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Nachruf

Zum Nachhall der Arbeiten von Professor Claus Piekarski

Berufliche Vita

Claus Piekarski wurde 1943 in Berlin geboren und wuchs in Bonn auf, nachdem sein Vater Gerhard Piekarski auf den dortigen Lehrstuhl für Medizinische Parasitologie berufen wurde. Nach dem Abitur im Jahr 1963 schloss er 1969 sein Medizinstudium in Bonn und Freiburg mit dem Staatsexamen an der Universität Bonn ab, wo er 1970 auch promovierte. Während der folgenden zwei Jahre als Sanitätsoffizier am Institut für Wehrmedizin und Hygiene in Koblenz förderte sein damaliger Chef, Herr Oberstarzt Dr. Kleinhanns, sein Interesse, praxisrelevante arbeitsphysiologische Fragen wissenschaftlich zu bearbeiten.

Dr. Piekarski absolvierte von 1973 bis 1978 unter den Professoren von Eiff und Dengler seine Weiterbildung zum Facharzt für Innere
Medizin an der Medizinischen Universitätsklinik Bonn. Als Oberassistent am Institut für Arbeitsphysiologie an der Universität Dortmund (IfADo) betreute Dr. Piekarski unter der Leitung von Prof. Hans-Gerd Wenzel den Aufbau der neuen Klimakammer, führte umfangreiche klimaphysiologische Untersuchungen durch und absolvierte die Weiterbildung zum Facharzt für Arbeitsmedizin. Die wissenschaftlichen Aktivitäten führten 1983 zu seiner Habilitation für Arbeitsmedizin an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn.

1984 übernahm er die Leitung des Instituts für Arbeitswissenschaften der RAG in Dortmund sowie des Arbeitsmedizinischen Dienstes des RAG-Konzerns (ehemals Ruhrkohle AG) als Ärztlicher Direktor. 1988 folgte Herr Privatdozent Piekarski dem Ruf der Albertus-Magnus-Universität zu Köln, übernahm den Lehrstuhl für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Sozial­hygiene und wurde zum Direktor des Instituts und der Poliklinik für Arbeits- und So­zialmedizin der Kölner Medizinischen Fakultät bestellt. Gleichzeitig wurden die genannten Funktionen in Dortmund mit Gründung einer Public Private Partnership zwischen der Universität zu Köln und der RAG AG fortgeführt. Die Weitsicht dieses Forschungsverbunds zwischen der Kölner Hochschule und dem Bergbau – und später über diesen hinaus – hat unverändert Beispielcharakter.

Prof. Piekarski entwickelte Aktivitäten in zahlreichen Gremien, der Bundesärztekammer (BÄK) etwa, des ehemaligen Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG) und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA). Hervorzuheben ist – im Gefolge der Wiedervereinigung – ab 1992 die Leitung des Sachverständigenkreises „Arbeitsmedizinisches Programm Wismut“, um ein sachgerechtes Vorsorgeprogramm für die Beschäftigten im Uranerzbergbau in Thüringen und Sachsen auf den Weg zu bringen. Unter Prof. Piekarski
als Tagungspräsident der 32. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Arbeits- und Umweltmedizin 1992 in Köln kam es zu wichtigen Diskussionen der Aufgaben und Herausforderungen für die Arbeitsmedizin und Berufsgenossenschaften in Folge der Staub- und Strahlenbelastungen der Wismut-Beschäftigten.

Viele Jahrzehnte war die wissenschaftliche Fachgesellschaft ein zentrales Tätigkeitsfeld. In der Zeit zwischen 1994 und 2000 sowie 2003 bis 2006 hatte Prof. Piekarski das Amt des Vizepräsidenten inne und in den Jahren zwischen 2000 bis 2003 stand er der Fachgesellschaft als Präsident vor. 2000 wurde Prof. Piekarski mit der Franz-Koelsch-Medaille und 2008 mit der Joseph-Rutenfranz-Medaille für seine besonderen Verdienste für die Arbeitsmedizin und für seine besonderen wissenschaftlichen Leistungen in der Arbeitsphysiologie ausgezeichnet.

Eindrücke als seine Schüler

Am Ende meiner (Peter Morfeld) Zivildienstzeit am Institut für Arbeitsphysiologie an der Universität Dortmund übernahm Dr. Piekarski 1978 die dortige Arbeitsgruppe, und ich lernte ihn als bewundernswert umfassend gebildeten neuen Chef kennen, der als Mediziner erfrischende Ideen in die dortige Routine der Abteilung „Umweltphysiologie“ von Prof. Wenzel einbrachte. Während meines Mathematikstudiums umsorgte und versorgte mein neuer Chef mich mit Verträgen als studentische Hilfskraft und förderte meine intensive Einarbeitung in medizinstatistische Verfahren. So durfte ich seine Habilitationsschrift von 1983 analytisch unterstützen. Mein Mentor übernahm das Institut für Arbeitswissenschaften der RAG, und ich folgte 1985, auch mit dem damals noch unklaren Ziel, einen Bereich „Epidemiologie“ aufzubauen. Das belegte erneut den Weitblick von Prof. Piekarski. Wir „pushten“ diese Methode in der deutschen Arbeitsmedizin, erarbeiteten mit dem Verfahren „Epidemiologie“ Grenzwertregelungen für Schadstoffe und Anerkennungsvoraussetzungen für Berufskrankheiten, wie zu chronischer Bronchitis und Emphysem der Steinkohlenbergleute. Das wurde für mich aber nur möglich, weil ich einen starken Förderer hatte oder, wie es Prof. Michael Jacobsen einmal treffend formulierte: „Peter, you know, you are under his wings“. Ich erinnere mich gern an unzählige gemeinsame wissenschaftliche Reisen ins In- und Ausland, wo Prof. Piekarski und ich nicht nur die Symposien und Kongresse erkundeten. Unser Kontakt kam über die Wissenschaft, aber er endete nicht in der Wissenschaft.

Meine (Thomas Erren) Arbeitszeit mit Prof. Piekarski begann 1993 in Köln, wo ich unseren Direktor als hoch empathischen Arzt und vielseitigen Mediziner erlebte, und setzte sich in Berkeley mit dem Gewinn von Rüstzeug für die Epidemiologie fort. Den international angesehenen Epidemiologen Dr. Michael Jacobsen – trotz erlebter Nazi-Greuel – 1994 wieder für Deutschland gewonnen zu haben, zeigt den Brückenbauer Prof. Piekarski. Er schuf das Umfeld, in dem der ehemalige Leiter des “Pneumoconiosis Field Research“ als Sachverständiger aus Köln entscheidend zum wahrscheinlich umfangreichsten Personenschadenprozess in Großbritannien beitragen konnte, bei dem es um Atemwegs­erkrankungen bei Bergleuten ging. Das Gerichtsurteil von 1998 führte zu Entschädigungszahlungen an betroffene Bergleute in Höhe von mehr als 2 Milliarden Pfund.

Die große Nähe zu Bergleuten und zum Bergbau zeigt auch ein anderes Beispiel: Im Rahmen einer Studie zu Mutagen X [MX], einem Desinfektionsnebenprodukt der Chlorung in Trinkwässern, sagte ein Trinkwasserexperte des Umweltbundesamts: „Ich habe ein Wasserwerk“. „Ich habe ein Bergwerk“ kam blitzschnell von Prof. Piekarski, womit die Runde „pari“ ausging. Tatsächlich hatte er mit Unterstützung der damaligen RAG AG ein in den 1930er-Jahren angelegtes und in den Kriegszeiten verräumtes Lehrbergwerk unter dem Hauptgebäude der Universität zu Köln Mitte der 1980er-Jahre restauriert und wieder begehbar gemacht.

In Prof. Piekarskis Haus war wissenschaftliche Freiheit ein enorm hohes Gut. So ließ er uns zum Beispiel einen Forschungsschwerpunkt zu Licht, Zeitgebern, circadianer Biologie und Schichtarbeit und möglichen Erkrankungen wie Krebsentwicklungen aufbauen. Mit Symposien und zahlreichen Publikationen förderte Prof. Piekarski nicht nur mein Arbeitsinteresse, sondern schloss auch einen Kreis seines Hauses mit Grundsatzarbeiten von Prof. Joseph Rutenfranz zur Schicht­arbeit. Das Kausalkonzept der Chronodisruption, das international zunehmend beforscht wird, hat Prof. Piekarski 2003 mitgeprägt und in seiner wahrscheinlich letzten Publikation in diesem Jahr noch einmal miteingeordnet.

In unserer Gesamtschau zählte für Prof. Piekarski die Schule der Wissenschaft, sein gelebtes Credo war das der Freiheit. Wie er unsere Habilitationen gemeinsam unterstützte, zeigt sich auch in der Tatsache, dass wir beide innerhalb von 24 Stunden durch die Medizinische Fakultät der Universität zu Köln habilitiert wurden. Seine Weitsicht bezüglich des Einsatzes der Epidemiologie bereitete auch den Boden für zahlreiche gemeinsame Publikationen zu SARS-CoV-2/COVID-19 während der Pandemie.

Wirken nach der Emeritierung

2008 wurde Prof. Piekarski emeritiert. Nach bis dahin mehr als 200 Publikationen auf den Gebieten der Arbeitsmedizin, der Arbeitsphysiologie und der Epidemiologie hat er unermüdlich in der Wissenschaft und für die Praxis der Prävention weitergearbeitet: Beispiele für diese Wirkzeit sind Arbeiten zu Schichtarbeit, Sportmedizin und zur Hitzearbeit. Rückkehrend zu seinen „Koblenzer Anfängen“ unterstützte er die „Forschungsgruppe Leistungsepidemiologie“ an der Deutschen Sporthochschule Köln und brachte sich aktiv in klimaphysiologische Arbeiten des Instituts für Präventivmedizin der Bundeswehr ein, beides unter Leitung von Prof. Dieter Leyk, bis hin zu einer letzten Publikation zu diesem Themenkomplex über „Anstrengungsbedingte Überhitzung im zivilen und militärischen Bereich“ in 2021.

Sein großes Hobby war das Segeln, darüber hinaus war Prof. Piekarski passionierter Pilot. Wie in allen Lebens- und Arbeitsbereichen hatte unser Lehrer auch hier die langjährige aktive Flugzeugführung beispielsweise über Lilienthals „Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst“ technisch und historisch bis zu den Wurzeln der Fliegerei durchdrungen. Dem Segeln widmete er sich mit seiner Ehefrau, der Theologin Marianne über sehr lange Zeit. Seit der Emeritierung hat er als liebevoller Ehemann, als Vater seiner Töchter und – zuweilen auch als Schalk – bei seinen Enkeln ebenfalls Wichtiges beigetragen.

Alle, die Prof. Piekarski näher kannten, werden ihn als große menschliche Persönlichkeit „with a remarkable blend of talents“ in Erinnerung halten. Wir – wie viele andere – werden durch sein Vorbild beeinflusst bleiben. Die deutsche Arbeitsmedizin und Umweltmedizin wird Herrn Prof. Piekarski stets ein ehrendes Andenken bewahren.

Peter Morfeld Thomas Erren
Dortmund Köln

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