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Netzwerke für Kleinst-, kleine und mittlere Unternehmen am Beispiel des Modellvorhabens „Gesund arbeiten in Thüringen“ (GAIT) in Thüringen

Arbeits- und Gesundheitsschutz meets betriebliches Gesundheitsmanagement

Einleitung

Begriffe wie betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) und betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) finden sich in Kombination mit kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in der Literatur mittlerweile vielfach. Der Fokus liegt hierbei oftmals auf den Herausforderungen, die KMU vor allem im Vergleich zur Großindustrie bei der Etablierung und Implementierung eines systematischen und nachhaltigen BGM haben (Beck 2015; Fischmann 2019, 2020).

Zu Recht werden hierbei mangelnde finanzielle oder personelle Ressourcen erwähnt (Schäfer 2016; Fischmann 2020), wodurch Zuständigkeiten entweder bei der Geschäftsleitung selbst oder bei Beschäftigten aus anderen Tätigkeitsbereichen liegen oder gewisse Themenfelder trotz etwaiger Handlungsrelevanz unbedient bleiben.

Diese Herausforderungen erfahren eine starke Zuspitzung bei Kleinstunternehmen. Allerdings existieren für diese Unternehmensgrößen weitaus weniger Forschungsergebnisse und Literatur. Mit teilweise unter 10 Beschäftigten haben Kleinstunternehmen selbst bei prinzipieller Relevanz meist nicht die Möglichkeit, Themenbereiche des BGF oder BGM gezielt umzusetzen. Neben den mangelnden Ressourcen bilden kleine Zielgruppen für etwaige Maßnahmen eine schwierig zu bewältigende Hürde.

Sowohl für KMU als auch für kleinste, kleine und mittlere Unternehmen (KKMU) gilt allerdings nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Gesetzgebung (u. a. ArbSchG, ASiG SGB V etc.), dass vor der Umsetzung einer BGF oder eines BGM beziehungsweise von Maßnahmen zur Gesundheitsförderung Vorgaben zum Arbeits- und Gesundheitsschutz zu erfüllen sind: Hierzu zählen beispielsweise die Verpflichtungen, einen betriebsärztlichen Dienst zu bestellen, eine Fachkraft für Arbeitssicherheit zu haben oder Gefährdungsbeurteilungen regelmäßig durchzuführen. Vorgaben, die zwar eine zusätzliche Belastung darstellen, aber gesetzlich vorgeschrieben sind.

Der nachfolgende Beitrag möchte anhand des Beispiels „Gesund arbeiten in Thüringen“ (GAIT) aufzeigen, wie Arbeits- und Gesundheitsschutz und betriebliches Gesundheitsmanagement durch die Unterstützung von Netzwerken auch in Kleinst-, kleinen und mittleren Unternehmen effizien­ter aufgebaut und implementiert werden können sowie welche Vorteile, Möglichkeiten und Herausforderungen mit dieser Netzwerkausrichtung verbunden sind.

GAIT-Netzwerke

Im Rahmen des Modellvorhabens „Gesund arbeiten in Thüringen“ nach § 20g des SGB V (Präventionsgesetz) wurden 2018 in Thüringen drei Unternehmensnetzwerke mit insgesamt 32 KKMU aus den Branchen Dienstleistung, Handel, Gesundheits- und Sozialwesen und verarbeitendes Gewerbe gegründet. Die Unternehmen setzen sich wie in ➥ Tabelle 1 ersichtlich zusammen.

Gesamtziel des Vorhabens und somit der Netzwerke ist langfristig über die Etablierung eines BGM beziehungsweise einer BGF verbesserte Gesundheitsförderung und -prävention von Beschäftigten in den Betrieben zu ermöglichen. Somit richte(te)n sich die Netzwerke vorwiegend an (K)KMU, die bezüglich ihrer gesundheitspräventiven Aktivitäten noch „am Anfang stehen“. Da vor einer funktionierenden BGF oder einem systematischen BGM allerdings die gesetzlichen Vorgaben des Arbeits- und Gesundheitsschutzes einzuhalten sind, wurde zu Beginn in Form von teilstrukturierten telefonischen Interviews mit den Unternehmen der Status geklärt.

Arbeits- und Gesundheitsschutz

Wie in ➥ Tabelle 2 ersichtlich, haben 41 % der teilnehmenden Unternehmen keinen betriebsärztlichen Dienst, 47 % keine Fachkraft für Arbeitssicherheit und 31 % keine Sicherheitsbeauftragten. Ein betriebliches Wiedereingliederungsmanagement führen 16 % nicht durch, Gefährdungsbeurteilung 28 % nicht.

Bei den Nachfragen zur Zufriedenheit mit dem betriebsärztlichen Dienst waren 77 % derer, die eine Betriebsärztin oder einen Betriebsarzt haben, mit diesen mittelmäßig, weniger oder unzufrieden. Insgesamt erhofften sich 53 % der teilnehmenden Unternehmen im Rahmen von GAIT Unterstützung bei der Vermittlung eines betriebsärztlichen Dienstes, 78 % konnten sich darüber hinaus eine ergänzende telematische arbeitsmedizinische Betreuung vorstellen.

47 % aller Unternehmen führten keine Beurteilung der psychischen Belastung durch, wie es nach § 5 ArbSchG seit 2013 vorgeschrieben ist.

Im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung und des betrieblichen Gesundheitsmanagements gaben nur 6 der 32 Unternehmen an, nicht tätig zu sein. Bei Nachfragen zu diesen Themenfeldern berichteten 12 Unternehmen, eine Bedarfsermittlung durchzuführen und insgesamt 28 Unternehmen sahen sowohl die Themenfelder BGF/BGM als auch die zugehörigen Möglichkeiten zur Förderung als ein relevantes Thema für die Netzwerkarbeit.

Tabelle 2:  Arbeits- und Gesundheitsschutz in den Unternehmen

Tabelle 2: Arbeits- und Gesundheitsschutz in den Unternehmen

Netzwerkarbeit

Im Rahmen des Modellvorhabens finden sich die teilnehmenden Unternehmen vierteljährlich zu Netzwerktreffen in ihren Regionen zusammen (Süd-, Mittel- und Ostthüringen). Diese werden rotierend bei den teilnehmenden Unternehmen abgehalten, so dass dadurch ein intensiveres Kennenlernen unter anderem durch flankierende Unternehmensführungen ermöglicht wird. Die inhaltlichen Ausrichtungen der Netzwerktreffen definieren sich einerseits entlang des Bedarfs der Unternehmen, andererseits entlang der Grundausrichtung des Modellvorhabens Prävention, Arbeits- und Gesundheitsschutz und BGM. Je nach Themenfeld werden in den 2- bis 3-stündigen Netzwerktreffen Vortragende zu Spezialgebieten eingeladen, eigenständig Inhalte erarbeitet und sich über Erfahrungen bezüglich einzelner Maßnahmen ausgetauscht. Aufgrund der Tatsache, dass bei der Darstellung der eigenen Erfahrung gleichsam fördernde wie hemmende Bestandteile einzelner Maßnahmen erwähnt werden, führt dies zu einem intensiveren voneinder Lernen. Dieser offene Austausch wurde auch von den teilnehmenden Unternehmen im Rahmen einer Netzwerkevaluation begrüßt.

Hinsichtlich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes und den zu erfüllenden Gesetzesvorgaben zeigte sich bei der Erhebung des Status quo bereits eine große Heterogenität (s. Tabelle 2). Diese Heterogenität wiederholte sich beim genannten Bedarf bezüglich BGF/BGM, die in den Unternehmen von gar nicht vorhanden bis bereits sehr ambitioniert etabliert beziehungsweise implementiert reichte.

Um dieser heterogenen Bedarfslage gerecht zu werden, wurden in Abhängigkeit vom Thema flankierende Zusatzangebote geschaffen wie Vorträge oder Workshops, zu denen sich die interessierten Unternehmen anmelden konnten (➥ Abb. 1). So wurde sichergestellt, dass im Rahmen von Netzwerktreffen die Unternehmen mit höherem Wissensstand nicht unnötig informiert und umgekehrt die Unternehmen mit entsprechendem Wissensdefizit bedient werden.

Zum gezielten Aufbau des betrieblichen Gesundheitsmanagements wurden neben entsprechender thematischer Behandlung in den Netzwerktreffen Bedarfsanalysen in jedem einzelnen Unternehmen individuell angeboten und durchgeführt. Diese Analysen fanden in Form von Gefährdungsanalysen psychischer Belastungen als Vollbefragungen der Beschäftigten statt und vereinten somit gleichzeitig mehrere Aspekte:

  • Ermittlung des konkreten Bedarfs im Rahmen einer Gesundheitsförderung (psychisch und physisch) sowohl individuell für jedes Unternehmen als auch für das gesamte Netzwerk,
  • Durchführung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen als Teil der Gefährdungsbeurteilung (§ 5 ArbSchG),
  • Durchführung der Bedarfsanalyse im Kontext eines strukturierten Vorgehens hinsichtlich zielgerichteter Maßnahmenangebote zur Gesundheitsförderung (strukturiertes und nachhaltiges BGM).
  • Abb. 1:  GAIT-Netzwerkkonzept (eigene Darstellung)

    Abb. 1: GAIT-Netzwerkkonzept (eigene Darstellung)

    Da diese Analysen in mehrfacher Hinsicht einen zentralen Bestandteil im Rahmen des Modellvorhabens darstellten, wurden bei den Netzwerktreffen die Unternehmen angeleitet, auf welche wichtigen Details sie bei der Durchführung zu achten hatten und wie sie mit den erstellten Ergebnisberichten Handlungsbedarfe identifizieren, Maßnahmen ableiten und interne Ergebnisse kommunizieren konnten. Ebenfalls für die Netzwerkarbeit wurden die Ergebnisse der Unternehmen zur Ableitung und Bildung eines Maßnahmenangebots herangezogen. Auch hier zeigte sich erneut ein heterogener Handlungsbedarf. Daher wurde der Synergieaspekt von Netzwerken genutzt: So wurde ein größeres Paket an Maßnahmen gebildet, das speziell für Kleinst- und Kleinunternehmen alleine ohne die Unterstützung des Netzwerks nicht realisierbar gewesen wäre. Im Netzwerk war dies jedoch möglich, da sich mehrere Unternehmen die Maßnahmen „teilen“ konnten und können (➥ Abb. 2).

    Abb. 2:  Prinzip der Maßnahmenumsetzung pro Unternehmen (Individuallösung) vs. im ­Netzwerkzusammenschluss (Netzwerklösung) (eigene Darstellung)

    Abb. 2: Prinzip der Maßnahmenumsetzung pro Unternehmen (Individuallösung) vs. im ­Netzwerkzusammenschluss (Netzwerklösung) (eigene Darstellung)

    Erwartungen an Netzwerke

    Der Beitritt eines Unternehmens in ein Netzwerk ist in der Regel mit konkreten Erwartungen verbunden. Im Fall der GAIT-Netzwerkausrichtung zum Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie zum betrieblichen Gesundheitsmanagement war der Hauptgrund, den oben genannten Defiziten hinsichtlich der Gesetzesvorgaben zu begegnen. So konnte den suchenden Unternehmen weiterführende Unterstützung bei der Vermittlung von arbeitsmedizinischer Betreuung gegeben sowie über die Netzwerktreffen mittels der flankierenden Workshops die Bedarfe zu den Themen Gefährdungsbeurteilung, betriebliches Wiedereingliederungsmanagement und Wissen über Arbeitsschutz, Dokumentationen und Kontrollen initial gedeckt werden.

    Im Rahmen der Maßnahmenableitungen und des Initiierens eines BGM wurden bewusst die Beschäftigten der Unternehmen in den Fokus gerückt. Denn bei den zuvor genannten Themenbereichen profitieren zwar die Beschäftigten auch (z.B. korrekte Arbeitsschutzmaßnahmen, betriebsärztliche Betreuung usw.), die Teilnahme des Unternehmens im Netzwerk würde so aber eher indirekt wahrgenommen werden. Da eine betriebliche gesundheitsfördernde Kultur allerdings nur funktionieren kann, wenn auch einzelne Beschäftigte involviert sind, wurde bei der Maßnahmenableitung neben der Bedarfslage auch darauf geachtet, dass sich die Maßnahmen prinzipiell an alle Beschäftigten richten (und z.B. nicht nur an Führungskräfte). Ebenso wurde darauf geachtet, dass die Teilnahme niederschwellig geschehen kann (z.B. einfacher Anmeldemodus über eine damit beauftragte Person im Unternehmen beziehungsweise Anmeldeportale sowie Ergänzungen der Maßnahmen durch Vorträge, Gesundheitschecks etc.).

    Insgesamt kann so aufgrund der zwei Richtungen der Aufbau einer gesundheitsförderlichen Unternehmenskultur wesentlich effizienter erreicht werden:

  • Top-down-Prozesse: Der Unternehmensvertretung wird bei den Netzwerktreffen wichtiges Wissen – vor allem in Hinblick auf Unternehmensverpflichtungen und -möglichkeiten im Gesundheitsschutz vermittelt.
  • Bottom-up-Prozesse: Beschäftigte profitieren durch die Netzwerkteilnahme des Unternehmens direkt durch bedarfsorientierte Maßnahmenangebote und Teilnahmemöglichkeiten am Maßnahmenpaket.
  • Herausforderungen bei der ­Netzwerkarbeit

    Neben den vielen Möglichkeiten und Aktivitäten kam es allerdings auch im Rahmen des vorliegenden Projekts zu folgenden Herausforderungen:

  • regelmäßige Teilnahme der Unternehmen an den Netzwerktreffen,
  • aktive Beteiligung aller Unternehmen,
  • Erwartungshaltung der teilnehmenden Unternehmen.
  • Eine regelmäßige Teilnahme ist durchaus abhängig von Terminlagen und kurzfristigen Prioritäten. Dennoch wurde den GAIT-Netzwerkunternehmen vermittelt, dass die Unternehmensanwesenheit gegebenenfalls auch über Vertretungen der verhinderten Zuständigen ermöglicht werden sollte – hierbei muss allerdings sichergestellt werden, dass die entsprechende Person die Situation ihres Unternehmens auch hinreichend kennt und vertreten kann. Denn um im Netzwerk entlang des Bedarfs zu arbeiten und konstruktiv diskutieren zu können, bedarf es der Anwesenheit und der aktiven Beteiligung der Teilnehmenden. Dieser offene Austausch ist von den GAIT-Mitgliedern im Rahmen der Netzwerkfeedbackrunden auch als großer Mehrwert lobend erwähnt worden. Entlang des Bedarfs zu arbeiten, bringt aber auch mit sich, dass dieser erst erkannt und analysiert werden muss. Dies wiederum setzt eine gewisse „Geduld“ seitens der Unternehmen voraus, die vor allem durch transparente Darstellung der einzelnen Teilprozesse gefördert werden kann. Zu Recht wollen die Unternehmen „spüren“, dass sie im Netzwerk sind und interessieren sich daher an zeitnahen Umsetzungen. Eine transparente Darstellung von länger andauernden Prozessen bei gleichzeitig möglichst unverzüglicher Realisierung von Maßnahmen und Angeboten sind somit notwendige Bestandteile – sowohl aus Sicht der Unternehmen als auch aus Sicht der Netzwerkorganisation.

    Außenwirkung

    In Zeiten von Fachkräftemangel und Personalmärkten ist es (je nach Branche) auch für (K)KMU immer wieder ein Anliegen, sich von anderen Unternehmen oder der Konkurrenz zu unterscheiden. In diesem Zusammenhang werben Unternehmen nicht zuletzt mit Leistungen, die sie ihren Beschäftigten zusätzlich anbieten – so auch Leistungen im Rahmen eines betrieblichen Gesundheitsmanagements. Sowohl die Tatsache, sich dem Themenfeld anzunehmen, als auch der Aspekt, Teil eines Netzwerks zu dieser Thematik zu sein, wird gerne im Rahmen von Öffentlichkeitsarbeit und eines „employer branding“ genannt. Bei einigen der GAIT-Netzwerkunternehmen ist dieser Aspekt ebenfalls relevant und interessant. So werden im Netzwerk „Gesund arbeiten in Thüringen“ Webseiten und Portale ebenso wie Großveranstaltungen, beispielsweise mit den Industrie- und Handelskammern oder auf Jahrestagungen der Deutschen Gesellschaft für Arbeits- und Umweltmedizin (DGAUM), zur Unternehmensdarstellung angeboten und genutzt. Ebenso wurde von einigen GAIT-Unternehmen die Verleihung einer Auszeichnung für besondere Aktivitäten im Bereich Gesundheitsförderung und Prävention initiiert. Eine wichtige Neuerung zu bereits bestehenden Auszeichnungen war, dass die Auflagen an die Unternehmen sehr niederschwellig waren, nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass sich in diesen Netzwerken auch Unternehmen befinden, bei denen das BGM erst im Aufbau ist.

    Autarkes Funktionieren von ­Netzwerken

    Das Modellvorhaben „Gesund arbeiten in Thüringen“ hat in der geförderten Phase eine Laufzeit von fünf  Jahren. In dieser Phase werden die drei Unternehmensnetzwerke durch ein Kooperationskonstrukt der DGAUM und der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg organisiert und moderiert. Begleitend unterstützen die BARMER sowie die Indus­trie- und Handelskammern der jeweiligen Regionen das Modellvorhaben. Sowohl in diesen Netzwerken als auch in ähnlichen Netzwerken aus vorangegangenen Forschungsprojekten der FAU zeigte und zeigt sich ein nicht unerheblicher Aufwand in organisatorischen und verantwortungstechnischen Ebenen, insbesondere um eine hohe qualitative inhaltliche Ausrichtung entlang des Bedarfs der Unternehmen zu gewährleisten. Dementsprechend hielten in den bisherigen Projekten die teilnehmenden Unternehmen eine autarke Weiterführung nach Ablauf der Förderphasen bei gleichbleibenden Qualitätsansprüchen für nicht realistisch. Bevorzugt wurde stattdessen die Variante einer externen Moderation und Organisation – gegebenenfalls auch kostenpflichtig –, vorausgesetzt, der qualitative Mehrwert ist gegeben. Auch im Fall der GAIT-Netzwerke wird nach Ablauf der Förderphase die autarke Weiterführung ein zu klärendes Thema sein, denn diese würde nur möglich werden, wenn sich unter den teilnehmenden Unternehmen engagierte Kümmernde finden – eventuell auch ein entsprechendes Konsortium, das sich die Themenfelder aufteilt.

    Fazit

    Netzwerke für Arbeits- und Gesundheitsschutz, betriebliches Gesundheitsmanagement und Prävention sind sowohl für Unternehmen der mittleren und kleineren, aber auch der kleinsten Größe eine sehr gute Möglichkeit, Strukturen effizient, zielgerichtet, nachhaltig und mit vorhandenen Ressourcen aufzubauen und zu implementieren. Ein wesentlicher Mehrwert der Netzwerke sind hierbei insbesondere der Erfahrungsaustausch und die Vernetzung mit anderen teilnehmenden Betrieben und Stakeholdern sowie die Nutzung von Synergien, die vor allem auch finanzieller Art sein können (z.B. hinsichtlich Maßnahmen). Damit solche Synergieeffekte aufkommen können, benötigt ein Netzwerk allerdings neben einer aktiven Beteiligung der teilnehmenden Unternehmen in der Regel auch eine kritische Mindestanzahl an Unternehmen.

    Im Rahmen des Modellvorhabens „Gesund arbeiten in Thüringen“ ist dies bei den gleichnamigen Netzwerken gelungen, so dass über die Quartalsnetzwerksitzungen und flankierenden Zusatzangebote entlang des Bedarfs der teilnehmenden Unternehmen gearbeitet wird. Dabei steigen Qualität und bedarfsgerechte Behandlung relevanter Themen mit aktiver und regelmäßiger Teilnahme durch die Mitglieder. Für die teilnehmenden Unternehmen kann letztlich die Verbesserung von Arbeitsbedingungen schließlich auch im Kontext eines „employer branding“ und Werbens um Fachkräfte dienen.

    Inwiefern Unternehmensnetzwerke schließ­­lich auch autark funktionieren können, bleibt aufgrund der zu leistenden organisatorischen Aufwände eine zu untersuchende Frage. Insgesamt wäre bei Netzwerkzusammenschlüssen von kleineren oder Kleinstunternehmen eine Kombination aus finanzieller Unterstützung durch Fördermittel und Eigenbeteiligung der Unternehmen (finanzieller und fachlicher Art) zusammen mit einer konkreten thematischen Ausrichtung dienlich. So könnten praxisnah und am Bedarf, aber auch entlang der Möglichkeiten der Unternehmen gearbeitet und verschiedene Durchführungsmodi (pilotartig in Teilprojekten) erprobt werden.

    Interessenkonflikt: Die Autorinnen und Autoren geben an, dass keine Interessenkonflikte vorliegen.

    Literatur

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    Deutsches Netzwerk für Betriebliche Gesundheitsförderung (DNBGF): Positionspapier KLEIN – GESUND – WETTBEWERBSFÄHIG: Betriebliche Gesundheitsförderung in Kleinbetrieben stärken. Stand 07. Mai 2015.

    Eichholz P: Betriebliches Gesundheitsmanagement in KMU: Eine Analyse der Widerstände und Hemmnisse in der Umsetzung. Diplomica Verlag, 2013.

    Fischmann W, Wischlitzki E, Drexler H: Netzwerke zur Gesundheitsförderung für KMU. ASU Arbeitsmed Sozialmed Umweltmed 2019; 54: 76–78.

    Fischmann W et al.: Betriebliches Gesundheitsmanagement in einer digitalisierten Arbeitswelt unterstützt durch regionale KMU-Netzwerke 2.0 (RegioKMUnet). FAU University Press 2020 (in Druck).

    Fischmann W, Voss A: Betriebliches Gesundheitsmanagement in kleinen und mittleren Unternehmen – unterstützt durch regionale Netzwerke. In: Sonntag KH (Hrsg.): Projektatlas Arbeit 4.0 präventiv gestalten. Ettlingen: Kraft Premium GmbH, 2017, S. 58–59.

    Fischmann W et al.: Psychische Gefährdungsanalyse - Das Vorgehen anhand eines Forschungsprojekts. Vortrag auf der 58. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Arbeits- und Umweltmedizin (DGAUM), 07.-09.03.2018, München (https://www.dgaum.de/fileadmin/pdf/Jahrestagung/2015-2018/DGAUM_2018_Kongressdokumentation.pdf).

    Kiesel J et al.: Erlanger Modell betrieblicher Gesundheitsförderung – Initiierung einer nachhaltigen gesundheitsfördernden Kultur im Betrieb. J Pub Health 2005; 13: 69.

    Müller E et al.: Nutzen und Nachhaltigkeit von Netzwerken zur betrieblichen Gesundheitsförderung in kleinen und mittleren Unternehmen – Am Beispiel der KMU-Netzwerke „Bewegte Unternehmen“ und „Vitale Unternehmen“. Gesundheitswesen 2018; 80: 458–462.

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    Sayed M, Kubalski S: Überwindung betrieblicher Barrieren für ein betriebliches Gesundheitsmanagement in kleinen und mittelständischen Unternehmen. In: Betriebliches Gesundheitsmanagement; Springer, 2016: 1–20.

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    und Hürden der Realisierung. Gesundheitswesen 2016; 78: 161–165.

    Schlüpmann J (Hrsg.): Gesundheitsmanagement (er)weiter(t) denken durch Präventionsallianzen. Sonderausgabe 2019 der Zeitschrift præview – Zeitschrift für innovative  Arbeitsgestaltung und Prävention. 2019; Jg. 10/1: 1-23. Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Assistenz OWL e.V. Bielefeld (https://www.zeitschrift-praeview.de/data/praeview_119_prventionsallianzen_doppelseiten_1.pdf).

    Stumpf S: Gesundheitsmanagement durch Netzwerke: Wie auch kleinen und mittelständischen Unternehmen Betriebliches Gesundheitsmanagement zugänglich gemacht werden kann. Diplomica Verlag, 2012.

    Weitere Infos

    Das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477, 2482), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 17. August 2017 (BGBl. I S. 3214) geändert worden ist
    https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/

    Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit vom 12. Dezember 1973 (BGBl. I S. 1885), das zuletzt durch Artikel 3 Absatz 5 des Gesetzes vom 20. April 2013 (BGBl. I S. 868) geändert worden ist
    https://www.gesetze-im-internet.de/asig/BJNR018850973.html

    Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (Arbeitsschutzgesetz – ArbSchG) vom 7. August 1996 (BGBl. I S. 1246), das zuletzt durch Artikel 113 des Gesetzes vom 20. November 2019 (BGBl. I S. 1626) geändert worden ist
    https://www.gesetze-im-internet.de/arbschg/ArbSchG.pdf

    Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge vom 18. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2768), die zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 12. Juli 2019 (BGBl. I S. 1082) geändert worden ist
    https://www.gesetze-im-internet.de/arbmedvv/BJNR276810008.html

    Koautorenschaft

    An der Erstellung des Beitrags beteiligt waren Regina Lösch, M.Sc., und Prof. Dr. med. Hans Drexler, beide Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg sowie Deutsche Gesellschaft für Arbeits- und Umweltmedizin (DGAUM).

    Veranstaltungshinweis

    Symposium „5 Jahre Präventionsgesetz – Schwerpunkt BGF“
    Freitag, 13. März 2020, 08:45 bis 10:45 Uhr
    Klinikum der Universität München, Campus Großhadern
    Veranstaltung im Rahmen der Jahrestagung der DGAUM (www.dgaum.de/termine/jahrestagung)

    Kontakt:

    Wolfgang Fischmann, M.A.
    Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-NürnbergInstitut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial-
    und ­UmweltmedizinLeiter des Bereichs Public Health, Schillerstraße 29, 91054 Erlangen

    Foto: privat

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