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Infektionsschutzgesetz

Die Schutzmaßnahmen nach § 28a Infektionsschutzgesetz

Ziel des Gesetzes

Bei dem Dritten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite handelt es sich um ein so genanntes Artikelgesetz, das Änderungen des Infektionsschutzgesetzes, des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, des Arzneimittelgesetzes, der Arzneimittelhandelsverordnung, der AMG-Zivilschutzausnahmeverordnung, der Medizinprodukte-Abgabeverordnung, des SGB V und des Krankenhausentgeltgesetzes beinhaltet. Der Gesetzgeber1 sah aufgrund der fortschreitenden Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 und der hierdurch verursachten Krankheit COVID-19 weitere Regelungen als erforderlich an. Insbesondere bezweckte das Gesetzgebungsvorhaben aber auch, die in der Bevölkerung nicht unstrittigen Schutzmaßnahmen auf eine gesicherte Rechtsgrundlage zu stellen. Nachfolgender Beitrag erläutert die wesentlichsten dieser Schutzmaßnahmen in ihrer grundrechtlichen Problematik und Tragweite. Das Gesetz wurde bereits am 18. 11. 2020 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht (BGBl. 2020 I, 2397), so dass die wesentlichsten Vorschriften am 19. 11. 2020 in Kraft traten.

Verfassungsrechtliche Problematik

Wesentliche „Schutzmaßnahmen“ wurden seitens der zuständigen Stellen schon vor dem 19. 11. 2020 festgelegt (z. B. Anordnung eines Abstandsgebots, Maskenpflicht, Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen, Untersagen oder Beschränkung von Reisen). All diesen Maßnahmen ist gemeinsam, dass sie (abgesehen von der Maskenpflicht) tiefgreifende Eingriffe in grundrechtlich geschützte Positionen der Menschen darstellen (vgl. z. B. das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit gem. Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG, die Freiheit der Person gem. Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG, Versammlungsfreiheit gem. Art. 8 GG, Freizügigkeit gem. Art. 11 Abs. 1 GG, Unverletzlichkeit der Wohnung gem. Art. 13 Abs. 1 GG). Im Wesentlichen wurden diese Maßnahmen auf die Bekämpfungsgeneralklausel in § 28 IfSG gestützt, die aber nur sehr unkonkrete Maßnahmen enthält („notwendige Schutzmaßnahmen“), ohne diese im Detail zu beschreiben. Entscheidend für die verfassungsrechtliche Einordnung ist hier auch, dass § 28 IfSG die Festlegung entsprechender Maßnahmen der Exekutive überlässt und nicht der Judikative.

§ 28 Abs. 1 IfSG lässt weiterhin auch Zweifel aufkommen, ob „Nichtstörer“ (folglich Personen, die selbst weder als krank, krankheitsverdächtig, ansteckungsverdächtig oder Ausscheider gelten) überhaupt von diesen Maßnahmen erfasst werden können (was allerdings obergerichtlich bestätigt wurde; vgl. BVerwG, NJW 2012, 2823).

Große Bedenken bestanden und bestehen immer noch in der Fragestellung, ob § 28 IfSG gegen den Parlamentsvorbehalt verstößt. Die Wesentlichkeitstheorie (als Bestandteil der ständigen Rechtsprechung; vgl. BVerfGE 49, 89) verpflichtet nämlich den Gesetzgeber, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen und sie nicht den Organen der Exekutive (z. B. Bundesregierung, Landesregierungen, Ministerien etc.). zu überlassen. Folglich muss der parlamentarische Gesetzgeber wesentliche Rechtsbereiche selbst regeln (Kompetenzzuweisung) und in ihnen die wesentlichen normativen Grundlagen des zu regelnden Rechtsbereichs selbst festlegen (Regelungsdichteanweisung; Reimer in: HSV VerwR § 9 Rn. 47). Regelungen, die die Bewegungsfreiheit massiv einschränken, Versammlungen nach dem Versammlungsrecht untersagen und ein Verbot von Reisen festlegen, sind zweifelsohne „wesentliche“ Aspekte in der Gesetzgebung, die nicht allein den zuständigen Behörden im Rahmen von Allgemeinverfügungen, Verwaltungsakte und dem Erlass von Rechtsverordnungen überlassen werden dürfen. Aufgrund der Grundrechtsrelevanz und der Tiefe des Grundrechtseingriffs unterliegen diese Maßnahmen dem Parlamentsvorbehalt. § 28 IfSG verstieß folglich in Bezug auf die meisten „Lockdown-Regelungen“ gegen den Parlamentsvorbehalt (wobei hier die Gerichte teilweise unterschiedliche Ansichten vertraten).

§ 28a IfSG

Um den grundsätzlichen Bedenken gegenüber § 28 IfSG als wesentliche Grundlage für die „Lockdown-Regelungen“ zu begegnen, hat der Gesetzgeber zum 19. 11. 2020 einen neuen § 28a IfSG geschaffen, in dem festgelegt wurde, was „insbesondere“ Schutzmaßnahmen nach § 28a IfSG sein können.
Folglich konkretisiert §28a den § 28 IfSG in Bezug auf die Erkrankung COVID-19. Durch das Wort „insbesondere“ in § 28a Abs. 1 IfSG ist allerdings auch festgelegt, dass es sich hierbei lediglich um Regelbeispiele und nicht etwa um eine abschließende Aufzählung der Schutzmaßnahmen handelt. Weiterhin gelten die Schutzmaßnahmen nach § 28a IfSG nur zur Verhinderung der Verbreitung der Erkrankung COVID-19 und nicht etwa auch für andere bedrohliche Erkrankungen.

Die hier aufgeführten Schutzmaßnahmen mit ihrer verfassungsrechtlich relevanten Tiefe dürfen allerdings grundsätzlich nur dann zur Anwendung kommen, wenn der Bundestag gem. § 5 Abs. 1 S. 1 IfSG eine „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ festgestellt hat. Weiterhin können die Schutzmaßnahmen nur für die Dauer der Feststellung einer solchen epidemischen Lage festgelegt werden.

Eine epidemische Lage von nationaler Tragweite liegt gem. § 5 Abs. 1 S. 4 IfSG vor, wenn eine ernsthafte Gefahr für die öffentliche Gesundheit in der gesamten Bundesrepublik besteht, weil

  • die WHO eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite aufgerufen hat und die Einschleppung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit in die Bundesrepublik droht oder
  • eine dynamische Ausbreitung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit über mehrere Länder in der Bundesrepublik Deutschland droht oder stattfindet.
  • Sofern allerdings nach dem Ende einer durch den Deutschen Bundestag festgestellten epidemischen Lage von nationaler Tragweite sich COVID-19 in den einzelnen Ländern weiterhin ausbreitet, kann das betroffene Länderparlament die Anwendbarkeit von § 28a IfSG gem. § 28a Abs. 7 IfSG feststellen. Mit dieser Regelung soll den Bundesländern bei Ausbruch oder Fortbestehen eines regionalen Infektionsgeschehens ermöglicht werden, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um das Infektionsgeschehen einzudämmen und damit auch zugleich ein Übergreifen auf die anderen Bundesländer zu verhindern (vgl. BT-Drs. 19/24334, S. 82).

    Anordnung einer Heilbehandlung und von Untersuchungen

    Was allerdings nicht angeordnet werden darf, ist eine Heilbehandlung von Personen, die an COVID-19 erkrankt sind und sich gegebenenfalls gar nicht behandeln lassen wollen („Zwangsbehandlung“). Dies ist bereits durch die Bekämpfungsgeneralklausel ausgeschlossen (§ 28 Abs. 1 S. 3 IfSG). Hier ist das Auswahlermessen der zuständigen Behörden folglich aus verfassungsrechtlichen Erwägungen heraus bereits begrenzt. Der Gesetzgeber sah dies (allerdings schon in der Vorgängerfassung im BSeuchG) als sehr weitgehenden Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit als nicht gerechtfertigt an (vgl. BT-Drs. 8/2468, S. 28).

    Allerdings können gegen an COVID-19 erkrankte Personen dann zur Verhinderung der Weiterverbreitung der Erkrankung andere Maßnahmen (wie z. B. die Absonderung gem. § 30 IfSG = Quarantäne) angeordnet werden. Die Absonderung kann dann gegebenenfalls in einem Krankenhaus erfolgen (vgl. § 30 Abs. 1 S. 2 IfSG). Sofern zugleich eine Beobachtung im Sinne von § 29 IfSG angeordnet wird, ist die betroffene Person ferner verpflichtet, erforderliche Untersuchungen durch den Beauftragten des Gesundheitsamtes zu dulden und den Anordnungen des Gesundheitsamtes Folge zu leisten (§ 29 Abs. 3 S. 1 IfSG). Hierzu können auch Maßnahmen wie die Entnahme von Untersuchungsmaterial (insbesondere Blutentnahmen) und PCR-Abstriche durchgeführt werden, die mit Mitteln des Verwaltungszwanges (ggf. auch mit unmittelbaren Zwang, vgl. z. B. Art. 34 ff. BayVwZVG) durchgesetzt werden können (vgl. §29 Abs. 2 S. 2 i.V.m. §25 Abs. 3 IfSG). Diese Untersuchungen können allerdings nur die Zielrichtung verfolgen, die Erkrankung festzustellen beziehungsweise deren Fortdauer oder Beendigung und der Verhütung der weiteren Verbreitung von COVID-19. Eine Heilbehandlung gegen den Willen der betroffenen Person ermöglicht aus verfassungsrechtlichen Gründen auch § 29 dagegen IfSG nicht.

    Handlungsformen der §§ 28, 28a IfSG

    Die Schutzmaßnahmen nach §§ 28, 28a IfSG können in verschiedenen Handlungsformen erfolgen. Sie können als Verwaltungsakt (auch in Form der Allgemeinverfügung i.S.v. § 35 S. 2 VwVfG) oder als Rechtsverordnung umgesetzt werden. Sofern die Landesregierungen von ihrer Ermächtigungsgrundlagen nach § 32 IfSG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch machen, so sind diese von Rechts wegen mit einer allgemeinen Begründung zu versehen und zeitlich zu befristen (§ 28a Abs. 5 S. 1 IfSG). Die Geltungsdauer beträgt grundsätzlich vier Wochen, allerdings mit der Option der Verlängerung (§ 28a Abs. 5 S. 2 IfSG).

    Schutzmaßnahmen nach § 28a IfSG

    Der zum 19. 11. 2020 in Kraft getretene §28a IfSG konkretisiert folglich die „notwendigen“ Schutzmaßnahmen. In den Absätzen 1 und 2 sind hier insgesamt 20 Maßnahmen aufgeführt, die aber nicht abschließend sind, es handelt sich hierbei lediglich um Regelbeispiele. Weiterhin ist festgelegt, dass die dort benannten Schutzmaßnahmen sich auf den Aspekt „Verhinderung und Verbreitung“ der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) beziehen und für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite durch den Bundestag (vgl. § 5 Abs. 1 S. 1 IfSG) erlassen werden können.

    Abstand im öffentlichen Raum. Nach § 28a Abs. 1 Nr. 1 IfSG kann die Anordnung eines Abstandsgebots im öffentlichen Raum angeordnet werden. Der Gesetzgeber sieht im Abstandsgebot im öffentlichen Raum ein wirksames Mittel zur Eindämmung der Pandemie, da in Risikosituationen (z. B. langer Face-to-face-Kontakt) das Infektionsrisiko steigt.

    Maskenpflicht. In der Maskenpflicht nach § 28a Abs. 1 Nr. 2 IfSG sieht der Gesetzgeber einen zentralen Baustein zur Eindämmung der Verbreitung des Virus SARS-CoV-2. Im Gegensatz zu anderen Schutzmaßnahmen wird aber hier der Eingriff in die Handlungsfreiheit der Menschen als sehr gering angesehen.

    Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen. Als weiteres Regelbeispiel im Falle einer „Corona-Pandemie“ werden Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen im privaten sowie im öffentlichen Raum genannt (§ 28a Abs. 1 Nr. 4 IfSG). Durch die Möglichkeit der Tröpfcheninfektion und über Aerosole wird es als erforderlich angesehen, die physischen Kontakte zwischen den Menschen zu reduzieren. Die Überprüfbarkeit dieser Maßnahmen in privaten Räumlichkeiten durch die Vollzugsorgane dürfte allerdings unter Bezugnahme auf Verhältnismäßigkeitsaspekte an ihre Grenzen stoßen.

    Hygienekonzepte. Auch die Verpflichtung zur Erstellung und Anwendung von Hygienekonzepten für Betriebe, Einrichtungen oder Angebote mit Publikumsverkehr kann als Schutzmaßnahme angeordnet werden (§ 28a Abs. 1 Nr. 4 IfSG). In dem Hygienekonzept können dann wiederum weitere Maßnahmen wie Abstand halten, Hygiene beachten, Alltagsmaske tragen, konsequentes Lüften etc. festgelegt werden.

    Untersagung oder Beschränkung von Freizeitveranstaltungen. Die in § 28a Abs. 1 Nr. 5 IfSG benannten Untersagungen oder Beschränkungen gelten für Freizeitveranstaltungen und ähnliche Veranstaltungen. Auch diese dienen dem Willen des Gesetzgebers nach der notwendigen Kontaktreduzierung. Als Alternative ist aber aus Verhältnismäßigkeitsgründen ein Weiterbetrieb mit geeigneten Auflagen zu prüfen.

    Betrieb von Freizeiteinrichtungen. Auch der Betrieb von Einrichtungen, die der Freizeitgestaltung zuzurechnen sind (z. B. Freizeitparks) kann untersagt oder beschränkt werden (§ 28a Abs. 1 Nr. 6 IfSG). Gleiches gilt für Kulturveranstaltungen oder den Betrieb von Kultureinrichtungen (§ 28a Abs. 1 Nr. 7 IfSG).

    Sport. Auch in der Untersagung oder der Beschränkung von Sportveranstaltungen und der Sportausübung sieht der Gesetzgeber ein adäquates Mittel zur Pandemiebekämpfung (§ 28a Abs. 1 Nr.  8 IfSG), da auch dies der Kontaktreduzierung dienlich ist. Bei der Sportausübung von Sportarten, die allein und ohne Sportstätte verrichtet werden können (z. B. Joggen) ist aber aus Verhältnismäßigkeitsgründen zu prüfen, ob dies gegebenenfalls lediglich beschränkt werden kann (z. B. in der Form, dass dieser Sport allein ausgeübt werden muss).

    Alkoholverbot. Eine wichtige Schutzmaßnahme sieht der Gesetzgeber auch darin, ein umfassendes oder auf bestimmte Zeiten beschränktes Verbot der Alkoholabgabe oder des Alkoholkonsums auf bestimmten öffentlichen Plätzen oder in bestimmten öffentlich zugänglichen Einrichtungen anordnen zu können (§ 28a Abs. 1 Nr.9 IfSG). Bei zunehmender Alkoholisierung sieht der Gesetzgeber die Gefahr, dass dies die Einhaltung der im Zentrum stehenden Kontaktminimierung entgegensteht. Der reine Alkoholkonsum in privaten Räumlichkeiten kann dagegen nicht untersagt werden. Hier kämen dann lediglich die Kontaktbeschränkungen nach § 28a Abs. 1 Nr. 3 IfSG zum Tragen.

    Reisen. Auch Reisen können gem. § 28a Abs. 1 Nr. 11 IfSG untersagt oder beschränkt werden. Diese Regelungen gilt sowohl innerdeutsch als auch auf Auslandsreisen und erfasst sowohl touristische Reisen als auch dienstliche Reisen. Das Bestimmtheitsgebot fordert hier allerdings, dass in der entsprechenden Regelung die Reichweite eventueller Reisebeschränkungen klar definiert wird. Insbesondere Reisen für berufliche und geschäftliche Zwecke müssen einer gesonderten Prüfung unterzogen werden und sind gegebenenfalls von den Verboten auszunehmen.

    Übernachtungsangebote. Als notwendige Schutzmaßnahmen kommt auch die Untersagung oder Beschränkung von Übernachtungsangeboten in Frage (§ 28a Abs. 1 Nr. 12 IfSG). Allerdings ist auch hier erforderlich, dass notwendige Übernachtungen (z.B. aus beruflichen und geschäftlichen Zwecken) gegebenenfalls auszunehmen sind.

    Gastronomie. Weiterhin kann gem. § 28a Abs. 1 IfSG der Betrieb von gastronomischen Einrichtungen untersagt oder beschränkt werden. Dies sah der Gesetzgeber vor dem Hintergrund des Umstandes für erforderlich an, dass in diesen Betrieben (z. B. Gaststätten, Bars, Kneipen, Restaurants) durch den Genuss von Speisen und Getränken naturgemäß keine Mund-Nasen-Bedeckung durchweg getragen werden kann. Der Betrieb kann hier gänzlich untersagt werden oder (wie z. B. mit dem Mittel der Sperrstunde) beschränkt werden. Aus Verhältnismäßigkeitsgründen ist ferner zu prüfen, inwieweit (unter Einhaltung eines Hygienekonzeptes) ein Lieferservice beziehungsweise die reine Abholung von Speisen möglich ist.

    Betriebe, Gewerbe, Handel. Auch eine Beschränkung oder gar Schließung von Betrieben, Gewerben, Einzel- und Großhandel kommt als Schutzmaßnahme gem. § 28a Abs. 1 Nr. 14 IfSG in Betracht. Hierbei handelt es sich um Bereiche, in denen der Gesetzgeber die Infektionsgefährdungen als vielfältig ansieht. Als Beschränkung kann z.B. die Festlegung einer bestimmten Anzahl von Personen in Betracht gezogen werden. Auch können Dienstleistungen untersagt werden, die typischerweise einen engen körperlichen Kontakt während einer nicht unerheblichen Zeitspanne ermöglichen (z. B. Kosmetik, Massage, Tattoo). In der Abwägung der grundrechtlich abgesicherten Positionen müssen allerdings Dienstleistungen, die der Gesunderhaltung oder Rehabilitation dienen, gesondert betrachtet werden. Hier sind gegebenenfalls strenge Schutz- und Hygienekonzepte zu bevorzugen.

    Besuchsregelungen. § 28 Abs. 1 Nr. 15 IfSG enthält eine Untersagung oder Beschränkung des Betretens oder des Besuchs von Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens (z. B. Krankenhäuser oder Altenheime). Auch hiermit will der Gesetzgeber eine Reduzierung persönlicher Kontakte erreichen. Insbesondere soll damit dem Gesundheits- und Lebensschutz der in den Einrichtungen lebenden Menschen Rechnung getragen werden. Allerdings dürfen diese Schutzmaßnahmen nicht zur vollständigen Isolation von einzelnen Personen oder Gruppen führen. Ein Mindestmaß an sozialen Kontakten muss hier gewährleistet bleiben (§ 28a Abs. 2 S. 2 IfSG). Auf enge Angehörige von dort behandelten, gepflegten oder betreuten Personen darf eine Untersagung des Betretens oder des Besuchs allerdings nur dann erstreckt werden, wenn auch bei Berücksichtigung aller bisher getroffenen anderen Schutzmaßnahmen eine wirksame Eindämmung der Verbreitung von COVID-19 erheblich gefährdet wäre (§ 28a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 IfSG).

    Gemeinschaftseinrichtungen. Eine weitere nicht unwesentliche Maßnahme stellt die Schließung von Gemeinschaftseinrichtungen im Sinne von § 33 IfSG (z. B. Schulen), Hochschulen, außerschulische Einrichtungen der Erwachsenenbildung oder ähnlichen Einrichtungen gem. § 28a Abs. 1 Nr. 16 IfSG dar. Hierbei muss aber der Bildungsauftrag in der Abwägung berücksichtigt werden.

    Kontaktdaten. Der Gesetzgeber sieht es als erforderlich an, dass Kontakte, die potenziell zu einer Infektion führen, auch ermittelt werden können. Aus diesem Grund kann auch die Anordnung der Verarbeitung der Kontaktdaten von Kunden, Gästen oder Veranstaltungsteilnehmern, um nach Auftreten einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 mögliche Infektionsketten nachverfolgen und unterbrechen zu können, angeordnet werden (§ 28a Abs. 1 Nr. 17 IfSG). Eine wirksame Kontaktnachverfolgung bedingt, dass auch Informationen über Begegnungen erhoben werden. Allein die Befragung von Betroffenen kann nach Auffassung des Gesetzgebers dies nicht sicherstellen, zumal die Erinnerung oftmals nur bedingt taugliche oder vollständige Informationen liefert. Verarbeitet werden dürfen nur personenbezogene Angaben sowie Angaben zum Zeitpunkt und zum Ort des Aufenthaltes (§ 28a Abs. 4 S. 1 IfSG). Unter personenbezogenen Angaben versteht das IfSG Name und Vorname, Geschlecht, Geburtsdatum, Anschrift der Hauptwohnung oder des gewöhnlichen Aufenthaltsortes (falls abweichend: Anschrift des derzeitigen Aufenthaltsorts) sowie (soweit vorliegend) Telefonnummer und E-Mail-Adresse (§ 2 Nr. 16 IfSG).

    Versammlungen, Ausgangsbeschränkungen, enge Angehörige. Versammlungen im Sinne von Art. 8 GG sowie religiöse und weltanschauliche Zusammenkünfte dürfen nur dann untersagt werden, wenn auch unter Berücksichtigung aller bisher getroffenen Schutzmaßnahmen eine wirksam Eindämmung oder Verbreitung von COVID-19 erheblich gefährdet wäre (§ 28a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 IfSG). Gleiches gilt für Ausgangsbeschränkungen, nach der das Verlassen des privaten Wohnbereichs nur zu bestimmten Zeiten oder zu bestimmten Zwecken zulässig ist (§ 28a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 IfSG).

    Fazit

    Gewissermaßen in „Windelseile“ ist es hier dem Gesetzgeber gelungen, Regelungen in Bezug auf die Pandemiebekämpfung zu erlassen. Viele Rechtswissenschaftler sehen allerdings auch jetzt noch Mängel, die auch von der Opposition im Gesetzgebungsverfahren nachdrücklich benannt wurden. So wird oftmals davon ausgegangen, dass auch die neuen Regelungen des § 28a IfSG weder dem Parlamentsvorbehalt noch dem Bestimmtheitsgrundsatz entsprechen (statt vieler: Kießling in Ausschussdrucksache 19(14)246(7)). So wird ja beispielsweise das Tragen von Mundschutz (als sehr milde Maßnahme) von den gleichen Voraussetzungen abhängig gemacht, wie das Schließen von Schulen und Gaststätten. Gemäß dem Parlamentsvorbehalt ist es allerdings Aufgabe des Gesetzgebers festzulegen, in welchen Situationen welche Maßnahmen in Erwägung gezogen werden dürfen. Insoweit bleibt folglich abzuwarten, wie das Bundesverfassungsgericht die Regelungen bewerten wird.

    Interessenkonflikt: Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.

    Das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung und das Einhalten der Abstandsregeln gehören zu den wichtigsten Sicherheitsmaßnahmen im öffentlichen Raum

    Foto: JackF / Getty Images

    Das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung und das Einhalten der Abstandsregeln gehören zu den wichtigsten Sicherheitsmaßnahmen im öffentlichen Raum

    Kontakt

    Patrick Aligbe
    LL. M. (Medizinrecht); Sauerbruchstr. 10; 81377 München

    Fot: privat

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