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Verbesserung der Qualität und der Leistungen im Betrieblichen Gesundheitsmanagement durch Entwicklung von zielgruppenspezifischen Präventionspfaden mit Modellvorhaben nach § 20g SGB V „Gesund arbeiten in Thüringen“

Ergebnisse aus der Kooperation von BARMER und DGAUM 2016–2022

In der Zeit zwischen 2016 und 2022 haben die DGAUM und die gesetzliche Krankenversicherung BARMER gemeinsam das Projekt „Verbesserung der Qualität und der Leistungen im Betrieblichen Gesundheitsmanagement durch Entwicklung von zielgruppenspezifischen Präventionspfaden mit Modellvorhaben nach § 20g SGB V ‚Gesund arbeiten in Thüringen‘“ umgesetzt. Im Fokus stand dabei die Etablierung von neuen konzeptionellen Ansätzen und praktikablen Versorgungswegen in der betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) sowie die Verbesserung von Maßnahmen in der Verhaltens- und Verhältnisprävention insbesondere für Beschäftigte von Kleinst-, kleinen und mittleren Unternehmen (KKMU). Inzwischen liegt ein Bericht zu den Ergebnissen vor.

Die Kooperation von DGAUM und BARMER ist unbedingt im Kontext der politischen Debatten um die parlamentarische Verabschiedung eines Präventionsgesetzes („Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention“) im Jahre 2015 sowie der damit verbundenen gesamtgesellschaftlichen Diskussionen, um die Bedeutung lebensweltbezogener Prävention zu begreifen. Die Lebenswelt Betrieb stellt mit fast 45 Millionen Erwerbstätigen in unserer Gesellschaft das größte Präventionssetting sowohl für Maßnahmen im Rahmen der Verhaltens- als auch der Verhältnisprävention dar. Alle Beschäftigten haben einen gesetzlich verbürgten Anspruch auf eine adäquate arbeitsmedizinische Betreuung und Vorsorge und kommen damit bei Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben in Kontakt mit Betriebsärztinnen und Betriebsärzten. Diesen Kontext galt es für die Entwicklung neuer Präventionspfade und verbesserter präventivmedizinischer Versorgungswege insbesondere für die Beschäftigten von KKMU an der Schnittstelle zwischen klassischem Arbeitsschutz und Präventionsmaßnahmen nach dem SGB V zu nutzen. Im Mittelpunkt der Kooperation stand daher ein Modellvorhaben nach § 20g SGB V: „Gesund arbeiten in Thüringen“ (GAIT). Dies war das erste Modellvorhaben nach dem Präven­tionsgesetz, in dessen Fokus Konzepte und Maßnahmen der BGF und des Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) insbesondere bei KKMU in Thüringen standen, um flächendeckend Beschäftigte und Betriebe besser und nachhaltig mit arbeitsmedizinischen Angeboten zu versorgen und bei der Umsetzung von BGF-Maßnahmen zu unterstützen. Die Schirmherrschaft hatte Frau Ministerin Heike Werner, MdL, vom Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie (TMASGFF) übernommen.

Neben der Beschreibung des Ist-Zustands sowie der wissenschaftlichen Evaluation und Publikation der implementierten Maßnahmen durch umfangreiche Befragungen von Arbeitgebern, Geschäftsführerinnen/-führern und Beschäftigten einerseits sowie von Ärztinnen und Ärzten aus dem Bereich der Prävention (Betriebsärzte) und der Kuration (Vertragsärzte) sowie von Sicherheitsfachkräften andererseits gehörte eine intensive Netzwerkarbeit mit KKMU sowie die Vernetzung mit allen relevanten Akteuren aus Politik, Wirtschaft und Gesundheitswesen zum Schwerpunkt der Aktivitäten. Als wesentliche Erfahrungen und Ergebnisse lassen sich festhalten:

  • Die Verbesserung von Qualität und Leistungen in der betrieblichen Prävention und Gesundheits-förderung beginnt bei vielen KKMU beim Arbeitsschutz: Deshalb stellt eine Gefährdungsbeurteilung unter Beteiligung einer/eines Betriebsärztin/-arztes am Arbeitsplatz, bei deren Durchführung unter anderem die Betriebsärztinnen und -ärzte sowie Fachkräfte für Arbeitssicherheit gerne fachlich unterstützen, die unverzichtbare Grundlage aller weiteren Maßnahmen dar.
  • Maßnahmen im Bereich von BGF oder gar ein BGM sind bei vielen KKMU selbst dann keine „Selbstläufer“, wenn diese auf Grundlage der Gefährdungsbeurteilung abgeleitet und verabredet wurden.
  • BGF-Angebote im Umfeld von KKMU müssen daher nicht nur im jeweiligen Umfeld attraktiver und passgenauer werden, sondern sind mit Konzepten und Maßnahmen zu begleiten, die Bewusstsein und Akzeptanz bei allen betrieblichen Akteuren schaffen können; Stichwort: „Ohne richtiges Denken keine richtigen Handlungen“.
  • Qualitativ hochwertige regional verortete Netzwerkbildung und -arbeit kann dazu beitragen, dass die Themen „BGF“, „BGM“, „Gesundheit im Betrieb“ im Aufmerksamkeits- und Handlungsfokus bleiben. Allerdings benötigt man dafür primär ausreichend Ressourcen und Manpower, die bei erfolgreicher Umsetzung sekundär auch zum wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens beitragen können.
  • Gute Netzwerkarbeit ist mühsam, mitunter braucht es einen langen Atem. Denn ein gutes Netzwerk lebt vom Miteinander sowie und vom Geben und Nehmen. Insofern hängt eine gelingende Netzwerkarbeit oft von einzelnen, engagierten Personen („Kümmerern“) ab.
  • Der Vorteil von gut funktionierenden Netzwerken insbesondere für KKMU ist, dass man Bedarfen sowohl im Bereich des „klassischen“ Arbeitsschutzes als auch im Feld der Präventionsmaßnahmen nach dem Präventionsgesetz (SGB V)
    gut begegnen und nachhaltige Lösungen gestalten kann. Daher liegt dort ein wichtiger Schlüssel zur Verbesserung der Qualität und der Leistungen im betrieblichen Gesundheitsmanagement. Zudem ist in diesem Kontext dann eine konti­nuierliche, wissenschaftliche Begleitung zur Objektivierung und Qualitätssicherung unbedingt zu empfehlen.
  • Vernetzung und Netzwerkarbeit sollten über die Unternehmen hinausweisen und alle relevanten Akteure im Umfeld der betrieblichen Prävention und Gesundheitsförderung sowie an den Schnittstellen zu Kuration und Rehabilitation im Blick haben. Eine wichtige Rolle spielt hierbei insbesondere die Zusammenarbeit kurativ tätiger Ärztinnen/Ärzte mit den Betriebsärztinnen/Betriebsärzten. Hierfür braucht es gemeinsame Grundlagen und Akzeptanz der jeweiligen Aufgaben. Diese kann unter anderem durch gemeinsam nutzbare Fortbildungstools und geeignete Veranstaltungsformate verbessert werden.
  • Integrierte, sektorübergreifende Konzepte und Versorgungsstrukturen in Prävention, Kuration und Rehabilitation sind eingedenk der allgemeinen demografischen Entwicklung in unserer Gesellschaft sowie dem damit einhergehenden Alterungsprozess in der Bevölkerung bei gleichzeitiger Zunahme von chronischen Erkrankungen schon in der jüngeren Generation dringend geboten.
  • Ein wichtiger Bestandteil des Präventionsgesetzes ist ebenfalls die Versorgung mit nicht beruflich induzierten Schutzimpfungen durch Betriebsärztinnen und -ärzte. Ziel ist es, den Impfschutz in der Bevölkerung nachhaltig zu verbessern und gerade das Setting Arbeitsplatz dafür zu nutzen. Das Impfen war zwar mit § 132e im SGB V
    als Aufgabe im Betrieb gesetzlich festgeschrieben, allerdings ohne Angaben, wie dies zwischen den unterschiedlichen Akteuren, also Betriebsärztinnen/-ärzten, Krankenkassen oder Unternehmen, geregelt werden soll. Im Rahmen der Kooperation von BARMER und DGAUM wurden hier Strukturen und Wege entwickelt, damit Betriebsärztinnen und -ärzte diesem Versorgungsauftrag entsprechen und erstmals sektorübergreifend zu handelnden Akteuren im SGB V werden konnten. Auf der Grundlage eines Mustervertrages mit der BARMER beziehungsweise dessen Weiterentwicklung mit anderen GKV hat die DGAUM inzwischen über 50 Verträge mit Krankenkassen geschlossen, darunter alle AOK und Ersatzkassen sowie viele große und größere BKK und IKK, und eine Marktabdeckung von 90 % der GKV-Versicherten erreicht. Darüber hinaus konnte mit „DGAUM-Selekt“ ebenfalls ein datengestütztes Abrechnungssystem etabliert werden, das den elektronischen Datenaustausch zur Abrechnung der betriebsärztlichen Impfleistungen und der dazu gehörenden Impfstoffe mit der GKV möglich macht.

    Welche Relevanz das präventionsmedizinische Thema Impfen am Arbeitsplatz besitzt, zeigt sich gerade bei der Bekämpfung der Covid-19-Pandemie: Bei insgesamt drei Impfkampagnen im Sommer 2021 und im Januar 2022 konnten im Rahmen des Modellvorhabens rund 600 Beschäftigte in Thüringen gegen das SARS-CoV-2-Virus geimpft beziehungsweise geboostert werden. Mit diesen Impfungen und der Netzwerkarbeit im Rahmen von GAIT konnte die DGAUM zusammen mit der BARMER nicht nur aufzeigen, wie wichtig Betriebsärztinnen und -ärzte sowie das Präventionssetting Arbeitswelt in der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung sind, sondern auch deutlich machen, welche Wege man zur Verbesserung der Qualität und der Leistungen im Betrieblichen Gesundheitsmanagement durch Entwicklung von zielgruppenspezifischen Präventionspfaden zum Nutzen der Beschäftigten gehen kann.

    DGAUM und BARMER wollen es aber damit nicht genug sein lassen. Sie haben eine dreijährige Fortführung der Kooperation und des Modellvorhabens in Thüringen vereinbart. Ziel des Transferprojekts „Vernetzen. Verstetigen. Nachhaltigkeit“ ist es nun, auf Basis der bisher gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse und praktischen Erfahrungen längerfristig wirksame sowie erfolgsversprechende und praxistaugliche Versorgungswege in der betrieblichen Prävention und Gesundheitsförderung für Beschäftigte von KKMU zu etablieren und zu verstetigen.

    Dr. phil. Thomas Nesseler

    Hauptgeschäftsführer DGAUM

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