Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch

Im Fokus: Wasser und Gesundheit

Water is life but water quality is health

Das nebenstehende Zitat von Prof. Joan Rose (Michigan State University, USA) verdeutlicht den Zusammenhang von Wasser und Gesundheit: die Sicherstellung und Gewährleistung einer adäquaten Wasserqualität als Garant für den Erhalt der Gesundheit der Bevölkerung. Dabei müssen nicht nur das Trinkwasser, die Trinkwasserinstallationen (Rohrleitungen und -netze), die Biofilme in den Installationen, das Grund- und Oberflächenwasser als Trinkwasserquelle, das Abwasser und die Abwasseraufbereitung, sondern auch das Badewasser (Oberflächengewässer, Schwimmbadwasser) sowie die Aerosole betrachtet werden. Eine Übersicht zu verschiedenen Schwerpunktthemen aus diesem Bereich ist bereits in der Ausgabe „Umweltmedizin – Neue Erkenntnisse aus Wissenschaft und Praxis“ (2017) veröffentlicht worden. In diesem Sonderheft werden wir auf weitere, aktuelle und wichtige Themen vertieft zu sprechen kommen, wie zum Beispiel die mikrobielle Belastung von Trinkwasserleitungen, die Rückstandsproblematik, basierend auf erhöhtem Arzneimittelkonsum einer alternden Gesellschaft, die ungenügende Reinigungsleistung von herkömmlichen Abwasseraufbereitungsanlagen (Kläranlagen) und die Notwendigkeit einer vierten Reinigungsstufe (oxidative Verfahren), um Rückstände aus Krankenhäusern, Haushalten, der Landwirtschaft und der Industrie effektiv zu beseitigen. Wichtig ist dabei, dass der gesamte Wasserkreislauf betrachtet wird, da gereinigte Abwässer in Oberflächengewässer eingeleitet werden, die dann neben dem Grundwasser als wichtige Trinkwasserquelle dienen. Die Sicherstellung der Wasserqualität und die Einhaltung und Kontrolle von gesetzlich festgelegten Grenzwerten obliegt auf nationaler Ebene dem Umweltbundesamt.

Der nachhaltige Umgang mit der globalen Ressource Wasser gehört zu einer der größten gesellschaftlichen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Daher ist es notwendig, dass Experten aus verschiedenen Fachrichtungen hier inter- und transdisziplinär eng zusammenarbeiten. Allein an der Universität Duisburg-Essen (UDE) werden 90 Wissenschaftler von 29 Lehrstühlen der Natur- und Ingenieurwissenschaften, der Medizin und der Gesellschaftswissenschaften an einem neu etablierten Profilschwerpunkt „Wasserforschung“ beteiligt sein. Außerdem steuern drei An-Institute der UDE, verschiedene Fachgebiete weiterer Hochschulen – darunter die Universitäten Bochum und Dortmund –, regionale Wasserverbände und -versorger sowie Unternehmen ihre Expertise bei. Dafür wird in Essen ein eigenes Forschungszentrum gebaut werden, der „FutureWaterCampus“, der 2022 eröffnet werden soll. Die Verknüpfung der verschiedenen Themengebiete am Beispiel des Forschungsverbundes FUTURE WATER in Nordrhein-Westfalen ist immens und unter www.nrw-futurewater.de ausführlich dargestellt. Das Zentrum für Wasser- und Umweltforschung der UDE koordiniert sämtliche Aktivitäten auf diesem Gebiet.

Bereits 2010 wurde der Bereich Toxikologie am An-Institut der UDE, dem IWW Zentrum Wasser etabliert, da sich bereits damals abzeichnete, dass der Themenschwerpunkt „Wasser und Gesundheit“ zunehmend an Bedeutung gewinnen wird. In Wasserproben wurden vermehrt Arzneimittelrückstände, Pestizide aus der Landwirtschaft und Chemikalien gefunden, die hinsichtlich ihrer verbliebenen toxi­kologischen Wirkung häufig nicht bewertbar waren. Effektbasierte Assays wurden notwendig, um eventuelle Wirkungen abschätzen zu können. Als bewertungsrelevante Wirkmechanismen von Stoffen im Wasserkreislauf werden in diesem Zusammenhang Gen-, Neuro-, Immuntoxizität und endokrine Wirkungen angesehen (www.riskwa.de).
Endokrine Wirkungen sind mit rezeptorbasierten Assays bereits im Niedrigdosisbereich (pg/l) detektierbar, ebenso wie die Rückstände von mutagenen und kanzerogenen Stoffen. Hier kommen adaptierte Standardtests wie beispielsweise der AMES-, der Mikrokern- oder der UMU-Test zur Anwendung. Vorteil dieser Testmethoden ist, dass neben Einzelstoffen auch Stoffgemische und Umweltproben auf eine biologische Wirkung untersucht werden können. Eine Kombination der biologischen Verfahren mit der chemischen Analytik ist jedoch unerlässlich, da Rückschlüsse auf die Ursache der Effekte notwendig ist, um Maßnahmen ergreifen zu können. Letztendlich ist die toxikologische Risikobewertung elementarer Bestandteil der chemisch/biologischen Analytik von Wasserproben, da eingeschätzt werden muss, ob die gefundenen Effekte Auswirkungen auf Mensch und Umwelt haben können.

In dieser Sonderausgabe stellen wir aktuelle Themen rund ums Wasser am Beispiel von derzeit laufenden oder kürzlich abgeschlossenen Forschungsprojekten vor. Eine entscheidende Rolle – vor allem im Trinkwasser – spielt die mikrobielle Belastung, die durch Biofilme in Trinkwasserleitungen oder durch Aerosole relevant werden kann. Gerade eine Legionellen-Kontamination kann gravierende Folgen haben, wie am Beispiel des Legionellen-Ausbruchs in der Warstein-Brauerei 2013 sichtbar wurde. Das Thema der mikrobiellen Kontamination von Trinkwasserinstallationen wird im Beitrag von Mats Leifels vorgestellt und diskutiert.

Substanzen und Chemikalien, die biologisch nicht oder nur schwer abbaubar sind, bereiten die größten Probleme, da sie in Kläranlagen nicht oder kaum eliminiert werden. Eine zusätzliche Reinigungsstufe, die häufig auf oxidativen Verfahren (z. B. Ozonung) beruht, ist hier vielversprechend, jedoch können sich dabei Transformationsnebenprodukte bilden, die zum Teil toxischer sein können als die Ausgangssubstanzen. Ein weiteres Problem ist die Mischtoxizität, da in Abwasserproben tausende Substanzen im Gemisch vorliegen. Eine Einzelstoffbewertung macht daher kaum Sinn. Diesem Problem widmet sich Gerhard Schertzinger in seinem Beitrag. Am Beispiel des chinesischen Tai Sees aus dem Projekt SIGN (www.water-sign.de),
der hoch belastet ist, und trotzdem als Trinkwasserquelle dient, bewerten Cora Schmid und Tim aus der Beek das toxikologische Risikopotenzial von eingetragenen Schadstoffen und ziehen Schlussfolgerungen für eine Beeinflussung von Mensch und Umwelt. Um Schadstoffeinträge direkt an der Quelle zu vermeiden, wurde das Projekt MERK’MAL (www.merkmal-ruhr.de) ins Leben gerufen. Hier wird versucht, Röntgenkontrastmittel separat zu sammeln und zwar noch im Krankenhaus und an Patientinnen und Patienten direkt, wie im Beitrag von Verena Thöne und Elke Dopp erläutert wird.

Neben den bisher erwähnten Wasserarten (Oberflächen-, Ab-, Trinkwasser) hat noch eine weitere Wasserart große hygienische Relevanz: das Badebeckenwasser in Schwimm- und Freibädern. Dieses ist aus hygienischen Gründen (zur Desinfektion) häufig stark chloriert. Im Badebeckenwasser eingesetzte Chemikalien können jedoch mit dem Desinfektionsmittel zu Desinfektionsnebenprodukten, das heißt zu Stoffen, die durch den Desinfektionsmitteleinsatz unbeabsichtigt entstehen, reagieren. Einige dieser Desinfektionsnebenprodukte weisen toxikologisch bedenkliches Potenzial auf. Diesem Thema widmet sich Alexander Kämpfe vom Umweltbundesamt.

Last but not least, sollen die hormonwirksamen Stoffe Erwähnung finden, da diese derzeit im Brennpunkt stehen und nur bedingt durch oxidative Abwasserbehandlungsverfahren abgebaut werden können. Von fast 10 000 Kläranlagen in Deutschland sind jedoch nur ca. 40 mit diesem zusätzlichen Verfahren ausgestattet. Synthetische Östrogene wie beispielsweise Ethinylöstradiol und Mestranol aus Empfängnisverhütungsmitteln und Hormonbehandlungen werden im Abwasser wiedergefunden und reichern sich in den Oberflächengewässern an. Die Wirkung dieser hormonwirksamen Substanzen – sogar in geringsten Mengen – wurde in Freilandexperimenten bewiesen. Dem Thema endokrine Substanzen widmen wir uns in späteren Beiträgen separat, da es ein umfangreiches und aktuelles Forschungsgebiet ist. Aus aktuellem Anlass erwähnen wir in dieser Ausgabe jedoch die COVID-19- (Coronavirus SARS-CoV-2) Thematik, da derzeit unter anderem untersucht wird, ob der COV-19-Nachweis im Abwasser als Frühwarnsystem für Kommunen genutzt werden kann.

Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen Beteiligten herzlich bedanken und wünsche Ihnen, den Leserinnen und Lesern, eine interessante Lektüre.

Ihre Elke Dopp

Medizinische Fakulät der Universität Duisburg-Essen