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Arbeitsschutzausschuss

Die betriebsärztliche Rolle im Arbeitsschutzausschuss

Aufgabe und Ziel

„Der Arbeitsschutzausschuss (ASA) hat die Aufgabe, Anliegen des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung zu beraten“ (Arbeitssicherheitsgesetz [ASiG] § 11; s. „Weitere Infos“). Organisatorisch ist der Betriebsarzt oder die Betriebsärztin (nachfolgend zusammenfassend als „Betriebsarzt“ bezeichnet) nicht beteiligt: „Soweit in einer sonstigen Rechtsvorschrift nichts anderes bestimmt ist, hat der Arbeitgeber … einen Arbeitsschutzausschuss zu bilden;“(§ 11 ASIG). Aber schon bei der Frage der Pflichtmitglieder wird die Rolle des Betriebsarztes deutlich: Neben dem Arbeitgeber, der Fachkraft für Arbeitssicherheit, einem Sicherheitsbeauftragten sowie zwei Betriebsratsmitgliedern stellt der Betriebsarzt ein obligatorisches Mitglied dieser Kommission dar. Schwerbehindertenvertretung (§ 178 SGB IX (4) sowie interne und externe Fachleute (z. B. Vertreter der Berufsgenossenschaft) dürfen auf freiwilliger Basis bei Bedarf eingeladen werden.

In einem Beschluss des Bundesarbeitsgerichtes vom 08. 12. 2015 (BAG 1 ABR 83/13) hat das Arbeitsgericht ausdrücklich festgestellt, dass der Betriebsarzt und die Fachkraft für Arbeitssicherheit an den gesetzlich vorgesehenen vierteljährlichen (Mindest-)Sitzungen des ASA gemäß § 11 ASiG teilnehmen müssen. Andernfalls hat die zuständige Aufsichtsbehörde die Möglichkeit, im Wege einer Anordnung nach § 12 (1) ASiG gegenüber dem Arbeitgeber dies durchzusetzen und im Verweigerungsfall nach § 20 ASiG eine Geldbuße zu verhängen.

Gesetzliche Grundlagen

Seit Dezember 1973 verpflichtet das Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) alle Betriebe ab zwanzig Beschäftigten, einen Arbeitsschutz­ausschuss einzurichten. Die dort festgehaltenen „Anliegen des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung“ werden im Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG, s. „Weitere Infos“) sowie im Aufgabenkatalog für Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit (§§ 3, 6 ASiG) näher erläutert. Ziel der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) ist es, „arbeitsbedingte Erkrankungen (einschließlich Berufskrankheiten) frühzeitig zu erkennen und zu verhüten“ (s. „Weitere Infos“). Somit bilden ArbSchG, ASiG und ArbMedVV die wesentlichen Pfeiler des Arbeits- und Gesundheitsschutzes. Die Rechtskonformität beziehungsweise praktische Übertragung auf den Alltag in einem Unternehmen stellen das übergeordnete Ziel der Arbeit im Arbeitsschutzausschuss dar.

Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)

Kern des Arbeitsschutzes bildet der § 5 des Arbeitsschutzgesetzes. Hier ist nicht nur die Pflicht der Gefährdungsermittlung, sondern auch die Notwendigkeit, auf Grundlage dieser Gefährdungen Maßnahmen des Arbeitsschutzes abzuleiten, verankert. Gefährdungen können durch physikalische, chemische und biologische Einwirkungen (§ 5 (1) 2.) entstehen, aber beispielsweise auch durch unzureichende Qualifikation und Unterweisung der Beschäftigten (§ 5 (1) 5.). Neu seit 2013 wird hier auch die Grundlage für die psychische Gefährdungsbeurteilung beschrieben (§ 5 (1) 6.). Weiterhin werden im Arbeitsschutzgesetz die allgemeinen Grundsätze der Maßnahmen des Arbeitsschutzes beschrieben, wie die Berücksichtigung besonders schutzbedürftiger Beschäftigungsgruppen (Schwangere, Langzeitkranke oder Schwerbehinderte), die Pflicht des Arbeitgebers zur Wirksamkeitsprüfung der Maßnahmen des Arbeitsschutzes (§ 3 Abs. 1 Satz 2 ArbSchG) sowie die Pflicht des Arbeitgebers, Personen zu benennen, die Aufgaben der Ersten Hilfe und Brandbekämpfung übernehmen (§ 10 ArbSchG). Die Grundregel des Arbeitsschutzes, das so genannte STOP-Prinzip2, ist aus Satz 2 „Gefahren sind an ihrer Quelle zu bekämpfen“ und Satz 5 „Individuelle Schutzmaßnahmen sind nachrangig zu anderen Maßnahmen“ des § 4 ArbSchG herauszulesen.

Arbeitssicherheitsgesetz (ASIG)

Der betriebsärztliche Aufgabenkatalog wurde vor fast 50 Jahren im § 3 des Arbeitssicherheitsgesetzes beschrieben und hat bis heute an Aktualität nichts verloren. Beispielsweise stellen Ergonomie, Arbeitshygiene, Arbeitsrhythmus, Arbeitszeit und Pausenregelungen klassische Themen für den Arbeitsschutzausschuss dar. Aktuell ist auch die Diskussion über die Art der Umsetzung von Hygieneregeln im Rahmen der Corona-Pandemie im Arbeitsschutzausschuss adäquat platziert.

Die Organisation und Umsetzung dieser Arbeitsschutzmaßnahmen, verbunden mit der Planung, die „Arbeitsstätten in regelmäßigen Abständen zu begehen und festgestellte Mängel dem Arbeitgeber … mitzuteilen“ (§ 3 (1) 3.a) ASIG), muss im Arbeitsschutzausschuss aktiv vom Betriebsarzt nachgehalten werden. Nur so kommt dieser seiner Pflicht, „den Arbeitgeber beim Arbeitsschutz und bei der Unfallverhütung … zu unterstützen“ (§ 3 (1) ASIG), ausreichend nach. Gemäß § 3 (1) 3.c ASIG ist der Betriebsarzt auch verpflichtet, „Ursachen von arbeitsbedingten Erkrankungen zu untersuchen … und dem Arbeitgeber Maßnahmen zur Verhütung dieser Erkrankungen vorzuschlagen.“ Die besondere betriebsärztliche Expertise im Gegensatz zu den anderen Mitgliedern des ASA besteht darin, medizinisches Wissen sinnvoll mit den Gegebenheiten am Arbeitsplatz in Zusammenhang zu bringen. Für die Ergebnispräsentation bildet der Arbeitsschutzausschuss (ASA)
einen geeigneten Rahmen.

Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV)

Wenn die Gefährdungen am Arbeitsplatz eine arbeitsmedizinische Vorsorge erfordern, hat der Arbeitgeber die Pflicht, diese anzubieten und die Durchführung zu dokumentieren (§ 3 (1) und (4) ArbMedVV). Die ärztliche Pflicht besteht darin, die Erkenntnisse arbeitsmedizinischer Vorsorge auszuwerten und gegebenenfalls Maßnahmen des Arbeitsschutzes vorzuschlagen (§ 6 (4) ArbMedVV). Gewinnt der Betriebsarzt Anhaltspunkte dafür, dass die Maßnahmen des Arbeitsschutzes für den an der Vorsorge teilnehmenden Beschäftigten oder andere Beschäftigte nicht ausreichen (z. B. keine Bereitstellung von suffizientem Gehörschutz), muss dies dem Arbeitgeber mitgeteilt werden. Konkretisierungen enthält die Arbeitsmedizinische Regel „Mitteilungen an den Arbeitgeber nach § 6 (4) ArbMedVV“ (AMR 6.4). Der Arbeitgeber ist dann verpflichtet, die Gefährdungsbeurteilung zu überprüfen und unverzüglich die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu treffen. Auf diese Weise trägt arbeitsmedizinische Vorsorge auch zur „Fortentwicklung des betrieblichen Gesundheitsschutzes“ bei. Daher sollten Themen der arbeitsmedizinischen Vorsorge auch regelmäßig im Arbeitsschutz­ausschuss angesprochen werden.

Weitere Gesetze

Auch andere gesetzliche Regelungen neben Arbeitsschutzgesetz, Arbeitssicherheitsgesetz und arbeitsmedizinischer Vorsorgeverordnung spielen in der betriebsärztlichen Beratung des Arbeitgebers eine Rolle. Beispiele stellen das Arbeitszeitgesetz (ArbZG), die Arbeitsstättenverordnung, Impfempfehlungen, Arbeitsmedizinische Regeln oder Vorschriften der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) dar. Bei Fragen zur Nacht- und Schichtarbeit sollte § 6 ArbZG, bei Fragen zum Nichtraucherschutz § 5 ArbStättV, bei Fragen zur Gestaltung des Bildschirmarbeitsplatzes der Anhang der Arbeitsstättenverordnung zitiert werden. Die Beratung zu neuen Impfempfehlungen, wie beispielsweise die Erweiterung von Risikogebieten der Frühsommer-Meningo­enzephalitis (FSME), kann eine notwendige Grundlage zur Etablierung arbeitsmedizinischer Vorsorge darstellen.

In der Gesamtschau stellen die Kenntnis und die Beratung zu Gesetzmäßigkeiten, die den Arbeitsschutz betreffen, eine wesent­liche Säule der Themen dar, die auch vom Betriebsarzt im Rahmen des Arbeitsschutzausschusses präsentiert werden müssen. Dabei ist immer der Dualismus im deutschen Arbeitsschutz zu beachten.

Organisatorische und fachliche Vorbereitung

Eine gute Gesprächsvorbereitung stellt 80 % des Erfolgs dar. Daher empfiehlt es sich, auch das Zusammentreten des ASA zu strukturieren. Dazu können auch fest vereinbarte Tagesordnungspunkte gehören, die grundsätzlich auf jeder Sitzung thematisiert werden. Idealerweise werden diese in einer Geschäftsordnung oder einer Betriebsvereinbarung festgelegt. Der Infokasten stellt einen Vorschlag zur Strukturierung eines ASA dar. Diese muss und sollte natürlich den Besonderheiten des Betriebs angepasst werden.

Der Betriebsarzt sollte sich in Vorbereitung jedes ASA die Frage stellen, welche Themen unter „Betriebsarzt: Aktuelles“ angesprochen werden sollen. Beispiele für Themen reichen von Fragen zur Ergonomie, Anwendung von Körperschutzmitteln, Arbeitsrhythmus, Erster Hilfe, Auswertung des Unfallgeschehens über die Integration Langzeitkranker in den Arbeitsprozess hin zu arbeitsphysiologischen, arbeitspsychologischen und arbeitshygienischen Fragen. ➥ Tabelle 1 gibt einen Überblick über entsprechende Themen.

Neben Anregungen zur Umsetzung von Arbeitsschutzmaßnahmen soll der Betriebsarzt den Arbeitgeber über wichtige Neuigkeiten aus dem Gebiet der Arbeitsmedizin informieren. Aktuelle Beispiele stellen die neue SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin und des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 10. 08. 2020 oder die Arbeitsmedizinische Empfehlung zum „Umgang mit aufgrund der SARS-CoV-2-Epidemie besonders schutzbedürftigen Beschäftigten“ von 07/2020 dar (s. „Weitere Infos“). Auch der Umgang mit Schwangeren in Zusammenhang mit der SARS-CoV-2-
Pandemie stellt viele Betriebe vor eine große Herausforderung. An dieser Stelle ist die kompetente fachärztliche Beratung, beispielsweise unter Zuhilfenahme der „Hinweise zur mutterschutzrechtlichen Bewertung von Gefährdungen durch SARS-CoV-2“ (s. „Weitere Infos“), unabdingbar. Diese Themen können gut für die Sitzung des Ausschusses für Arbeitsschutz vorbereitet werden mit dem Ziel, diese dann unter Berücksichtigung der lokalen Besonderheiten den Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern im Unternehmen gemeinsam vorzustellen.

Dokumentation – Pflicht oder Kür?

Im Gegensatz zur Gefährdungsbeurteilung ist eine Dokumentationspflicht der ASA-Sitzung (Sitzungsprotokoll) im ASiG nicht vorgesehen. Dennoch schließt jede ASA mit einem Protokoll ab, das zumindest die Ergebnisse zusammenfasst, um die Abläufe und Zuständigkeiten zu strukturieren. Es bietet auch dem Betriebsarzt eine wichtige Erinnerungshilfe, um beispielsweise die Umsetzung besprochener Arbeitsschutzmaßnahmen im Auge zu behalten. Des Weiteren bilden strukturierte ASA-Protokolle eine gute Grundlage für die Erstellung von Maßnahmeplänen.

Zusammenfassung und Ausblick

Die betriebsärztlichen Themen im Rahmen des Arbeitsschutzausschuss sind vielfältig und beruhen überwiegend auf den in ASiG, ArbSchG und ArbMedVV beschriebenen Gesetzmäßigkeiten. Der Betriebsarzt hat die Pflicht, zum Arbeits-und Gesundheitsschutz zu beraten und sich mit konkreten Vorschlägen zur Umsetzung aktiv in die Diskussion einzubringen. Neben der Beratung zu allen Fragen rund um den Arbeits- und Gesundheitsschutz (s. Tabelle 1), sollten aktuelle Themen oder Änderungen von arbeitsmedizinisch relevanten Rechtsnormen vom Betriebsarzt erkannt und aktiv aufgegriffen werden. Ziel stellt immer die Ermittlung und Beurteilung einer Gefährdung dar, verbunden mit der Dokumentation in der Gefährdungsbeurteilung. Für diese Beratung und Diskussion bildet der Arbeitsschutzausschuss den idealen Rahmen, da hier alle relevanten „Player“ des Gesundheitsschutzes in einem Betrieb zusammenkommen.

Interessenkonflikt: Die Autorin gibt an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.

Weitere Infos

Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeits­sicherheit
https://www.gesetze-im-internet.de/asig/

Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (Arbeitsschutz­gesetz – ArbSchG)
https://www.gesetze-im-internet.de/arbschg/ArbSchG.pdf

Verordnung zur arbeitsmedizi­nischen Vorsorge
https://www.gesetze-im-internet.de/arbmedvv/

SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel
https://www.baua.de/DE/Angebote/Rechtstexte-und-Technische-Regeln/Regel…

Bundesministerium für Arbeit und Soziales: Umgang mit aufgrund der SARS-CoV-2-Epidemie besonders schutzbedürftigen Beschäftigten Arbeitsmedizinische Empfehlung
https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Publikationen/arbeitsme…

Hinweise zur mutterschutzrechtlichen Bewertung von Gefährdungen durch SARS-CoV-2
https://www.bafza.de/fileadmin/Programme_und_Foerderungen/Unterstuetzun…
Informationspapier_Mutterschutz_und_SARS-CoV-2_200414.pdf

Info

Vorschlag einer Struktur eines ASA

Tagesordnungspunkte (TOP)

  • Rückblick auf das letzte Protokoll
  • Unfallgeschehen mit Analyse der Unfallursache und Frage nach Konsequenzen für den Arbeitsschutz
  • Arbeitsstättenbegehung: Planung und Auswertung
  • Gefährdungsbeurteilung (GB): Aktualisierung notwendig?
  • Neuerungen aus Gesetzen, Verordnungen und Vorschriften
  • Betriebsrat: Aktuelles
  • Fachkraft für Arbeitssicherheit: Aktuelles
  • Betriebsarzt: Aktuelles
  • Sonstiges
  • Kontakt

    Dr. med. Luise Wendt
    ias Aktiengesellschaft; Fachleitung Arbeitsmedizin; Regionaldirektion Nord; Ranstädter Steinweg 24; 04109 Leipzig

    Foto: privat

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