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Bedeutende Arbeitsmediziner übergeben den Staffelstab (Teil 2)

Universitätsprofessor Dr. med. Dipl.-Ing- Stephan Letzel: eine Ära der Exzellenz

Das PDF dient ausschließlich dem persönlichen Gebrauch! - Weitergehende Rechte bitte anfragen unter: nutzungsrechte@asu-arbeitsmedizin.com.

Eine „Ära“ bezeichnet einen bestimmten Zeitabschnitt oder eine Periode, die durch gemeinsame Merkmale, Entwicklungen, Ereignisse oder kulturelle Aspekte gekennzeichnet ist und die maßgeblich durch eine Person oder eine Sache geprägt wurde (ChatGPT-3.5, 21.08.2023). Im September 2001 wurde am Institut für Arbeits-, Sozial-, und Umweltmedizin an der Universitätsmedizin Mainz (ASU), durch den Antritt von Univ.-Prof. Dr. Stephan Letzel, eine neue Ära der Exzellenz eingeleitet. In dieser Zeit entwickelte Stephan Letzel das Institut nicht nur arbeitsmedizinisch, wissenschaftlich und in der Lehre enorm weiter, er öffnete die inhaltliche Ausrichtung des Instituts auch für nicht-betriebliche Lebenswelten und verlieh ihm somit ein modernes, interdisziplinäres Profil.

Die jungen Jahre als Spitzenathlet

Stephan Letzel, geboren am 7. Juni 1954 in München, widmete sich in jungen Jahren zunächst einer ganz anderen Karriere, nämlich einer sportlichen. Vorübergehend begonnen als Waldläufer, erkannte die Leichtathletikabteilung des TSV 1860 München früh sein schnellkräftiges Talent, weshalb Stephan Letzel sich auf die Sprintdisziplinen 100 m und 200 m sowie Weitsprung spezialisierte. Es folgten zahlreiche Titel als bayrischer Jugendmeister in diesen Disziplinen sowie die bayerischen Meistertitel über 60 m in der Halle sowie 100 m und 200 m bei den Herren. „Bewundert von seinen Schulkameraden im Rupprecht-Gymnasium: Münchens schnellster 16-jähriger Stephan Letzel“ schrieb die tz München 1970. Zweimal 10,9 Sekunden über 100 m auf der Rekortan-Bahn im Dante-Stadion. „Dabei liefe er lieber auf Asche“ erklärte
Letzel im selben Artikel. Sein schnellkräftiges Talent, was Bestleistungen von 10,3 Sekunden über 100 m und 21,0 Sekunden über 200 m demonstrieren – mit zuerst genannter Zeit hätte er bei der diesjährigen Deutschen Meisterschaft in Kassel übrigens noch auf dem Podium gestanden –, qualifizierte Letzel sodann für den in Bayern prestigeträchtigen Bobsport. So startete er ab 1976 für den SC Riessersee und nahm unter anderem an den Junioren-Europameisterschaften im Zweierbob 1978, der Deutschen Meisterschaft im Viererbob 1980 in Winterberg und bei der Europameisterschaft der Herren im Viererbob 1980 in St. Moritz teil. Trotz all dieser Erfolge „spiele Sport nur die zweite Geige“ im Leben des Stephan Letzel, so zitiert ihn die tz München in dem oben bereits erwähnten Artikel. Weiter heißt es dort: „Stephan Letzel, der in seiner Freizeit gerne liest (…), will später einmal Grafiker werden. Aber ganz sicher ist das noch nicht.“ Nun ja, nach bestem Wissen der Laudatoren blieb dieser Berufswunsch bis dato noch unerfüllt, aber womöglich eröffnen sich im Ruhestand Möglichkeiten, dieser Sehnsucht seiner Jugend noch nachzukommen.

Ausbildung und Qualifizierung

Neben dem sportlichen, schlagen noch zwei weitere Herzen in der Brust von Stephan Letzel, nämlich ein technisches und ein medizinisches. So studierte er ab 1977 zunächst Maschinenbau an der Technischen Universität München und schloss das Studium 1982 mit dem Diplom ab. Im Anschluss studierte er von 1982 bis 1988 Medizin an der Universität Erlangen-Nürnberg. Im Jahr 1988 folgte die Promotion und 1992 die Approbation zum Arzt. Seit 1993 ist er Facharzt für Arbeitsmedizin mit den Zusatzbezeichnungen Sozialmedizin und Umweltmedizin. Von 1988 bis 1994 war Stephan Letzel wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universität Erlangen-Nürnberg und habilitierte dort im Jahr 1994 in Arbeits- und Sozialmedizin zum Thema „Arbeitsmedizinische Untersuchungen zur Belastung und Beanspruchung in der Aluminiumpulver-herstellenden Industrie“. Von 1994 bis 2001 arbeitete er dort als Oberarzt. Im September 2001 wurde er an die Universitätsmedizin Mainz berufen. Eine Ära der Exzellenz begann, was zahlreiche Meilensteine und Verdienste belegen.

Meilensteine und Verdienste als Direktor des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin (ASU) in Mainz

Der immer noch sehr moderne, wenn auch durch den massiven Energieeinsatz bei der Produktion teure Werkstoff Aluminium hatte es Stephan Letzel schon in seiner bayrischen Heimat und während seiner Tätigkeit in Erlangen sehr angetan und er hat diese Leidenschaft auch mit nach Mainz gebracht. Aus dieser Zeit rührte auch der Spitzname „Alu-Letzel“. Viele Untersuchungen zu den gesundheitlichen Problemen von Aluminium und wie man sie lösen kann wurden anfangs insbesondere in Kooperation mit der AUDI AG durchgeführt. Auch die nachfolgenden Forschungsprojekte Letzels waren häufig stark technisch ausgerichtet und wurden stets in Kooperation mit namhaften Partnern aus Industrie, Wirtschaft und Politik bearbeitet. So führte er unter anderem prägende Projekte in Kooperation mit der BASF, Lamborghini, dem Bundesministerium der Verteidigung oder der Deutschen Post/DHL Group durch. Ein erklärtes Ziel und besonderes Qualitätsmerkmal der Forschungsprojekte von Stephan Letzel war immer, die Bedingungen in der Arbeitswelt für Mitarbeitende zu verbessern und die Strukturen in Betrieben nachhaltig gesundheitsfördernd zu gestalten. Neben der „klassischen“ arbeitsmedizinischen Forschung erkannte Stephan Letzel früh, dass die Gesundheit eines Menschen multifaktoriell bedingt und in allen Lebensbereichen bzw. -abschnitten geprägt wird. Infolgedessen öffnete er die Forschungsausrichtung des ASU für Projekte in nicht-betrieblichen Lebenswelten, was zum Beispiel das über fünf Jahre im Rahmen des Präventionsgesetzes geförderte Modellvorhaben Healthy Campus Mainz zur Gesundheitsförderung von Studierenden zeigt, das Letzel im Jahr 2018 nach Mainz holte. Die Fokussierung auf die Lebenswelten und die Prävention als ein Merkmal für das Wirken von ASU, auch als Vermächtnis für die nachfolgende Institutsleitung, ist von seiner Wichtigkeit gar nicht hoch genug einzuschätzen. Insgesamt konnten im Rahmen der zahlreichen Forschungsprojekte von Stephan Letzel annähernd 100 Studierende promoviert und zahlreiche Artikel in namhaften Zeitschriften publiziert werden. Zudem war er von 2014 bis 2017 Prodekan für Studium und Lehre der Universitätsmedizin Mainz.

Ein weiterer ganz großer Verdienst von Stephan Letzel und ein Meilenstein für das Institut in Mainz war die Gründung des Instituts für Lehrergesundheit. Das am 1. Januar 2011 im Auftrag des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur Rheinland-Pfalz gegründete Institut dient der Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben in der arbeitsmedizinischen und sicherheitstechnischen Betreuung aller Mitarbeitenden im staatlichen Schuldienst in Rheinland-Pfalz ist einzigartig in Europa und bildet mit seiner enormen Strahlkraft nach innen und außen sowie seiner Langzeitfinanzierung eine fundamentale Grundlage für den Erfolg und die positive Außenwirkung des ASU. Zudem gründete Stephan Letzel im Jahr 2013 den Verein zur Förderung der Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin in Mainz e. V., dem er seitdem auch vorsteht und der einen wesentlichen Beitrag zur Unterstützung der Aus-, Fort- und Weiterbildung, Forschung, Öffentlichkeitsarbeit und Netzwerkbildung in den Fächern Arbeitsmedizin, Sozialmedizin/Public Health und Umweltmedizin, leistet.

Fachpolitisches Engagement

Doch Stephan Letzel prägte und entwickelte nicht nur sein eigenes Institut sowie den Standort Mainz maßgeblich. Er wird insbesondere für sein enormes Engagement für die Weiterentwicklung und Etablierung des Fachs Arbeitsmedizin in Deutschland und darüber hinaus geschätzt, was seine jahrzehntelangen Aktivitäten, meist in Leitungsfunktion, in zahlreichen Gesellschaften, Interessengruppen und Gremien verdeutlichen, deren vollständige Aufzählung an dieser Stelle kaum möglich ist. Er war unter anderem Geschäftsführer der Akademie für Ärztliche Fortbildung Rheinland-Pfalz, Vorsitzender der Ethikkommission der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz, Vorsitzender der Ethikkommission der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin und gründete im Jahr 2014 das Aktionsbündnis Arbeitsmedizin zur Förderung des arbeitsmedizinischen Nachwuchses. Besonders zu erwähnen sind zudem seine Mitgliedschaften in der Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der DFG, seine Arbeit in Gremien der Bundesärztekammer und die langjähre Mitgliedschaft im Ärztlichen Sachverständigenberat Berufskrankheiten beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS). Wohl sein größter Verdienst war es, dass er die Verordnung zur Arbeitsmedizinischen Vorsorge durch Beratungen des BMAS aktiv mitgestaltet und damit die Weichen für die Arbeitsmedizin im 21. Jahrhundert gestellt hat. Nach Erlass der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) war er dann langjähriger Vorsitzender des Ausschusses für Arbeitsmedizin beim BMAS. Von besonderer Relevanz war zudem sein enormes Engagement für die Deutsche Gesellschaft für Arbeits- und Umweltmedizin (DGAUM), der er von 2006 bis 2012 als Präsident und von 2012 bis 2019 als Vizepräsident vorstand. Stephan Letzel gehört der Generation der Babyboomer an, die gar nicht weiß, dass man auch „nein“ sagen kann, wenn man gebeten wird, Arbeit zu übernehmen. Und so hat er gleich in der zweiten Periode die Präsidentschaft der DGAUM übernommen. In dieser Zeit hat er die Professionalisierung der Fachgesellschaft konsequent vorangetrieben, so dass 2013 eine Geschäftsstelle eingerichtet werden konnte. Seit 2019 ist Stephan Letzel Mitglied des Ehrenrates der DGAUM.

Ehrungen und Preise

Seine exzellenten wissenschaftlichen Leistungen sowie sein besonderes Engagement für das Fach Arbeitsmedizin führten zu zahlreichen Auszeichnungen. Besonders erwähnenswert sind unter anderem, in chronologischer Reihenfolge, die Verleihung des E.W. Baader-Preises im Jahr 1992 für die Arbeit „Haut-, Bronchial-, Kehlkopf- und Harnwegskarzinommorbidität bei Patienten mit berufsbedingter Teerhauterkrankung“, die Verleihung des Verdienstordens am Bande der Bundesrepublik Deutschland (Bundesverdienstkreuz) am 29. Juli 2015 für seine Verdienste um die Arbeitsmedizin und die Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens sowie die Verleihung der Paracelsus-Medaille am 19. November 2020. Mit dieser Medaille würdigte die Bundesärztekammer die außerordentlichen Verdienste Letzels auf dem Gebiet der Arbeitsmedizin. In der Laudatio des damaligen Präsidenten der Bundesärztekammer hieß es: „Durch seine herausragenden wissenschaftlichen Leistungen und seinen Jahrzehnte währenden Einsatz hat er (Letzel) sich um die Arbeitsmedizin, die Förderung des Gesundheitswesens, den Berufsstand der deutschen Ärzteschaft sowie um das Gemeinwohl in der Bundesrepublik Deutschland in ganz besonderer Weise verdient gemacht.“ Die Paracelsus-Medaille ist die höchste Auszeichnung der deutschen Ärzteschaft.

Zum 1. August 2023 hat Univ.-Prof. Dr. Stephan Letzel das ASU nach einer über 20-jährigen Ära der Exzellenz in kommissarische Hände übergeben. Das IfL leitet er aktuell noch weiter. Zum 01.01.2024 wird der Staffelstab an Frau Univ.-Prof. Dr. Susanne Völter-Mahlknecht übergeben und somit eine neue Ära eingeleitet. „Für mich persönlich (P. Dietz, Laudator 1) war Prof. Letzel in den gut fünf Jahren, in denen ich für ihn arbeiten durfte, nicht nur ein guter und verständnisvoller Chef, sondern vielmehr ein Mentor und Ansprechpartner in dienstlichen, aber vor allem auch in privaten Angelegenheiten. Ich danke ihm auf diesem Wege vielmals dafür, dass er in mir eine große Leidenschaft für seine Fächer geweckt, mir sein Vertrauen geschenkt und mich auf meinem Karriereweg so außerordentlich unterstützt hat.“ „Für mich (H. Drexler, Laudator 2) war Stephan Letzel nicht nur ein inspirierender und absolut verlässlicher Kollege, sondern stets auch ein guter Freund. Beruflich und privat habe ich die stets durchdachte Rationalität des Diplomingenieurs bewundert. Stephan Letzel war aber auch immer großzügig und er hat nie außer Acht gelassen, dass auch die Position der Gegenseite mit Wertschätzung verstanden werden muss, auch dann, wenn er in seinen Entscheidungen konsequent sein musste.“

Wir wünschen unserem Chef, Kollegen und Freund einen angenehmen Endspurt als Direktor des IfL. Hier werden ihm seine Sprintfähigkeiten sicher nützlich sein. Wir sind uns sicher, dass er seiner Nachfolgerin, seinen Kolleginnen und Kollegen sowie dem arbeitsmedizinischen Nachwuchs auch im Ruhestand bei Bedarf mit seiner jahrzehntelangen Berufserfahrung mit Rat zur Seite stehen wird. Vielleicht trifft man sich ja auch zufällig mal bei einer Alpenüberquerung mit dem Mountainbike ...

Ihr/Dein

Pavel Dietz, Mainz
Hans Drexler, Erlangen

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