Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch
Schadstofferkundung in einem privaten Wohngebäude

Störende Innenraumgerüche und gesundheitsschädliche Emissionen

Einleitung

Bei der Sanierung von Wohngebäuden spielt, neben Sicherheitsaspekten sowie energetischen und raumklimatischen Belangen, eine gesunde und gute Innenraumluft eine entscheidende Rolle für die zukünftige dauerhafte Nutzung durch Bewohnerinnen und Bewohner. Dabei liegt der Fokus nicht ausschließlich auf gesundheitsschädlichen Schadstoffen, wie PCB (polychlorierte Biphenyle), PAK (polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe) oder Formaldehyd. Auch die Freisetzung von Fehlgerüchen beeinflusst das Wohlbefinden erheblich. Knapp 75 % durch das Umweltbundesamt (UBA) befragten Nutzenden (Stichprobenzahl 300) gaben an, erheblich durch Gerüche im Innenraum betroffen zu sein. Eine Umfrage der Arbeitsgemeinschaft ökologischer Forschungsinstitute AGÖF e.V. bei Instituten, die mit Innenraumuntersuchungen (Stichprobenzahl 6624) betraut waren, wiesen 26 % Geruchsbeschwerden als Anlass für Schadenserkundungen aus.

Die Bewertung des geruchlichen Beschwerdepotenzials in Innenräumen wird in verschiedene Normen und Normungsaktivitäten objektiviert (DIN ISO 16000-28, DIN ISO 16000-30, VDI 4302 Blatt 1 und 3). Für Sachverständige und untersuchende Institute erweist sich vor allem die DIN EN ISO 16000-32 (Innenraumluftverunreinigungen – Teil 32: Untersuchung von Gebäuden auf Schadstoffe) als rechtssicherer Standard für die Erkundung von Bauwerken auf das Vorhandensein von Gerüchen und deren Bewertung als Schadstoffe. In diesem werden eine strukturierte Vorgehensweise und die sichere Datenerhebung als Grundlage für die Bewertung geregelt. Demzufolge müssen vorab verfügbare Informationen, Dokumente (z. B. Baupläne, Kataster, Prüfberichte) und die Schadensfallhistorie erhoben werden, um ein gezieltes Begehungskonzept zu erstellen. Dieses legt, sofern vorhanden, die Rahmenbedingungen der Begehung, wie die Erhebung von Geruchsprotokollen, zeitliche und räumliche Einordnung der Begehung, vorbereitende Maßnahmen und Probennahmen, fest. Auf dieser normativen Basis wurde ein Fall begleitet, bei dem in einer exklusiven, kernsanierten Wohnung massive Baumängel durch störende fischartige Gerüche auftraten. Dieser Fall wies eine Vorgeschichte auf, die in das Begehungskonzept einbezogen wurde.

Ausgangslage

Bei der kernsanierten Wohnung handelte es sich um einen Trakt eines städtischen Werksgeländes mit Ensembleschutz. Das gesamte Gelände wurde dahingehend saniert, dass es sowohl gewerblicher Nutzung als auch Wohnraumnutzung zugeführt werden konnte. Es entstanden im Innenbereich des Werksgeländes mehrgeschossige Wohneinheiten unterschiedlicher Gebäudehöhe mit Innenhof. Die nach außen führenden Gebäudetrakte wurden in Gewerberäume (z.B. Büros, Praxen, Handwerk, Einzelhandel) umgewandelt. Ein Großteil der Wohnungen wurde in Flachdachausführung neu errichtet und mit dem historischen Bestand verbunden. Die Wohnungen wiesen somit mit mindestens einer Außenwand zu den Gewerbetrakten hin. Aus Schallschutz- und energetischen Gründen erfolgte der Anschluss an die Gewerbetrakte nicht unmittelbar, sondern wurde durch eine mindestens 30 cm dicke, mit Mineralwolle isolierte, doppelwandige Kommunwand aus Stahlbeton getrennt.

Die betroffene ca. 100 m² große Wohnung befand sich im 2. und 3. Obergeschoss (OG) eines solchen Anbaus. Sie wurde über das 3. OG betreten. Die beiden Geschosse wurden offen im Loft-Stil mit zum Wohnraum hin innenliegender Treppe ausgeführt. Im
3. OG wurde lediglich ein Einzel-WC durch eine Innentüre abgetrennt. Das 3. OG bildete eine Empore des 2. OG. Im 2. OG befanden sich eine Balkontür und durch Zwischentüren abgetrennt ein Schlafraum mit Fenster nach außen sowie ein innenliegendes Badezimmer mit Lüftungsanlage (➥ Abb. 1).

Direkt im 1. OG darunter lag eine kleinere Wohneinheit. Das Erdgeschoss (EG) unter den beiden Wohnungen wurde für Gemeinschaftsräume (z. B. Fahrradkeller, Haustechnik, Wirtschaftsräume) genutzt. Von der Haustechnik ausgehend bis in den obersten Stock (3. OG) führte ein innenliegender Schacht mit allen Versorgungsleitungen. Demzufolge war in jedem OG eine Revisionsklappe vorhanden.

Die Wohnung wurde vom Bauträger im noch nicht komplett ausgebauten Zustand, jedoch ohne bauliche Beanstandung und geruchsneutral an den Eigentümer übergeben. Dieser ließ mit der Absicht der dauerhaften Vermietung im Anschluss verschiedene Innenausbauten vornehmen, wie Verputzen der Gipskartonwände, Verlegen eines Eichenparketts und Fliesen der Sanitärräume. Diese Arbeiten waren nach ein paar Wochen abgeschlossen.

Im Laufe der Ausbauzeit entwickelte sich nach und nach ein unangenehmer, als fischig beschriebener Geruchseindruck, der selbst durch intensives Heizen und Lüften nicht verschwand, sich sogar im Laufe der Zeit intensivierte. Ein hinzugezogener Baubiologe veranlasste daraufhin eine Raumluftmessung auf flüchtige organische Verbindungen (VOC, „volatile organic compounds“). Diese ergab zwar keine auffällige Einzelstoffbetrachtung, allerdings wurde der TVOC-Wert („total organic compounds“, Gesamtemissionen) der Stufe 3 – 1000 bis 3000 µg/m³, „hygienisch auffällig“ – zugeordnet, da die betroffene Wohnung zum Zeitpunkt der Raumluftprobennahme einen Wert von über 2000 µg/m³ aufwies. Der intensive fischartige Geruchseindruck konnte keiner der gemessenen VOC-Verbindung zugeordnet werden.

Durchführung der sensorischen ­Begehung

Da die regelgerechte baubiologische Vorgehensweise nicht zu einem validen Ergebnis führte, wurde eine Sensorikerin des Fraunhofer-IBP (geruchlich geschulte Aromachemikerin) zur Lösung des Falls einbezogen. Diese erstellte zunächst ein Begehungskonzept auf Basis der verfügbaren Dokumente und Aussagen der beteiligten Parteien. Dies waren der Bauträger, die bauausführende Firma, die Haustechnik, der Baubiologe und der Eigentümer. Alle Parteien bestätigten den fischartigen Fehlgeruch. Es bestand Konsens der Schadensfallbehebung und die Vereinbarung, dass jede Partei am Tag der Begehung anwesend sein musste, um auf dem gleichen Informationsstand zu sein. Die Sensorikerin prüfte im Vorfeld die Baupläne, das Bautagebuch, die Datenblätter der verarbeiten Baumaterialien, die Gutachten des Baubiologen und den Untersuchungsbericht der Raumluftmessung. Darauf aufbauend legte sie die vorbereitenden Maßnahmen, die Rahmenbedingungen der Begehung und die Probenahme fest.

Vorbereitung und Lüftungsregime

Während der Begehung sollte ein statisches Innenraumsystem ohne Luftaustausch mit der Außenluft vorhanden sein, um eine möglichst hohe Geruchsstoffanreicherung zu erreichen und deutlich riechbare Quellen zu erfassen. Zur Minimierung von abweichenden Störgrößen entfernte die Haustechnik am Vortag alle losen, geruchlich störenden Materialien und Gegenstände aus der Wohnung, wie beispielsweise Mülleimer, Lebensmittelreste von Handwerkern, gelagerte Baumaterialien und Dichtstoffe. Die Revisionsklappen mussten geschlossen gehalten werden. Die Lüftungsanlage in den Sanitärräumen und integrierte Fensterklappenlüfter mussten am Vortag abgestellt werden. Die Wohnung wurde am Vorabend gezielt manuell belüftet, danach wurden alle Fenster, Balkon- und Zwischentüren sowie die Wohnungstür verschlossen. Die Wohnung wurde über Nacht nicht betreten und blieb bis zum Zeitpunkt der sensorischen Begehung verschlossen. Zur Sicherstellung füllte die Haustechnik ein Formblatt zum Lüftungsregime und über die Vorarbeiten aus, signierte es und übergab es am Morgen der Begehung der Sensorikerin.

Rahmenbedingungen der Begehung und Materialprobenahme

Es galt zu verhindern, dass durch zu viele Begleitpersonen und häufige Fluktuation die Fehlgeruchsbildung und eine Lokalisation der Quellen gestört wurden, so dass die Geruchswahrnehmung der Sensorikerin unbeeinflusst stattfinden konnte. Alle beteiligten Parteien trafen sich am Morgen der Begehung zu einer kurzen Vorbesprechung außerhalb des Gebäudes. Die Sensorikerin betrat als erste und allein die verschlossene Wohnung für die Erstevaluation. Danach fand außerhalb eine Besprechung mit allen Parteien statt. Dann erfolgte eine Zweitevaluation, an der der Baubiologe, der Eigentümer und ein Haustechniker zum Zweck der Demonstration der Geruchsfreisetzung, der gemeinsamen Eruierung der baulichen Zusammenhänge und der Entnahme der Materialproben teilnahmen.

Neben der eigentlichen Wohnung wurde auch das direkte Umfeld der Wohnung in die Begehung mit einbezogen. Dies waren das angrenzende Flachdach, das auf Parketthöhe an das 3. OG mit der Kommunwand anschloss, die Gewerberäume im EG und die Wohnung im 1. OG darunter.

Lokalisierung des Fehlgeruchs

Unmittelbar beim Betreten der Wohnung wurde ein intensiver Fehlgeruch wahrgenommen, der eindeutig dem beschriebenen fischigen Geruch entsprach. Es fand allerdings auch eine schnelle Adaption an den Geruch statt. Die Sensorikerin verließ daher mehrmals die Wohnung, damit sich die Geruchsrezeptoren an einem neutralen Punkt erholen konnten. Alle Bereiche der Wohnung wurden sukzessive begangen und deren Geruchsintensitäten und Auffälligkeiten notiert.

Danach wurden die Innenflächen und Ausbaumaterialien, wie Gipskartonwände, Eichenparkett, Fugenmassen, Türstöcke, Fliesen und Estrichmaterialien untersucht. Dazu wurden alle zur gezielten Geruchsfreisetzung notwendigen Labormaterialien mitgeführt, wie geruchsneutrale Einweghandschuhe, um Flächen anzureiben, ein Heißluftfön zur Temperaturerhöhung und vollentsalztes Wasser (VE-Wasser = demineralisiertes Wasser) zur Feuchtigkeitserhöhung. Zudem durften mit Absprache der Parteien einzelne unauffällige Stellen mit einem Cutter angeritzt werden.

Ergebnisse und Diskussion

Diese Maßnahmen dienten zum einen dazu, Gerüche aus Baumaterialien zerstörungsfrei austreiben beziehungsweise intensivieren zu können. Zum anderen konnten dabei direkte Quellbereiche, sogenannte Primärquellen, und Bereiche mit Sekundärquellen unterschieden werden. Bei Sekundärquellen handelt es sich um Oberflächen, die rein aufgrund von Adsorption aus der Raumluft mit dem Fehlgeruch kontaminiert, selbst jedoch keine Ursache des Geruchs sind. Durch diese Vorgehensweise wurde eine Geruchsemissionskarte des fischartigen Geruchs in der Wohnung erstellt, die Bereiche der intensivsten Geruchswahrnehmung lokalisiert und Baumaterialien mit Sekundärkontamination identifiziert (vgl. Abb. 1). Die Zwischenwände innerhalb der Wohnung erwiesen sich allesamt als Sekundärquellen. Die Primärquellen konnten entlang der Kommunwand lokalisiert werden. Hier wurde eine Kernbohrung für Materialproben vorgenommen.

Abb. 2:  Feuchte Mineralwolle in der Microchamber

Foto: Fraunhofer IBP

Abb. 2: Feuchte Mineralwolle in der Microchamber

Typischerweise werden fischartige Gerüche von der funktionellen Gruppe der organischen Amine gebildet. Als Verdachtsquellen für deren Freisetzung lagen der Beton oder die Mineralwolldämmung nahe. In Betonzementen werden langkettige Amine als Mahlhilfsmittel zugesetzt, die bei ungenügender Betontrocknung durch die Feuchtigkeit in flüchtige kurzkettige Amine zersetzt werden. Mineralwolldämmungen enthalten Kunstharzbinder aus Harnstoff, Phenol und Formaldehyd. Diese müssen absolut trocken verbaut werden, da die Bindemittel durch Wasser in fischartig riechendes Trimethylamin und Formaldehyd zersetzt werden können.

Unmittelbar beim Öffnen der Kommunwand konnte der intensiv fischartige Geruch direkt der Mineralwolldämmung zugeordnet werden. Die Betonwand fungierte lediglich als Diffusionsschicht für den Geruch. Die Dämmung wurde in emissionsarmer Laborverpackung gesichert und anschließend der Laboranalytik zugeführt. Die Analyse erfolgte mittels Thermoextraktionsverfahren in einer Microchamber (µCTE, Markes, ➥ Abb. 2) mit anschließender Ultra-Hochleistungs-Flüssigkeitschromatographie (UPLC, Waters Ultra Performance LC). Die Freisetzung von Trimethylamin wurde mit einer Konzentration von 350 µg/m³ bestätigt. Die Geruchsschwelle von Trimethylamin liegt bei ca. 0,1 bis 1 µg/m³. Damit lag die Konzentration der Substanz 1000fach über der Geruchsschwelle. Diese Konzentration korrelierte in etwa mit der Raumluftkonzentration innerhalb der Kommunwandfuge. Bei der oben erwähnten Raumluftmessung durch den Baubiologen wurde das Trimethylamin nicht erfasst, da die Konzentratio­nen vermutlich unterhalb der analytischen Nachweisgrenzen lagen. Das Phänomen der Fehlgeruchsentwicklung im Raum lag an der spezifischen geruchlichen Eigenschaft dieser Verbindung. Selbst wenn nur ein geringer Teil des Trimethylamins durch die Betonwand diffundierte, so war es aufgrund der extrem niedrigen Geruchsschwelle geeignet, von der menschlichen Nase wahrgenommen zu werden und den fischartigen Geruch in der Wohnung zu verursachen.

Die Mineralwolldämmung war bei der Materialprobenentnahme massiv durchfeuchtet, was den Eintritt von Wasser in die Kommunwandfuge bekräftigte. Bei der Begehung der angrenzenden Bereiche konnte ein Feuchteeintritt aus dem Boden ausgeschlossen werden, da die Gemeinschaftsräume im EG und die darunterliegende Wohnung im 1. OG keinen fischartigen Geruch aufwiesen. Jedoch wurde bei der Begehung des angrenzenden Flachdachs eine noch nicht geschlossene Abdeckung der Kommunwand entdeckt, durch die bei Schlagregen Wasser eintrat.

Sanierungsmaßnahmen

Gemeinsam mit allen Projektpartnern wurde ein Sanierungskonzept erstellt. Dies umfasste ein Maßnahmenpaket, dessen Wirksamkeit durch regelmäßige sensorische Zwischenbegehungen begleitet wurde.

Abb. 3:  Bautrockner mit Schlauch in die Kommunwand (Pumpenaktivität durch vibrierenden Schlauch erkennbar)

Foto: Fraunhofer IBP

Abb. 3: Bautrockner mit Schlauch in die Kommunwand (Pumpenaktivität durch vibrierenden Schlauch erkennbar)

Primärquelle

Zuerst musste die Primärquelle behoben werden. Da es technisch nicht möglich war, die Dämmung in der 30-cm-Fuge auf einer Gebäudehöhe von ca. 10 m zu ersetzen, wurden Kernbohrungen im EG der Fuge vorgenommen, in die Bautrocknerschläuche eingebracht wurden (➥ Abb. 3). Der Abzug erfolgte über die nicht abgedichtete Dachöffnung. Die Hitzeeinblasung bewirkte zudem ein Austreiben des Trimethylamins aus der Dämmung und der sekundär kontaminierten Kommunbetonwand. Während der Trockenphase wurde regelmäßig die Restfeuchte der Dämmung gemessen und die Geruchsfreisetzung überprüft. Der gesamte Vorgang dauerte drei Monate, bis keinerlei Restfeuchte mehr nachweisbar und sowohl die Dämmung als auch die Betonwand geruchsneutral waren. Parallel dazu wurden alle potenziellen Öffnungen in der Kommunwand, die eine Verbindung in die Wohnung hatten, wie Kabelschächte und Steckdosenbohrungen, mit Dichtmassen verschlossen. Um Undichtigkeiten zu erkennen, wurde ein Blower Door Test (ASTM E 1827) durchgeführt, der ebenfalls sensorisch begleitet wurde. Nach Abschluss der Trocknungsphase wurde die Dachöffnung dicht verschlossen.

Sekundärquellen

Die Innenwandflächen wurden durch die dauerhafte Belastung mit der aminhaltigen Luft kontaminiert und setzten ihrerseits den fischartigen Geruch frei. Um diesen zu entfernen, wurden die Oberflächen großzügig abgeschliffen, bis kein fischartiger Geruch mehr wahrnehmbar war, und danach neu verputzt. Aus Sicherheitsgründen wurde auch die oberste Schicht des Eichenparketts abgeschliffen und neu versiegelt, auch wenn dieses objektiv keine Kontamination aufwies. Die Oberflächen der Kommunwand wurden zudem mit Isolier- und Absperrfarbe gestrichen, um Restgerüche aus dem darunterliegenden Beton auszuschließen. Als finale Aktion erfolgte eine Änderung der in den Fenstern integrierten dezentralen Lüftungsanlage. Luftführung und der Volumenstrom wurden dahingehend verändert, dass in der Wohnung ein leichter Überdruck entstand. Dieser sollte ein weiteres Einströmen von Trimethylamin in die Wohnung durch noch unerkannte Undichtigkeiten verhindern.

Abschließende Bewertung

Die Ursache für den fischartigen Fehlgeruch in der Wohnung war die Freisetzung von Trimethylamin aus einer durchfeuchteten Mineralwolldämmung in der Kommunwand zum Gewerbetrakt. Die Konzentrationen waren extrem hoch, so dass Trimethylamin problemlos durch die Betonwand diffundierte und sich in der Raumluft ausbreitete. Zusätzlich zur primären Quelle fand daraufhin eine Sekundärkontamination der Innenwände mit dem fischartigen Geruch statt. Diese fungierten daraufhin ebenfalls als Quelle. Trimethylamin verursacht neben der hohen Geruchsbelästigung auch eine akut reizende Wirkung auf die Schleimhäute der Augen und Atemwege. Neben der Beeinträchtigung der Wohnqualität trat somit auch ein klarer gesundheitsschädlicherer Schadensfall auf, der eine sofortige Behebung erforderte.

Der rechtzeitige Einbezug einer geruchlich geschulten Sensorikerin verhinderte eine langwierige Ursachenanalyse, da der spezifische Fokus auf Geruchsqualitäten und die umfassende Kenntnis der Korrelation von Geruch, chemischer Verbindung und baulicher Zusammenhänge eine Lokalisierung ermöglichte. Durch die systematische Vorgehensweise konnten ein schwieriger geruchlicher Schadensfall sachlich dokumentiert und bewertet, zielgenau Sanierungsmaßnahmen vorgenommen und alle Kontaminationen entfernt werden. Die Kosten der sensorischen Begehung und der Sanierungsmaßnahmen erstreckten sich im kleinen fünfstelligen Bereich. Ohne den einvernehmlichen Konsens aller Parteien hätte der Fall hohe Nachfolgekosten durch juristische Auseinandersetzungen, Bauverzögerungen und Nichtvermietung verursacht.

Interessenskonflikt: Die Autorin gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.

Literatur

Arbeitsgemeinschaft ökologischer Forschungsinstitute (AgöF): AGÖF-Orientierungswerte für flüchtige organische Verbindungen in der Raumluft. Springe-Eldagsen, 28.11.2013.

ASTM E 1827:2011: Standard Test Methods for Determining Airtightness of Buildings Using an Orifice Blower Door. Reapproved 2017.

Burdack-Freitag A: Bewertung von Leckagen unter dem Aspekt des Eintrags von Gerüchen. In: Vogel K (Hrsg.): Bewertung von Fehlstellen in Luftdichtheitsebenen – Handlungsempfehlung für Baupraktiker. Berlin: Fraunhofer IRB Verlag, 2016, S. 111–120.

DIN EN ISO 16000-32:2014-10: Innenraumluftverunreinigungen – Teil 32: Untersuchung von Gebäuden auf Schadstoffe.

DIN ISO 16000-28:2021-11: Innenraumluftverunreinigungen – Teil 28: Bestimmung der Geruchsstoffemissionen aus Bauprodukten mit einer Emissionsprüfkammer.

DIN ISO 16000-30:2015-05: Innenraumluftverunreinigungen – Teil 30: Sensorische Prüfung der Innenraumluft.

Gestis Stoffdatenbank: Trimethylamin. https://gestis.dguv.de/data?name=023020 (abgerufen am 12.4.2022).

Gestis Stoffdatenbank: Trimethylamin. https://gestis.dguv.de/data?name=023020. Zugang 12.4.2022.

Hjellström T: Chemical Emissions from Concrete. Division of Building Materials, LTH, Lund University, 2004.

Kowatsch S: Mineral Wool Insulation Binders. In Pilato L (Hrsg.): Rhenolic Resins. A Century of Progress. Berlin, Heidelberg: Springer, 2010, S. 209–242.

Schmohl A, Hübner S: Freisetzung von aromatischen Aminen aus Bauwerksabdichtungen. Verfahren zur analytischen Quantifizierung als Grundlage für die Bewertung. Fraunhofer Stuttgart: IRB Verlag, 2022.

Umweltbundesamt UBA: Gerüche aus Bauprodukten. https://www.umweltbundesamt.de/themen/wirtschaft-konsum/produkte/baupro… (abgerufen am Zugang 12.4.2022).

van Gemert LJ: Compilation of odour threshold values in air, water & other media. Trimethylamine. Utrecht: Oliemans Punter & partners BV, 2011. S. 173.

VDI 4302 Blatt 1:2015-04: Geruchsprüfung von Innenraumluft und Emissionen aus Innenraummaterialien – Grundlagen.

VDI 4302 Blatt 3: Geruchsprüfung von Innenraumluft und Emissionen aus Innenraummaterialien; Erhebung der Zufriedenheit mit der Raumluftqualität in Wohnungen und Büroräumen mittels Fragebogen. Projekt 2022 der VDI/DIN-Kommission Reinhaltung der Luft. Normenausschuss.

doi:10.17147/asu-1-204738

Weitere Infos

Umweltbundesamt UBA: ­Gerüche aus Bauprodukten
https://www.umweltbundesamt.de/themen/wirtschaft-konsum/produkte/baupro…

Gestis Stoffdatenbank: T­rimethylamin
https://gestis.dguv.de/data?name=023020

Kernaussagen

  • Fehlgerüche beeinträchtigen nicht nur das Wohlbefinden, sondern sind auch Schadstoffe im Sinne einer gesunden Wohnumgebung.
  • Bei einer Schadensfallbegehung muss zwischen der eigentlichen Ursache, der Primärquelle, und durch Querkontamination entstandenen Geruchsquellen, den Sekundärquellen, unterschieden werden.
  • Ein Fehlgeruch kann bei klassischen baubiologischen Untersuchungen, wie der Raumluftuntersuchung auf flüchtige organische Verbindungen (VOC), oftmals nicht valide erfasst werden, da er aufgrund seiner geruchlichen Eigenschaft eine niedrige Geruchsschwelle besitzt und bereits in sehr geringen, kaum messtechnisch erfassbaren Konzentrationen ein Beschwerdepotenzial in sich birgt.
  • Kontakt

    Dr. rer. nat. Andrea Burdack-Freitag
    Fraunhofer Institut für ­Bauphysik IBP; Abteilung Umwelt, Hygiene, Sensorik; Fraunhoferstraße 10; 83626 Valley

    Foto: privat

    Das PDF dient ausschließlich dem persönlichen Gebrauch! - Weitergehende Rechte bitte anfragen unter: nutzungsrechte@asu-arbeitsmedizin.com.

    Jetzt weiterlesen und profitieren.

    + ASU E-Paper-Ausgabe – jeden Monat neu
    + Kostenfreien Zugang zu unserem Online-Archiv
    + Exklusive Webinare zum Vorzugspreis

    Premium Mitgliedschaft

    2 Monate kostenlos testen

    Tags