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Risikomanagement im Klinikalltag

Extraaurale Lärmwirkungen

E xtraaurale Lärmwirkungen sind alle nicht das menschliche Gehör betreffenden Schallwirkungen (Meyer-Falcke et al. 2007). Wie aber kann Schall außer am Gehör wirksam werden?

  • Zum einen unmittelbar als Schalldruckwelle, wie jeder weiß, der während eines Konzerts (möglichst Techno oder Rock, nicht Klassik!) schon einmal in der Nähe der hallenhohen Musikboxen gestanden und das „Wummern“ der Bässe am eigenen Leib, sprich Thorax erfahren hat.
  • Zum anderen sind aber auch wesentlich niedrigere Schalldruckpegel in der Lage, Wirkungen auszulösen.

Tiefere Frequenzen können starke extraaurale Reaktionen hervorrufen; die dumpfe Musik, die durch die Wände der Nachbarwohnung dringt, „nervt“ allerdings nicht wegen ihres absoluten Pegels, sondern aufgrund der psychoakustischen und sozialen Störungen, die sie hervorruft. Das zeigt, dass extraaurale Lärmwirkungen nur zum geringeren Teil durch die physikalischen Charakteristika der Schallbelastung determiniert werden (also z. B. Lautstärke, Impulshaltigkeit, Regelmäßigkeit, Relation zum Grundpegel). Von größerer Bedeutung sind die so genannten Moderatorvariablen wie z. B. der individuelle Gesundheitszustand, die subjektive Bewertung der Schallquelle oder die Kontrollmöglichkeit dem Lärm gegenüber.

Ein Thema für das Risikomanagement im Krankenhaus

Die häufig aus Krankenhäusern berichteten hohen Grundpegel und die z. T. hochfrequenten Spitzenpegel sind nach dem Kenntnisstand der Lärmwirkungsforschung durchaus geeignet, sowohl physiologische Stressreaktionen wie auch Kommunikations- und Leistungsstörungen hervorzurufen (Notbohm u. Siegmann 2012a,b; Notbohm et al. 2012). Ab Maximalpegeln von 55 dB(A) wird bereits die Sprachverständlichkeit beeinträchtigt; mit einer weiteren Zunahme des Schallpegels vermindert sich die Konzentration, und die Fehlerhäufigkeit steigt (Ising et al. 2004). Angesichts der verantwortungsvollen Tätigkeiten im Klinikbereich sollten also niedrigere Schutzziele für die Arbeitsplätze vorgesehen werden, wie sie auch in der VDI 2058 mit Leq < 55 dB(A) für ärztliche Tätigkeiten genannt werden (Betriebsärzte lieben ja DIN-Normen und VDI-Richtlinien). Noch anspruchsvoller sind die WHO-Schutzziele für Behandlungsräume: Leq tagsüber < 30 dB(A)) und für Patientenzimmer (Leq tagsüber < 35 dB(A) und nachts < 30 dB(A) mit Spitzenpegeln bis max. 40 dB(A), die zurzeit offenbar noch weit entfernt sind von der Realität in unseren Krankenhäusern.

Verpflichtung zum Risikomanagement

Eine immer größere Bedeutung nimmt auch in Kliniken das Thema „(klinisches) Risikomanagement“ ein (Tenckhoff u. Siegmann 2009; Weis 2009).

Beim klinischen Risikomanagement handelt es sich um eine Methode, die das Ziel verfolgt, in systematischer Form Fehler oder Risiken der Patientenversorgung zu verhindern und somit die Patientensicherheit zu erhöhen bzw. die Haftungsrisiken des Krankenhauses zu reduzieren.

Eine Vielzahl von rechtsrelevanten Regelungen und Gesetzen stellt dabei an die Betreiber der Kliniken hohe Anforderungen, die die Einführung eines Risikomanagements erfordern, um die Compliance der Kliniken und seiner Betreiber/Führungskräfte zu erhalten (Wittmann u. Siegmann 2009; Weis 2009):

  • „Gesetz zur Kontrolle & Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG)“ vom 27. April 1998 (BGBl. I S. 786)
  • „Aktiengesetz (AktG)“ vom 6. September 1965 (BGBl. I S. 1089), das zuletzt durch Artikel 2 Absatz 49 des Gesetzes vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I S. 3044) geändert worden ist.
  • GmbH-Gesetz („Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG))“ in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 4123-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 2 Absatz 51 des Gesetzes vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I S. 3044) geändert worden ist).
  • Prüfungsstandards des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW); IDW PS 340.
  • „Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- & Bilanzrechts zu Transparenz und Publizität (TransPuG)“ im BGBl. I S. 2681 vom 19. Juli 2002.
  • Verstärkte Anforderungen der Rechtsprechung an die Kontrollpflichten der Aufsichtsräte (Gesellschafter).
  • II. Basler Eigenkapitalvereinbarung (Basel II; demnächst Basel III).
  • Solvency-II-Rahmenrichtlinie der EU bezüglich der Solvabilitätsvorschriften für die Eigenmittelausstattung von Versicherungsunternehmen.
  • Deutscher Rechnungslegungs-Standard Nr. 5 (DRS 5) „Risikoberichterstattung“.
  • Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK).

Patientensicherheit ist ein international zunehmend beachtetes Thema seit der Publikation des US-amerikanischen Berichts „To err is human“ zur Jahrtausendwende (Kohn 2000). Der Bericht mit beunruhigenden Zahlen über vermeidbare Medizinschäden und Behandlungsfehler in den USA war im gesundheitspolitischen Kontext eine Art „Urknall“ für eine Diskussion.

Lauterberg (2012) fand in seiner Studie „Befragung zum Einführungsstand von klinischem Risikomanagement (kRM) in deutschen Krankenhäusern“ als von den Studienteilnehmern angegebene Risikoschwerpunkte und Risikoprofile in Allgemeinkrankenhäusern die klare Führungsposition von Schnittstellenproblemen (46,5 %) vor Arzneitherapie (34,4 %) und Krankenhausinfektionen/Hygiene (32,2 %). Zu ähnlichen Ergebnissen kommt Doms 2005 in einem Beitrag aus juristischer Sicht.

Die Bedeutung extraaualer Lärmwirkungen für die Leistungsfähigkeit und Fehlerhäufigkeit der Mitarbeiter bleibt leider häufig gänzlich unbeachtet. Dabei sind die Verminderung der Konzentration und die steigende Fehlerhäufigkeit gut belegt (Ising et al. 2004;   Tabelle 1 ). Ebenso stellen Studien die Wirkung des Lärmpegels in der Klinik auf den Schlaf der Patienten heraus und unterstreichen somit die Bedeutung für den Heilungsverlauf (Buxton et al. 2012; Fietze et al. 2008; Golde 2005; Schrader u. Schrader 2001).

Auch ist ein Anstieg der Fehlerhäufigkeit ebenso bei ärztlichen Tätigkeiten in Abhängigkeit vom Lärm ist zu vermuten. Wenn Patienten durch Behandlungsfehler Schäden erleiden und der Arzt schuldhaft gehandelt hat, so stehen dem geschädigten Patienten Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche zu (Doms 2005). 

In der im Folgenden aufgeführten weiterführenden Literatur finden Sie alle angegebenen Literaturstellen sowie tiefergehende Informationen zu dem oben angerissenen Thema.

Weiterführende Literatur

Meyer-Falcke A, Siegmann S, Richter L: Beanspruchung des Organismus durch Lärm. In: Hofmann F, Kralj N (Hrsg.): Handbuch der betriebsärztlichen Praxis. Landshut: Ecomed Medizin, ab 4/2007.

Notbohm G, Siegmann S: Schutz vor Lärm. In: Kramer A et al. (Hrsg.): Krankenhaus- und Praxishygiene. München: Urban & Fischer, 2012, S. 617–621.

Notbohm G, Siegmann S: Workplace hospital: noise as a strain for the medical staff. Collected papers, Conference on Acoustics AIA-DAGA, Meran, Italy, 2013.

Siegmann S: Lärm im Krankenhaus – Vorschriften und Regelungen. Lärmbekämpfung, 2012; 7: 278–282.

Siegmann S, Notbohm G: Klinisches Risikomanagement. ErgoMed/Prakt Arbmed 2013; 37: 34–38.

Siegmann S, Notbohm G: Noise and sleep in hospitals – a review of literature. Collected papers, Conference on Acoustics AIA-DAGA, Meran, Italy, 2013

    INFO

    Institutionalisiert als Risikomanagement-system sollen Risiken frühzeitig erkennbar, bewertbar und somit steuerbar werden, um das Gefährdungspotenzial nachhaltig zu senken.

    Klinisches Risikomanagement im Kranken-haus umfasst nach Briner et al. (2009) in Anlehnung an Middendorf (2005): „… die Strukturen, Prozesse, Instrumente und Aktivitäten, welche die Mitarbeitenden eines Krankenhauses unterstützen, die medizinischpflegerisch-therapeutischen Risiken bei der Patientenversorgung zu erkennen, zu reduzieren und zu bewältigen.“

    Autor

    Silvester Siegmann

    Institut für Arbeitsmedizin und SozialmedizinHeinrich Heine Universität DüsseldorfUniversitätsstraße 140225 Düsseldorf

    silvester.siegmann@uni-duesseldorf.de

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