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Beruflich bedingte ­Infektionen

Noch hat das Coronavirus die Welt fest im Griff. Nachdem die Delta-Variante gezeigt hat, dass es immer noch schlimmer kommen kann, hat Omikron mit seiner rasanten Ausbreitungsgeschwindigkeit alle geschockt. Aber diesmal waren wir besser vorbereitet. Im Gegensatz zu einigen Nachbarländern hatte Deutschland das Schutzschild noch nicht so weit heruntergelassen und in relativ hoher Geschwindigkeit geboostert. Natürlich wäre es schön gewesen, früher und schneller zu boostern. Dennoch kann mit einem gewissen Stolz auf die vielen Impfungen geblickt werden, die an den Adventswochenenden und selbst an den Feiertagen durchgeführt wurden. Dadurch blieb die Pandemie weiterhin eine Pandemie der Ungeimpften, wenn nicht die 7-Tages-Inzidenz, sondern die Belegung der Intensivbetten berücksichtigt wird. Im Moment sieht es so aus, als könnten Impfung und Omikron im Duett dafür sorgen, eine ausreichende Herdenimmunität zu entwickeln, um für die nächste Variante, die sicher kommen wird, gewappnet zu sein.

Die 7-Tage-Inzidenz steigt immer noch auf bislang ungeahnte Höhen, doch die Situation auf den Intensivstationen entspannt sich langsam, weil zwar viele Menschen infiziert werden, aber nur wenige so schwer erkranken, dass sie intensivmedizinisch versorgt werden müssen. Ausgerechnet aus einem Bundesland mit unterdurchschnittlicher Impfquote werden nun Fenster und Türen in der „COVID-Wand“ entdeckt. Noch ist es aber wohl besser, nicht in einen Überbieterwettbewerb der Lockerungen einzutreten. Voreilige seien an eine Auswertung des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) erinnert, wonach Populisten in der Corona-Pandemie die eindeutig schlechteren Krisenmanager sind. Die Übersterblichkeit war in den entsprechenden Ländern doppelt so hoch wie in nicht populistisch regierten Staaten. Die Dänen – nicht populistisch regiert – haben bereits Lockerungen eingeführt, aber sie weisen auch eine bessere Impfquote und bessere epidemiologische Daten zur Feinsteuerung auf. So gibt es in Däne­mark ein Register für alle PCR-Tests, das für Forschungszwecke mit Daten aus anderen Registern verknüpft werden kann. Davon ist Deutschland noch weit entfernt. Hierzulande wird darüber diskutiert, was eine Impfpflicht ohne Impfregister wert ist. Die Probleme bei der Errichtung eines Impfregisters lassen die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht als titanische Aufgabe erscheinen, bei der die Frage erlaubt sein muss, ob die Diskussion über die Impfpflicht vielleicht wichtiger war als die Impfpflicht selbst. Wer sich demnächst impfen lassen muss, kann sich auch jetzt schon freiwillig impfen lassen, so der erhoffte Effekt der drohenden Impfpflicht. Die Größe dieses Effekts kann leider nicht bemessen werden, da Deutschland kein registerfreundliches Land ist. Allerdings war der Effekt nicht groß, da die Anzahl der Neuimpfungen in den vergangenen Monaten enttäuschend gering war.

Die vorliegende ASU-Ausgabe hat die beruflich bedingten Infektionen zum Schwerpunkt. In der Pandemie ist es natürlich naheliegend, dass COVID-19-bezogene Themen überwiegen. Aber auch andere beruflich bedingte Infektionen wie die blutübertragbaren Virushepatitiden und Tuberkulose sollen die ihnen gebührende Aufmerksamkeit bekommen.

Eröffnet wird das Heft mit einem Beitrag von Walter Popp et al. zum richtigen Tragen von Masken. Eine Maske, die als Kinnschutz getragen wird, schützt nicht. Es ist erschreckend, wie viele Anwendungsfehler beim Tragen von Masken selbst im Krankenhaus gemacht werden. Im Beitrag wird eine Methode, den richtigen Sitz der FFP2-Maske zu prüfen und dabei die Anwender durch Zuckerwasser zu überzeugen, beschrieben.

Der Beitrag von Claudia Westermann et al. beschreibt Hautirritationen durch das vermehrte Tragen von Masken während der Pandemie. Es wird deutlich, dass nicht nur das richtige Tragen, sondern auch die richtige Auswahl der Masken wichtig ist. Die Mehrzahl der Teilnehmenden an dem vorgestellten Survey hatten Hautirritationen im Gesicht, die durch das vermehrte Tragen von Masken neu aufgetreten waren. Durch einen Maskenwechsel, Tragepausen oder unspezifische Hautpflege können die meisten Hautirritationen jedoch gut behandelt werden.

Insbesondere Kleinst- und Kleinunternehmen, die aufgrund der Pandemie plötzlich regelmäßig Desinfektionsmittel verwenden mussten, hatten am Anfang Probleme bei der Auswahl, Lagerung und Anwendung dieser Mittel. Eine gezielte Beratung und Information hätte hier Abhilfe leisten können, wie im Beitrag von Martina Michaelis et al. gezeigt wird. COVID-19 hat aufgrund der Abstands- und Kontaktregeln zum Rückgang anderer luftübertragener Atemwegserkrankungen geführt. Ob das auch für die Tuberkulose gilt oder ob es nur zu einer Unterdiagnose und damit Unterversorgung gekommen ist, muss die Zukunft zeigen.

Fakt ist jedenfalls, dass sowohl die Anzahl der gemeldeten Tuberkulosen beim Robert Koch-Institut (RKI) als auch die gemeldeten Berufskrankheiten bei der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) seit der Pandemie zurückgegangen sind, wie in dem Beitrag von Albert Nienhaus zur arbeitsmedizinischen Vorsorge auf Tuberkulose erläutert wird. Die Impfung der Beschäftigten gegen Hepatitis B war ein großer Erfolg der Prävention und des Arbeitsschutzes. Im Vergleich zur Zeit vor 25 Jahren ist die Häufigkeit von Hepatitis B als Berufskrankheit um über 90 % zurückgegangen. Das ist fast doppelt so viel wie der Rückgang der Hepatitis B in der Allgemeinbevölkerung. Die meisten Beschäftigten sind heute bereits geimpft, wenn sie anfangen, im Gesundheitswesen zu arbeiten. Trotzdem ist es eine wichtige Aufgabe der arbeitsmedizinischen Vorsorge, den Impfstatus der Beschäftigten zu prüfen und etwaige Non-Responder zu beraten.

Insbesondere für Non-Responder, aber auch wenn ein Impfschutz schnell mit nur zwei statt drei Dosen aufgebaut werden soll, gibt es nun mit HEPLISAV-B einen weiteren Impfstoff, den Florian Lienert und Andrea Kühberger in ihrem Beitrag vorstellen.

Der Wissenschaftsteil enthält drei Beiträge zu beruflich bedingten Infektionen:

Im Beitrag zum zeitlichen Trend bei blutübertragbaren Virushepati­tiden von Albert Nienhaus et al. wird klar, dass nicht nur die Hepatitis B, sondern auch die nicht impfpräventable Hepatitis C in den vergangenen Jahren deutlich weniger oft als Berufskrankheit gemeldet und anerkannt wurde. Neben der Impfung hat daher wahrscheinlich auch die Verwendung sicherer Instrumente einen präventiven Beitrag geleistet. Ab Mitte März besteht Impfzwang für Beschäftigte in bestimmten Bereichen wie Krankenhäusern und der stationären Altenpflege. Das kann zu einem vermehrten Bedarf an Beratung zur Impfung und den Impfstoffoptionen führen. In ihrer Literaturübersicht liefern
Agnessa Kozak und Albert Nienhaus wichtige Hintergrundinformationen zu COVID-19-Impfungen für Betriebsärztinnen und -ärzte.

Abschließend wird die Anzahl der gemeldeten und als Versicherungsfall anerkannten Berufskrankheiten und Arbeitsunfälle wegen COVID-19 von Albert Nienhaus und Stephanie Schneider beschrieben. Erwartungsmäßig sind Beschäftigte im Gesundheitswesen am häufigsten betroffen, deshalb betreffen mehr als die Hälfte aller Fälle die BGW. Auffällig ist, dass meistens Frauen betroffen sind, da sie in Berufen arbeiten, die die höchsten Infektionsrisiken haben: in der Pflege und in der Erziehung.

Der geneigten Leserschaft wünsche ich eine angenehme Lektüre
und nützliche Erkenntnisse beim Blättern in diesem Heft. Der DGAUM wünsche ich eine erfolgreiche virtuelle 62. Jahrestagung, und uns allen ist zu wünschen, dass bald in den allabendlichen Talkshows nicht mehr über Corona gestritten wird. Dann läge die Pandemie nämlich hoffentlich hinter uns. Bleiben Sie gesund oder erholen Sie sich schnell wieder von COVID-19.

Albert Nienhaus, Hamburg

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