgangs darf die Nullzeit nicht überschreiten.
  • Die sehr konservative Oberflächenintervalltabelle – sofern sie beibehalten wird.

Die DGUV spricht von Maßnahmen, „die zur sicheren Seite“ gehen, schmälert aber andererseits die Sicherheit der eingesetzten Feuerwehrtaucher durch Vernachlässigung weltweit etablierter Sicherheitsstandards:

  • Das Einfügen eines „Deep Stop“ von ein bis zwei Minuten auf zirka der Hälfte der maximal erreichten Tiefe. Hierdurch werden vor allem die besonders empfindlichen „schnellen Gewebe“ vom Stickstoff entlastet.
  • Das regelmäßige Einfügen eines „Safety Stop“ von drei Minuten auf zirka vier bis fünf Metern. Hier sieht die aktuelle FwDV 8 lediglich bei Wiederholungstauchgängen eine „Haltezeit“ von drei Minuten auf drei Metern vor.
  • Die Aufstiegsgeschwindigkeit sollte oberhalb zehn Metern Tauchtiefe sechs Meter pro Minute nicht überschreiten.

Zusammenfassung

Weder die aktuelle FwDV 8 noch der vorliegende Neuentwurf berücksichtigen die gegenwärtige Dekompressionsforschung (Klingmann u. Tetzlaff 2012). Die scheinbare Sicherheit der Dienstvorschrift ist bei objektiver Betrachtung tauchmedizinischer Aspekte nicht nachvollziehbar und führt, wie erläutert, zu einer partiellen Lähmung des Tauchdienstes in den deutschen Feuerwehren.

Wenn der Bezug zur Unfallverhütungsvorschrift „Taucherarbeiten“ (BGV C23) künftig entfallen soll – was nach Ansicht der Autoren demnächst schon deshalb zu Problemen führen wird, weil Bestimmungen, die bisher in der BGV C23 geregelt wurden, nicht mehr existent sind –, dann müssten konsequenterweise auch die antiquierten Tabellen entrümpelt werden. Den Tauchcom-puter in der neuen FwDV 8 wieder als eine optionale Zusatzausrüstung zu definieren, mag eine Gefälligkeit den Stadtkämmerern gegenüber sein. Den Feuerwehrtauchern werden jedoch moderne Hilfsmittel zur Erhöhung der Sicherheit vorenthalten. Es ist darüber hinaus nicht nachvollziehbar, warum Beamte im Tauchdienst von Feuerwehren gegenüber ihren Kollegen der Polizei benachteiligt werden.

Es wäre sehr wünschenswert, dass sich das Gremium zur Novellierung der FwDV 8 mit der geschilderten Problematik ausein-andersetzt und sich zu einer akzeptablen Dienstvorschrift durchringt. Und bei der Gelegenheit: Brauchen wir in Deutschland unter dem Dach einer einzigen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) wirklich drei unterschiedliche Regelwerke für Feuer-wehr, THW und Hilfeleistungsorganisationen (ASB, DLRG; Wasserwacht), um zu tauchen? Oder wäre es jetzt nicht endlich an der Zeit, sich an einen runden Tisch zu setzen und ein Regelwerk für alle zu schreiben? (Bartmann 2012a,b). 

Literatur

Bartmann H: Tauchcomputer für die Feuerwehr? BRANDSchutz 2001; 1: 38–47.

Bartmann H: Tauchen im Rettungsdienst: Eine kostenintensive Notwendigkeit? Rettungsdienst 2012a; 6: 544–548.

Bartmann H: Wasser- und Eisrettung in Deutschland: Auf dem Weg zu einem einheitlichen System? Im Einsatz 2012b; 6: 122–127.

Bartmann H: Tauchlehrgang Stufe 2 – Lehrheft zur Ausbildung von Feuerwehr- und Bergungstauchern. 4. Aufl. Eigenverlag ( http://www.fwdv8.de ), 2013.

Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV): Arbeitsmedizinische Vorsorge. 5. Aufl. Stuttgart: Gentner, 2010.

Garz D: Stellungnahme vom 21.02.2013. Sachgebiet „Feuerwehren und Hilfeleistungsorganisationen“ im Fachbereich „Feuerwehren, Hilfeleistungen Brand-schutz“ der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV); c/o Feuerwehr-Unfallkasse Mitte, 2013.

Klingmann C, Tetzlaff K: Moderne Tauchmedizin – Handbuch für Tauchlehrer, Taucher und Ärzte. 2. Aufl. Stuttgart: Gentner, 2012.

Kromp T, Mielke O: Handbuch Modernes Tauchen. Stuttgart: Franckh-Kosmos, 2012.

Salm A: Tauchcomputer. In: Bartmann H (Hrsg.): Taucher-Handbuch digital, 80. Kapitel III – 2.12. Aktualisierung, 3/2012 ( http://www.taucher-handbuch.de ), 2012.

Winkler B: Unfallstatistiken. In: Bartmann H (Hrsg.): Taucher-Handbuch digital, 80. Kapitel IV – 3.3.5 Aktualisierung, 9/2011 ( http://www.taucher-handbuch.de ), 2011.

    Für die Autoren

    Hubertus Bartmann

    Bundesbeamter und Feuerwehr-Lehrtaucher a. D.

    Traubenweg 6

    93309 Kelheim

    tauch@t-online.de

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