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Eine explorative Feldstudie

Einfluss eines Exoskeletts zur Unterstützung von Überkopftätigkeiten in der Automobilindustrie auf die subjektive, körperliche Beanspruchung

M. Hefferle1,3

C. Dahmen2

K. Kluth3

Influence of an exoskeleton to support overhead activities in the automotive industry on subjective, physical strain – an explorative field study

Objective: Musculoskeletal disorders (MSD) are still the main reason for sick leaves within the automotive industry. MSDs of the shoulder account for the longest periods of sick leave among all musculoskeletal disorders, with prolonged overhead work being a well-documented risk factor for such disorders. In order to reduce the strain on employees, physically supporting assistance systems, so-called exoskeletons, are being tested in industry. The aim of this study was to investigate perceived strain when using a passive exoskeleton device to support overhead work at real workplaces in the underfloor assembly line of an automobile manufacturer.

Method: Perceived strain of twelve participants was assessed on a fifth test day after a four-day acclimatization phase with alternating use of an exoskeleton to support overhead activities at real workplaces in the production environment of an automobile manufacturer. Using Borg’s CR-10 scale a modified body map was applied to determine body-part related perceived strain.

Results: Four out of 13 body parts (elbows, forearms, hands/fingers, and neck) showed statistically significant reductions in perceived strain. Hips and lower limbs (legs, knees, and feet) showed increased values during the intervention condition, but they were not statistically significant. Out of the remaining body parts, only the back demonstrated reductions (shoulders, back, and buttocks), though not statistically significant.

Conclusion: The results suggest a perception of relief in several body parts, although the majority of them are not directly supported by the exoskeleton. Subsequent studies should therefore further investigate subjectively and objectively perceived physiological strain while wearing an exoskeleton device. The apparent pseudo-relief effect on unsupported body parts should be investigated more thoroughly in the subjective evaluations.

Keywords: exoskeleton – work-related musculoskeletal disorders – overhead work – perceived strain – PAEXO

ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2019; 54: –

Einfluss eines Exoskeletts zur Unterstützung von Überkopftätigkeiten in der Automobilindustrie auf die subjektive, körperliche Beanspruchung – eine explorative Feldstudie

Zielstellung: Erkrankungen des Muskel-Skelett-Apparats sind unverändert der Hauptgrund für Arbeitsunfähigkeitstage in der Automobilindustrie. Langanhaltende Überkopftätigkeiten sind ein bedeutender Risikofaktor für Muskel-Skelett-Erkrankungen des gesamten Schulterapparats, die zu den längsten Ausfallzeiten führen. Um die Beanspruchungen auf die Mitarbeitenden zu reduzieren, werden in der Industrie physisch unterstützende Assistenzsysteme – so genannte Exoskelette – erprobt. Ziel dieser Studie war es, die empfundene Beanspruchung bei Verwendung eines passiven Exoskeletts zur Unterstützung von Überkopftätigkeiten an existierenden Arbeitsplätzen in der Unterflurmontagelinie eines Automobilherstellers zu analysieren.

Methode: An realen Arbeitsplätzen im Produktionsumfeld eines Automobilherstellers wurden zwölf Probanden nach einer jeweils viertägigen Eingewöhnungsphase an einem fünften Versuchstag mit alternierender Verwendung eines Exoskeletts zur Unterstützung von Überkopftätigkeiten hinsichtlich ihrer wahrgenommenen Beanspruchung befragt. Unter Einsatz der Borg‘schen CR-10-Skala wurde mittels einer modifizierten Body-Map das Beanspruchungsempfinden körperteilbezogen abgefragt.

Ergebnisse: Für 4 von insgesamt 13 betrachteten Körperteilen (Ellenbogen, Unterarme, Hände/Finger und Nacken) konnte eine statistisch signifikante Reduktion der wahrgenommenen Beanspruchung festgestellt werden. Die Hüfte sowie die unteren Extremitäten (Beine, Knie, Füße) zeigten Tendenzen einer Zunahme der Beanspruchung, waren aber statistisch nicht signifikant. Bei den verbleibenden Körperteilen (Schultern, Rücken, Gesäß) zeigte sich nur beim Rücken eine Tendenz zur Reduktion, die ebenfalls statistisch nicht signifikant war.

Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse weisen auf eine empfundene Entlastung einiger Körperstellen hin. Zum Großteil handelt es sich allerdings um Körperteile, die aus technisch-funktioneller Sicht nicht durch das untersuchte Assistenzsystem unterstützt werden. Daher bedarf es weiterer Untersuchungen zur subjektiv sowie zur objektiv erhobenen physiologischen Beanspruchung beim Tragen von Exoskeletten. Hinsichtlich der subjektiven Evaluationen sollte der angesprochene mögliche Pseudo-Entlastungseffekt nicht unterstützter Körperteile genauer betrachtet werden.

Schlüsselwörter: Exoskelett – Muskel-Skelett-Erkrankungen – Überkopf­tätigkeit – Beanspruchungsempfinden – PAEXO

Einleitung

Erkrankungen des Muskel-Skelett-Apparats sind unverändert der Hauptgrund für Arbeitsunfähigkeitstage in der Industrie (Marschall et al. 2016) und verursachen einen zweistelligen Milliardenausfall innerhalb der Bruttowertschöpfungskette Deutschlands (Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin [BAuA] 2017). Vor dem zunehmenden Problem des demografischen Wandels sowie einem ungebrochenen Anstieg des Fachkräftemangels wird die Aufgabe, Beschäftige möglichst lange einsatzfähig zu halten, immer wichtiger (Berufsgenossenschaft Holz und Metall 2017). Langanhaltende, repetitive Überkopftätigkeiten können zu schwerwiegenden Erkrankungen des gesamten Schulterapparats führen, die wiederum in den längsten Ausfallzeiten innerhalb des produzierenden Gewerbes resultieren (Bureau of Labor Statistics 2016). Zur Vermeidung von Muskelermüdung sowie Krankheitsbildern des Schulterapparats (z.B. Tendinitis) sollten deshalb derartige Tätigkeiten im Überkopfbereich soweit wie möglich vermieden werden. Das gilt umso mehr, wenn aufgrund von zusätzlichem Gewicht – neben dem Eigengewicht der Arme – eine erhöhte Belastungssituation am Arbeitsplatz vorliegt.

Seit kurzer Zeit werden in der Industrie physisch unterstützende Assistenzsysteme, so genannte Exoskelette, erprobt, die das Potenzial besitzen, die physische Beanspruchung von besonders stark belasteten Körperregionen gezielt zu reduzieren und damit die ergonomische Situation am Arbeitsplatz zu verbessern (American Society of Biomechanics 2017). Die Industrie erhofft sich durch den Einsatz der neuen Assistenzsysteme eine Verbesserung des Arbeitsschutzes, beispielsweise an Arbeitsplätzen, an denen technische Maßnahmen aufgrund der spezifischen Arbeitssituation nicht realisierbar sind (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung [DGUV] 2018). Die Motivation für den Einsatz der Geräte liegt in der Hoffnung begründet, die Zunahme der Muskel- und Skeletterkrankungen zu verlangsamen oder gar umzukehren (Looze et al. 2016) und darüber hinaus leistungsgewandelte Mitarbeitende mittelfristig wieder an einem breiteren Spektrum an Arbeitsplätzen einsetzen zu können. Dennoch sind Exoskelette als ergonomische Maßnahme an industriellen Arbeitsplätzen bislang nicht besonders verbreitet, auch wenn eine Zunahme zu verzeichnen ist (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung [DGUV] 2018). Neben der Hoffnung auf den potenziellen Nutzen der Geräte liegt möglicherweise diese Zurückhaltung auch an den vermeintlichen Risiken, die mit einer Nutzung von Exoskeletten einhergehen. So berichten einige Studien von einer Belastungszunahme in anderen Körperbereichen, die über den erwünschten Umverteilungseffekt von auf den Körper einwirkenden Kräften – bislang auf die Arme und Schultern, nun auch auf andere Körperregionen wie beispielsweise die Hüfte – hinausgehen (Rashedi et al. 2014; Theurel et al. 2018). Weiterhin gibt es Bedenken bezüglich eines erhöhten Sturz- und Stolperrisikos aufgrund der Bewegungseinschränken und nicht zuletzt aufgrund des zusätzlichen Gewichts der Geräte (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung [DGUV] 2018). In der Vergangenheit wurden nur vereinzelte Pilotstudien durchgeführt und veröffentlicht (Berufsgenossenschaft Holz und Metall 2017), weshalb weiterhin großer Forschungsbedarf hinsichtlich Akzeptanz und Handhabung, Tragekomfort sowie der subjektiven Beanspruchung und der objektiv messbaren physiologischen Auswirkungen besteht (Weston et al. 2018).

Fragestellung/Zielstellung

Hensel und Keil veröffentlichten 2018 eine Feldstudie, in der die beiden Überkopf-Exoskelette „PAEXO“ (Ottobock SE & Co. KGaA, Duderstadt, Deutschland) sowie „Levitate Airframe“ (Levitate Technologies, Inc., San Diego, USA) evaluiert und miteinander verglichen wurden. Aufgrund der geringen Probandenzahl konnten keine Ergebnisse berichtet werden, die über die deskriptive Statistik hinausgingen, sondern es konnten lediglich Tendenzen abgeleitet werden. Für das Gerät Levitate Airframe wurde ein größeres Diskomfortempfinden im Vergleich zum PAEXO festgestellt, was einerseits auf Schweißbildung, andererseits auf Reibung im Bereich der Kontaktstellen zwischen Haut und Exoskelette respektive der Tragegurte zurückzuführen war. Während die Gebrauchstauglichkeit beider Geräte als ähnlich bewertet worden war, wurde die Usability des Levitate weitaus besser als die des PAEXO bewertet, was über die zeitaufwändige Anlegeprozedur aufgrund der Vielzahl der Riemen und Verschlüsse begründet wurde (Hensel u. Keil 2018). In einer von Schmalz et al. (2019) veröffentlichten Prinzipstudie, in der das PAEXO hinsichtlich der Auswirkungen auf den Metabolismus sowie die elektromyografische Aktivität ausgewählter Schultermuskeln untersucht wurde, konnten signifikante Reduktionen der Beanspruchung gezeigt werden. Die Autoren der Laborstudie verweisen auf eine „[…] unmittelbar positiv empfundene Wirkung […]“ welche „[…] demzufolge mit einer hohen Akzeptanz durch den Nutzer verbunden […]“ ist (Schmalz et al. 2019). Gleichzeitig wird auf die Notwendigkeit weiterer Feldstudien hingewiesen.

Im vorliegenden industriellen Umfeld erfolgt die Integration eines neuen Exoskeletttyps in das Produktionssystem aus ergonomisch-industrieller Sicht in der Regel in zwei Schritten. Im ersten Schritt wird eine explorative Pilotstudie an einem passenden Arbeitsplatz durchgeführt, bei der ausschließlich subjektive Daten erhoben werden. Dazu zählen Nutzerakzeptanz, Handhabung, Tragekomfort und das Beanspruchungsempfinden. Das Probandenkollektiv wird bewusst klein gehalten, um eine schnelle Durchführung der Studie zu gewährleisten. Erweist sich das Gerät als positiv, werden in einem zweiten Schritt umfangreichere Labor- und Feldstudien mit einem größeren Probandenkollektiv durchgeführt. Es kommen dann objektive Messmittel zur Erhebung der Auswirkungen auf die Physiologie des Trägers zum Einsatz. Aus den Studien der beiden Integrationsschritte ergeben sich Erkenntnisse, die konsequent zur weiteren Entscheidungsfindung führen. Diese Erkenntnisse können entweder selbst, intern, oder auch fremd, extern, in Studien erzeugt werden.

Zum Zeitpunkt der Studiendurchführung war den Autoren keine ausreichende Datengrundlage hinsichtlich der subjektiven Beanspruchung für das Überkopf-Exoskelett PAEXO bekannt, die die oben beschriebenen notwendigen Erkenntnisse für den zweiten produktionsseitigen Integrationsschritt bereitgestellt hätte. Ziel war daher eine subjektive Evaluation des Exoskeletts unter realen Einsatzbedingungen im Rahmen des ersten Schrittes zur Integration eines neuen Exoskeletttyps in das industrielle Produktionsumfeld.

Methoden

Passives Exoskelett

In der durchgeführten Feldstudie wurde das passive (d. h. nicht aktiv angetrieben durch einen Motor oder Aktuator und keine eigene Energiequelle), kommerziell erhältliche Exoskelett PAEXO verwendet, das den Trägern bei Tätigkeiten im Überkopfbereich unterstützen soll. Als Überkopfarbeit werden – wie auch im vorliegenden Fall – Tätigkeiten definiert, bei denen mindestens eine Hand oberhalb des zu derselben Körperseite gehörenden Schultergelenkmittelpunktes betätigt wird. Letzterer wird als der Kreuzungspunkt der Skelettlinien von Arm und Schultergürtel verstanden (Bier 1991). Das Gerät wird mit zwei Schultergurten, einem Brustgurt sowie einem Hüftgurt am Körper fixiert und sitzt dabei wie ein ordinärer Wanderrucksack auf beiden Beckenknochen auf. Die Oberarme liegen jeweils in einem mit Stoff überspanntem Kunststoff-Pad und werden ebenfalls mit Gurten per Klettverschluss fixiert. Das Exoskelett unterstützt die Träger, indem es das Armgewicht über eine mechanische Hebelkonstruktion – angetrieben über elastische Expander-Elemente – auf der Rückenseite der tragenden Person umleitet. Über die beiden Armaufnahmen wird die Gewichtskraft der Arme entlang des Hebelmechanismus in die Hüfte eingeleitet, was einer Änderung des Kraftflusses gleichkommt. Korrekt auf jeweilige Person eingestellt, wird das Armgewicht in jedem Schultergelenkswinkel annähernd vollständig kompensiert, so dass die Schultermuskulatur in einer ausgestreckten, statischen Armhaltung kaum Kraft leisten muss. Weitere, detailliertere Beschreibungen der Wirkungsweise von Überkopfexoskeletten wurden bereits berichtet (Hensel u. Keil 2018; Dahmen u. Hefferle 2018). Die Änderung des Kraftflusses bewirkt eine Entlastung der Schulter, wodurch ein positiver Effekt auf Muskulatur, Sehnen und Gelenke erreicht werden soll. Das Gerät lässt sich auf die anthropometrischen Körpermaße der Träger einstellen. Die Gurte können längenverstellt, die Unterstützungskraft stufenlos angepasst und die beiden Hebelmechanismen, d. h. die stützenden Elemente des Assistenzsystems, auf die Länge des Rückens individuell eingestellt werden.

Beschreibung des Arbeitsplatzes

Für die Arbeitsanalysen wurden Überkopfarbeitsplätze ausgewählt, wie sie typischerweise an den Montagelinien von Automobilwerken vorkommen. Nachdem Fahrwerk, Antriebsstrang sowie Abgasanlage und diverse weitere Aggregate an einem PKW-Neufahrzeug verbaut wurden, wird in einem der letzten Montagevorgänge der Unterboden gegen Spritzwasser, Dreck und Steinschlag geschützt. Das wird über die Anbringung des Unterbodenschutzes realisiert, wobei hierfür die Karosse angehoben wird, damit die Mitarbeitenden unterhalb der Karosse in Überkopfarbeit die Verkleidung anbringen können. Aufgrund der Medienbefüllung (Schmiermittel, Öle, Kraftstoff etc.) kann die Fahrzeugkarosse zu diesem Zeitpunkt nicht mehr geschwenkt werden, so dass auch keine ergonomisch günstigere Arbeitshaltung eingenommen werden kann.

Mittels Akkuschrauber wird in annähernd 90° Schulterextensions­winkel die Verkleidung beidhändig korrekt positioniert und anschließend verschraubt. Den Akkuschrauber meist in der dominanten Hand haltend, verbleibt der eine Arm konstant in annähernd 90° Schultergelenkshaltung, während der andere Arm die zu verbauenden Schrauben zuführt.

Die Taktzeit lag dabei an den untersuchten Arbeitsplätzen bei 82 Sekunden. In Abhängigkeit des Fahrzeugtyps sowie des Fahrzeugderivats (d. h. Ableitung des Grundmodells, z. B. Cabrio, Coupé) werden im Schnitt pro Fahrzeug ca. 40 Schrauben in den Unterboden eingeschraubt. Das bedeutet, dass die Arbeitskraft pro Tag und damit Schicht insgesamt rund 12 400 Schrauben verbaut und sich damit für mehr als 250 Minuten pro Schicht in einer ergonomisch ungünstigen Überkopfarbeitshaltung befindet.

Probanden

Zwei weibliche und zehn männliche erfahrene Produktionsmitarbeitende (Alter: 32,5 ± 7,6 Jahre, Statur: 175,8 ± 6,6 cm) des untersuchten Montagebandabschnitts nahmen am Versuch teil. Acht Probanden besaßen ein normales Körpergewicht. Zwei Probanden waren leicht übergewichtig und zwei weitere Probanden waren sehr schlank und an der Grenze zum Untergewicht. Der Terminus „Probanden“ schließt hier ebenfalls die weiblichen Probandinnen mit ein und wird aus Gründen des Datenschutzes sowie der Einfachheit halber verwendet. Die Teilnahme am Versuch war freiwillig. Die rekrutierten Probanden wurden vor Beginn der Studie über die Wirkungsweise und die potenziellen Risiken von Exoskeletten informiert. Exklusionskriterium für die Teilnahme war eine dem Probanden bekannte Muskel-Skelett-Erkrankung. Der Versuch konnte zu jedem Zeitpunkt ohne Angabe von Gründen abgebrochen werden. Keiner der zwölf Probanden brach den Versuch vorzeitig ab. Die Rahmenbedingungen und die Versuchsinhalte wurden vorab einem unabhängigen Betriebsratsgremium zur Überprüfung vorgelegt, der in der vorliegenden Studie die Ethikkommission ersetzte. Geprüft wurden die Funktionsweise des eingesetzten Exoskeletts inklusive der potenziellen Risiken, das Versuchsdesign sowie der verwendete Fragebogen.

Versuchsablauf

Jeder Teilnehmende war für eine ganze Woche (5 Arbeitstage) an der Studie beteiligt. Die Woche startete für jeden Probanden mit vier Eingewöhnungstagen und endete mit dem eigentlichen Versuchstag an dem das Beanspruchungsempfinden erhoben wurde. Pro Woche nahmen immer drei Probanden parallel teil. In Summe ergab sich damit bei zwölf Teilnehmenden ein Gesamtstudienzeitraum von vier Wochen. Jeder der fünf Arbeitstage (8 h pro Tag im Schichtmodell) war durch eine halbstündige Pause geteilt. Während der einwöchigen Studiendauer arbeiteten die Probanden abwechselnd mit bzw. ohne Exoskelett an ihrem Arbeitsplatz für jeweils eine halbe Schicht, was, bedingt durch kurze Unterbrechungen und Pausen wie beispielsweise einem Toilettengang, einer Dauer von ca. 3,5 h entsprach. Die Startversuchsbedingung „ohne Exo“ (Kontrollbedingung) und „mit Exo“ (Intervention) wurden pro Arbeitswoche systematisch variiert. Am ersten Tag der ersten Studienwoche begannen einer der drei Probanden in der Kontrollbedingung und die zwei verbleibenden mit der Intervention. Jeder Proband begann seinen darauffolgenden Wochentag jeweils im alternierenden Wechsel der Versuchsbedingungen. Das heißt, dass jeder Proband basierend auf der Abschlussbedingung des vorangegangenen Tages mit der Alternativbedingung am darauffolgenden Tag startete. Am ersten Tag der zweiten Studienwoche begannen dann zwei Probanden in der Kontrollbedingung und ein Proband startete mit der Intervention. ➥ Tabelle 1 zeigt die systematische Variation der Kontrollbedingung und der Intervention beispielhaft für die ersten beiden Studienwochen.

Derselbe alternierende Wechsel wurde auch für die dritte und die vierte Studienwoche eingehalten. Über den gesamten Studienzeitraum und somit auch am eigentlichen Versuchstag starteten somit sechs Probanden jeweils mit der Kontrollbedingung und sechs Probanden mit der Intervention. Um Transfer-, Trainings- und Reihenfolgeeffekte zu vermeiden, erfolgte die Zuteilung der Probanden auf die Studienwoche und damit auf die Startversuchsbedingung nach dem Zufall. Eine vom Hersteller eingewiesene, die Versuchsvorbereitung unterstützende Person stellte vor Beginn des Studienzeitraums das Exoskelett auf die individuellen Körpermaße eines Probanden ein (siehe Einstellmöglichkeiten im Abschnitt „Passives Exoskelett“). Zudem wurde von dieser Person die Kraftunterstützung entsprechend der Herstellerangaben angepasst. Dabei wurde die Unterstützung des Exoskeletts so lange angepasst, bis die waagrecht ausgestreckten Arme des Probanden (Oberarme parallel zu Transversal- und Sagittalebene und orthogonal zur Frontaleben, Ellenbogengelenke in 0°-Stellung) bei einer Relaxion der Schultermuskulatur langsam herabsanken und neben dem Körper in einem 0°-Schultergelenkswinkel anlagen, ohne, dass eine zusätzliche Kraft durch die tragende Person des Exoskeletts aufgewendet werden musste. Über den viertägigen Eingewöhnungszeitraum konnten die Probanden dann das Exoskelett ausführlich im Arbeitsalltag erproben.

Datenerhebung

Für die Erhebung der Daten wurde ein selbst entwickelter Frage­bogen eingesetzt, der aus drei Teilen bestand. Der erste Teil umfasste Fragen zu Demografie und Anthropometrie und wurde direkt vor Beginn der Eingewöhnungsphase am jeweils ersten Arbeitstag ausgefüllt. Der zweite Teil des Fragebogens beinhaltete Fragen zu „Trage­komfort“, „Handhabung“, „Arbeitsausführung“ und „Akzeptanz“. Der dritte Teil des Fragebogens beinhaltete die Abfrage des Beanspruchungsempfindens. Teil zwei und drei des Fragebogens wurden jeweils direkt im Anschluss an die jeweilige Versuchsbedingung am Versuchstag (Tag 5, vgl. auch Tabelle 1) erhoben, wobei im vorliegenden Artikel nur auf den ersten und letzten Teil des Fragebogens eingegangen wird. Die Erhebung des Beanspruchungsempfindens erfolgte körperteilbezogen mittels einer modifizierten Body-Map (Corlett u. Bishop 1976), wobei die identische Body-Map für jeweils eine Versuchsbedingung verwendet wurde. Die Body-Map unterschied zwischen der vorderen Körperseite mit neun verschiedenen Körperteilen und der rückwärtigen Körperseite mit vier unterschiedlichen Körperteilen, wobei nicht zwischen „links“ und „rechts“ – beispielsweise bei den Extremitäten – unterschieden wurde. In ➥ Tabelle 2 finden sich die Körperteile nach Körperregionen geordnet. Pro Körperteil wurde die empfundene Beanspruchung unter Zuhilfenahme der standardisierten CR-10 Skala (Borg 1998), auf einer Skala von 0, „Keine Beanspruchung“ bis 10, „Maximale Beanspruchung“ bewertet.

Tabelle 2:  Erhobene empfundene Beanspruchung der Körperteile der Kontrollbedingung und Intervention. „0”: keine Beanspruchung, „10”: sehr hohe Beanspruchung (nicht markiert: p ≥ 0,05, *p < 0,05, **p < 0,01, ***p < 0,001)Table 2: Assessment of perceived strain between control- and intervention condition. “0”: no strain, “10”: very high  strain (unmarked: p ≥ 0.05, *p < 0.05, **p < 0.01, ***p < 0.001)

Tabelle 2: Erhobene empfundene Beanspruchung der Körperteile der Kontrollbedingung und Intervention. „0”: keine Beanspruchung, „10”: sehr hohe Beanspruchung (nicht markiert: p ≥ 0,05, *p < 0,05, **p < 0,01, ***p < 0,001)
Table 2: Assessment of perceived strain between control- and intervention condition. “0”: no strain, “10”: very high
strain (unmarked: p ≥ 0.05, *p < 0.05, **p < 0.01, ***p < 0.001)

Datenanalyse

Die Datenverarbeitung und statistische Auswertung erfolgte mit der Software Microsoft Excel 2013 (Microsoft Corporation, Washington, USA) sowie SPSS® Version 20 (IBM SPSS Statistics, Armonk, USA). Vor der statistischen Weiterverarbeitung wurden die Daten mittels Shapiro-Wilk-Test (α = 0,05) auf Normalverteilung überprüft. Da die erhobenen Daten zum Beanspruchungsempfinden lediglich ordinalskaliert waren und in Teilen nicht normalverteilt (5 von 13 untersuchten Bedingungen) vorlagen, wurde der nichtparametrische Wilcoxon-Vorzeichen-Rang-Test (α = 0,05) angewandt. Einem Within-Subject-Studiendesign folgend wurde der Test auf die Angaben in der Body-Map pro Körperteil der Probanden zu den beiden Versuchsbedingungen „ohne Exo“ (Kontrollbedingung) und „mit Exo“ (Intervention) angewandt. Statistische Signifikanz wurde ab p < 0,05 angenommen. Über die Berechnung des Bravais-Pearson-Korrelationskoeffizienten rK wurde die Effektstärke pro Körperteil (K) mittels nachstehender Formel ermittelt, wobei zK den Z-Wert pro Körperteil aus dem Wilcoxon-Vorzeichen-Test darstellt und sich N = 2 * 12 = 24 durch 12 Angaben zu jeweils 2 Versuchsbedingungen ergibt:

Die Einteilung der Effektstärken erfolgt nach Cohen mit rK > 0,1 geringer Effekt, > 0,3 mittlere Effekt und > 0,5 starker Effekt (Cohen 2013). Die relative Beanspruchungsdifferenz wurde jeweils pro Körperteil aus der Differenz der Mittelwerte der Kontrollbedingung (MWK,ohne Exo) sowie der Intervention (MWK,Exo) in Bezug auf die CR-10-Skala gebildet. Die Berechnung als mathematische Formel lautet:

Ergebnisse

Nachfolgend sind die Ergebnisse – gegliedert nach den Körperregionen „Obere Extremitäten“, „Rumpf, untere Extremitäten“ sowie „Nacken und Schultern, Rücken und Gesäß“ – als Box-Plot-Grafiken dargestellt. Die hellblauen Box-Plots stellen die Kontrollbedingung dar, während die blauen Box-Plots die Intervention veranschaulichen. Eine statistische Signifikanz zwischen zwei Versuchsbedingungen ist über eine geschweifte Klammer mit einem Asterisk gekennzeichnet. ➥ Abbildung 1 zeigt die Ergebnisse für die Körperregion „Obere Extremitäten“.

Abb. 1:  Ergebnisse der Auswertung der Body-Map für die oberen Extremitäten. „0”: keine  Beanspruchung, „10”: sehr hohe Beanspruchung (nicht markiert: p ≥ 0,05, *p < 0,05, **p < 0,01, ***p < 0,001)Fig. 1: Results of the analysis of the body map for upper limbs. “0”: no strain, “10”: very high strain  (unmarked: p ≥ 0.05, *p < 0.05, **p < 0.01, ***p < 0.001)

Abb. 1: Ergebnisse der Auswertung der Body-Map für die oberen Extremitäten. „0”: keine
Beanspruchung, „10”: sehr hohe Beanspruchung (nicht markiert: p ≥ 0,05, *p < 0,05, **p < 0,01, ***p < 0,001)
Fig. 1: Results of the analysis of the body map for upper limbs. “0”: no strain, “10”: very high strain
(unmarked: p ≥ 0.05, *p < 0.05, **p < 0.01, ***p < 0.001)

Für die Körperteile „Ellenbogen“ (relative Beanspruchungsdifferenz: –11 %, Bravais-Pearson-Korrelationskoeffizient rK: 0,49), „Unterarme“ (–13 %, 0,52) sowie „Hände/Finger“ (–4 %, 0,47) wurde eine statistisch signifikante Reduktion der empfundenen Beanspruchung gefunden, die nach Cohen einem mittleren bzw. starken Effekt entsprechen. Die Beanspruchungsdifferenz im Bereich der „Oberarme“ (–8 %) war statistisch nicht signifikant. ➥ Abbildung 2 zeigt die Ergebnisse für die Körperregion „Rumpf, untere Extremitäten“.

Abb. 2:  Ergebnisse der Auswertung der Body-Map für Rumpf und untere Extremitäten. „0”: keine Beanspruchung, „10”: sehr hohe Beanspruchung (nicht markiert: p ≥ 0,05, *p < 0,05, **p < 0,01, ***p < 0,001)Fig. 2: Results of the analysis of the body map for torso and lower limbs. “0”: no strain, “10”: very high strain (unmarked: p ≥ 0.05, *p < 0.05, **p < 0.01, ***p < 0.001)

Abb. 2: Ergebnisse der Auswertung der Body-Map für Rumpf und untere Extremitäten. „0”: keine Beanspruchung, „10”: sehr hohe Beanspruchung (nicht markiert: p ≥ 0,05, *p < 0,05, **p < 0,01, ***p < 0,001)
Fig. 2: Results of the analysis of the body map for torso and lower limbs. “0”: no strain, “10”: very high strain (unmarked: p ≥ 0.05, *p < 0.05, **p < 0.01, ***p < 0.001)

Für sämtliche Körperteile im Bereich „Rumpf, untere Extremitäten“ ergaben sich keine statistisch signifikante Änderung der empfundenen Beanspruchung. Tendenziell stiegen die relativen Beanspruchungsdifferenzen der Mittelwerte für die Körperteile „Hüfte“, „Beine“, „Knie“ und „Füße“ mit Ausnahme „Oberkörper“ leicht an (+4 %, +2 %, +3 %, +3 % und –3 %). In der Region „Nacken und Schultern, Rücken und Gesäß“, deren Ergebnisse in ➥ Abbildung 3 dargestellt sind, zeigte sich für den „Nacken“ eine geringe statistisch signifikante Reduktion mit mittlerer Effektstärke (–5%, 0,42). Die verbleibenden Körperteile „Schultern“, „Rücken“ und „Gesäß“ wiesen unterschiedliche Tendenzen bei der relativen Beanspruchungsdifferenz auf (–1%, –9%, +1%) und waren statistisch nicht signifikant. Tabelle 2 zeigt die Ergebnisse zusammenfassend und enthält die zugehörigen p-Werte.

Abb. 3:  Ergebnisse der Auswertung der Body-Map für Nacken, Schultern, Rücken und Gesäß. „0”: keine Beanspruchung, „10”: sehr hohe Beanspruchung (nicht markiert: p ≥ 0,05, *p < 0,05, **p < 0,01, ***p < 0,001)Fig. 3: Results of the analysis of the body map for neck, shoulders, back and posterior. “0”: no strain, “10”: very high strain (unmarked: p ≥ 0.05, *p < 0.05, **p < 0.01, ***p < 0.001)

Abb. 3: Ergebnisse der Auswertung der Body-Map für Nacken, Schultern, Rücken und Gesäß. „0”: keine Beanspruchung, „10”: sehr hohe Beanspruchung (nicht markiert: p ≥ 0,05, *p < 0,05, **p < 0,01, ***p < 0,001)
Fig. 3: Results of the analysis of the body map for neck, shoulders, back and posterior. “0”: no strain, “10”: very high strain (unmarked: p ≥ 0.05, *p < 0.05, **p < 0.01, ***p < 0.001)

Diskussion

Die Ergebnisse für den Körperbereich „Obere Extremitäten” zeigen signifikante Beanspruchungsreduktionen für die Teile „Ellenbogen“, „Unterarme“ und „Hände/Finger“. Eine Entlastung der Oberarme wird zwar als Tendenz verzeichnet, ist aber statistisch nicht signifikant. Dies ist insofern erwähnenswert, da zumindest aus technisch-funktioneller Sicht keine Entlastung der Gliedmaßen ab dem Oberarm mehr erfolgen sollte. Eine empfundene Beanspruchungsreduktion an den oberen Gliedmaßen, wenngleich auch nicht so detailliert erhoben und nur als „arms“ zusammengefasst, konnte beim Einsatz eines passiven Überkopf-Exoskeletts bereits gezeigt werden (Huysamen et al. 2018). Tendenzen zur Reduktion von empfundener Beanspruchung in Körperteilen, die aus technisch-funktioneller Sicht durch ein Exoskelett nicht unterstützt werden, wurden bereits in einer anderen Studie aufgezeigt (Hefferle u. Kluth 2019). Ein Grund könnte darin liegen, dass sich durch die veränderte Belastungs- und Beanspruchungssituation – zusätzliche Belastung durch erhöhtes Gewicht aufgrund des Exoskeletts und eine veränderte Beanspruchung durch eine gerätebedingte Veränderung des Kraftflusses im Körper – der Fokus der Beanspruchungswahrnehmung innerhalb des Körpers verschiebt. Der Wahrnehmungsfokus lag vor der entlastenden Wirkung durch das Exoskelett im Bereich der Schultern und verschob sich aufgrund der Entlastung in den Bereich „Ellenbogen“, „Unterarme“, „Hände/Finger“, der zuvor nur mit einer unterordneten Priorität wahrgenommen wurde. Ein weiterer Grund könnte auch in der Schwierigkeit einer scharfen Abgrenzung der einzelnen Körperteile durch die Probanden liegen. Aufgrund der Neuartigkeit des Arbeitsmittels existieren kaum Studien, die den möglichen Pseudo-Entlastungseffekt beschreiben, weshalb dieser, auch um die vorgeschlagene Namensgebung zu überprüfen, in Zukunft genauer untersucht werden sollte.

Die statistisch signifikante Reduktion der Nackenbeanspruchung lässt sich auf die Entlastung des Musculus trapezius, insbesondere Pars descendens, zurückführen. Dieser Muskel ist unter anderem für das Heben der Schulter verantwortlich und verbindet das seitliche Drittel des Schlüsselbeines mit dem Nackenband bzw. den Halswirbeln (Bommas-Ebert et al. 2011). Statistisch signifikante Reduktionen der Muskelaktivierung des M. trapezius beim Einsatz eines Exoskeletts zur Unterstützung von Überkopftätigkeiten konnten bereits in durchgeführten Studien mittels EMG-Messungen aufgezeigt werden. Die Autoren berichteten ebenfalls von einer deutlichen Reduktion der Aktivierung der für das Führen des Oberarms verantwortlichen Muskulatur, im Speziellen des M. deltoideus pars clavicularis, acromialis und spinalis (Kim et al. 2018a,b; Wu et al. 2018; van Engelhoven et al. 2018; Schmalz et al. 2019). Die Ergebnisse der vorliegenden Studie können die objektiv gemessenen Reduktionseffekte allerdings nicht bestätigen. Mögliche Gründe für die Diskrepanz zwischen der vorliegenden und der oben genannten Studien könnten einerseits in der Verwendung unterschiedlicher Exoskelette liegen, andererseits in einer alternativen Einstellung der Kraftunterstützung der Geräte. Die Ergebnisse zeigen eine Tendenz zur Zunahme der Beanspruchung im Bereich des Rumpfes sowie der unteren Extremitäten. Wenn auch nicht signifikant, kann hier ein Lastumverteilungseffekt vermutet werden, so wie er auch bereits in anderen Studien berichtet wurde (Weston et al. 2018; Theurel et al. 2018). Das ist mit hoher Wahrscheinlichkeit der zusätzlichen Gewichtsbelastung durch das Tragen eines Assistenzsystems zuzuschreiben.

Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob das Studiendesign für die teilweise unerwarteten Ergebnisse verantwortlich ist. Da über die Randomisierung und den mehrfachen Versuchsbedingungswechsel zwar ein Reihenfolgen- bzw. Trainingseffekt minimiert wird, die Erhebung des Beanspruchungsempfindens je Proband aber nur an einem Tag am Ende des Versuchszeitraumes stattfand, könnte hierdurch ein systematischer Fehler aufgetreten sein. So wurde gezeigt, dass sich das Beanspruchungsempfinden während des Arbeitstages, aber auch während einer Arbeitswoche verändert und Mitarbeitende so genannte „Peak days“ haben, an denen Diskomfort und damit das Beanspruchungsempfinden den höchsten Wert besitzt (Bazley u. Nugent 2015). Um diesen Effekt zu minimieren, sollten daher zukünftig mehrere (subjektive) Erhebungen, jeweils direkt nach den Versuchsbedingungen und verteilt über einen größeren Versuchszeitraum, stattfinden.

In einer vorangegangenen Studie unterschieden die Probanden nachweislich nicht zwischen der „linken“ und der „rechten“ Körperseite, weshalb die Ergebnisse zusammengefasst werden konnten (Hefferle u. Kluth 2019). Die Arbeitsanalyse unterschied sich allerdings einerseits darin, dass ein Beuge-Exoskelett, das den unteren Rücken bei Vorbeuge- und Hebetätigkeiten unterstützen soll, eingesetzt wurde und andererseits in der Tätigkeit, bei der in symmetrischer Ausführung schwere Gewichte gehoben und getragen wurden, so dass eine annähernd symmetrische Belastungssituation vorlag. Die fehlende Differenzierung der Körperteile nach „links“ und „rechts“ in der vorliegenden Studie verhindert nicht nur eine Auswertung der unterschiedliche Beanspruchungsniveaus der Probanden zwischen der nicht- und der dominanten Körperseite, sondern missachtet auch die asymmetrische Belastungssituation. Diese ist, bedingt durch das Mehrgewicht des einhändig geführten Akkuschraubers sowie der unterschiedlichen Körperhaltung bei der Arbeitsausführung, für die Montagearbeitsplätze der Unterbodenverkleidung charakteristisch. Dieselbe fehlende Differenzierung findet sich auch in anderen Studien (z. B. bei Hensel u. Keil 2018). In Zukunft sollte eine stärkere Differenzierung erfolgen, um die vorliegende Limitierung des Versuchsdesigns zu beheben, die aus Gründen der Vereinfachung gewählt wurde.

In der vorliegenden wie auch in einer weiteren Studie (Huysamen et al. 2018) gaben die Probanden insgesamt nur sehr geringe Werte für die Beanspruchung an. So lagen die Mediane der empfundenen Beanspruchung im Bereich von 1–3 der 10-stufigen CR-10-Skala. Im direkten Gespräch mit den Probanden gaben diese allerdings an, dass die Überkopfarbeit grundsätzlich sehr schwer und belastend sei. Es wird somit die Frage aufgeworfen, ob sich die CR-10-Skala überhaupt für die valide Erfassung der subjektiven Beanspruchung im industriellen Umfeld eignet. Abhilfe könnten andere, einfacher zu verstehenden Skalen, wie beispielsweise die VAS-Skala („Visual Analog Scale“) schaffen. In noch nicht veröffentlichten Studien konnte die VAS-Skala bereits mit größerem Erfolg in ähnlichen Probandenkollektiven sowie in einem ähnlichen Versuchsumfang eingesetzt werden. Eine Alternative wäre den Umgang mit der Skala vor der Versuchsdurchführung mit den Probanden zu üben (Kim u. Nussbaum 2019). Eine weitere Limitation im Studiendesign stellt die geringe Fallzahl dar. Diese ist bedingt durch die Rahmenbedingungen des in der Einleitung beschriebenen ersten Schrittes des Integrationsprozesses für neue Exoskeletttypen in das industrielle Produktionssystem.

Schlussfolgerungen

Nach wie vor besteht ein großer Bedarf an weiteren Untersuchungen zu den Auswirkungen von Exoskeletten auf die Physiologie des Menschen. Neben den objektiven Messungen sollten auch weiterhin subjektive Erhebungen durchgeführt werden, um die empfundene Beanspruchungssituation der Träger zu erfassen. Der bereits in mehreren Studien berichtete Effekt, dass ausgehend von einer technisch-funktionellen Entlastungswirkung nicht betroffene Körperteile ein verändertes Beanspruchungsempfinden aufweisen, sollte detaillierter untersucht werden.

Interessenkonflikt: Zwei der Autoren (M.H. und C.D.) sind bei der BMW AG, München, beschäftigt. Interessenkonflikte liegen nicht vor.

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Für die Verfasser

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Abteilung Steuerung Arbeitssicherheit und Ergonomie
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