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Welche Maßnahmen der Betrieblichen Gesundheits-förderung bieten Behinderten-Wohneinrichtungen ihrem Betreuungspersonal an?

Welche Maßnahmen der Betrieblichen Gesundheitsförderung bieten Behinderten-Wohneinrichtungen ihrem Betreuungspersonal an?

Hintergrund: Leitungskräfte in Wohneinrichtungen für behinderte Menschen im Regierungsbezirk Freiburg/Br. berichten, dass die dort arbeitenden Betreuungskräften – u. a. als Folge des demografischen Wandels – unter zunehmender Arbeitsbelastung leiden. Sie befürchten, dass die Anzahl von vorzeitig aus dem Berufsleben aussteigenden Mitarbeitern in Zukunft weiter ansteigen wird.

Methode: Im Rahmen einer Studie zur Arbeitssituation von Betreuungskräf-ten in Wohneinrichtungen für behinderte Menschen stellte sich daher auch die Frage, was die Einrichtungen bereits jetzt tun, um ihre Beschäftigten möglichst lange gesund im Beruf zu halten. Um dies zu analysieren, wurden die 54 überwiegend geschlossenen Fragen des standardisierten Fragebogens mit Hilfe uni- und bivariater deskriptiver Verfahren untersucht.

Ergebnisse: Es zeigte sich, dass zwar 85 % der befragten Institutionen Maß-nahmen der Betrieblichen Gesundheitsförderung anboten, dass es sich hierbei jedoch in erster Linie um Gesundheits-Checks (in 75 % der Einrichtungen) und Gesundheitsschulungen (60 %) handelte. Andere Angebote wie Betriebssport (25 %) oder gesunde Kantinenernährung (20 %) gab es wesentlich seltener. Gleichzeitig sahen die Vertreter der Institutionen die Ursachen der problematischen Arbeitssituation im Betreuungsbereich jedoch nicht in der individuellen gesundheitlichen Situation ihrer Mitarbeiter, sondern in der Arbeitsorganisation und in den Arbeitsbedingungen.

Schlussfolgerungen: Diese Diskrepanz ließe sich damit erklären, dass in den Institutionen und Betrieben noch immer ein traditionelles, pathogenetisch geprägtes biomedizinisches Gesundheits- bzw. Krankheitsbild vorherrscht, das Gesundheits-Checks und verhaltenspräventive Maßnahmen als die grundlegenden oder sogar alleinigen Maßnahmen eines „Betrieblichen Gesundheitsmanagements“ sieht. Dies bedeutet, dass die Inhalte eines guten „Betrieblichen Gesundheitsmanagements“ mit einer Einbeziehung von Arbeitsorganisation, Arbeitszeit- und Arbeitsplatzgestaltung etc. bislang noch nicht in den Einrichtungen der Behindertenhilfe angekommen sind.

Schlüsselwörter: Betriebliches Gesundheitsmanagement – Betreuungskräfte – Behinderteneinrichtungen – Heilerziehungspflege – demografischer Wandel

What measures do residential facilities for disabled persons take to promote health in the workplace among their care workers?

Background: Managers of residential facilities for disabled people in the ad-ministrative region Freiburg/Br. (Germany) report that their care workers are under an increasing workload, amongst other things as a result of demo-graphic change. They fear that the number of staff ending their careers pre-maturely will continue to increase in the future.

Methods: As a part of a study on the working conditions for care workers in residential facilities for disabled persons, we asked what these facilities are already doing to keep their employees healthy at work for as long as possible. In order to analyse this, we used univariate and bivariate descriptive methods to study the 54 predominantly closed questions in our standardised questionnaire.

Findings: Although 85 % of the facilities offered workplace health promotion measures, these were primarily health checks (in 75 % of the facilities) and health education (in 60 %). Other activities such as workplace sports (25 %) or healthy canteen food (20 %) were much less common. At the same time, however, the representatives of the facilities did not see the causes of the problematic work situation in this area in the individual health status of their employees, but in the organisation of work and in the working conditions.

Conclusion: We explain this discrepancy by the fact that a traditional biomedical approach to health and illness still prevails in the institutions and enterprises concerned, which sees health checks and preventive behavioural strategies as the basic, or indeed only, measures of „workplace health management“. This means that the elements of a good workplace health management system, which covers work organisation, work schedules and workplace design etc., have not yet arrived in the facilities for disabled persons.

Keywords: workplace health management – care workers – residential facilities for disabled persons – social care work – demographic change

L. Habermann-Horstmeier1

S. Bührer2

(eingegangen am 07. 10. 2014, angenommen am 06. 03. 2015)

ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2015; 50: 362–370

Hintergrund und Ziel der Untersuchung

Beschäftigte in Pflegeberufen klagen seit vielen Jahren über unzureichende Personalausstattung, schlechte Bezahlung, fehlende Perspektiven und krank machende Arbeitsbedingungen (vgl. Hassel-horn et al. 2005; BMFSFJ 2006b,c; Bispinck et al. 2012). Ob dies auf-grund ähnlicher Bedingungen auch für Betreuungskräfte in Behinderten-Wohneinrichtungen gilt, wurde bislang kaum untersucht (Diederich 2004; Herrlich 2013; Petrarca et al. 2014). Eine Studie, die die Arbeitssituation von Betreuungskräften in Wohneinrichtungen für behinderte Menschen im Regierungsbezirk (RBz.) Freiburg/Br. aus Arbeitgebersicht beleuchtete (Habermann-Horstmeier u. Bührer 2014), fand hier eine Reihe vergleichbarer Probleme. Eines der wichtigsten Probleme sahen die befragten Institutionen in den Folgen, die der demografische Wandel für die Einrichtungen mit sich bringt. Die zunehmend älter werdenden behinderten Bewohner benötigen aufgrund der im Durchschnitt höheren Morbidität mehr Betreuung und Pflege. Dies führt zu einer höheren physischen und psychischen Arbeitsbelastung bei dem dort beschäftigten Betreuungspersonal. Aufgrund des demografischen Wandels sowie aufgrund des oftmals fehlenden Nachwuchses wird auch das Betreuungspersonal in Zu-kunft im Durchschnitt älter sein. Schon jetzt spüren einige Institutio-nen, dass die zunehmende physische und psychische Arbeitsbelastung insbesondere für die älteren Betreuer zum Problem wird und weisen darauf hin, dass diese Mitarbeiter dann krankheitsbedingt vorzeitig aus dem Beruf aussteigen könnten. In solchen Fällen sei bis vor einigen Jahren die Möglichkeit der Altersteilzeit genutzt worden. Da die Bundesagentur für Arbeit diese Maßnahme nun jedoch nicht mehr finanziell fördert, bliebe für diese Mitarbeiter nur noch die Möglichkeit einer krankheitsbedingten Frühverrentung. Vor dem Hintergrund des auch in der Behindertenbetreuung zunehmenden Arbeitskräftemangels (s. Habermann-Horstmeier u. Bührer 2014) stellt sich nun die Frage, was die befragten Wohneinrichtungen für behinderte Menschen derzeit bereits tun, um ihre betreuenden Mitarbeiter möglichst lange gesund im Beruf zu halten?

Kollektiv und Methode

Im Rahmen der o. g. Studie (Habermann-Horstmeier u. Bührer 2014) wurden Vertreter von Wohneinrichtungen für behinderte Menschen im Regierungsbezirk Freiburg/Br. mit Hilfe eines neuen, standardisierten Fragebogens hierzu mündlich befragt. Von den insgesamt 72 Behinderten-Wohnein-richtungen im Regierungsbezirk Freiburg/Br., die den u. g. Kriterien entsprachen, waren 23 Institutionen (31,9 %) bereit, an der Studie teilzunehmen ( Abb. 1).

Die Kriterien zur Auswahl der zu befragenden Wohneinrichtungen für behinderte Menschen im Regierungsbezirk Freiburg/Br. waren:

  • Die Einrichtungen sind Institutionen der Behindertenhilfe nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGBXI).
  • Die Bewohner/-innen werden in den Einrichtungen rund um die Uhr betreut.
  • In den Einrichtungen können Personen mit unterschiedlicher Art der Behinderung leben.
  • Bei größeren Dachorganisationen dürfen jeweils maximal zwei Institutionen mit gleicher Ausrichtung befragt werden.

Befragt wurden Vertreter der Wohneinrichtungen in leitender Position. Der Fragebogen enthielt 54 überwiegend geschlossene Fragen zur Institution sowie zur Arbeitssituation der dort beschäftigten betreuenden Mitarbeiter. Dabei gingen einige Fragen auch darauf ein, welche gesundheitsfördernden Maßnahmen die Einrichtungen für ihre Angestellten bereithielten. Zum Schluss hatten die Befragten die Möglichkeit, im Rahmen einer offenen Frage ausführlich zu schildern, wo sie derzeit Probleme im Hinblick auf die Arbeitssituation ihrer betreuenden Mitarbeiter sahen. Die Auswertung der auf diese Weise gewonnenen Daten geschah mit STATA 12.0. Es wurden überwiegend univariate deskriptive Analysen durchgeführt (Berechnung von absoluten und relativen Häufigkeiten), die dann auch grafisch dargestellt wurden. Da der Exakte Fisher-Test auch bei einer geringen Anzahl von Beobachtungen zuverlässige Resultate liefert, wurde er dem 2-Test als Signifikanztest auf Unabhängigkeit in der Kontingenztafel vorgezogen.

Ergebnisse

Angaben zur Institution, zu den Bewohnern und zur Mitarbeiterstruktur

Wie schon in Habermann-Horstmeier u. Bührer (2014) dargestellt, waren 85 % der befragten Einrichtungen vollstationäre Einrichtungen mit Tagesstruktur. Sie verfügten in der Regel (70 %) über 21–50 Wohnheimplätze. Die meisten der befragten Einrichtungen (65 %) waren private Institutionen, 30 % hatten einen kirchlichen Träger, und nur eine Einrichtung war in staatlicher Hand.

In etwas mehr als der Hälfte der befragten Institutionen (55 %) lebten geistig behinderte Menschen. Dagegen wohnten in allen sechs kirchlichen Einrichtungen (30 %) Menschen mit unterschiedlichen Behinderungsarten. Die übrigen Einrichtungen boten Plätze für psy-chisch eingeschränkte und schwerstmehrfachbehinderte Menschen an ( Abb. 2). In den meisten Einrichtungen (65 %) lag das Durchschnittsalter der Bewohner über 40 Jahre. In einem Viertel der befragten Einrichtungen waren die Bewohner im Durchschnitt sogar zwischen 51 und 60 Jahre alt. Die ältesten Bewohner in den Einrichtungen für erwachsene behinderte Menschen (n = 17) waren durch-schnittlich 72,7 Jahre alt (STAB 11,3 J.; Min 52 J.; Max 92 J.).

Die überwiegende Mehrzahl der Mitarbeiter dieser Wohneinrichtungen war weiblich und arbeitete als Betreuer. Ihr Durchschnitts-alter lag zwischen 30 und 40 Jahren. Die jeweils ältesten Betreuer waren jedoch durchschnittlich 58,5 Jahre alt (STAB 5,7 J.; Min 38 J.; Max 65 J.).

Belastende Arbeitssituation

Sechzig Prozent der befragten Institutionen nannten als Antwort auf die frei formulierte Frage nach den Problemen im Zusammenhang mit der Arbeitssituation ihrer betreuenden Mitarbeiter die hohen Anforderungen an die Betreuungskräfte sowie die in physischer und in psychischer Hinsicht hohe Arbeitsbelastung. Zuvor hatten bereits 85 % der Institutionen angegeben, dass ihre betreuenden Mitarbeiter häufig (35 %) oder gelegentlich (50 %) zu Mehrarbeit/Überstunden herangezogen würden. Darüber hinaus war in der Hälfte der befragten Institutionen nicht immer eine ausgelernte Fachkraft in den Wohngruppen anwesend. Die Vertreter der Institutionen nannten außerdem noch folgende Punkte, die ebenfalls zu einer belastenden Arbeitssituation führen können: geringe Aufstiegsmöglichkeiten, unzureichende Bezahlung, schlechter Personalschlüssel, geteilte Dienste, häufige und lange Wochenend- und Feiertags-dienste.

Vierzig Prozent der Institutionen gaben explizit auch Probleme durch den zunehmenden Hilfe- bzw. Pflegebedarf ihre älter werdenden Bewohner an. Parallel dazu nannten 25 % der befragten Ein-richtungen Probleme durch einen hohen Krankenstand ihrer älter werdenden Mitarbeiter. In diesem Zusammenhang wurde auch die Frage gestellt: „Wie sollen unsere älteren Mitarbeiter möglichst gesund bis zum Rentenalter arbeiten?“

Gesundheitsfördernde Angebote

Auf die Frage, ob sie ihren betreuenden Mitarbeitern derzeit bereits gesundheitsfördernde Maßnahmen anbieten, antworteten 85 % der befragten Institutionen mit „Ja“. Alle drei Institutionen, die dies verneinten, waren private Einrichtungen.

Abbildung 3 zeigt, dass die befragten Institutionen vor allem „klassische“ Maßnahmen wie z. B. Gesundheits-Checks oder auch Gesundheitsschulungen angeboten haben. Betriebssport, gesunde Kantinenernährung und Ruhezonen wurden überraschenderweise nur selten angekreuzt (von jeweils 20 bzw. 25 % der Institutionen). Institutionen in kirchlicher Trägerschaft boten die im Fragebogen genannten gesundheitsfördernden Maßnahmen zu einem höheren Prozentsatz an als private Einrichtungen. Eine Ausnahme bildete das sowohl in kirchlichen als auch in privaten Einrichtungen seltene Angebot von gesunder Ernährung in den Kantinen ( Abb. 4).

Betriebliches Gesundheitsmanagement

Neun Institutionen (45 %) gaben an, dass sie in ihrer Einrichtung über ein umfassendes Betriebliches Gesundheitsmanagement verfügten. Dies waren v. a. Institutionen, in denen es auch einen Betriebsrat (71,4 %) bzw. eine Personalvertretung (57,1 %) gab. In allen Institutionen ohne Betriebsrat bzw. Personalvertretung gab es kein Betriebliches Gesundheitsmanagement (Fisher‘s exact = 0,031). Die Zahl der in einer Institution beschäftigten Mitarbeiter hatte keinen Einfluss darauf, ob dort ein Betriebliches Gesundheitsmanagement vorhanden war oder nicht.

Überraschenderweise boten nur jeweils zwei der neun Institutionen (22,2 %), die nach eigenen Angaben über ein Betriebliches Gesundheitsmanagement verfügten, Betriebssport bzw. gesunde Ernährung in den Kantinen an. Auch Ruheoasen wurden nur von 22,2 % der Institutionen mit Betrieblichem Gesundheitsmanagement angeboten.

In allen neun Einrichtungen mit Betrieblichem Gesundheitsmanagement wurden jedoch Gesundheits-Checks/Vorsorgeuntersuchungen angeboten. Darüber hinaus boten auch sechs der elf Institutionen ohne Betriebliches Gesundheitsmanagement (54,6 %) Gesundheits-Checks bzw. Vorsorgeuntersuchungen an ( Tabelle 1). Ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen beiden Angeboten ließ sich daher nicht nachweisen.

Möglicherweise gibt es einen solchen Zusammenhang aber zwischen Betrieblichem Gesundheitsmanagement und dem Angebot von kostenlosen Gesundheitsleistungen (Fisher‘s exact = 0,074). So gab es in allen drei Institutionen, die kostenlose Gesundheitsleistungen anboten, auch ein Betriebliches Gesundheitsmanagement. Dagegen bot keine Institution ohne Betriebliches Gesundheitsmanagement kostenlose Gesundheitsleistungen an (s. auch unten, Abschnitt „Andere gesundheitsfördernde Maßnahmen“).

Es konnte kein statistischer Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein eines Betrieblichem Gesundheitsmanagements und dem Personalschlüssel, der Häufigkeit von Mehrarbeit/Überstunden, dem Umfang von Teilzeitarbeit und der Häufigkeit von Situationen nachgwiesen werden, in denen keine Fachkraft in einer Wohngruppe anwesend war.

Allerdings hatten Institutionen mit Be-trieblichem Gesundheitsmanagement deutlich häufiger einen Ablaufplan zum Thema „Elternzeit“ (55,6 % der Einrichtungen mit BGM, aber nur 9,1 % der Einrichtungen ohne BGM; Fisher‘s exact = 0,050). Das Vorhandensein eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements scheint sich jedoch nicht darauf ausgewirkt zu haben, ob die Mitarbeiter nach der Elternzeit wieder in ihren Beruf zu-rückkehrten und auch nicht darauf, ob die Rückkehrer wieder an ihrem alten Arbeitsplatz eingesetzt werden konnten. Darüber hinaus gab es auch keinen Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein eines BGM und der Antwort auf die Frage, ob und ggf. um wie viel sie ihre Arbeitszeit nach der Rückkehr aus der Elternzeit reduzierten.

Überraschenderweise waren es sowohl bei den kirchlichen als auch bei den privaten Institutionen v. a. diejenigen mit Betrieblichem Gesundheitsmanagement, bei denen die Dienstpläne von der Leitung der jeweiligen Einrichtung erstellt wurden (Fisher‘s exact = 0,017). Allerdings konnten die betreffenden Mitarbeiter in einigen Einrichtungen Wünsche dazu äußern. Am häufigsten waren es Institutionen mit Betriebsrat und Betrieblichem Gesundheitsmanagement, bei denen die Dienstpläne nicht im Team, sondern durch die Leitung erstellt wurden.

Gesundheitsschulungen

Insgesamt 60 % der befragten Institutionen boten ihren Mitarbeitern Schulungen in gesundheitsbewusstem Verhalten (z. B. zu Ernährung, Bewegung, Entspannung) an. Solche Gesundheitsschulungen gab es tendenziell häufiger in Einrichtungen mit niedrigerem Durchschnittsalter der Betreuer. Darüber hinaus fanden sie besonders häu-fig in kirchlichen Einrichtungen statt, die über eine Personalvertretung verfügten (85,7 %). In Einrichtungen mit Betriebsrat (42,9 %) und in Einrichtungen ohne Personalvertretung oder Betriebsrat (50 %) wurden sie dagegen seltener angeboten.

Möglicherweise gibt es einen statistischen Zusammenhang zwi-schen den Angeboten von Gesundheitsschulungen und Betriebssport (Fisher‘s exact = 0,055;  Tabelle 2). Institutionen, die Gesundheitsschulungen anboten, hatten in 41,7 % der Fälle auch Betriebssport-gruppen. Dagegen machten alle Institutionen, die keine Gesundheits-schulungen anboten, auch keine Betriebssportangebote.

Es zeigte sich kein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen den Angeboten von Gesundheitsschulungen und gesunder Kantinenernährung. Das Gleiche gilt für einen möglichen Zusammen-hang zwischen den Angeboten von Gesundheitsschulungen und Ruheoasen.

Institutionen, die Gesundheitsschulungen anboten, boten jedoch in 83,3 % der Fälle auch Gesundheits-Checks an, während dies nur in 62,5 % der Institutionen ohne Gesundheitsschulungen der Fall war. Auch dieser Unterschied war jedoch nicht statistisch signifikant (Fisher‘s exact = 0,347).

Gesundheits-Checks

Fünfundsiebzig Prozent der befragten Institutionen (n = 15) boten Gesundheits-Checks bzw. Vorsorgeuntersuchungen an. Dies waren alle Institutionen mit Betriebsrat und fast alle mit Personalvertretung (85,7 %), jedoch nur 2 von 6 Institutionen ohne Betriebsrat oder Personalvertretung (33,3 %; Fisher‘s exact = 0,016).

Betriebssport

Betriebssport wurde von 25 % der befragten Institutionen angeboten. Es waren fast nur Institutionen mit Personalvertretung, die dieses Angebot machten, jedoch keine Einrichtung mit Betriebsrat (Fisher‘s exact = 0,041). Bei den Institutionen mit Personalvertretung handelte es sich ausschließlich um kirchliche Einrichtungen. Insgesamt boten damit 57,1 % der kirchlichen Einrichtungen – die alle über eine Personalvertretung verfügten – Betriebssport an. Damit gab es Betriebssport signifikant häufiger in kirchlichen Einrichtungen als in privaten (Fisher‘s exact = 0,014).

Die Zahl der in einer Institution beschäftigten Mitarbeiter hatte jedoch keinen Einfluss darauf, ob dort Betriebssport angeboten wurde oder nicht (Fisher‘s exact = 0,383).

Betriebssport gab es nur in Institutionen, deren betreuende Mitarbeiter zwischen 21 und 40 Jahren alt waren. Hier zeigte sich damit ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen dem Angebot von Betriebssport und dem Alter der Beschäftigten (Fisher‘s exact = 0,049). Dazu ist anzumerken, dass die Mitarbeiter in kirchlichen Einrichtungen im Durchschnitt nicht jünger waren als ihre Kollegen in privaten Einrichtungen.

Gesundes Kantinenessen

Nur 20 % der befragten Einrichtungen boten für ihre Mitarbeiter gesunde Kantinenernährung an. Dieses Angebot gab es jeweils nur in 28,6 % der Einrichtungen mit Betriebsrat bzw. mit Personalvertre-tung, jedoch in keiner Einrichtung ohne Betriebsrat/Personalvertretung. Ein statistisch signifikanter Zusammenhang ließ sich hier nicht nachweisen.

Ruheoasen

Ebenfalls nur 20 % der Institutionen (n = 4) boten ihren Mitarbeitern Ruheoasen zu Erholung in den Pausenzeiten an. Hier fand sich kein Unterschied zwischen den Einrichtungen mit und ohne Personalvertretung/Betriebsrat.

Andere gesundheitsfördernde Maßnahmen/kostenlose Gesundheitsleistungen

Vierzig Prozent der befragten Einrichtungen boten ihren Angestellten außer den explizit genannten auch noch andere gesundheitsfördernde Maßnahmen an. Am häufigsten (6-mal) wurden hier Vergünstigungen/Gutscheine für das örtliche Fitness-Studio bzw. das Angebot eines eigenen Fitness-Raums angegeben. Angeführt wurden darüber hinaus auch ein Betriebliches Wiedereingliederungsmanagement (3-mal), kostenlose psychosoziale Beratung (1-mal), Massagen (1-mal) und ein jährlicher Gesundheitstag (1-mal).

In drei Einrichtungen (15 %) gab es kostenlose Gesundheitsleistungen, die jedoch nicht näher erläutert wurden. Alle drei waren kirchliche Einrichtungen. In kirchlichen Einrichtungen wurden also signifikant häufiger kostenlose Gesundheitsleistungen angeboten als in privaten Einrichtungen (Fisher‘s exact = 0,031). Kostenlose Gesundheitsleistungen gab es somit nur in Einrichtungen mit Personal-vertretung (in 3 von 7; 42,9 %; Fisher‘s exact = 0,079). Die Zahl der in einer Institution beschäftigten Mitarbeiter hatte keinen Einfluss darauf, ob dort kostenlose Gesundheitsleistungen angeboten wurden oder nicht.

Diskussion

Da die hier vorgestellten Daten exemplarisch in einem umschriebenen geografischen Bereich erhoben wurden, besteht keinen Anspruch auf Repräsentativität für die Situation in ganz Deutschland. Die Ergebnisse zeigen jedoch, dass die Folgen des demografischen Wandels mittlerweile in Behinderteneinrichtungen angekommen sind. Auch behinderte Menschen werden im Durchschnitt immer älter. Die Folge ist eine ansteigende Morbidität der Bewohner von Behinderten-Wohneinrichtungen. Dies führt dazu, dass sich auch der Betreuungs- und Pflegebedarf erhöht. Die Vertreter der Behinderteneinrichtungen berichteten, dass die physische und psychische Arbeitsbelastung der Betreuer dadurch ansteigt. Auch die Betreuer selbst werden in den nächsten Jahren im Durchschnitt älter werden, so dass einige der Arbeitgeber schon jetzt mit einem weiteren Anstieg an krankheitsbedingten Frühverrentungen rechnen (Haber-mann-Horstmeier u. Bührer 2014).

In Deutschland gibt es außer einer von der Jade Hochschule in Oldenburg durchgeführten qualitativen Studie (Petrarca et al. 2013, 2014) keine aktuelle Untersuchung zur Arbeitsbelastung von Betreuungskräften in Wohneinrichtungen für behinderte Menschen.

Anders sieht die Situation im Bereich der Pflege aus: Hier gibt es bereits Untersuchungen zur Gesundheitsförderung, in deren Zentrum zum einen die zu pflegenden kranken und/oder alten Menschen stehen, zum anderen jedoch auch die jeweiligen Pflege-kräfte (AOK-Forum 2011; Schaeffer 2010; BAuA 2008; Heidecker 2007; Bartholomeyczik 2006; Brieskorn-Zinke 2004; Bausch-Weis 2004; MASF o.J.). Untersuchungen zur Betrieblichen Gesundheitsförderung im Bereich der Pflege beziehen sich sehr konkret auf die Situation der dort beschäftigten Berufsgruppen (meist Kranken- und Altenpflegeberufe; siehe z. B. AOK-Forum 2011; Bausch-Weis 2004; MASF o.J.). Da sich in der Behindertenbetreuung in Deutschland jedoch – anders als in den meisten europäischen Ländern – die Heilerziehungspflege als ein spezielles Fach herausgebildet hat, das sich in ihrem Aufgabenbereich erheblich von dem der Pflegeberufe unterscheidet (vgl. Herrlich 2013), lässt sich die Arbeitsbelastung in der Pflege nicht ohne weiteres auf die Situation im der stationären Behindertenhilfe übertragen. Mangels aktueller Daten aus dem Bereich der Behindertenbetreuung wird hier trotzdem an einigen Stel-len einen Vergleich zur Situation in der Pflege hergestellt.

Es stellt sich nun also die Frage „Was tun die befragten Arbeitgeber in den Wohneinrichtungen für behinderte Menschen derzeit bereits, um ihre betreuenden Mitarbeiter möglichst lange gesund im Beruf zu halten?“.

Grundlagen Betrieblicher Gesundheitsförderung

Nach der Luxemburger Deklaration zur Betrieblichen Gesundheitsförderung in der Europäischen Union (ENWHP 1997) gehören zur Betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) alle gemeinsamen Maßnahmen von Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Gesellschaft zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden am Arbeitsplatz.

Die Deklaration geht davon aus, dass dies nur durch eine Verknüpfung der folgenden drei Ansätze erreicht werden kann, und zwar

  1.  1. durch eine Verbesserung der Arbeitsorganisation und der Arbeitsbedingungen,
  2.  2. durch die Förderung einer aktiven Mitarbeiterbeteiligung und
  3.  3. durch eine Stärkung persönlicher Kompetenzen.

Die große Bedeutung, die die EU damit der Betrieblichen Gesundheitsförderung beimisst, wird durch die Aussage deutlich, dass gesunde, motivierte und gut ausgebildete Mitarbeiter die Voraussetzung für den zukünftigen sozialen wie ökonomischen Erfolg der Europäischen Union sind.

Angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels in vielen Berufssparten wird nun immer deutlicher, wie wichtig es hierbei ist, ältere Beschäftigte möglichst lange und möglichst gesund in ihrem Beruf zu halten. „Für die Arbeitswelt bedeutet dies die Notwendigkeit eines proaktiven Altersmanagements, die Förderung der Arbeitsfähigkeit und die Anpassung der Arbeitsabläufe und Unternehmenskultur an eine älter werdende Belegschaft“ (BKK 2007).

Belastende Arbeitssituation

Nach Herrlich (2013) resultieren belastende Arbeitssituation in der stationären Behindertenhilfe v. a. aus der Arbeitsverdichtung, den langen Arbeitsschichten sowie dem häufigen Einspringen aufgrund der Erkrankung von Kollegen. Dabei spielt die Arbeitsstruktur als belastender Faktor eine besonders große Rolle (Habermann-Horstmeier u. Bührer 2014). Als stark belastend werden insbesondere die Auswirkungen der folgenden Arbeitsstrukturbedingungen empfunden:

  • geteilter Dienst,
  • Nacht-, Wochenend- und Feiertagsdienst,
  • häufige Mehrarbeit,
  • ungünstiger Personalschlüssel,
  • zu wenig ausgebildete Fachkräfte,
  • Übernahme von großer Verantwortung bei unzureichender Ausbildung.

Gerade der letzte Punkt führt nach Angaben der Betroffenen immer wieder zu Stresssituationen, die sich dann nicht nur negativ auf die Gesundheit der Betreuer, sondern auch negativ auf das Wohlbefinden und die Gesundheit der Bewohner auswirken – was oftmals wiederum die Stresssituation verstärkt. Insbesondere geistig behinderte Menschen reagieren meist sehr stark auf emotionale Stresssituationen und können ihr Unbehagen dann oft nur in „problematischem Verhalten“ ausdrücken (Heijkoop 1998). Ähnliche Situationen sind auch im Bereich der Altenpflege als „herausforderndes Verhalten“ besonders bei Menschen mit Demenz beschrieben (z. B. Bartholomeyczik et al. 2006).

In diesem Zusammenhang spielt ebenfalls das zunehmend höhere Durchschnittsalter der Bewohner eine Rolle. Ebenso wie ältere nichtbehinderte Menschen leiden auch ältere behinderte Menschen häufiger an chronischen Krankheiten. Aus der erhöhten Morbidität resultiert ein zunehmender Pflegebedarf (BMFSFJ 2006a). Da viele Betreuer jedoch nicht über eine Ausbildung im Bereich der Behandlungspflege verfügen, kann es auch dadurch zu Stress auslösenden Situationen kommen.

Weiterhin nehmen auch die körperlichen Belastungen der Betreuer zu. Ein Grund hierfür ist beispielsweise, dass der Umfang an körperlicher Pflege bei älteren behinderten Bewohnern zunimmt, da diese immer häufiger auch in ihrer Mobilität eingeschränkt sind (pers. Mitteilungen 2014). In den Pflegeberufen müssen schon heute 68 % der dort beschäftigten Pflegekräfte häufig schwer heben (DBfK 2012). Dies führte u. a. dazu, dass die Zahl der Arbeitsunfähigkeits-tage (AU-Tage) im Bereich der Altenpflege im Jahr 2012 mit 25,7 Tagen im Vergleich zu anderen Berufsgruppen zu den höchsten gehörte (TK 2013).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass derzeit die meisten Vertreter der befragten Behinderten-Wohneinrichtungen v. a. verschiedene Aspekte und Auswirkungen der Arbeitsstruktur als belastend für ihre Mitarbeiter ansehen. Wie die Mitarbeiter dies selbst erleben, wird derzeit im Rahmen einer Folgestudie untersucht. Es ist jedoch schon jetzt erkennbar, dass Betriebliches Gesundheitsmanagement in Behinderten-Wohneinrichtungen vorrangig im Bereich von Arbeitsorganisation und Arbeitsbedingungen, d. h. an der Arbeitsstruktur („an den Verhältnissen“), ansetzen müsste.

Angebote an gesundheitsfördernden Maßnahmen in den befragten Institutionen

Bei der vorliegenden Befragung gaben zwar 85 % der Institutionen an, dass sie gesundheitsfördernde Maßnahmen durchführen, doch waren dies fast ausschließlich Maßnahmen, die direkt am Individuum ansetzen. Angeboten wurden v. a. Gesundheits-Checks/Vorsorgeuntersuchungen und Gesundheitsschulungen. Betriebssport und gesunde Ernährung wurden wesentlich seltener genannt. Einige der Einrichtung gaben darüber hinaus noch an, dass sie die sportliche Betätigung ihrer Mitarbeiter in deren Freizeit unterstützten (z. B. durch die Beteiligung an den Kosten der Fitness-Studio-Gebühren). Ruheräume für die Angestellten (eine verhältnispräventive Maßnahme) gab es ebenfalls nur selten (s. Abb. 3).

Insbesondere Institutionen mit Betriebsrat (also in der Regel private Einrichtungen) hatten angegeben, dass es bei ihnen ein Betriebliches Gesundheitsmanagement gebe bzw. dass dort Gesundheits-Checks durchgeführt würden. Dies könnte daran liegen, dass die für diesen Beschäftigungsbereich zuständige Gewerkschaft ver.di auch die Durchführung von einzelnen gesundheitsfördernden Maßnahmen jeweils meist als „Betriebliches Gesundheitsmanagement“ bezeichnet (s. „Das Gesundheitshaus“; ver.di o. J.).

Institutionen mit Personalvertretungen (d. h. kirchliche Einrichtungen) boten dagegen neben Gesundheits-Checks überwiegend Gesundheitsschulungen und – häufiger als andere Einrichtungen – auch Betriebssport an. Ihr Ansatz ist es also, v. a. über Bildung, Information und Aufklärung die Gesundheitskompetenz („Health Literacy“) der Mit-arbeiter zu fördern, um auf diese Weise bei ihnen dann schließlich Verhaltensänderungen (z. B. mehr Bewegung) zu bewirken.

Es stellte sich nun die Frage, woher die Ursache dieser Diskrepanz kommt: Ange-boten wurden – wenn auch nicht überall und nicht in ausreichendem Maße – in erster Linie verhaltenspräventive Maßnahmen, die den Menschen direkt zu beeinflussen ver-suchen, obwohl die eigentlich benötigten gesundheitsfördernden Maßnahmen in den Bereichen Arbeitsorganisation und Arbeitsbedingungen (d. h. im Bereich der Verhältnis-prävention) liegen. Einen Hinweis auf eine mögliche Antwort gibt die Untersuchung.

Der Begriff des Betrieblichen Gesundheitsmanagements

Fünfundvierzig Prozent der befragten Einrichtungen hatten angegeben, dass sie über ein Betriebliches Gesundheitsmanagement verfügten. Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) geht nach Läubli et al. (2014) weit über die traditionellen Gesundheitsförderungsaktivitäten der Betrieblichen Gesundheitsförderung hinaus. Es schafft gesundheitsfördernde Strukturen in den Betrieben und Institutionen und verbindet diese mit einzelnen sinnvollen präventiven und gesundheitsfördernden Maßnahmen. Wichtig für den Erfolg sind hierbei die Einbeziehung der Betriebsleitung und der Mitarbeiter sowie ein gutes, kooperatives Führungsverhalten und eine wertschätzende Unternehmenskultur (BKK 2007). Zu einem guten BGM gehören daher nicht nur gesundheitsfördernde Maßnahmen der Verhaltensprävention, die die Menschen v. a. zu mehr Bewegung, einer gesünderen Art des Essens und einem Verhalten führen sollen, das die Zahl der Stresssituationen vermindert und es ihnen ermöglicht, besser mit Stresssituationen umzugehen (Läubli et al. 2014). Besonders wichtige Aspekte des BGM sind darüber hinaus verhältnispräventive Maßnahmen, wie z. B. das Angebot flexibler Arbeitszeitmodelle und eine lebensphasengerechte Arbeitsplatzgestaltung ( Abb. 5).

Die vorliegende Studie zeigt allerdings recht deutlich, dass der Begriff des Betrieblichen Gesundheitsmanagements von den Vertretern der befragten Institutionen nicht in diesem Sinne verstanden wurde. In den Institutionen, die nach Angaben ihrer Vertreter über ein „Betriebliches Gesundheitsmanagement“ verfügten, gab es kaum Anzeichen dafür, dass Arbeitsorganisation und Arbeitsbedingungen als wichtige Punkte eines solchen Betrieblichen Gesundheitsmanagements gesehen wurden. So hatten zwar Institutionen mit BGM beispielsweise häufiger auch Pläne für eine Regelung der Babyphase bzw. Elternzeit, doch scheint sich dies nicht positiv auf die konkreten Arbeitsbedingungen der Betroffenen ausgewirkt zu haben.

Betriebliches Gesundheitsmanagement bedeutete für die Insti-tutionen stattdessen vor allem das Angebot von Gesundheits-Checks/Vorsorgeuntersuchungen sowie von Gesundheitsschulungen. Dies zeigt, dass hier noch immer ein traditionelles, pathogenetisch geprägtes biomedizinisches Gesundheitsbild vorherrscht. Und es zeigt auch, dass das Konzept der Salutogenese bislang noch nicht in den Betrieben und Institutionen angekommen ist – ein Konzept, das den Blick weg von den Faktoren leiten soll, die bei der Krankheitsentstehung eine Rolle spielen, und hin zu den Protektivfaktoren und Ressourcen, die einen Menschen gesund halten (Habermann-Horstmeier u. Abel 2014). Dass dies tatsächlich so ist, zeigen verschiedene Internetseiten der Gewerkschaft ver.di zum Betrieblichen Gesundheitsmanagement. So werden z. B. auf einer Seite die Maßnahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements bei nicht näher benannten Stadtwerken folgendermaßen beschrieben:

„Jetzt gibt es ein Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM), zunächst vereinbart für ein Jahr. […]. Während der Laufzeit des Be-trieblichen Gesundheitsmanagements können die Beschäftigten […] an Folgendem kostenlos teilnehmen:

  • Training in einem Fitness-Studio,
  • Besuch eines Sport-, im Sommer auch Freibades,
  • Massage (ggf. inkl. Wärmebehandlung) und Physiotherapie in einem Reha-Zentrum.

[…] Neben diesen kontinuierlichen Leistungen wurden mittlerweile auch zwei Gesundheitstage durchgeführt. Neben Infoständen und vielfältigen Aktionen gab es an den beiden Gesundheitstagen auch spezielle Untersuchungen wie z. B. die Messung der Stressbelastung des Herzens. Und Kurse wie etwa einen „Schnupperkurs Entspan-nung“. […] Auch ein Vortrag zum Essen und Trinken im Beruf wurde angeboten […]. Hier soll sich in Zukunft auch das Kantinenessen weiter verbessern“ (ver.di o.J.).

Wie auch im diesem Beispiel setzen die durchgeführten Maßnahmen in den Behinderten-Wohneinrichtungen fast ausschließlich am Menschen direkt an, indem sie sein Verhalten zu beeinflussen suchen, um dadurch die Erkrankungswahrscheinlichkeit zu senken. Es sind in erster Linie Maßnahmen der Gesundheitsaufklärung (Gesundheitsschulungen) und weniger so genannte „Mitmach-Angebote“ (wie z. B. Betriebssport). Dies macht deutlich, dass der Begriff der „Prävention“ ebenso wie der oft fälschlicherweise synonym gebrauchte Begriff der „Gesundheitsförderung“ im deutschsprachigen Raum noch immer mit dem Begriff „Verhaltensprävention“ gleichgesetzt wird. Da „Verhalten“ und „Verhältnisse“ sich jedoch gegenseitig bedingen, ist es sinnvoll, Maßnahmen der Verhaltens- und der Verhältnisprävention miteinander zu kombinieren. Nach Richter und Rosenbrock (2014a,b) geht man heute davon aus, dass aufklärende bzw. gesundheitserzieherische Maßnahmen nur einen begrenzten Erfolg haben, solange die jeweiligen Lebens- und Arbeitsbedingungen der Zielgruppen nicht in die gesundheitsplanerischen Überlegungen mit einbezogen werden. So hat z. B. auch das Ministerium für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie des Landes Brandenburg (MASF o. J.) in seiner Handreichung des Landespflege-ausschusses „Betriebliche Gesundheitsförderung in der Pflege – Fachkräfte halten und gewinnen“ deutlich gemacht, dass Angebote zur individuellen Gesundheitsförderung nur ein Punkt unter vielen im Rahmen eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements sein können. Als weitere Ansatzpunkte werden hier insbesondere auch die Unternehmenskultur, die Mitarbeiterführung und die gesundheitsfördernde und altersgerechte Arbeitsorganisation genannt. Ein wichtiger Punkt hierbei ist die Dienstplangestaltung (s. auch AOK-Forum 2011, S. 16).

Dies bedeutet also, dass auch in den Wohneinrichtungen für behinderte Menschen die Mitarbeiter mit in die Planung von gesundheitsfördernden Maßnahmen einbezogen werden müssen. Einen Hinweis auf eine solche Einbeziehung der Mitarbeiter in die Arbeitsorganisation geben die Antworten auf die Frage nach der Dienstplangestaltung. Überraschenderweise waren es hier v. a. die Institutionen mit BGM, bei denen die Dienste in erster Linie durch die Leitung der Einrichtung geplant und die Mitarbeiter hier kaum mit einbezogen wurden (Fisher‘s exact = 0,017; s. Haber-mann-Horstmeier u. Bührer 2014). Auch dieser Punkt zeigt also nochmals, dass die Inhalte eines guten „Betrieblichen Gesundheitsmanagements“ in den untersuchten Institutionen noch nicht angekommen sind.

Schlussfolgerungen

Die Vertreter der befragten Behinderten-Wohneinrichtungen sehen somit zahlreiche Probleme im Hinblick auf die Arbeitssituation ihrer Betreuungskräfte. Als stark belastend werden insbesondere die Arbeitsstrukturbedingungen angesehen. Verstärkt werden diese Probleme durch die zunehmend älteren Bewohner sowie die im Durchschnitt ebenfalls älter werdenden Betreuer. Obwohl schon heute ein Mangel an qualifizierten Arbeitskräften in diesem Bereich sichtbar ist (BMFSFJ 2006c) und sich die Situation in absehbarer Zeit noch verschärfen wird, unternehmen die Einrichtungen bislang nur wenig, um ihre betreuenden Arbeitskräfte so lange wie möglich gesund im Beruf zu halten. In weniger als der Hälfte der befragten Institutionen gab es nach eigenen Angaben ein Betriebliches Gesundheitsmanagement. Angeboten wurden von den meisten Einrichtungen jedoch in erster Linie Gesundheitsschulungen und Gesundheits-Checks sowie einige „Mitmach-Angebote“ in den Bereichen Bewegung und Ernährung. Es gab keine Hinweise darauf, dass im Rahmen eines Betrieblichen Gesundheitsmanage-ments auch gesundheitsfördernde Maßnahmen in den Feldern Arbeitsorganisation und Arbeitsbedingungen (d. h. im Bereich der Verhältnisprävention) durchgeführt worden waren. Dies deutet darauf hin, dass die Inhalte eines guten „Betrieblichen Gesundheits-managements“ bislang noch nicht in den Einrichtungen der Behindertenhilfe angekommen sind. Wenn Gesundheitsschulungen und andere verhaltenspräventive Maßnahmen Erfolg haben sollen, dann müssen in die gesundheitsplanerischen Überlegungen auch die Strukturen und Bedingungen in den Einrichtungen mit einbezogen werden. So hat es z. B. nur wenig Sinn, den Betreuern Kurse in Stressprävention zu empfehlen oder einmal im Monat eine kostengünstige Nackenmassage anzubieten, wenn gleichzeitig zu wenig gut ausgebildetes Personal vorhanden ist und dadurch immer wieder Stress auslösende Situationen im Betreuungsalltag entstehen.

Bei all diesen Überlegungen sollte nicht vergessen werden, dass Maßnahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements nicht nur den Mitarbeitern einer Einrichtung und den Einrichtungen selbst zugute kommen, sondern auch den behinderten Menschen, die dort leben, denn: „Nur wenn es den Mitarbeitern gut geht, kann es auch den Bewohnern gut gehen“ (AOK-Forum 2011, S. 16).

Literatur

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Danksagung: Die Autorinnen bedanken sich herzlich bei den Vertretern der Wohneinrichtungen für behinderte Menschen, die zu einer Teilnahme an der vorliegenden Untersuchung bereit waren und hierfür ihre Zeit zur Verfügung gestellt haben.

Interessenskonflikt: Es bestehen keinerlei Interessenskonflikte. Von Seiten der befragten Einrichtungen wurde kein Einfluss auf den Inhalt dieser Studie ausgeübt.

Für die Verfasserinnen

Dr. med. Lotte Habermann-Horstmeier, MPH

Villingen Institute of Public Health (VIPH) der Steinbeis-Hochschule Berlin

Klosterring 5, 78050 Villingen-Schwenningen

habermann-horstmeier@studium-public-health.de

Fußnoten

1 Villingen Institute of Public Health (VIPH) der Steinbeis-Hochschule Berlin

2 Hochschule Furtwangen (HFU), Campus Schwenningen, Business School

1 Geteilter Dienst: z. B. Dienst von 06:00 Uhr an bis 09:00 Uhr, und dann nochmals von 16:30 Uhr bis 21:00 Uhr; der Grund für den geteilten Dienst in Behinderten-Wohneinrichtungen ist, dass viele Bewohner während der Woche in der Zwischenzeit in einer Behindertenwerkstatt arbeiten.