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Technisch, organisatorisch, physikalisch, chemisch – Was gilt es zu bedenken?

Sonnenschutz: Abwägungen für die Praxis

Einleitung

Die Ultraviolett(UV)-Strahlung der Sonne ist, ebenso wie künstliche UV-Strahlung, seit 2009 von der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) als Humankarzinogen der Klasse 1 eingestuft (El Ghissassi et al. 2009). Nicht zuletzt dadurch ist das Thema Sonnenschutz in den letzten Jahren vermehrt in den Fokus der Bevölkerung und auch der Arbeitsmedizin gerückt. In Deutschland hat hierzu auch die Einführung der durch natürliche UV-Strahlung verursachten Plattenepithelkarzinome der Haut als Berufskrankheit (BK) Nr. 5103 im Jahr 2015 beigetragen. Unternehmen müssen sich daher vermehrt Gedanken um geeignete Sonnenschutzmaßnahmen machen, um ihren Präventionspflichten nachzukommen. Hierbei sollten sie von Arbeitsmedizinerinnen und -medizinern unter Berücksichtigung des aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstands unterstützt und beraten werden. Zudem wurde im letzten Jahr auch die ArbmedVV geändert und um eine Angebotsvorsorge für Beschäftigte, die viel im Freien arbeiten und dadurch natürlicher UV-Strahlung ausgesetzt sind, ergänzt. Für eine fundierte Beratung von Unternehmen und Beschäftigten sollen mit diesem Praxisartikel Anregungen gegeben werden.

Physikalische Grundlagen

UV-Strahlung gehört zur optischen, nicht­ionisierenden Strahlung und liegt mit ihrem Wellenlängenspektrum von 100–400 nm außerhalb des für den Menschen sichtbaren Bereichs. Auch eine direkte Wahrnehmung von UV-Strahlung mit anderen menschlichen Sinnen ist nicht möglich. UV-Strahlung wird nach der Wellenlänge in UV-A, UV-B und UV-C eingeteilt. Den kurzwelligsten (100–280 nm) und damit energiereichsten Anteil stellt die UV-C-Strahlung; dieser Anteil wird in der Stratosphäre absorbiert und erreicht daher nicht die Erdoberfläche. Die längerwellige UV-B-Strahlung (280–315 nm) kann hingegen die Ozonschicht durchdringen und die Erdoberfläche erreichen. In der menschlichen Haut kann UV-B-Strahlung bis in die Epidermis vordringen. Aufgrund der noch größeren Wellenlänge (315–400 nm) der UV-A-Strahlung erreicht diese größtenteils ungefiltert die Erdoberfläche und dringt in der Haut bis in die Dermis ein (BfS 2019; ICNIRP 1996).

Gefährdungen durch UV-Strahlung

Neben akuten Effekten durch kurzfristige übermäßige UV-Exposition, wie beispielsweise Sonnenbrand oder Schneeblindheit, kann auch eine Vielzahl langfristiger Schädigungen auftreten. Hierbei spielen sowohl wiederholte kurzfristige hohe Expositionen als auch chronische niederschwelligere Expositionen eine Rolle. Übermäßige UV-Exposition zeigt oft erst nach vielen Jahren negative gesundheitliche Auswirkungen. So treten (semi)maligne Hautveränderungen wie Basaliome, aktinische Keratosen und Plattenepithelkarzinome oder auch eine UV-bedingte Linsentrübung am Auge (Cataracta senilis), ebenso wie nichtmaligne Hautveränderungen (z.B. solare Lentigines, Teleangiektasien, solare Elastose), meist erst in höherem Lebensalter und mit deutlicher Latenz auf. Je nach Erkrankungsentität stehen entweder die kumulative UV-Exposition oder intermittierende, intensive Expositionen im Vordergrund. Unstrittig ist jedoch, dass UV-Exposition eine Rolle in der Entstehung von Plattenepithelkarzinom, Basaliom und malignem Melanom spielt (IARC 2012). Bei den aktinischen Keratosen und Platten­epithelkarzinomen wird die kumulative UV-Exposition als wesentlicher Faktor angesehen (Schmitt et al. 2011; El Ghissassi et al. 2009), während beim Basaliom und malignem Melanom immer mehr intermittierende UV-Expositionen und Sonnenbrände in der Kindheit als (mit-)ursächlich angesehen werden (Armstrong et al. 2001, IARC 2012).. Nicht zuletzt die langen Latenzzeiten, aber auch die fehlende Sinneswahrnehmung von UV-Strahlung im Menschen machen effektive Schutzmaßnahmen besonders wichtig.

Notwendigkeit Sonnenschutz­maßnahmen

Ein sensibles „Frühwarnsystem“ vor zu viel Sonnenstrahlung im Menschen existiert nicht. Lediglich, wenn es – wie beim Sonnenbrand – bereits zu einer Zellschädigung gekommen ist, können Effekte vom Menschen wahrgenommen werden. Allerdings kann mit technischen Mitteln die durch die Sonnenstrahlung am Erdboden ankommende Energieintensität gemessen werden. Um deren Gefährdungspotenzial einzustufen, kann hieraus zum Beispiel der international genormte UV-Index als Maß für die sonnenbrandwirksame Bestrahlungsstärke ermittelt werden (Bundesamt für Strahlenschutz (BfS); s. „Weitere Infos“). Generell gilt: Je höher der UV-Index, desto schneller können UV-bedingte Schäden auftreten und desto mehr Schutzmaßnahmen werden empfohlen. Prinzipiell werden ab einem UV-Index von 3 erste Sonnenschutzmaßnahmen (Hut, T-Shirt, Sonnenbrille, Sonnencreme) bei einem Aufenthalt im Freien empfohlen. Ein UV-Index >5 zeigt eine hohe UV-Belastung an. Die Höhe des UV-Index wird vor allem von verschiedenen Umweltfaktoren (Sonnenstand je nach Tages- und Jahreszeit, Bewölkung, geografische Lage etc.) beeinflusst. Aktuelle Vorhersagen werden über das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), das Umweltbundesamt, dem Deutschen Wetterdienst und weiteren assoziierten Institutionen erstellt und zur Verfügung gestellt. Teils können auch tagesaktuelle Messwerte verschiedener Wetterstationen eingesehen werden.

Neben diesen Umweltfaktoren haben auch persönliche Faktoren, wie die individuelle Lichtempfindlichkeit, einen wesentlichen Einfluss auf den Umfang der notwendigen Schutzmaßnahmen. Hierfür wird beispielsweise gern der Lichthauttyp nach Fitzpatrick (1988) herangezogen.

Als Auslöseschwelle für eine Angebotsvorsorge nach ArbmedVV wurde unabhängig vom Hauttyp „eine Tätigkeit im Freien mit intensiver Belastung durch natürliche UV-Strahlung von regelmäßig einer Stunde oder mehr je Tag“ definiert.

Möglichkeiten für Sonnenschutz

Vor diesem Hintergrund ist die Evaluation von Sonnenschutzmaßnahmen erforderlich. Das in der Arbeitsmedizin allgemein bekannte „STOP-Prinzip“ zur Gefahrenverhütung oder -minimierung beschreibt die auch beim Sonnenschutz primär anzustrebende Maßnahmenhierarchie (Substitution – Technische Schutzmaßnahmen – Organisatorische Schutzmaßnahmen – Persönliche Schutzmaßnahmen). Als integraler Bestandteil unserer Umwelt lässt sich UV-Strahlung bei notwendiger Arbeit im Freien nicht substituieren. Umso wichtiger werden daher technische, organisatorische und persönliche Schutzmaßnahmen. Diese Maßnahmenhierarchie findet sich auch in der S3-Leitlinie „Prävention von Hautkrebs“ (Leitlinienprogramm Onkologie 2014, s. „Weitere Infos“) wieder. Als vorrangig ist die Vermeidung starker Sonnenstrahlungsexposition beschrieben, dann das Tragen geeigneter Kleidung und zuletzt die Anwendung von Sonnenschutzmitteln. Beim Lichtschutz sollten daher physikalische Mittel (Expositionsvermeidung und Textilien) an erster Stelle genutzt werden.

Technische und organisatorische Maßnahmen

Gemäß der S3-Leitlinie hat die Vermeidung starker Sonnenexposition die höchste Priorität und stellt daher die wichtigste Sonnenschutzmaßnahme dar (Leitlinienprogramm Onkologie 2014). Im Arbeitsumfeld kann dieser Empfehlung zuallererst durch technische Maßnahmen wie Verschattungen von Arbeitsplätzen zum Beispiel mit Sonnensegeln Rechnung getragen werden. Ebenso sind organisatorische Maßnahmen möglich, um die Arbeitszeit mit Aufenthalt im Freien so kurz wie möglich zu halten. Weiterhin empfiehlt die S3-Leitlinie den Aufenthalt im Freien während der Mittagszeit zu meiden und Aktivitäten im Freien in die Morgen- und Abendstunden zu verlegen (Leitlinienprogramm Onkologie 2014). Als weitere allgemeine Maßnahmen werden das Aufsuchen von Schatten, langsame Gewöhnung der Haut an die Sonne, die unbedingte Vermeidung von Sonnenbrand und eine Aufenthaltsdauer in der Sonne, die die individuelle Eigenschutzzeit nicht überschreiten, empfohlen (Leitlinienprogramm Onkologie 2014).

Persönliche Sonnenschutzmaß­nahmen

Bei etwa drei Millionen Outdoor-Beschäftigten in Deutschland ist ein ausreichender Sonnenschutz allein durch technisch-organisatorische Maßnahmen jedoch nicht für alle Beschäftigten zu erreichen. Daneben sollten daher auch persönliche Schutzmaßnahmen ergriffen werden. Hierfür liegen ebenfalls Empfehlungen zu einer sinnvollen Maßnahmenhierarchie vor. In Analogie zu den technischen Maßnahmen sollten auch beim persönlichen Sonnenschutz zunächst Haut und Auge vor solarer UV-Strahlung abgeschirmt werden. An erster Stelle sollte daher das Tragen von geeigneter Kleidung, Kopfbedeckung und Sonnenbrille vor der Sonnenstrahlung schützen. Hierdurch wird ein effektiver Schutz vor UV-B- und UV-A-Strahlung ermöglicht. Wo eine physikalische Abschirmung nicht ausreichend möglich ist, sollen Hautstellen durch Anwendung von Sonnenschutzmittel vor schädlichen Effekten von Sonnenstrahlung geschützt werden. Hierbei darf die Anwendung von Sonnenschutzmitteln nicht dazu führen, dass der Aufenthalt in der Sonne verlängert wird (Leitlinienprogramm Onkologie 2014), insbesondere, da die Anwendung von Sonnenschutzmitteln in vielen Fällen keinen ausreichenden und vollständigen Schutz vor UV-A-Strahlung und deren Folgen gewährleistet. Bei der topischen Anwendung von Sonnenschutzmitteln ist zudem, selbst bei korrektem Auftrag, an eine Reduktion der Schutzwirkung während der Anwendungszeit zu denken. So kann insbesondere bei der Arbeit die Wirksamkeit von aufgetragenen Sonnenschutzmitteln durch Schwitzen oder Abrieb reduziert werden.

Sonnenschutzmittel

Für eine korrekte Schutzwirkung von Sonnenschutzmitteln ist zunächst deren richtige Anwendung wichtig. Falsche Anwendung, zum Beispiel zu geringer Auftrag oder fehlendes Nachcremen, können die Schutzwirkung deutlich reduzieren.

Zur Ermittlung des Lichtschutzfaktors (LSF), der dem Anwender eine Orientierung hinsichtlich des zu erwartenden Schutz des Produkts gibt, wird eine Konzentration von 2 mg/cm² zugrunde gelegt (COLIPA 2006; ISO 2010). Entsprechende Mengen werden jedoch in der Praxis kaum erreicht (SCCS 2018). Untersuchungen zeigen, dass oft nur weniger als 50% oder gar 25% der empfohlenen Menge an Sonnenschutzmittel aufgetragen werden (Autier et al. 2001; Neale et al. 2002; Strunk et al. 2017). Der erreichte LSF und die aufgetragene Menge an Sonnenschutzmittel stehen allerdings in einem exponentiellen Zusammenhang. Die angenommene Schutzwirkung wird daher häufig bei weitem nicht erreicht (Leitlinienprogramm Onkologie 2014; Faurschou et al. 2007; Petersen et al. 2014). Wichtig für eine effektive Schutzwirkung, sowohl im privaten als auch im beruflichen Setting, ist daher eine Aufklärung über die notwendige anzuwendende Menge. Eine durchschnittliche erwachsene Person benötigt bei Anwendung am ganzen Körper etwa 30–40 ml Sonnenschutzmittel, also etwa 1 Schnapsglas oder 3–4 Esslöffel. In der praktischen Anwendung könnten auch andere einfache Faustregeln hilfreich sein, wenn beispielsweise im beruflichen Umfeld aufgrund des vorrangigen Einsatzes von textilem Schutz nicht der ganze Körper eingecremt werden muss. Ein Beispiel ist die „Zwei-Finger-Regel“: Zwei Streifen Sonnencreme auf Zeige- und Mittelfinger entsprechen der empfohlenen Anwendungsmenge für das gesamte Gesicht (Strunk et al. 2017).

Darüber hinaus sollten bei der Auswahl der (beruflich) anzuwendenden Sonnenschutzmittel auch weitere Aspekte berücksichtigt werden. So spielt einerseits die Akzeptanz der ausgewählten Produkte für das persönliche Empfinden (Kosmetik, Hautgefühl etc.) eine Rolle, aber auch die Zusammensetzung der Sonnenschutzmittel an sich. Sonnenschutzmittel sollten UV-Filter mit Wirksamkeit im UV-A- und UV-B-Bereich enthalten. Eine Schutzwirkung gegen UV-C ist aufgrund der physikalischen Abschirmung durch die Stratosphäre bei natürlicher Sonnenstrahlung nicht notwendig. Der auf Produkten angegebene LSF kann jedoch definitionsgemäß (COLIPA 2006) lediglich die Schutzwirkung gegenüber der erythemwirksamen Strahlung beschreiben, die sich wiederum überwiegend aus dem UV-B-Anteil der Sonnenstrahlung zusammensetzt. Die Bedeutung von UV-A-Strahlung bei der Hautkanzerogenese und lichtbedingten Hautschäden ist jedoch ebenfalls seit Längerem bekannt (de Gruijl 2002) und erfordert auch einen wirksamen Schutz gegen UV-A in Sonnenschutzmitteln (Matts et al. 2010; COLIPA 2007, 2009). Der UV-A-Schutzfaktor in Sonnenschutzmitteln sollte daher mindestens ein Drittel des LSF betragen, um einen ausreichenden Breitbandschutz zu gewährleisten.

UV-Filter

Um die notwendigen Schutzwirkungen in Sonnenschutzmitteln erreichen zu können, stehen in der EU aktuell 28 zugelassene UV-Filter zur topischen Anwendung in kosmetischen Mitteln zur Verfügung (EU 2009). Hierbei handelt es sich um 26 organische UV-Filter und die zwei mineralischen UV-Filter Titandioxid und Zinkoxid. Während organische UV-Filter primär durch Absorption von Photonen einen Schutz vor UV-Strahlung bieten, beruht das Wirkprinzip der mineralischen Stoffe auf den physikalischen Prinzipien der Reflexion und Streuung.

Diese grundsätzlichen Unterschiede führen wiederum zu verschiedenen, mitunter negativen Effekten. Bei hohen Konzentrationen von mineralischen UV-Filtern in einem Sonnenschutzmittel wird die Textur des Produkts beeinflusst und die Anwendung hinterlässt einen weißlichen Film auf der Haut. Dadurch kann die Akzeptanz bei der Anwendung deutlich herabgesetzt werden (Mancuso et al. 2017). Um diesen Effekt möglichst gering zu halten, werden die mineralischen UV-Filter als Nanopartikel eingesetzt. Aufkommende Bedenken über eine gesundheitliche Gefährdung durch die Nanopartikel konnten in den letzten Jahren durch mehrere Untersuchungen weitestgehend zerstreut werden, da die Partikel nicht perkutan absorbiert werden (Schneider et al. 2019). Entsprechend ist die Datenlage hinsichtlich einer gesundheitlichen Unbedenklichkeit von UV-Filtern in kosmetischen Mitteln für die mineralischen UV-Filter am besten. Durch die US Food und Drug Aministration (FDA) wurden beispielsweise nur die anorganischen UV-Filter Titanoxid und Zinkoxid als „generally safe and effective (GRASE)“ eingestuft, während für die organischen UV-Filter weitere Daten erforderlich seien (Adler et al. 2020; FDA 2016). Auch wenn es bisher keine Belege dafür gibt, grundsätzlich die Meidung bestimmter auf dem Markt befindlicher Sonnenschutzmittelprodukte zu empfehlen, so zeigt die US-Einstufung der organischen UV-Filter doch, dass noch viele Fragen offen sind (Adler et al. 2020). Eine systemische Verfügbarkeit von relevantem Ausmaß von verschiedenen organischen UV-Filtern nach dermaler Sonnencreme-Applikation war zuletzt mehrfach nachgewiesen worden (Matta et al. 2019, Hiller et al. 2019a, b). Vor dem Hintergrund ihres Wirkmechanismus als chemisch aktive Substanzen und Diskussionen über eine systemische Toxizität (u.a. endokrin, reproduktiv und neurologisch) organischer UV-Filter erscheinen zum besseren Verständnis weitere toxikologische Untersuchungen zu Effekten am Menschen erforderlich (Adler et al. 2020).

Hautkrebsprävention durch ­Sonnenschutzmittel?

Da Sonnenschutzmittel primär zum Schutz vor Sonnenbrand und nicht zur Hautkrebsprävention entwickelt wurden, stellt sich die Frage nach deren protektiven Effekten. Während im beruflichen Kontext die Plattenepithelkarzinome im Fokus präventiver Aufgaben stehen, sind in der Allgemeinbevölkerung aufgrund der Erkrankungshäufigkeit beziehungsweise der Malignität Basaliome und das maligne Melanom von großer Bedeutung. Die Daten hinsichtlich einer Senkung des Melanomrisikos durch Anwendung von Sonnenschutzmittel sind widersprüchlich und zeigen keinen klaren präventiven Effekt (Leitlinienprogramm Onkologie 2014; Bens 2014; Young et al. 2017; Silva et al. 2018). Ebenso wurde auch für die Entstehung von Basaliomen keine Risikoreduktion durch Sonnenschutzmittelanwendung gefunden (Lin et al. 2011).

In Hinblick auf die BK 5103 zeigt sich ein einheitlicheres Bild mit Hinweisen, dass die Anwendung von Sonnenschutzmitteln sowohl im Bereich der primären Prävention (Vorbeugung) als auch bei der sekundären und tertiären Prävention (Begrenzung von Krankheitsfolgen, Verhinderung von Rezidiven) effektiv ist. So kann die Anwendung von Sonnenschutzmitteln das Risiko für Plattenepithelkarzinome und die Inzidenz von aktinischen Keratosen (AK) senken (Lin et al. 2011; Leitlinienprogramm Onkologie 2014). Eine Therapie von AK durch Sonnenschutzmittel kann zwar bisher nicht empfohlen werden, Sonnenschutzmittel werden jedoch als „eine wichtige und wissenschaftlich nachgewiesene Präventionsmaßnahme von AK“ und damit als Basismaßnahme zur Ergänzung weiterer Interventionen oder Therapien empfohlen (Leitlinienprogramm Onkologie 2019, s. „Weitere Infos“; Thompson et al. 1993). Weitere Erkenntnisse auf dem Gebiet sind auch in Zukunft vor dem Hintergrund der BK 5103 zu erwarten. Aktuell läuft zum Beispiel ein DGUV-Projekt zur Evaluation von topisch applizierbarem Sonnenschutz zur Beeinflussung der Krankheitsaktivität bei BK-Nr. 5103 (Protect UV 5103; Projekt-Nr. FF-FB 0278).

Fazit

Sonnenschutz ist sowohl im privaten als auch im beruflichen Umfeld ein sehr wichtiges Thema. Maßnahmen der Verhaltens- und Verhältnisprävention sollten dabei klar im Vordergrund stehen. Am Arbeitsplatz müssen daher zunächst durch technische und organisatorische Schutzmaßnahmen die Möglichkeiten zur Vermeidung einer übermäßigen solaren UV-Exposition geschaffen werden. Hierfür sind die Arbeitsorganisation und Pausenregelungen zu überdenken sowie, wenn möglich, Verschattungsmaßnahmen zu initiieren. Ein weiterer wesentlicher Baustein sind die persönlichen Schutzmaßnahmen, die ebenfalls primär auf physikalische Abschirmung durch Textilschutz, Kopfbedeckung und Sonnenbrille setzen sollten und dadurch einen möglichst umfassenden Schutz vor UV-A- und UV-B-Strahlung gewährleisten. Topischer Sonnenschutz sollte nur da zum Einsatz kommen, wo die Haut nicht anders vor Sonnenstrahlung geschützt werden kann. Auch vor dem Hintergrund einer unvollständigen Schutzwirkung und teils fraglichen präventiven Effekten in der Prävention von Hautkrebs darf die Anwendung von topischen Sonnenschutzmitteln auch nicht dazu führen, dass die Expositionszeit, das heißt der Aufenthalt in der Sonne verlängert wird (Leitlinienprogramme Onkologie 2014, 2019).

Interessenkonflikt: Das Institut hat eine Forschungsförderung durch das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege für die Durchführung einer Studie zur systemischen Aufnahme von UV-Filtern aus Sonnenschutzmitteln erhalten. Einfluss auf das Studiendesign, die Datenerhebung und die Auswertung wurde nicht genommen.

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Kontakt:

Dr. med. Julia Hiller
Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial und Umwelt­medizin (IPASUM) der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen Nürnberg
Henkestraße 9–11
91054 Erlangen

Foto: Rainer Windhorst

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