Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch

Beruflich bedingte Infektionen im Gesundheitswesen

Albert Nienhaus1,2

Madeleine Dulon2

Dana Wendeler2

Infektionen als Berufskrankheit

Infektionen sind nach Hauterkrankungen der häufigste Grund für die Meldung einer Berufskrankheit bei der BGW ( Tabelle 1). Im Jahr 2015 wurden insgesamt 8215 Infektionen gemeldet. Davon waren jedoch nur 795 (9,7 %) meldepflichtig. Die Unterscheidung zwischen meldepflichtig und nicht meldepflichtig ist nicht immer einfach (s. „Weitere Infos“). Als Faustregel kann man sagen, dass der mögliche Kontakt zu Erregern nicht meldepflichtig ist, während der Nachweis von bestimmten Erregern bei BiG den Verdacht auf Vorliegen einer Berufskrankheit begründet, was zur Meldepflicht führt. Betrifft die Infektion nicht BiG in Laboren oder mit Tätigkeiten mit vergleichbarem Risiko, besteht auch keine Meldepflicht, da außerhalb dieses Personenkreises die BK 3101 nicht greift. Allerdings kann außerhalb des versicherten Personenkreises der BK 3101 eine Infektion auch als Unfall bewertet werden, da für dessen Definition nach dem Unfallversicherungsgesetz die Einwirkung auf die Dauer eines Tages begrenzt sein muss. Bei Infektionserregern ist dieses eindeutig der Fall.

Die meisten nicht meldepflichtigen Fälle werden nach Kontakt zu Skabies und bei Kontakt zu Blut oder Blutspritzern registriert. Bei einem Skabies-Fall in einem Pflegeheim müssen alle möglichen Kontaktpersonen prophylaktisch behandelt werden. Sofern diese Kontaktpersonen Versicherte der BGW sind, übernimmt die BGW die Kosten für diese Prophylaxe. Im Jahr 2015 gab es 2124 solcher Kontaktmeldungen. Bei der Meldung von Blutkontakt übernimmt die BGW die Kosten für die Prophylaxe der blutübertragbaren Viruserkrankungen entsprechend ihres Regeluntersuchungsprogramms.

Überraschenderweise ist die Tuberkulose bei den meldepflichtigen infektionsbedingten Berufskrankheiten führend. Im Jahr 2015 wurden 155 Fälle aktiver Tuberkulose gemeldet und 57 als Berufskrankheit anerkannt. Die meisten gemeldeten und anerkannten Fälle betreffen jedoch die latente Tuberkuloseinfektion. Ähnliche Fallzahlen gab es auch in den vergangenen fünf Jahren ( Abb. 1). Der Umgang mit Vorsorgeangeboten muss gerade bei latenten TB-Infektionen – besonders im Hinblick auf die zugehörigen Röntgen-Thorax-Untersuchungen – kritisch hinterfragt werden. Neue Informationen hierzu werden im nachfolgenden Beitrag von Schablon et al. diskutiert, der einen Short Report der Originalarbeit von Schablon et al. (2014) darstellt.

Blutübertragbare Virusinfektionen wurden insgesamt 120-mal gemeldet, 33 wurden als Berufskrankheit anerkannt. Die häufigsten Meldungen und Anerkennungen werden durch HBV oder HCV verursacht. In den vergangenen fünf Jahren war die Anzahl der Meldungen und Anerkennungen relativ stabil bzw. leicht rückläufig ( Abb. 2 und 3). Im Vergleich zu den Jahren davor gab es jedoch einen deutlichen Rückgang (Dulon et al. 2015). 2005 wurden noch 150 HBV-Infektionen gemeldet. Im Jahr 2015 waren es 57. Die Entwicklung bei der Hepatitis C, deren Meldungen auch rückläufig sind, wird in dem Beitrag von Westermann et al. in diesem Heft genauer beschrieben und hinsichtlich der entstehenden Kosten analysiert. Die vorliegende Arbeit referiert über Teilaspekte aus der Originalarbeit Westermann et al. (2015).

Bei den multiresistenten Erregern können Beschäftigte sowohl Opfer als auch Vektor sein. Aufgrund der luftgetragenen Übertragung ist dabei MRSA besonders relevant (Dulon et al. 2014;  Abb. 4). Nach Tuberkulose, blutübertragbaren Viruserkrankungen und Skabies ist MRSA der vierthäufigste Grund für eine meldepflichtige infektionsbedingte Anzeige. Allerdings ist die Anzahl anerkannter Berufskrankheiten wegen MRSA eher gering (n = 7). Das ist darin begründet, dass eine Besiedlung mit MRSA nicht als Berufskrankheit anerkannt werden kann, obwohl sich durch sie schwerwiegende Konsequenzen für die Betroffenen ergeben können. Weitere Informationen zu MRSA bei BiG gibt der nachfolgende Beitrag von Peters et al., der auf der oben zitierten Arbeit von Dulon et al. (2014) basiert.

Typische Infektionen von Kindern spielen bei den gemeldeten und anerkannten Kindererkrankungen kaum eine Rolle. Für Schwangere sind diese Infektionen jedoch wegen des Infektionsrisikos während der Schwangerschaft ein großes Problem,. Obwohl deswegen häufig Tätigkeitsverbote für Schwangere ausgesprochen werden, liegen relativ wenige Daten zu ihrem Infektionsrisiko vor. Der Beitrag von Stranzinger et al. (2016) beschreibt im Praxisteil dieser Ausgabe die Prävalenz von CMV-Infektionen bei Erzieherinnen und bei Beschäftigten einer Kinderklinik. Auch wenn sich kein beruflich bedingtes Risiko ergibt, ist etwa die Hälfte der Frauen potenziell gefährdet (Stranzinger et al. 2016). Deshalb sind Regelungen bei Schwangerschaften von Frauen, die beruflich Kontakt zu Kleinkindern haben, notwendig.

Influenza spielt bei den gemeldeten und anerkannten Berufskrankheiten nur eine untergeordnete Rolle (6 meldepflichtige Fälle, keine Anerkennung im Jahr 2015). Am Beispiel der H1N1-Pandemie zeigt sich jedoch ein erhöhtes Infektionsrisiko für BiG, wie der nachfolgende Beitrag von Lietz und Kollegen darlegt, der die Originalarbeit Lietz et al. (2016) inhaltlich zusammenfasst.

Schlussfolgerung

Trotz der positiven Entwicklung bei den blutübertragbaren Viruserkrankungen sind Infektionen weiterhin eine relevante Gefährdung für Beschäftigte im Gesundheitswesen und verursachen nicht unerhebliche Kosten im berufsgenossenschaftlichen Bereich. Daher ist es besonders wichtig, neben der Aufdeckung von Infektionsrisiken evidenzbasierte Präventionsstrategien zu entwickeln. Dieses ist besonders bei multiresistenten Erregern und bei infektionsbedingten Schwangerschaftskomplikationen notwendig.

Literatur

Dulon M, Lisiak B, Wendeler D, Nienhaus A: Berufsbedingte Infektionskrankheiten bei Beschäftigten im Gesundheitsdienst 2014. Zbl Arbeitsmed 2015; 65: 210–216.

Dulon M, Peters C, Schablon A, Nienhaus A: MRSA carriage among healthcare workers in non-outbreak settings in Europe and the United States: a systematic review. BMC Infectious Diseases 2014; 14: 363.

Lietz J, Westermann C, Nienhaus A, Schablon A: The occupational risk of influenza A (H1N1) infection among healthcare personnel during the 2009 pandemic: a systematic review and meta-analysis of observational studies. PLoS One 2016; 11: e0162061.

Robert Koch-Institut (RKI): Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger, Stand 2016 ( www.rki.de/DE/Content/Infekt/IfSG/Meldepflichtige_Krankheiten/Meldepflichtige_Krankheiten_node.html ).

Schablon A, Nienhaus A, Ringshausen FC, Preisser AM, Peters C: Occupational screening for tuberculosis and the use of a borderline zone for interpretation of the IGRA in German healthcare workers. PLoS One 2014; 9: e115322.

Stranzinger J, Kindel J, Henning M, Wendeler D, Nienhaus A: Prevalence of CMV infection among staff in a metropolitan children‘s hospital – occupational health screening findings. GMS Hyg Infect Control 2016; 11: Doc20.

Westermann C, Peters C, Lisiak B, Lamberti M, Nienhaus A: The prevalence of hepatitis C among healthcare workers: a systematic review and meta-analysis. Occup Environ Med 2015; 72: 880–888.

Für die Verfasser

Prof. Dr. med. Albert Nienhaus

Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)

Competenzzentrum Epidemiologie und Versorgungsforschung bei Pflegeberufen (CVcare)

Martinistraße 52

20246 Hamburg

albert.nienhaus@bgw-online.de

Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2017; 52: 35–37

Fußnoten

1 Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), Competenzzentrum Epidemiologie und Versorgungsforschung bei Pflegeberufen – CVcare

2 Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW), Abteilung Grundlagen der Prävention und Rehabilitation (GPR), Hamburg