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Zur Diskussion gestellt

Bedeutung der Raumluftkonzentration von Benzol in Verkaufsräumen von Tankstellen für die Beschäftigung schwangerer Frauen

Bedeutung der Raumluftkonzentration von Benzol in Verkaufsräumen von Tankstellen für die Beschäftigung schwangerer Frauen

In Verkaufsräumen von Tankstellen können schwangere Frauen trotz erfolgreicher Reduzierung des Benzol-Gehalts der Raumluft gegenüber Konzentrationen exponiert sein, die über der ubiquitären Umweltbelastung mit Benzol liegen. Messungen an verschiedenen Tankstellen haben keine verlässlichen, einheitlichen Resultate ergeben, die eine pauschale Beurteilung der verbleibenden Gefährdung erlauben würden. Zudem ist angesichts der stetigen Abnahme der ubiquitären Hintergrundbelastung zu diskutieren, welche Werte als akzeptabler Maßstab für die Gefährdungsbeurteilung nach dem Mutterschutzgesetz gelten können.

Schlüsselwörter: Tankstelle – Benzol – Schwangerschaft – Gefährdungsbeurteilung

Significance of benzene concentrations in the ambient air of stores at petrol stations in relation to the employment of pregnant women

Despite a successful reduction of benzene levels in indoor air, pregnant women can still be exposed to concentrations in stores at petrol stations that are higher than ubiquitous benzene pollution. Measurements at different petrol stations have failed to produce reliable and consistent results which would facilitate an overall assessment of the remaining risk. Furthermore, in light of the gradual fall in normal background concentrations, a discussion must be held as to what levels may be considered an acceptable standard for risk assessment in accordance with the German Maternity Protection Act (Mutterschutzgesetz).

Keywords: petrol station – benzene – pregnancy – risk assessment

Eine Tankstellen-Mitarbeiterin mit Kinderwunsch berichtet im Internet, dass ihr Chef sie ggf. „…zu Hause lassen müsse aufgrund dieser Dämpfe etc.“, und weiter, er hätte dann „…vorher einige Tests machen müssen, die hätten, glaube ich, so um die 5000 Euro gekostet und da wäre es vom Finanziellen besser, wenn er mich zuhause lassen würde.“

Dieser – redaktionell unbearbeitete – Erfahrungsbericht [32] und viele andere Internetbeiträge weisen exemplarisch auf den praktischen Umgang mit Mutterschutzaspekten möglicher Benzolexpositionen in Verkaufsräumen von Tankstellen hin. Es stellt sich die Frage, ob Frauen in gebärfähigem Alter bzw. Schwangere an diesen Arbeitsplätzen generell tätig sein können oder ob fortbestehende Unsicherheiten in der Beurteilung möglicher Benzolexpositionen individuelle Messungen erfordern, mit denen eine Gefährdung ausgeschlossen werden kann.

Die arbeitsmedizinische Relevanz des Themas ergibt sich aus der Tatsache, dass in Deutschland derzeit über 14.000 Straßentankstellen betrieben werden [22]. Für das Jahr 2015 ermittelte das Statistische Bundesamt, allerdings basierend auf 7218 Unternehmen und 9412 „örtlichen Einheiten“ (Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 2008: 47.3 „Einzelhandel mit Motorenkraftstoffen-Tankstellen“), 82 309 tätige Personen [26]. Der Anteil weiblicher Beschäftigter wurde für das Jahr 2006 (Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 2003: 50.5 „Tankstellen“) mit 47,9 % angegeben [27].

Benzol

Als primäre Quelle für Benzol in der Raumluft von Verkaufsräumen an Tankstellen werden die Dämpfe von Fahrzeugbetankungen an den Zapfsäulen betrachtet, obwohl die seit Jahren üblichen Gasrückführungssysteme grundsätzlich als effizient gelten. Benzol [18] ist ein leicht flüchtiger aromatischer Kohlenwasserstoff (C6H6), der nach CLP-Verordnung in die Kategorien Kanzerogenität 1A und Mutagenität 1B eingestuft ist [33]. Die Akzeptanzkonzentration beträgt derzeit noch 0,2 mg/m3 = 200 µg/m3. In der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung [9] sind dem Benzol die Nr. 1303 „Erkrankungen durch Benzol, seine Homologe oder durch Styrol“ und die Nr. 1318 „Erkrankungen des Blutes, des blutbildenden und des lymphatischen Systems durch Benzol“ zugeordnet.

Gesetzlicher Rahmen

Das Mutterschutzgesetz (MuSchG) [11] verpflichtet den Arbeitgeber zur Beurteilung und Gestaltung der Arbeitsbedingungen. Nach § 9 Abs. 2 hat er die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, „dass Gefährdungen einer schwangeren oder stillenden Frau oder ihres Kindes möglichst vermieden werden und eine unverantwortbare Gefährdung ausgeschlossen wird. Eine Gefährdung ist unverantwortbar, wenn die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Gesundheitsbeeinträchtigung angesichts der zu erwartenden Schwere des möglichen Gesundheitsschadens nicht hinnehmbar ist. Eine unverantwortbare Gefährdung gilt als ausgeschlossen, wenn der Arbeitgeber alle Vorgaben einhält, die aller Wahrscheinlichkeit nach dazu führen, dass die Gesundheit einer schwangeren oder stillenden Frau oder ihres Kindes nicht beeinträchtigt wird.“

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) erläutert dazu [14]: „Eine Gefährdung ist unverantwortbar, wenn die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Gesundheitsbeeinträchtigung angesichts der zu erwartenden Schwere des möglichen Gesundheitsschadens nicht hinnehmbar ist. Wie im Arbeitsschutz versteht man unter Gefährdung die Möglichkeit einer Gesundheitsbeeinträchtigung ohne bestimmte Anforderungen an ihr Ausmaß oder ihre Eintrittswahrscheinlichkeit.“ Und weiter: „Der Begriff der Unverantwortbarkeit umschreibt die Gefährdungsschwelle, ab wann die Tätigkeiten nicht mehr mutterschutzgerecht sind. Bei der Bewertung der Unverantwortbarkeit ist wie folgt zu differenzieren: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Schaden eintritt, kann umso größer sein, je geringer der möglicherweise eintretende Schaden ist, und sie muss umso kleiner sein, je schwerer der etwaige Schaden wiegt. Wegen des hohen Ranges des vom Mutterschutz verfolgten Schutzziels sind die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit grundsätzlich gering.“

Nach § 10 des Mutterschutzgesetzes soll die Beurteilung der Arbeitsbedingungen ergeben, ob

a) keine Schutzmaßnahmen erforderlich sein werden,

b) eine Umgestaltung der Arbeitsbedingungen erforderlich sein wird oder

c) eine Fortführung der Tätigkeit der Frau an diesem Arbeitsplatz nicht möglich sein wird.

Bei gleichartigen Arbeitsbedingungen ist die Beurteilung eines Arbeitsplatzes oder einer Tätigkeit ausreichend.

Die Gefährdungsbeurteilung hat hinsichtlich einer möglichen Exposition gegenüber Benzol insbesondere § 11 des MuSchG zu berücksichtigen:

„(1) Der Arbeitgeber darf eine schwangere Frau keine Tätigkeiten ausüben lassen und sie keinen Arbeitsbedingungen aussetzen, bei denen sie in einem Maß Gefahrstoffen ausgesetzt ist oder sein kann, dass dies für sie oder für ihr Kind eine unverantwortbare Gefährdung darstellt. Eine unverantwortbare Gefährdung im Sinne von Satz 1 liegt insbesondere vor, wenn die schwangere Frau Tätigkeiten ausübt oder Arbeitsbedingungen ausgesetzt ist, bei denen sie folgenden Gefahrstoffen ausgesetzt ist oder sein kann:

  1. Gefahrstoffen, die nach den Kriterien des Anhangs I zur Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (ABl. L 353 vom 31.12.2008, S. 1) zu bewerten sind

a) als reproduktionstoxisch nach der Kategorie 1A, 1B oder 2 oder nach der Zusatzkategorie für Wirkungen auf oder über die Laktation,

b) als keimzellmutagen nach der Kategorie 1A oder 1B,

c) als karzinogen nach der Kategorie 1A oder 1B …“

Gleichzeitig muss der Arbeitgeber nach der Interpretation des BMFSFJ [14] nur „Gefährdungen berücksichtigen, die einen hinreichenden Bezug zur ausgeübten beruflichen Tätigkeit und zu den mit ihr verbundenen Arbeitsbedingungen aufweisen. Gefährdungen, die außerhalb des Arbeitsumfeldes und unabhängig von den beruflichen Tätigkeiten in gleicher Weise bestehen (allgegenwärtige Gefährdungen), werden nicht erfasst. Dementsprechend löst beispielsweise die Möglichkeit, dass Sie [Anm. d. Autors: die Beschäftigte] an einer Infektion erkranken, keine mutterschutzrechtlichen Schutzmaßnahmen aus, soweit die Erkrankungswahrscheinlichkeit am Arbeitsplatz gegenüber der Erkrankungswahrscheinlichkeit außerhalb des Arbeitsumfelds (z.B. beim Einkaufen) nicht erhöht ist. In diesen Fällen stellt sich die Gefährdung als allgemeines Lebensrisiko dar, deren Vermeidung grundsätzlich außerhalb der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers liegt. Ein hinreichender Bezug zur ausgeübten beruflichen Tätigkeit setzt voraus, dass bei Frauen, die unter bestimmten Arbeitsbedingungen arbeiten, im Vergleich zu Frauen, die den betreffenden Arbeitsbedingungen nicht ausgesetzt sind, eine signifikant erhöhte Wahrscheinlichkeit besteht, dass eine gesundheitliche Beeinträchtigung eintritt.“

Hintergrundbelastung

Da Benzol einen in der Umwelt ubiquitär präsenten Gefahrstoff darstellt, wird sich der Arbeitsschutz (potenziell) schwangerer Beschäftigter an dieser allgegenwärtigen Gefährdung, also der Hintergrundbelastung orientieren müssen. Allerdings mangelt es dem praktischen Arbeitsschutz an einer offiziellen und einheitlichen Beurteilungsmöglichkeit im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung, seitdem der LV 11 („Schutz schwangerer Frauen vor Benzolexposition in Verkaufsräumen von Tankstellen und anderen Arbeitsplätzen“) des Länderausschusses für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik [21] in 09/2005 zurückgezogen wurde. Der dort definierte Interventionswert von 25 µg Benzol/m³, der auf einem 95. Perzentil von 23–30 µg Benzol/m³ für die Hintergrundbelastung in Wohnbereichen basierte, entsprach nicht mehr den real gegebenen Raumluftkonzentrationen. Im betrieblichen Alltag resultieren seither Unklarheiten in der Beratungspraxis und ein uneinheitliches Vorgehen, auch können Verunsicherungen schwangerer Frauen und im Einzelfall rechtliche Streitigkeiten nach gesundheitlichen Komplikationen nicht ausgeschlossen werden.

Als praktikabler Bewertungsmaßstab ließe sich der Immissionsgrenzwert nach der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen (39. BImSchV) heranziehen [12|. Als Immissionen gelten auf Menschen, Tiere, Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre oder Kultur– und Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft – TA Luft [15]). Der Immissionsgrenzwert gilt als Wert, der aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse mit dem Ziel festgelegt wird, schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit oder die Umwelt insgesamt zu vermeiden, zu verhüten oder zu verringern, und der innerhalb eines bestimmten Zeitraums eingehalten werden muss und danach nicht überschritten werden darf. Die Verordnung legt in § 7 für Benzol einen Wert von 5 µg/m³ als über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwert fest, der nicht überschritten werden darf.

Als Maß der ubiquitären Hintergrundbelastung ist allerdings auch dieser Wert zwischenzeitlich kritisch zu hinterfragen. Denn flächendeckende Schadstoffmessungen in Deutschland haben für das Jahr 2016 Jahresmittelwerte ergeben, die deutlich unter 5 µg Benzol/m³ liegen [28]: an verkehrsreichen innerstädtischen Messstellen z.B. 1,2 µg/m³ in Stuttgart, Arnulf-Klett-Platz, oder 1,4 µg/m³ in München, Stachus, und in Hamburg, Max-Brauer-Allee. Selbst in Industrieregionen wurde der Immissionsgrenzwert sicher unterschritten: In Köln Godorf mit 1,7 µg/m³ und in Bottrop, Kokerei 3, mit dem bundesweit höchsten gemessenen Wert von 2,8 µg/m³.

Das Bundesumweltamt hat bereits 2010 übersichtlich dargestellt, dass die tatsächlichen Benzol-Konzentrationen den Immissionsgrenzwert schon damals seit Jahren signifikant und stabil unterschritten haben [29] ( Abb. 1).

Da flüchtige organische Verbindungen wie Benzol wegen einer großen Zahl verschiedener Freisetzungsquellen üblicherweise in Innenräumen in höheren Konzentrationen als im Außenluftbereich auftreten, sind Messergebnisse für Tankstellen-Verkaufsräume auch hiermit zu vergleichen.

Die Träger der Unfallversicherung haben mit einem einheitlichen Messprogramm die Luftqualität von Innenraumarbeitsplätzen untersucht und daraus Referenzwerte abgeleitet. Für Benzol wurde bei über 1000 Messwerten aus dem Datenzeitraum 2011 bis 2015 das 90. Perzentil mit 5,0 µg/m³ und das 95. Perzentil mit 7,0 µg/m³ ermittelt. Ein Referenzwert für Benzol wurde wegen seiner Kanzerogenität nicht abgeleitet [34].

Im Kinder-Umwelt-Survey (KUS) hat das Umweltbundesamt in den Jahren 2003 bis 2006 für Benzol ein 90. Perzentil von 5,7 µg Benzol/m³ und ein 95. Perzentil von 7,7 µg Benzol/m³ in der Innenraumluft von Haushalten in Deutschland ermittelt [30, 31].

Die Arbeitsgemeinschaft ökologischer Forschungsinstitute e.V. (AGÖF) hatte basierend auf 2361 Innenraum-Messungen zwischen 2002 und 2006 ein 90. Perzentil von 4 µg Benzol/m³ genannt. In der Fassung 11/2013 der „AGÖF-Orientierungswerte für flüchtige organische Verbindungen in der Raumluft“ [2] wurde das 90. Perzentil nach 3647 Mesungen aus einem Datenpool der Jahre 2006 bis 2012 mit 3,0 µg Benzol/m³ ermittelt. Dies entspricht dem Orientierungswert, ab dem eine Substanz in der Innenraumluft aufgrund statistischer Auffälligkeit oder toxikologischer Erkenntnisse zu bewerten ist. Bei Erreichen bzw. Überschreiten des Orientierungswertes sollte weiterer Handlungsbedarf zur Reduzierung der Konzentration geprüft werden.

Analog der Abnahme der Immissionswerte in der Außenluft kann eine gleichgerichtete Tendenz auch bei den Benzol-Raumluftkonzentrationen in Innenräumen vermutet werden. Somit stellen die veröffentlichten Werte möglicherweise aktuell keine adäquate Basis für die Beurteilung der Luftqualität in Verkaufsräumen von Tankstellen mehr dar.

Die Verbesserung der allgemeinen Luftqualität lässt sich u.a. durch eine signifikante Abnahme des Kraftstoffumsatzes in den vergangenen Jahren erklären. Der Mineralölwirtschaftsverband gibt für das Jahr 2016 einen Benzinabsatz von 18,2 Millionen Tonnen an, während er zu Beginn der 1990er Jahre noch über 30 Millionen Tonnen betragen hat [23] ( Abb. 2.)

Fortlaufend optimierte Energieeffizienz von Kraftfahrzeugmotoren und alternative Antriebe wie die Elektromobilität können zukünftig einen weiteren Rückgang des Benzinumsatzes fördern.

Einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Luftqualität hat in den zurückliegenden Jahren die Reduzierung des Benzolgehalts in Kraftstoffen geleistet ( Tabelle 1).

Zudem leistet die Gasrückführung beim Betanken der Kraftfahrzeuge, die mit der 21. BImSchV [10] vorgeschrieben wurde, einen effizienten Beitrag zur Reduzierung der Benzolbelastung an Tankstellen. Mindestens 85 % der Dämpfe werden zurückgehalten [7].

Messungen in Verkaufsräumen

In der Vergangenheit erfolgten in einzelnen Bundesländern punktuell Messprojekte zur Bewertung der Benzol-Raumluftkonzentrationen in Verkaufsräumen von Tankstellen. In Anbetracht der jahrelangen umwelthygienischen Entwicklung und des verringerten Benzolgehalts von Ottokraftstoffen ist es jedoch angebracht, die Gefährdungsbeurteilung für schwangere Beschäftigte auf aktuelle Untersuchungen zu stützen.

2015 titelte die DGUV in einer Pressemitteilung „Entwarnung für Tankstellen – Institut für Arbeitsschutz der DGUV bestätigt: Benzolbelastungen unbedenklich” [16] und stützte sich auf eine Untersuchung des Instituts für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) zur besonderen Situation von Beschäftigten an Tankstellen, deren Ergebnis lautete „Die Belastung an Tankstellenarbeitsplätzen liegt inzwischen im Bereich der Konzentration, die durch Verteilung überall in der Atemluft vorhanden ist.”

Diese Untersuchung [8] befasste sich vorrangig mit der Frage der technischen Messqualität des neuen Thermodesorptionsverfahrens. Es fanden sich bei 17 Messungen in 9 Betrieben Benzolkonzentrationen von maximal 8,5 µg/m3 mit einem 95. Perzentil 7,9 µg/m3 und einem 90. Perzentil von 7,6 µg/m3. Die im Arbeitsschutz zu beachtende Akzeptanzkonzentration von 0,2 mg/m3 wird damit tatsächlich sicher eingehalten. Die für den Mutterschutz relevante ubiquitäre Hintergrundbelastung wird allerdings überschritten. Da die gemessenen Konzentrationen nicht „überall in der Atemluft“ vorliegen, ist die Aussage der Pressemitteilung im Hinblick auf die Beschäftigung schwangerer Frauen zu relativieren.

Die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg – Messstelle Arbeitsschutz hat die Raumluftkonzentrationen von Benzol in Verkaufsräumen von 11 Tankstellen in unterschiedlich verkehrsintensiven Bereichen untersucht und dazu jeweils eine 14-tägige Messkampagne im Februar 2016 und im Juli 2016 durchgeführt [19]. Die Messungen erfolgten im Verkaufsraum, dem Außenbereich (Zapfsäulennähe) und dem Umfeld der Tankstelle (Hintergrundbelastung).

Zwischen den einzelnen Tankstellen fiel eine große Schwankungsbreite der Benzolkonzentrationen auf. Die Resultate lagen im Sommer sowohl an den Zapfsäulen als auch in den Verkaufsräumen höher als im Winter. Sämtliche Ergebnisse überschritten die lokale Hintergrundmessung deutlich. Obwohl die Autoren zwischen der Benzolbelastung in den Verkaufsräumen und der Benzolbelastung im Außenbereich keine Korrelation sehen, zeigen die Resultate dieser beiden Messpunkte bei einer Zahl von Tankstellen durchaus parallele Verläufe.

Im Verkaufsraum einer Tankstelle lag der Benzolwert im Sommer bei 16,77 µg/m3, an der Zapfsäule waren es 13,19 µg/m3. Obwohl die Benzolkonzentration im Winter hier nur 5,63 µg/m3 betrug, wurden im Verkaufsraum ebenfalls 16,34 µg/m3 gemessen. Daraus ergibt sich u.a. die Überlegung, ob Quellen innerhalb des Verkaufsraums zur Belastung beigetragen haben und folglich generell zu bedenken wären.

Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit hat in einem Forschungsprojekt zur Benzolbelastung in der Innenraumluft von Verkaufsräumen an 20 Tankstellen im Februar 2016 und Sommer 2016 jeweils mit 7-tägigen Messungen Wochenmittelwerte erhoben [5, 6, 17], wobei in der Nähe der Zapfsäulen und in der Umgebung der Tankstelle nur im Sommer Proben genommen wurden.

12 der 20 Tankstellen lagen im ländlichen bzw. Stadtrandgebiet. Die Tankstellen unterschieden sich auch deutlich hinsichtlich ihres Umsatzes von Ottokraftstoff, der Distanz zwischen Verkaufsraum und Zapfsäulen, der Größe des Verkaufsraums (Fläche und Volumen) und der Entfernung des Verkaufsraums von der Abluftleitung (Ausgleich Gaspendel-/Gasrückführungssystem).

Großenteils überschreiten die Messresultate in den Verkaufsräumen der Tankstellen die aus Wohnbereichen vorliegenden Ergebnisse und auch der Immissionsgrenzwert wird vielfach überschritten. Der (im Sommer) mit maximal 1,0 µg Benzol/m³ in Tankstellennähe gemessene Wert lag deutlich niedriger als die Innenraumkonzentrationen. Die niedrigste Raumluftkonzentration wurde in der einzigen Tankstelle mit mechanischer Zu- und Abluftanlage registriert, allerdings war an dieser Tankstelle auch die Distanz zwischen Eingangstür des Verkaufsraums und den Zapfsäulen groß.

Die Messkampagnen wurden mit verschiedenen Probenahmesystemen durchgeführt. Ihre Messcharakteristik hat sich auf die Ergebnisse ausgewirkt, beispielsweise wurden – mit Auswirkung auf den Wochenmittelwert – passagere Konzentrationsspitzen unterschiedlich abgebildet.

Die Studie hat als Einflussgrößen auf die Benzolkonzentration im Verkaufsraum dessen Entfernung zu den Zapfsäulen sowie das Bau-/Umbaujahr der Tankstelle identifiziert ( Tabelle 2). Dagegen fanden sich (teilweise im Kontrast zu älteren Messkampagnen anderer Autoren) keine signifikanten Korrelationen zu

  • Jahreszeit der Probenahme,
  • Verkaufsraumvolumen,
  • Werkstatt mit/ohne direkte Anbindung an den Verkaufsraum,
  • Lage der Tankstelle,
  • Temperatur im Verkaufsraum,
  • Windverhältnisse in Relation zur Richtung von Zapfsäulen zur Eingangstür, Außentemperatur, Temperaturdifferenz zwischen Außenluft und Innenraumluft.

Gefährdungsbeurteilung

Benzolmessungen in Verkaufsräumen von Tankstellen sind zentrale Voraussetzung für die Abschätzung der Expositionsbedingungen für schwangere Beschäftigte. Insofern tragen auch Erläuterungen zu den unterschiedlichen Probenahmesystemen und Messstrategien zum Verständnis inhomogener Ergebnisse bei. Allerdings stellen messtechnische Betrachtungen und mathematische, statistische Berechnungen nur einen – wenngleich wesentlichen – Teil der Gefährdungsbeurteilung dar.

Individuelle Auffälligkeiten, zunächst unerklärliche Konzentrationsunterschiede zwischen den Tankstellen und widersprüchliche Erkenntnisse zu möglichen Korrelationen lassen dabei eine interdisziplinäre Zusammenarbeit ratsam erscheinen. Dies gilt umso mehr, als Innenluftkonzentrationen nicht nur von der umgebenden Außenluft oder vom Gebäude/Baumaterialien, sondern auch vom arbeitshygienischen Verhalten der Beschäftigten beeinflusst werden können.

Die denkbaren Aspekte der Gefährdungsbeurteilung wurden in den bisherigen Untersuchungen unterschiedlich intensiv analysiert:

  • Örtliche Gegebenheiten:
  • Baujahr, Stand der Technik
  • Lage der Tankstelle hinsichtlich der umgebenden Verkehrsdichte
  • Zahl der Zapfsäulen
  • Entfernung des Verkaufsraums von den Zapfsäulen
  • Angeschlossene Werkstatt mit/ohne direkten Zugang zum Verkaufsraum
  • Größe des Verkaufsraumes (Fläche und Volumen)
  • Vorherrschende lokale Windrichtung hinsichtlich der Lage von Zapfsäulen und Verkaufsraum zueinander
  • Jahreszeitliche Einflüsse
  • Raumlufttechnische Anlage
  • Baumaterialien/-chemikalien, Einrichtungsgegenstände
  • Betriebliche Aspekte:
  • Umsatz in Litern Ottokraftstoff
  • Zahl der Betankungsvorgänge
  • Tanklagervolumen
  • Häufigkeit/Zeitpunkt der Belieferung durch Tanklastwagen
  • Öffnungszeiten
  • Verhaltensbedingte Einflüsse:
  • Umgang mit/Lagerung von kontaminierter Schutzkleidung (z.B. kontaminierte Schuhe, Handschuhe)
  • Lagerung von produktkontaminierten Motorteilen, Geräten, Behältern, Gegenständen (z.B. Putzlappen)
  • Renovierungs-/Umbaumaßnahmen
  • Konsequentes Geschlossenhalten der Eingangstür
  • Einhaltung des Nichtrauchens
  • Terminbefolgung technischer Anlagenwartungen und Überwachungen
  • Beachtung von Qualitätsvorschriften
  • Vorkommen von Störungen, fehlerhaften Betankungen, Vergießen/Verschütten von Produkt

Der beispielhafte Vergleich zweier Tankstellen ( Abb. 3) lässt erkennen, dass möglicherweise die örtlichen Bedingungen (z.B. Lage, Entfernung der Zapfsäulen vom Verkaufsraum, Umgebungsklima und -belastung, Kraftstoffumsatz) die Arbeitsbedingungen inklusive der Benzolkonzentration im Verkaufsraum beeinflussen können.

Diskussion

Beim Immissionsgrenzwert handelt es sich um einen Jahresmittelwert. Es ist kritisch zu hinterfragen, ob das in den Messprojekten jeweils gewählte Messregime geeignet ist, die Ergebnisse abschließend mit diesem Wert zu vergleichen. Kurzzeitmessungen werden den Anforderungen an die Ermittlung des Jahresmittelwertes nicht gerecht. In den vorliegenden Studien waren die Messstrategien hinsichtlich Probenahmesystem, Zeitpunkt und -dauer u.v.a. Aspekte nicht einheitlich.

Die 90. bzw. 95. Perzentile der Benzolkonzentration überschreiten in den zitierten Berichten überwiegend die entsprechenden Werte des KUS und der Untersuchung der AGÖF. Viele Einzelergebnisse liegen über dem Immissionsgrenzwert und insbesondere dem lokal zugeordneten Hintergrundwert. Es ist zudem darauf hinzuweisen, dass die Werte aus BImSchG, KUS und AGÖF bereits vor vielen Jahren veröffentlicht wurden; mittlerweile spiegeln sie vermutlich nicht mehr die reale Hintergrundbelastung wider und stellen somit die Belastung der Allgemeinbevölkerung als Maßstab für den Mutterschutz nicht mehr adäquat dar.

Einige Raumluftkonzentrationen von Benzol liegen in einer Größenordnung, die unter Aspekten des Mutterschutzes unabhängig von Überlegungen zu geeigneten Referenzwerten nicht akzeptabel sein dürften. Allein an den wenigen in Baden-Württemberg und Bayern untersuchten Tankstellen ergaben sich zwei kausal abklärungsbedürftige Befunde („Abklärung empfohlen“ bzw. Angabe starken Kraftstoffgeruchs morgens).

Die veröffentlichten Messergebnisse sprechen überwiegend dagegen, schwangere Frauen ohne weiteres in Verkaufsräumen von Tankstellen zu beschäftigen. Vielmehr ist diese Frage im Einzelfall durch eine individuelle Gefährdungsbeurteilung zu klären, mit der ein Überschreiten der ubiquitären Hintergrundbelastung ausgeschlossen werden kann. Insofern bleibt das Merkblatt „Werdende Mütter an Tankstellen“ (Stand 6/2015) des Landes Baden-Württemberg [3] weiterhin aktuell: „Mit krebserzeugenden, fruchtschädigenden oder erbgutverändernden Gefahrstoffen dürfen werdende Mütter keinesfalls beschäftigt werden, wenn sie bei bestimmungsgemäßem Umgang den Gefahrstoffen ausgesetzt sind. Stillende Mütter dürfen mit diesen Stoffen beschäftigt werden, wenn die Einhaltung des Grenzwertes sichergestellt ist. Ein solcher Stoff ist beispielsweise das in Ottokraftstoffen enthaltene Benzol. Benzol ist ein überall in der Umwelt vorhandener Stoff. Bei der Beschäftigung einer Schwangeren wird dann unterstellt, dass sie diesem Stoff ausgesetzt ist, wenn die Belastung der Schwangeren durch diesen Stoff über die Belastung der Allgemeinbevölkerung hinausgeht. Der Arbeitgeber hat nachzuweisen, dass der in der Außenumgebung gemessene Benzolwert (ubiquitärer Wert) auch am Arbeitsplatz der werdenden Mutter nicht überschritten wird. Die schwangere Arbeitnehmerin darf im Kassen- oder Verkaufsraum sowie im sonstigen Tankstellenbereich erst beschäftigt werden, wenn dies durch Messungen nachgewiesen wird.“ Auch das Landesinstitut für Arbeitsgestaltung des Landes Nordrhein-Westfalen kommt zu dem Schluss: „Die schwangere Arbeitnehmerin darf im Kassen- oder Verkaufsraum sowie im sonstigen Tankstellenbereich erst beschäftigt werden, wenn dies durch Messungen nachgewiesen wird“ [20].

Gleichwohl dürfte diese Vorgabe wegen der Kosten, weniger verfügbarer Messstellen, fehlender Expertise und großen Aufwands vielfach nicht befolgt werden. Im Zweifelsfall würde eine anlassbezogene Messung meist erst zu einem nutzbaren Ergebnis führen, wenn die Schwangerschaft der Beschäftigten bereits fortgeschritten wäre, was aus medizinischer Sicht bedenklich wäre.

Die alternative Option, Messungen bereits prophylaktisch zumindest an solchen Tankstellen durchzuführen, an denen Frauen in gebärfähigem Alter tätig sind, würde unter Aspekten von Wirtschaftlichkeit und Praktikabilität vermutlich ebenfalls kaum umsetzbar sein. Andererseits ist anzumerken, dass § 10 des Mutterschutzgesetzes verlangt, im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 Arbeitsschutzgesetz auch unabhängig von einem konkreten Anlass für jeden Arbeitsplatz die Gefährdungen nach Art, Ausmaß und Dauer zu beurteilen, denen eine schwangere oder stillende Frau oder ihr Kind dort ausgesetzt sein kann.

In der betrieblichen Realität (vgl. Einleitung) dürfte häufig nur ein Beschäftigungsverbot gewährleisten, dass eine Gesundheitsgefährdung für die schwangere Beschäftigte ausgeschlossen ist. Allerdings müssen die beteiligten Akteure verstehen, dass dies für eine gesunde Beschäftigte eine große emotionale Belastung bedeuten und gravierende soziale Nachteile haben kann, denn die Beschäftigte verliert mangels alternativer Beschäftigungsmöglichkeiten an einer Tankstelle zunächst ihren Arbeitsplatz. Die primäre Intention des Mutterschutzgesetzes (§ 1) lautet dagegen „… Das Gesetz ermöglicht es der Frau, ihre Beschäftigung oder sonstige Tätigkeit in dieser Zeit ohne Gefährdung ihrer Gesundheit oder der ihres Kindes fortzusetzen und wirkt Benachteiligungen während der Schwangerschaft, nach der Entbindung und in der Stillzeit entgegen.“ Zudem dürfte in Anbetracht knapper personeller Ressourcen an vielen Tankstellen ein kurzfristiger Wegfall einer Beschäftigten auch betrieblich nicht unproblematisch sein.

Es ergibt sich aus der kritischen Betrachtung der aktuellen Messreports und der sich daraus ergebenden Konsequenzen, dass für den praktischen betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz und vor allen Dingen für die betroffenen weiblichen Beschäftigten eine Klärung und einheitliche Handlungshilfe zum Mutterschutz in Verkaufsräumen von Tankstellen dringend wünschenswert sind.

Die publizierten Reports tragen dazu nur partiell bei, denn sie lassen ungeachtet der stark divergierenden Messresultate nicht mit hinreichender Genauigkeit die lokalen Gegebenheiten an den Messstellen und die dortigen Betriebsabläufe erkennen. Auch die geringe Zahl untersuchter Tankstellen, die unterschiedlichen Messmethoden und -strategien und die kausal nicht zugeordneten Unterschiede der Messresultate für Benzol erlauben nicht, aus den dargestellten Projekten allgemeingültige Empfehlungen für den Mutterschutz in Verkaufsräumen einer „typischen“ Tankstelle abzuleiten. Andererseits ist aber nur „bei gleichartigen Arbeitsbedingungen … die Beurteilung eines Arbeitsplatzes oder einer Tätigkeit ausreichend“.

Es könnte daher eine Option darstellen, ein länderübergreifendes Projekt mit dem Ziel zu initiieren, repräsentative Gefährdungsbeurteilungen (nicht nur „Messprojekte“) zu erstellen. Es wäre ein einheitliches und interdisziplinär abgestimmtes Vorgehen zu bevorzugen, das die Details der Messstrategien und -methodik (Messverfahren, Charakteristik der Probenahmesysteme, Abbildung passagerer Konzentrationsspitzen, Messzeitpunkt, -ort, -dauer und -organisation u.a.) einschließt. Die Tankstellen könnten etwa nach ihren Grundcharakteristika (Baujahr, Lage, Maße, Umsatz, etc.) geclustert werden, um für definierte Tankstellen-Typen repräsentative Aussagen treffen zu können. Damit ließen sich zumindest bezüglich der Benzolkonzentrationen möglicherweise die „gleichartigen Arbeitsbedingungen“ dokumentieren, die nach Arbeitsschutzgesetz eine stellvertretende Beurteilung für alle Tankstellen gleichen Typs rechtfertigen würden.

Daneben bedarf angesichts von Leit-, Grenz-, Richt-, Vergleichs-, Referenz- oder Interventionswerten im Arbeitsschutz die Interpretation der ubiquitären Hintergrundbelastung der grundsätzlichen Überlegung, an welchen repräsentativen Werten sich die Gefährdungsbeurteilung im Rahmen des Mutterschutzes zu orientieren hat. Die Kommentierung des BMFSFJ lässt zwar keinen Zweifel an den hohen Anforderungen an den Mutterschutz, jedoch werden keine konkreten Hinweise gegeben, ab welcher Benzolkonzentration keine „unverantwortbare Gefährdung“ mehr anzunehmen ist. Da ein bundeseinheitlicher Interventionswert nicht mehr verfügbar ist, besteht die Gefahr, dass im praktischen Arbeitsschutz unkoordiniert verfahren wird und der Mutterschutz an den Tankstellen sich nach unterschiedlichen Maßstäben richtet. Auch aus einer länderspezifischen Handhabung werden unterschiedliche Standards resultieren. Obwohl vielleicht in Nordfriesland und in Berlin Mitte unterschiedliche Benzolbelastungen der Allgemeinbevölkerung als mögliches Kriterium für die Bewertung der Konzentrationen in Verkaufsräumen von Tankstellen genutzt werden könnten, ist auch im Kontext des Mutterschutzes nicht anzunehmen, dass Kanzerogenität und Mutagenität von Benzol an diesen Orten medizinisch unterschiedlich zu bewerten wären. Die praktische Umsetzung des Mutterschutzes würde von einem Konsens hinsichtlich der medizinischen Interpretation definierter Benzolkonzentrationen für schwangere Frauen, beispielsweise durch Festlegung eines aktualisierten Interventionswertes, profitieren.

Fazit

Benzol-Messungen in Verkaufsräumen von Straßentankstellen haben bislang keine einheitlichen Ergebnisse erbracht, aus der generelle Empfehlungen für die Beschäftigungsfähigkeit schwangerer Frauen abgeleitet werden könnten. Systematische, repräsentative Gefährdungsbeurteilungen, die über reine Messprojekte hinausgehen, könnten möglicherweise eine verlässliche Beurteilungsgrundlage im Sinne des Mutterschutzgesetzes ermöglichen.

Ein besonderes Augenmerk gilt der Frage, welche Raumluftkonzentration von Benzol als Beurteilungsmaßstab im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung heranzuziehen ist. Einerseits ist der Immissionsgrenzwert als Wert definiert, bei dessen Einhaltung aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse Gesundheitsschäden beim Menschen ausgeschlossen sein sollten. Andererseits liegt die reale Hintergrundbelastung deutlich unter diesem Wert und dürfte in Zukunft weiter sinken. Die – geringere – Belastung der Allgemeinbevölkerung würde folglich höhere Anforderungen an den Mutterschutz in Verkaufsräumen von Tankstellen erfordern.

Aus Unsicherheiten der Expositionsbeurteilung resultiert möglicherweise eine uneinheitliche Arbeitsschutzpraxis mit entsprechenden Folgen für die schwangeren Beschäftigten und ihre Arbeitgeber. Von einem länderübergreifenden Konsens, etwa mit der Definition eines neuen Interventionswertes für Benzol, könnten die praktische Umsetzung des Mutterschutzes grundsätzlich profitieren und für schwangere Frauen manche Beschäftigungsverbote wegen einer unverantwortbaren Gefährdung vermieden werden.

Interessenkonflikt: Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.

Literatur

1. ARAL AG: Sicherheitsdatenblatt Aral Super E5, Aral Super E10, Aral SuperPlus 98 ( aral. de/content/dam/aral/PDFs/Sicherheitsdatenbltter/Kraft_und_Brennstoffe/deutsch/super_e5_super_e10_superplus_98.pdf ).

2. Arbeitsgemeinschaft ökologischer Forschungsinstitute e.V.: AGÖF-Orientierungswerte für flüchtige organische Verbindungen in der Raumluft. Fassung 28.11.2013 ( www.agoef.de/fileadmin/user_upload/dokumente/orientierungswerte/AGOEF-VOC-Orientierungswerte-2013-11-28.pdf ).

3. Baden-Württemberg, die Regierungspräsidien, Fachgruppe Mutterschutz: Merkblatt Werdende Mütter an Tankstellen (MuSchG alt, bis 12/2017) ( rp.baden-wuerttemberg. de/Themen/Wirtschaft/Documents/MutterTankstelle.pdf )

4. Barrot R: Benzolbelastung bei Tankwarten – Vorschlag für die retrospektive Ermittlung. ErgoMed 1997; 21: 200–205.

5. Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit: Benzol an Tankstellen ( https://www.lgl.bayern.de/arbeitsschutz/stofflicher_arbeitsschutz/projekte_a_z/benzol_an_tankstellen.htm ).

6. Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit: Endbericht zum Projekt Benzolbelastung in der Innenraumluft von Verkaufsräumen an Tankstellen ( saarland. de/dokumente/thema_arbeitsschutz/Anlage_1_Abschlussbericht_Tankstellen_Benzol_31.01.2017_ (Bayern).pdf).

7. Bayerisches Landesamt für Umwelt: UmweltWissen – Schadstoffe. Benzol ( https://www.lfu.bayern.de/buerger/doc/uw_10_benzol.pdf ).

8. Breuer D et al.: Benzol – Messungen in verschiedenen Arbeitsbereichen mit Bezug zur Toleranz- und Akzeptanzkonzentration nach TRGS 910. Gefahrstoffe – Reinhaltung der Luft 2015; 75: 259–263.

9. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz: Berufskrankheiten-Verordnung (BKV), Anlage 1 ( https://www.gesetze-im-internet.de/bkv/anlage_1.html ).

10. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz: Einundzwanzigste Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes (Verordnung zur Begrenzung der Kohlenwasserstoffemissionen bei der Betankung von Kraftfahrzeugen – 21. BImSchV) ( https://www.gesetze-im-internet.de/bimschv_21/index.html#BJNR017300992BJNE000202116 ).

11. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz: Gesetz zum Schutz von Müttern bei der Arbeit, in der Ausbildung und im Studium ( https://www.gesetze-im-internet.de/muschg_2018/index.html ).

12. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz: Neununddreißigste Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen (39. BimSchV) ( https://www.gesetze-im-internet.de/bimschv_39/ ).

13. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz: Zehnte Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes (Verordnung über die Beschaffenheit und die Auszeichnung der Qualitäten von Kraft- und Brennstoffen – 10. BImSchV) ( https://www.gesetze-im-internet.de/bimschv_10_2010/index.html ).

14. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Leitfaden zum Mutterschutz ( https://www.bmfsfj.de/resource/blob/94398/3b87a5363865637dd3bf2dd6e8ec87e0/mutterschutzgesetz-data.pdf ).

15. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Erste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft – TA Luft) vom 24. Juli 2002 https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/1/dokumente/taluft_stand_200207241.pdf ).

16. Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung: Pressemitteilung vom 05.08.2015 ( www.dguv.de/de/mediencenter/pm/pressearchiv/2015/quartal_3/details_q3_111681.jsp ).

17. Fembacher L, Horn M, Völkel W, Fromme H: Belastung mit aromatischen Kohlenwasserstoffen, ETBE und MTBE an Tankstellen und in Verkaufsräumen von Tankstellen. Gefahrststoffe – Reinhaltung der Luft 2017; 77: 231–236

18. Institut für Arbeitsschutz der DGUV: Gestis-Stoffdatenbank ( www.dguv.de/ifa/gestis/gestis-stoffdatenbank/index.jsp ).

19. Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg: Benzol in Verkaufsräumen von Tankstellen – Endbericht ( saarland .de/dokumente/thema_arbeitsschutz/Anlage_2_Endbericht_Benzol_in_Verkaufsrauumen_von_Tankstellen_BW_11.10.16.pdf ).

20. Landesinstitut für Arbeitsgestaltung des Landes Nordrhein-Westfalen, Komnet-Wissensdatenbank: Dürfen schwangere Mitarbeiterinnen in der Verwaltung von Tankstellen und im Mineralöl- und Schmierstoffhandel im Büro in unmittelbarer Nähe der Tankstelle weiterbeschäftigt werden? KomNet Dialog 11184, Stand: 28.08.2017 ( https://www.komnet.nrw.de/_sitetools/dialog/11184 ).

21. Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI), LASI-Veröffentlichung LV 11: Schutz schwangerer Frauen vor Benzolexposition in Verkaufsräumen von Tankstellen und an anderen Arbeitsplätzen ( www.laendermessstellen.de/lv11.pdf ).

22. Mineralölwirtschaftsverband: Entwicklung des Tankstellenbestandes ab 1950 in Deutschland jeweils zu Jahresbeginn ( https://en2x.de/service/statistiken/tankstellenbestand/ ).

23. Mineralölwirtschaftsverband: Jahresbericht 2017 ( https://www.mwv.de/wp-content/uploads/2017/09/170918_Mineraloelwirtschaftsverband_Jahresbericht-2017.pdf ).

24. Richtlinie 98/70/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1998 über die Qualität von Otto- und Dieselkraftstoffen und zur Änderung der Richtlinie 93/12/EWG des Rates (ABl. L 350 vom 28.12.1998, S. 58) ( https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:31998L0070&from=DE ).

25. Shell Deutschland Oil GmbH: Sicherheitsdatenblatt Shell FuelSave Super 95 ( www.mogler-oil.de/fileadmin/Daten/PDF-Dokumente/Sicherheitsdatenblatt_FuelSaveSuper_95.pdf ).

26. Statistisches Bundesamt: Statistisches Jahrbuch 2017, Kapitel 24, Binnenhandel ( https://www.destatis.de/DE/Publikationen/StatistischesJahrbuch/Binnenhandel.pdf?__blob=publicationFile ).

27. Statistisches Bundesamt, Wirtschaft und Statistik 10/2008: Wollgramm M, Krüger H-W et al.: Der Kraftfahrzeughandel im Jahr 2006 ( https://www.destatis.de/DE/Publikationen/WirtschaftStatistik/BinnenhandelGastgewTourismus/Kraftfahrzeughandel2006.pdf?__blob=publicationFile ).

28. Umweltbundesamt: Benzol im Jahr 2016 ( https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/370/dokumente/benzol_2016.pdf ).

29. Umweltbundesamt (Fachgebiet II 4.2 Beurteilung der Luftqualität): Informationsblatt Benzol – Stand Dezember 2010.

30. Umweltbundesamt: Kinder-Umwelt-Survey (KUS) 2003/06. Innenraumluft – Flüchtige organische Verbindungen in der Innenraumluft in Haushalten mit Kindern in Deutschland, Schriftenreihe Umwelt & Gesundheit 03/2010 ( https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/419/publikationen/4011.pdf ).

31. Umweltbundesamt: Bekanntmachung des Umweltbundesamtes, Vergleichswerte für flüchtige organische Verbindungen (VOC und Aldehyde) in der Innenraumluft von Haushalten in Deutschland. Ergebnisse des repräsentativen Kinder-Umwelt-Surveys (KUS) des Umweltbundesamtes. Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz 2008; 51: 109–112.

32. Urbia – G+J Parenting Media GmbH ( https://www.urbia.de/forum/28-finanzen-beruf/2153501-arbeiten-als-kassiererin-in-einer-tankstelle-in-der-schwangerschaft ).

33. Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 ( eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2008:353:0001:1355:DE:PDF ).

34. von Hahn N, Van Gelder R, von Mering Y, Breuer D, Peters S: Ableitung aktueller Innenraumarbeitsplatz-Referenzwerte. Gefahrstoffe – Reinhaltung der Luft 2018; 78: 63–71.

Verfasser

Dr. med. Manfred Albrod

Arbeitsmedizin Großhansdorf

M.Albrod@gmx.net

Fußnoten

Arbeitsmedizin Großhansdorf

(eingegangen am 07.06.2018, angenommen am 10.07.2018)