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Transformationale und authentische Führung, Autonomie und das Wohlbefinden von Geführten

Welche Führung braucht die neue Arbeitswelt?

A. Emmerich

T. Rigotti

(eingegangen am 12.07.2021, angenommen am 15.11.2021)

What sort of leadership is needed in the new world of work? Transformational and authentic leadership, ­autonomy and the well-being of employees

Objectives: We investigate whether transformational and authentic leaders have a positive impact on the well-being (work engagement, job satisfaction) of those they lead and whether this effect can be explained by increased autonomy. Transformational and authentic leadership could thus be suitable approaches for a changing world of work in which flexibility and dynamism are increasingly high on the agenda as a result, among other things, of the increase in self-organising methods of work.

Method: A longitudinal investigation with three measurement times across 20 months was conducted with 1835 employees from 273 teams. Employees assessed the leadership styles of their respective leaders, their autonomy with a time lag of approximately 12 months as well as their work engagement and job satisfaction about eight months later. Data were analysed with multilevel structural equation models in order to control for the nested data structure. Autoregressors (measured at T1) were included for autonomy as the proposed mediator, as well as for the two dependent variables.

Results: There were significant positive direct longitudinal relationships between transformational as well as authentic leadership with job satisfaction, yet not with work engagement about 20 months later. Both leadership styles were positively related to autonomy appr. 12 months later, and autonomy in turn was positively related to well-being indicators about eight months later. Overall the hypothesized indirect relationships between leadership and well-being mediated through an increase in autonomy were confirmed for authentic leadership, but not for transformational leadership.

Conclusions: Both transformational and authentic leadership show positive correlations to well-being. But only authentic leadership can be shown to promote autonomy, which can be seen as central in dealing with the challenges of the modern world of work.

Keywords: leadership – changing world of work – well-being - autonomy

ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2019; 56: 746–755

Welche Führung braucht die neue Arbeitswelt?
Transformationale und authentische Führung, Autonomie und das Wohlbefinden von Geführten

Zielstellungen: Es wird untersucht, ob transformationale und authentische Führungskräfte einen positiven Einfluss auf das Wohlbefinden (Arbeits­engagement, Arbeitszufriedenheit) ihrer Geführten haben und ob sich dieser Effekt durch eine erhöhte Autonomie erklärt. Damit könnten transformationale und authentische Führung Ansatzpunkte für eine sich wandelnde Arbeitswelt mit zunehmender Flexibilität und Dynamik sein, die in modernen Organisationen, unter anderem durch vermehrt selbst organisierte Arbeitsweisen immer stärker auf der Agenda stehen.

Methode: In einer längsschnittlichen Untersuchung mit drei Messzeitpunkten über einen Zeitraum von insgesamt 20 Monaten schätzten 1835 Geführte aus 273 Teams den Führungsstil ihrer jeweiligen Führungskraft, etwa ein Jahr später ihre Autonomie sowie wiederholt weitere 8 Monate später ihr Arbeitsengagement und ihre Arbeitszufriedenheit ein. Die Datenanalyse erfolgte mit Multilevel-Strukturgleichungsmodellen zur Kontrolle der genesteten Datenstruktur. Sowohl für Autonomie (Mediator) als auch für die beiden abhängigen Variablen wurden autoregressive Effekte kontrolliert, um Veränderungseffekte abzubilden.

Ergebnisse: Es konnten positive direkte längsschnittliche Zusammenhänge sowohl von transformationaler als auch von authentischer Führung mit Arbeitszufriedenheit im Zeitraum von ca. 20 Monaten bestätigt werden, jedoch nicht für Arbeitsengagement. Authentische Führung wies einen positiven Zusammenhang zu erhöhter Autonomie nach einem Jahr auf, während Autonomie wiederum Arbeitszufriedenheit und Arbeitsengagement acht Monate später erhöhte. Insgesamt konnten die angenommenen indirekten Effekte von Führung auf Wohlbefinden vermittelt über eine erhöhte Autonomie für authentische Führung, jedoch nicht für transformationale Führung bestätigt werden.

Schlussfolgerungen: Sowohl transformationale als auch authentische Führung zeigen positive Zusammenhänge zu Wohlbefinden. Aber nur für authentische Führung kann eine Förderung der Autonomie aufgezeigt werden, die im Umgang mit den Herausforderungen der modernen Arbeitswelt als zentral gesehen werden kann.

Schlüsselwörter: Führung – Arbeit im Wandel – Wohlbefinden – Autonomie

Einleitung

In dieser ASU-Ausgabe wird in mehreren Beiträgen dargestellt, wie Organisationen flexibler gestaltet werden können, um den neuen, dynamischen Anforderungen der Arbeitswelt 4.0 gerecht zu werden. Insbesondere im Beitrag von Weber und Ribbat (2021, s. S. 738 in dieser Ausgabe) wird deutlich, dass Anpassungsfähigkeit durch flache Hierarchien, mehr Partizipation und Selbstorganisation von Beschäftigten und Teams sowie durch klare Ziele ermöglicht wird.

Führungskräfte spielen bei der Umsetzung dieser Veränderungen eine zentrale Rolle und auch das Verständnis von Führung ist von diesen Veränderungen betroffen. In diesem Beitrag soll auf zwei Führungsstile, transformationale Führung (Bass u. Riggio 2006) und authentische Führung (Walumbwa et al. 2008), eingegangen werden, die aus Sicht der Führungsforschung geeignete Ansätze darstellen, um den Anforderungen der neuen Arbeitswelt gerecht zu werden, und dabei zugleich einen positiven Effekt auf das Wohlbefinden von Beschäftigten haben können. Wie später genauer dargestellt wird, decken diese beiden Führungsstile jeweils unterschiedliche Aspekte von positivem Führungsverhalten ab.

Während transformationale Führung die gemeinsame Erreichung einer erstrebenswerten Vision im Fokus hat, fokussiert sich authentische Führung stärker auf die Persönlichkeit und die gelebten Werte der Führungskraft. Das bisherige Verständnis von Führung ist von dem Gedanken geprägt, dass Führungskräfte eine hohe fachliche Kompetenz aufweisen, die sie legitimiert, die Weisungsbefugnis und Verantwortung eines Teams zu übernehmen. Die Auswahl von Führungskräften orientiert sich vor diesem Hintergrund primär an der fachlichen Kompetenz und nicht selten am Senioritätsprinzip, also an der Dauer der Unternehmenszugehörigkeit und dem Durchlaufen mehr oder weniger vorgegebener Karrierestufen. Eine dynamische Arbeitswelt, die von immer schnelleren und tiefgreifenderen Veränderungen, einem stetigen Wissens- und Informationszuwachs und immer komplexer werdenden Prozessen geprägt ist (BMAS 2017), erfordert insbesondere auch von Führungskräften, neben der gemeinsamen Zielerreichung auch das Wohlbefinden von Beschäftigten im Blick zu behalten. Die Führungskraft ist nicht mehr zwingend Experte oder Expertin in allen Aufgabenbereichen. Vielmehr kommt ihr die Rolle der Moderation von Teamprozessen und des Coachings und der Begleitung der einzelnen Teammitglieder zu. Gerade in dynamischen Branchen und Bereichen, in welchen Informationen und Wissen schnell veralten, zeigt ein Team von Expertinnen und Experten im Gegensatz zu einer alleinigen Führungskraft klare Vorteile für den Teamoutput.

Einer Führungskraft in der sich wandelnden Arbeitswelt kommt also zunehmend die Rolle zu, ihre Geführten zu selbstständiger Aufgabenerfüllung zu befähigen, sie in ihrer fachlichen und persönlichen Entwicklung zu unterstützen und das Teamklima so zu gestalten, dass ein guter fachlicher und sozialer Austausch, Konfliktlösungen sowie gegenseitiges Lernen und Unterstützen ermöglicht wird (Blessin u. Wick 2017). Damit rücken die persönlichen und sozialen Kompetenzen von Führungskräften stärker in den Mittelpunkt: Diese Art von Führung ist anspruchsvoll, erfordert viel Kommunikation, Interaktion und Überzeugungsarbeit. Der Anspruch an Führungskräfte Coaching und Mentoring zu betonen, wird durch veränderte Erwartungshaltungen von Beschäftigten ihrem Job und ihrem Unternehmen gegenüber noch weiter verstärkt (Weber et al. 2018). Beschäftigten ist es zunehmend wichtig, mit ihrer Tätigkeit einen bedeutsamen Beitrag zu leisten und sich persönlich weiterentwickeln zu können. Dem kommt das beschriebene neue Verständnis von Führung entgegen. Nur Führungsverhalten, das auch die Autonomie von Beschäftigten unterstützt und fördert, kann dieser Aufgabe gerecht werden.

In dieser Studie fokussieren wir auf transformationale und authentische Führung. Transformationale Führung ist ein Führungsstil, bei dem die Führungskraft ihre Geführten mit einer attraktiven Vision „ansteckt“ und zur Zielerreichung motiviert (Bass u. Riggio 2006). Authentische Führung wird als Führungsstil beschrieben, bei der die Führungskraft eine hohe Selbstkenntnis sowie klare Werte und Überzeugungen hat und diese ihren Geführten gegenüber in einer transparenten Beziehung kommuniziert (Walumbwa et al. 2008). Führung sollte sich nicht nur an der Leistung von Geführten messen lassen, sondern auch daran, ob psychische Gesundheit und das Wohlbefinden von Geführten erhalten oder sogar gefördert werden kann. Erst dann kann von nachhaltig guter Führung gesprochen werden, die auf Motivation und Leistungsfähigkeit von Geführten eine positive Wirkung hat.

Dabei nehmen Führungskräfte auf sehr unterschiedlichen Wegen Einfluss auf die Gesundheit und das Wohlbefinden von Geführten, zum Beispiel in der Art und Weise, wie sie mit Geführten kommunizieren und interagieren, als Rollenvorbild oder indem sie ihre eigene positive beziehungsweise gereizte Stimmung auf Geführte übertragen (Franke et al. 2014). Ein zentraler Wirkmechanismus von Führung ist der Einfluss von Führungskräften auf Arbeitsbedingungen, die wiederum in Zusammenhang mit Gesundheit und Wohlbefinden stehen (Nielsen et al. 2008; Scheel et al. 2019).

In diesem Beitrag soll auf den Einfluss von beiden Führungsstilen auf Autonomie als wichtige Arbeitsbedingung bei hohen Flexibilitätsanforderungen eingegangen werden. Autonomie spielt in psychologischen Theorien wie dem Job-Demands Resources-Modell (Bakker u. Demerouti 2017) und der Selbstbestimmungstheorie (Deci u. Ryan 2000) eine zentrale Rolle. Unter Autonomie wird das Ausmaß an Freiheit verstanden, die Beschäftigte bei der Ausführung ihrer Arbeit haben, zum Beispiel in Bezug auf Planung und Entscheidungen (Morgeson et al. 2006; vgl. Hackman u. Oldham 1975). Wie zuvor beschrieben, erfordert es die sich verändernde Arbeitswelt, dass Beschäftigte mehr Verantwortung übernehmen, um flexibler selbst auf Veränderungen und neue Anforderungen reagieren zu können. Dies impliziert wiederum, dass sie auch die entsprechende Handlungs- und Entscheidungsfreiheit erhalten. Diese Autonomie ermöglicht es ihnen, die Anforderungen besser und auf die für sie beste Art und Weise zu bewältigen. Es hat zudem effizientere Prozesse zur Folge, wenn nicht alle Entscheidungen zuvor mit der Führungskraft abgestimmt werden müssen.

In der vorliegenden Studie werden Arbeitsengagement (Schaufeli et al. 2006) und Arbeitszufriedenheit (Wanous et al. 1997) als Indikatoren für das arbeitsbezogene Wohlbefinden von Beschäftigten genutzt. Unter Arbeitsengagement versteht man einen positiven, erfüllenden Zustand, der sich in der Wahrnehmung hoher Aktiviertheit („vigor“), Hingabe zur aktuellen Arbeitsaufgabe („dedication“) und konzentrierter Vertiefung („absorption“) ausdrückt (Schaufeli et al. 2006) und stellt damit eher einen ressourcenbezogenen Aspekt von Wohlbefinden dar. Arbeitszufriedenheit wird als positiver emotionaler Zustand definiert, der aus der Bewertung der eigenen Arbeit beziehungsweise des eigenen Arbeitsplatzes resultiert (Greif 2013).

Fragestellung und Zielstellung

Transformationale Führung, Autonomie und Wohlbefinden

Wie oben bereits kurz dargestellt, handelt es sich bei transformationaler Führung um einen Führungsstil, bei dem die Führungskraft eine herausfordernde, inspirierende Vision vermittelt und die Geführten dazu motiviert, dieses Ziel gemeinsam zu erreichen (Bass u. Riggio 2006). Dies tut sie, indem sie sich selbst als Vorbild für dieses Ziel einsetzt, indem sie jeden Geführten individuell führt und dazu inspiriert, auf eine neue Art und Weise zu denken und zu handeln (Bass u. Riggio 2006). Eine Reihe von Studien berichten negative Zusammenhänge zwischen transformationaler Führung und Burnout und psychosomatischen Symptomen sowie positive Zusammenhänge zu Wohlbefinden (Montano et al. 2017; Zwingmann et al. 2014). In der vorliegenden Studie wird entsprechend dem später noch dargestellten Mediationsprozess (d.h. die Vermittlung positiver Effekte der beiden untersuchten Führungsstile auf Wohlbefinden durch Autonomie) zunächst ein positiver Zusammenhang zwischen transformationaler Führung und Arbeitsengagement sowie Arbeitszufriedenheit angenommen.

H1: Transformationale Führung weist einen positiven Zusammenhang mit (a) Arbeitsengagement und (b) Arbeitszufriedenheit auf.

Für den Zusammenhang zwischen transformationaler Führung und Wohlbefinden konnten bereits unter anderem die Bedeutsamkeit der Arbeit (Arnold et al. 2007), Vertrauen (Kelloway et al. 2012), Selbstwirksamkeit (Nielsen et al. 2012) und ein innovatives Klima (Tafvelin et al. 2011) als vermittelnde Mechanismen gefunden werden. Im Folgenden soll auf die mögliche Rolle von Autonomie als möglicher Mediationsmechanismus eingegangen werden.

Da transformationale Führungskräfte dazu motivieren, ein bestimmtes Ziel beziehungsweise eine größere Vision zu verwirklichen, setzen sie den Fokus stark auf die Erreichung des Ziels und nicht primär auf einzelne Aufgaben oder eine spezifische Vorgehensweise zur Zielerreichung. Transformationale Führungskräfte übertragen die Verantwortung, Ziele selbstständig zu erreichen und geben ihren Teammitgliedern damit Autonomie. Wenn dann hoch gesteckte Ziele erreicht werden, steigert das die wahrgenommenen Einflussmöglichkeiten von Geführten.

Zudem regt transformationale Führung zu neuen Denk- und Handlungsweisen an und erweitert damit die Handlungsoptionen für Geführte. Wenn Geführte erleben, dass sie in der Lage sind, Dinge auf eine neue Art und Weise zu tun und sie über mehr Möglichkeiten verfügen als sie bisher angenommen hatten, wird dadurch die wahrgenommene Autonomie gesteigert. Auch der Aspekt der individuellen Förderung jedes Teammitglieds führt dazu, dass sich Geführte in ihren Potenzialen und Fähigkeiten stärker weiterent­wickeln können und so ihre Fähigkeiten, Aufgaben selbstständig zu übernehmen, steigen.

Autonomie spielt sowohl im Job-Demand-Resources-Modell
(Bakker u. Demerouti 2017) als auch in der Selbstbestimmungstheorie (Deci u. Ryan 2000) eine zentrale Rolle. Das Job-Demands-Resources-Modell sieht Autonomie als eine wichtige Ressource an, die hilft, arbeitsbezogene Anforderungen zu bewältigen. Die Selbstbestimmungstheorie sieht Autonomie als eines von drei psychologischen Grundbedürfnissen, aus dessen Erfüllung Wohlbefinden und intrinsische Motivation resultieren (Deci u. Ryan 2000). Es konnten für Autonomie Zusammenhänge zu diversen Wohlbefindensindikatoren gefunden werden (Deci u. Ryan 2013; Reis et al. 2000). Aus diesen Gründen sollen auch hier positive Zusammenhänge zu Arbeitsengagement und Arbeitszufriedenheit postuliert werden. Wir nehmen daher an, dass Autonomie den positiven Zusammenhang transformationaler Führung mit Arbeitsengagement und Arbeitszufriedenheit vermittelt.

H2: Transformationale Führung weist einen indirekten positiven Zusammenhang mit (a) Arbeitsengagement und (b) Arbeitszufriedenheit, vermittelt über Autonomie auf.

Authentische Führung, Autonomie und Wohlbefinden

Neben der oben beschriebenen transformationalen Führung wurden für diesen Beitrag ergänzend auch die Potenziale von authentischer Führung untersucht. Authentische Führungskräfte haben Werte und Überzeugungen, die sie im Arbeitsalltag umsetzen und für die sie auch bei Widerstand und Schwierigkeiten einstehen. Authentische Führung ist zudem durch eine offene und vertrauensvolle Beziehung zu den Geführten gekennzeichnet (Walumbwa et al. 2008). Auch für authentische Führung weist die empirische Befundlage konsistent positive Zusammenhänge zu Wohlbefindensindikatoren auf (Weiss et al. 2018). Für Arbeitsengagement und Arbeitszufriedenheit wird deswegen hier ein positiver Zusammenhang zu authentischer Führung postuliert.

H3: Authentische Führung weist einen positiven Zusammenhang mit
(a) Arbeitsengagement und (b) Arbeitszufriedenheit auf.

Auch für die positiven Zusammenhänge zwischen authentischer Führung und Wohlbefinden konnte die bisherige Forschung vermittelnde Mechanismen identifizieren, die sich vor allem auf Beziehungs- und Klimaaspekte wie Vertrauen (Clapp-Smith et al. 2008) und ein positives Arbeitsklima (Woolley et al. 2011) beziehen. Als weiterer Mediator konnte zudem Empowerment (Wong u. Laschinger 2013) gefunden werden. Im Folgenden soll erläutert werden, warum davon ausgegangen wird, dass Autonomie ein weiterer möglicher Mediationsmechanismus in diesem Zusammenhang sein kann.

Zunächst wird postuliert, dass authentische Führungskräfte authentisches Verhalten wertschätzen und sich seiner Bedeutung und Wirkung bewusst sind. Deswegen kann vermutet werden, dass sie nicht daran interessiert sind, starre Regeln, Formen und Prozesse vorzugeben, sondern es ihren Geführten ermöglichen wollen, ihre Arbeit auf die Art und Weise auszuführen, die für sie am besten geeignet ist. Damit rücken sie auch die Geführten mit ihren individuellen Fähigkeiten, Präferenzen etc. mehr in den Fokus, statt auf bestimmten Vorgehensweisen zu beharren und ermöglichen ihren Geführten damit Autonomie.

Zudem fördern authentische Führungskräfte indirekt und direkt das authentische Verhalten ihrer Geführten (Hannah et al. 2011) und fördern dadurch beispielsweise die Reflexion und Selbstkenntnis. Dies kann die Selbstbestimmung der Geführten erhöhen und erleichtert so die Erfüllung des psychologischen Grundbedürfnisses nach Autonomie (Ryan u. Deci 2000).

Dadurch, dass authentische Führungskräfte transparent zum Beispiel in Bezug zu ihren Eigenschaften und auch bezüglich ihrer Fehler und Schwächen sind, können sie eine positive Fehlerkultur (Farnese et al. 2019) und ein so genanntes Klima der psychologischen Sicherheit (Miu et al. 2015) fördern, indem Teammitglieder sich frei fühlen, sich nicht gemäß engen Verhaltensnormen verhalten zu müssen. Dies wiederum erhöht die Autonomie von Geführten, da sie nicht eingeschränkt werden, z.B. selbst ihre Fehler und Schwächen zuzugeben. Dies kann auch zu mehr Autonomie in Bezug zur Aufgabenerfüllung führen, da Geführte sich freier über Fähigkeiten und Präferenzen in der gemeinsamen Aufgabenerfüllung äußern können und so über mehr Autonomie in der gemeinsamen Teamarbeit verfügen. Wir nehmen daher an:

H4: Authentische Führung weist einen indirekten positiven Zusammenhang mit (a) Arbeitsengagement und (b) Arbeitszufriedenheit, vermittelt über Autonomie auf.

Eine Übersicht der Hypothesen ist in ➥ Abb. 1 dargestellt.

Methode

Teilnehmende und Durchführung

Die Datenerhebung erfolgte im Rahmen des internationalen Forschungsprojekts „Rewarding and Sustainable Health-Promoting Leadership“ (Rigotti et al. 2014) in Deutschland, Finnland und Schweden1. An der Studie nahmen Beschäftigte verschiedener Branchen, vor allem aus dem Finanzsektor und der öffentlichen Verwaltung teil. Die Datenerhebung erfolgte mit Online- und Papierfragebögen zu drei Messzeitpunkten zwischen März 2011 und Januar 2013 mit einem Abstand von 12 Monaten (T1–T2) und weiteren 8 Monaten (T2–T3).

Teilnehmende, die keine Informationen zu ihrer Teamzugehörigkeit angaben, wurden für die Datenanalyse ausgeschlossen. Ebenso ausgeschlossen wurden die Angaben von Teilnehmenden, wenn diese einen Wechsel der Führungskraft zum letzten Erhebungszeitpunkt berichtet haben. Die vorliegende Stichprobe umfasst 1835 Beschäftigte aus 273 Teams, von denen 1021 Personen aus 229 Teams (55,6 %) auch zu T2 und 803 Personen (43,8 %) aus 204 Teams auch zu T3 teilnahmen. Die Stichprobe umfasste 78,1 % Frauen und 21,9 % Männer. Die Teilnehmenden waren zu T1 durchschnittlich 43,3 Jahre alt (SD = 10,8). Durchschnittlich waren die Teilnehmenden bereits 14,7 Jahre (SD = 9,6) in ihrer Organisation und 7,7 Jahre (SD = 7,8) in ihrem Team tätig. Die Teilnehmenden hatten eine durchschnittliche vertraglich vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit von 37,0 Stunden (SD = 5,0). Eine Dropout-Analyse zeigte, dass Beschäftigte, die wiederholt an der Befragung teilnahmen, ca. 1,4 (Teilnahme zu T1 und T2) bzw. ca. 2 Jahre (Teilnahme zu T1 und T3) länger in der Organisation beschäftigt, etwa ein Jahr jünger (Teilnahme zu T1 und T2) und eher weiblich waren (Frauenanteil für Teilnahme zu T1 und T3: 80,6 %; Frauenanteil für Teilnahme nur zu T1: 75,4 %). Zudem zeigten sich in der Dropout-Analyse Unterschiede in den untersuchten Variablen: Beschäftigte, die wiederholt teilnahmen, berichteten zu T1 geringere Werte für Autonomie, Arbeitsengagement und Arbeitszufriedenheit. Die größte Differenz zeigte sich hier für Arbeitsengagement (Teilnahme nur zu T1 = 4,19 vs. Teilnahme T1 und T2 = 3,78; Teilnahme nur zu T1 = 4,13 vs. Teilnahme T1 und T3 = 3,80).

Erhebungsinstrumente

Alle Variablen wurden zu allen drei Erhebungszeitpunkten erhoben, während die Führungsstile zu T1, Autonomie als Mediator zu T1 und T2 und Arbeitsengagement und Arbeitszufriedenheit zu T1 und T3 für die finalen Modelle genutzt wurden (s. unten).

Transformationale Führung: Zur Erfassung fremdeingeschätzter transformationaler Führung wurde die Global Transformational Leadership Scale (Carless et al. 2000) mit sieben Items und einer Antwortskala von „1 – In sehr geringem Maß“ bis „5 – In sehr hohem Maß“ genutzt (Cronbach’s α = 0,94). Ein Beispielitem lautet „Mein/e direkte/r Vorgesetzte/r kommuniziert eine klare und positive Sicht auf die Zukunft“.

Authentische Führung wurde mit dem Authentic Leadership Questionnaire (Walumbwa et al. 2008) als Fremdeinschätzung mit 16 Items mit Antworten von „0 – Nie“ bis „4 – Regelmäßig, fast immer“ erhoben (Cronbach’s α = 0,95). Ein Beispielitem lautet „Mein/e direkte/r Vorgesetzte/r zeigt Überzeugungen, die im Einklang mit ihren/seinen Handlungen stehen“.

Autonomie wurde mit vier Items von Guest, Isaksson und De Witte (2010) auf einer Skala von „1 – Selten/nie“ bis „5 -Sehr oft/immer“ erhoben (T1: Cronbach’s α = 0,78; T2: Cronbach’s α = 0,85). Ein Item lautet: „Ich kann meine Arbeit selbst planen“.

Arbeitsengagement wurde mit den sechs Items der Subdimensionen „Vigor“ und „Dedication“ der Kurzform der Utrecht Arbeitsengagement Scale (Schaufeli et al. 2006) auf einer Skala von „0 – nie“ bis „6 – Immer – jeden Tag“ erfasst (T1: Cronbach’s α = 0,94; T3: Cronbach’s α = 0,95;). Ein Item lautet: „Ich bin von meiner Arbeit begeistert“.

Arbeitszufriedenheit wurde mit dem Item „Wie zufrieden sind Sie im Allgemeinen mit Ihrer Arbeit?“ auf einer Skala von „1 – Sehr unzufrieden“ bis „7 – sehr zufrieden“ gemessen (Wanous et al. 1997). In ➥ Tabelle 1 sind Mittelwert, Standardabweichung, Korrelationen und Reliabilitäten der erhobenen Variablen dargestellt.

Tabelle 1:  Deskriptive Statistiken, Reliabilitäten und Korrelationen der StudienvariablenTable 1. Deskriptive statistics, reliabilites and correlation of study variables

Tabelle 1: Deskriptive Statistiken, Reliabilitäten und Korrelationen der Studienvariablen
Table 1. Deskriptive statistics, reliabilites and correlation of study variables

Analysestrategie

Die weiteren Analysen zur Überprüfung der Hypothesen wurden mit Mplus Version 8 (Muthén u. Muthén 1998-2017) durchgeführt. In die Modelle wurden die Führungsstile zu T1, Autonomie als Mediator zu T2 und die beiden Outcomevariablen zu T3 aufgenommen. Es wurde für den Mediator und die Outcomevariablen zu T1 kontrolliert, um die zeitlichen Veränderungen der Variablen abzubilden. Außerdem wurden Korrelationen zwischen allen Variablen zu T1 und den beiden Outcomevariablen zu T3 zugelassen. Um der genesteten, nicht unabhängigen Datenstruktur in Teams gerecht zu werden, wurden alle Analysen mit Multilevel-Strukturgleichungsmodellen Type = Complex mit ML-Estimator durchgeführt. Eine Zentrierung der Variablen ist hier nicht notwendig.

Zur Überprüfung des Modell-Fits wurde gemäß gängiger Forschungspraxis (vgl. Coovert u. Craiger 2000) auf den Comparative Fit Index (CFI), den Tucker Lewis Index (TLI) und die Root Mean Square Error of Approximation (RMSEA) zurückgegriffen. Darüber hinaus ist die Residualvarianz anhand des χ2-Werts im Verhältnis zu den Freiheitsgraden sowie das Aikake Information Crierion (AIC) und das Bayesian Information Criterion (BIC) angegeben. Da transformationale und authentische Führung hoch positiv miteinander korrelieren, wurden die Hypothesen getrennt für die beiden Führungsstile getestet. Trotz des hohen Zusammenhangs der beiden Führungskonstrukte können diese in konfirmatorischen Faktorenanalysen als distinkte Konstrukte bestätigt werden. Eine CFA mit einem Faktor (χ2(df) = 2609,59(230), TLI = 0,865, CFI = 0,877, RMSEA = 0,089) zeigte einen signifikant schlechteren Fit im Vergleich zu einem Modell mit zwei getrennten Faktoren (χ2(df) = 1847,32(229), TLI = 0,908, CFI = 0,917, RMSEA = 0,074; Δ χ2(Δ df) = 762,27(1), p < 0,001).

Ergebnisse

Für die Hypothesen 1a/b und 3a/b wurden zwei getrennte Modelle mit transformationaler Führung beziehungsweise authentischer Führung als Prädiktoren und Arbeitsengagement und Arbeitszufriedenheit als Outcomes getestet. Eingeschlossen wurden die Autoregressoren der Outcomes zu T1.

Dabei zeigte sich für Arbeitsengagement sowohl für transformationale Führung (H1a: ϒ = 0,04, SE = 0,03, p = 0,268) als auch für authentische Führung (H3a: ϒ = 0,04, SE = 0,03, p = 0,215) kein signifikanter Effekt. Für Arbeitszufriedenheit konnte sowohl für transformationale Führung (H1b: ϒ = 0,12, SE = 0,04, p = 0,001) als auch für authentische Führung (H3b: ϒ = 0,11, SE = 0,04, p = 0,003) ein signifikanter Effekt gefunden werden, das heißt, beide Führungsstile erwiesen sich für Zufriedenheit als förderlich.

Für die Mediationsanalysen sind alle getesteten Pfade in ➥ Tabelle 2 dargestellt. Dabei zeigen sich signifikante indirekte Effekte für zwei der vier untersuchten Hypothesen: Transformationale Führung zeigt keinen signifikanten indirekten Effekt auf Arbeitsengagement (H2a: ϒ = 0,02, SE = 0,01, p = 0,068) und Arbeitszufriedenheit (H2b: ϒ = 0,02, SE = 0,01, p = 0,055), mediiert durch Autonomie. Authentische Führung zeigt einen signifikanten indirekten Effekt auf Arbeitsengagement (H4a: ϒ = 0,02, SE = 0,01, p = 0,020) und Arbeitszufriedenheit (H4b: ϒ = 0,03, SE = 0,01, p = 0,011) mit Autonomie als Mediator.

Tabelle 2:  Ergebnisse der MediationsanalysenTable 2. Results of Mediation Analyses

Tabelle 2: Ergebnisse der Mediationsanalysen
Table 2. Results of Mediation Analyses

Diskussion

In der vorliegenden Studie wurden die Effekte von transformationaler und authentischer Führung auf Arbeitsengagement und Arbeitszufriedenheit über einen Zeitraum von 20 Monaten untersucht. Dabei konnte gezeigt werden, dass sowohl transformationale als auch authentische Führung die Arbeitszufriedenheit von Geführten erhöht. Die Effekte auf Arbeitszufriedenheit bestätigen die bisherigen Befunde für die Zusammenhänge zu Wohlbefinden für transformationale Führung (Montano et al. 2017; Zwingmann et al. 2014) und authentische Führung (Weiss et al. 2018). Obwohl Arbeitszufriedenheit und Arbeitsengagement Indikatoren für arbeitsbezogenes Wohlbefinden sind, konnten für Arbeitsengagement keine systematischen direkte Effekte gefunden werden. Ein möglicher Grund könnte hier in der langen Zeitspanne zwischen dem ersten und dem dritten Befragungszeitpunkt von 20 Monaten liegen, möglicherweise schwanken die Werte für Arbeitsengagement in diesem Zeitraum zu stark, um eine langfristige Entwicklung im Wohlbefinden abbilden zu können.

Weiterhin wurde die Rolle von Autonomie in diesem Zusammenhang untersucht. Hier konnte gezeigt werden, dass authentische Führung die Autonomie von Geführten in einem Zeitraum von 12 Monaten erhöhte und diese sich wiederum positiv auf die Arbeitszufriedenheit von Geführten in einem Zeitraum von weiteren 8 Monaten auswirkte.

Außerdem konnte gezeigt werden, dass Autonomie einer der Wirkmechanismen für diesen Effekt ist, das heißt, dass sich die positive Wirkung von authentischer Führung durch die Erhöhung von Autonomie für die Beschäftigten erklärt. Für den direkten Zusammenhang zwischen authentischer Führung und Arbeitszufriedenheit konnte Autonomie als Mediator bestätigt werden, in Bezug zu Arbeitsengagement zeigte sich ein indirekter Zusammenhang zwischen authentischer Führung und Arbeitsengagement. Dies bestätigt bisherige Befunde zur vermittelnden Rolle von Autonomie (Hammond et al. 2015; Jain et al. 2018).

In Bezug zu transformationaler Führung konnte keine indirekte vermittelnde Rolle von Autonomie im Zusammenhang zwischen transformationaler Führung und Arbeitsengagement und Arbeitszufriedenheit gefunden werden. Jedoch zeigten sich positive längsschnittliche Zusammenhänge zwischen transformationaler Führung und Arbeitszufriedenheit, was vermuten lässt, dass andere Media­tionsmechanismen diesen Zusammenhang vermitteln könnten.

Die vorliegenden Ergebnisse tragen damit zur Debatte bezüglich der Abgrenzbarkeit von transformationaler und authentischer Führung bei (Banks et al. 2016). Konfirmatorische Faktorenanalysen zeigen, dass es sich um abgrenzbare Konstrukte handelt. Zudem liefern die Ergebnisse der Mediationsanalysen Hinweise darauf, dass beide Führungsstile zwar mit Outcomes wie dem Wohlbefinden von Beschäftigten im Zusammenhang stehen, dies aber möglichweise auf unterschiedliche Mediationsmechanismen zurückzuführen ist. Damit kann insgesamt gefolgert werden, dass transformationale und authentische Führung über einen längeren Zeitraum hinweg und damit nachhaltig auf die Arbeitszufriedenheit einen Einfluss haben und sich dies insbesondere für authentische Führung unter anderem durch die Erhöhung der Autonomie von Geführten erklärt. Die Ergebnisse zeigen die Bedeutung von Führung bei der Förderung von Wohlbefinden von Beschäftigten.

Die gefundenen Effekte sind als klein beziehungsweise sehr klein zu bewerten. Das ist angesichts des langen Befragungszeitraums von bis zu 20 Monaten allerdings zu erwarten und zeigt, dass Führung einen nachhaltigen Effekt auf Wohlbefinden hat. Es impliziert außerdem, dass zahlreiche weitere Faktoren einen Einfluss auf das Wohlbefinden von Geführten haben und dass die Veränderung von Autonomie als eines einzelnen Aspekts nicht ausreichend für die Förderung von Wohlbefinden von Beschäftigten ist.

Limitation und zukünftige Forschung

Der indirekte Effekt von authentischer Führung auf das Wohlbefinden in dem untersuchten Zeitraum ist als klein zu bewerten, für transformationale Führung bestätigten sich die angenommenen indirekten Effekte nicht. Dies impliziert, dass es noch weitere Wirkmechanismen gibt, die durch zukünftige Studien untersucht werden sollten. Es wäre hier wünschenswert, mehrere Mediatoren wie Vertrauen (Clapp-Smith et al. 2008), ein positives Arbeitsklima (Woolley et al. 2011) und Empowerment (Wang u. Laschinger 2013) gleichzeitig zu erheben, um additive und eventuell interaktive Effekte dieser Wirkmechanismen zu untersuchen. Neben weiteren Arbeitsbedingungen könnten die zuvor erwähnten Effekte der Vorbildwirkung von Führungskräften, eines Spill-over-Effekts und die Wirkung der direkten Kommunikation und Interaktion untersucht werden.

Zukünftige Studien könnten außerdem differenzierte Ergebnisse in Bezug zu den Aspekten der Führungsstile liefern und genauer untersuchen, welche Aspekte (Subskalen) von transformationaler und authentischer Führung in besonderer Weise zur Wirkung beitragen beziehungsweise in welchen Führungssituationen und Führungsinteraktionen für welchen Führungsstil größere Wohlbefindenseffekte resultieren. So ist es beispielsweise möglich, dass die Facetten „individual consideration“ von transformationaler Führung und „relational orientation“ von authentischer Führung als Aspekte einer positiven Führungskraft-Geführten-Beziehung in besonderer Weise zum Wohlbefinden von Geführten beitragen. Gleichermaßen könnte transformationale Führung besonders in Krisensituationen wie etwa der Corona-Pandemie gesundheitsförderlich sein, da sie den Fokus auf die gemeinsame Zielerreichung und die Bedeutsamkeit der Arbeitsaufgabe lenkt (Jungbauer u. Wegge 2015). Authentische Führung könnte durch die Rolle von gelebten Überzeugungen und Werten besonders in sozialen Branchen wirksam sein.

Als methodische Limitation muss herausgestellt werden, dass der hohe Frauenanteil in der Stichprobe zu einer Verzerrung der Ergebnisse führen kann und die Stichprobe, die vor allem aus dem Finanzsektor und der öffentlichen Verwaltung stammte, nicht repräsentativ für alle Branchen ist. In der Drop-out-Analyse zeigte sich außerdem, dass insbesondere Beschäftigte, die bereits länger im Unternehmen beschäftigt waren und jüngere Beschäftigte eher wiederholt an der Befragung teilnahmen. Zudem berichteten Beschäftigte, die wiederholt teilnahmen, zum ersten Befragungszeitpunkt niedrigere Werte für Autonomie, Arbeitsengagement und Arbeitszufriedenheit. Dies könnte daran liegen, dass einerseits Beschäftigte eher wiederholt teilnahmen, die sich durch eine längere Zugehörigkeit ihrer Organisation stärker verbunden fühlen, und andererseits Beschäftigte dann eher wiederholt teilnahmen, wenn sie eher unzufrieden mit ihrer Arbeit waren. Beide Aspekte könnten die Ergebnisse möglicherweise verzerren. Dabei ist jedoch aufgrund der resultierenden Varianzeinschränkung von einer Unterschätzung der berichteten Effekte auszugehen.

Praktische Implikationen

Die Ergebnisse der Studien liefern einige interessante Ansatzpunkte für die Umsetzung in der Praxis, insbesondere für die in diesem Heft geschilderten Veränderungen in der Arbeitswelt und die erhöhten Flexibilitätsanforderungen an und in Organisationen. Transformationale und authentische Führung sind dabei Führungsstile, die für diesen Wandel eine besondere Rolle spielen können. Eine Arbeitswelt, die von mehr Flexibilität, flachen Hierarchien und Selbstorganisation geprägt ist, braucht Führung, die die Autonomie von Geführten ermöglichen und gestalten kann. Zum anderen hat die aus dieser Art von Führung resultierende Autonomie auch positive Effekte auf die Gesundheit und das Wohlbefinden von Geführten, was ebenfalls in einer Arbeitswelt, die unter anderem durch Arbeitsintensivierung und immer schneller und komplexer werdende Prozesse geprägt ist, eine immer größere Bedeutung hat. Bei den positiven Effekten von Autonomie sollte dabei aber auch darauf geachtet werden, dass sie nicht durch ein zu hohes Maß zum Beispiel zu Überforderung und Orientierungslosigkeit führt und durch die steigenden Anforderungen in der Selbstregulation wiederum selbst zum Stressor wird (Langfred 2017).

Die Ergebnisse unterstreichen außerdem die Rolle von Führungskräften in der betrieblichen Gesundheitsförderung und für den verhältnisbezogenen Ansatz, der die Gestaltung von gesunden Arbeitsbedingungen im Fokus hat. In dieser Studie wurde beispielhaft der Einfluss von Führung auf Autonomie als einer zentralen arbeitsbezogenen Ressource gezeigt. In der betrieblichen Praxis könnte also verstärkt darauf geachtet werden, dass Führungskräfte selbst ausreichend Autonomie haben, die Arbeitsbedingungen ihrer Geführten zu beeinflussen und dass sie in einem positiven Klima arbeiten, in dem sie die Arbeit von Geführten in der jeweiligen Führungsinteraktion gut gestalten können. Zudem sollten Führungskräfte dafür sensibilisiert werden, was beispielsweise in Trainings speziell für transformationale und authentische Führung geschehen kann.

Abschließend sei erwähnt, dass die Förderung von Autonomie auch einen möglichen Ansatz für die Förderung der Gesundheit von Führungskräften darstellen könnte. Auch die Anforderungen an Führung als Arbeitsaufgabe wachsen in einer komplexer, flexibler und schneller werdenden Arbeitswelt. Sollte es Führungskräften gelingen, Geführten mehr Autonomie und Verantwortung zu ermöglichen, stellt dies wohl auch eine Entlastung für Führungskräfte dar und hat so auch auf ihr eigenes Wohlbefinden positive Auswirkungen.

Schlussfolgerungen

Transformationale und authentische Führung stellen Führungsansätze dar, die den Anforderungen einer sich verändernden Arbeitswelt, die durch zunehmende Flexibilität und Dynamik gekennzeichnet ist, in besonderer Weise gerecht werden können. Transformationale Führung ist dabei ein Führungsstil, der eine inspirierende Vision vermittelt und Geführte dafür motiviert. Authentische Führung ist durch eine hohe Selbstkenntnis der Führungskraft und eine hohe Transparenz Geführten gegenüber charakterisiert. Die vorliegende Studie konnte zeigen, dass diese beiden Führungsstile einen direkten Zusammenhang zu Arbeitszufriedenheit aufweisen und authentische Führung zudem positiv mit Arbeitsengagement, vermittelt über erhöhte Autonomie in Zusammenhang steht. Authentische Führung steigert die Autonomie von Geführten möglicherweise dadurch, dass sie ein offenes, transparentes Teamklima fördert, indem Geführte ihre Aufgaben auf ihre Art und Weise ausführen können und durch die Förderung von Selbstreflexion und Selbstbestimmung. Mit den vorliegenden Ergebnissen zeigt sich auch, dass Führungskräfte einen bedeutsamen Einfluss auf die Arbeitsbedingungen wie der Autonomie ihrer Geführten haben und sie so bei der Förderung des Wohlbefindens von Geführten eine bedeutsame Rolle spielen können.

Interessenkonflikt: Das Autorenteam gibt an, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.

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Weitere Literatur

Die Daten dieser Studie wurden bereits für folgende Publikationen genutzt:

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Kontakt

Dr. Astrid Emmerich

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin
Friedrich-Henkel-Weg 1–25
44149 Dortmund
Emmerich.Astrid@baua.bund.de

Kernaussagen

  • Führungskräfte in einer sich wandelnden, modernen Arbeitswelt müssen die Anforderungen zunehmender Flexibilität und Dynamik bewältigen.
  • Transformationale Führung kann dem mit dem Fokus auf einer erstrebenswerten Vision, authentische Führung mit dem Fokus auf der Persönlichkeit und den Überzeugungen der Führungskraft gerecht werden.
  • Die vorliegende Studie mit 1835 Beschäftigten zeigt, dass sowohl transformationale, als auch authentische Führung über einen Zeitraum von 12 Monaten direkt zur Erhöhung von Autonomie und über einen Zeitraum von 20 Monaten direkt zur Erhöhung der Arbeitszufriedenheit beitragen.
  • Autonomie konnte als Mediationsmechanismus für den Zusammenhang zwischen authentischer Führung und Arbeitsengagement und Arbeitszufriedenheit bestätigt werden.
  • Damit könnten transformationale und authentische Führung sowohl den Anforderungen einer dynamischen Arbeitswelt gerecht werden und gleichzeitig förderlich für das Wohlbefinden von Beschäftigten sein.
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