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Wiedereingliederung nach langer Krankheit

Laut den vom Bundesgesundheitsministerium veröffentlichten Ergebnissen der Krankheitsartenstatistik der gesetzlichen Krankenversicherung wurden im Jahr 2020 bei den Pflichtversicherten insgesamt 36.019.141 Arbeitsunfähigkeitsfälle und 581.056.622 Arbeitsunfähigkeitstage gemeldet.

Die durchschnittliche Arbeitsunfähigkeitsdauer betrug 16 Tage. In dieser Statistik wurden aber auch etliche Menschen erfasst, die längere Zeit erkrankt waren und ihrer beruflichen Tätigkeit vorübergehend oder auf Dauer nicht mehr nachgehen konnten. Spätestens nach der Beendigung der Krankengeldzahlung nach 78 Wochen (Aussteuerung), stellt sich bei ihnen die Frage, ob sie an ihre bisherigen Arbeitsplätze zurückkehren könnten (z. B. nach einer stufenweisen Wiedereingliederung) oder einen Antrag auf medizinische, berufliche Rehabilitation beziehungsweise auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente stellen sollten.

Nach dem Prinzip „Reha vor Rente“ müssen in diesen Fällen von allen Beteiligten die größten möglichen Anstrengungen unternommen werden, damit die betroffenen Personen so lange wie möglich im Berufsleben verbleiben. Sehr viele Versicherte sind dabei durch ihre lange Erkrankung geprägt, weisen eine geminderte Leistungsfähigkeit auf und bedürfen weiterer Unterstützung durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA). Die Gewährung der LTA wird juristisch vom Bundesteilhabegesetz (BTHG) geregelt. Durch das BTHG werden zahlreichen Möglichkeiten der Teilhabe und mehr Selbstbestimmung für Menschen mit Behinderungen geschaffen. Das BTHG verpflichtet die Träger von Reha-Maßnahmen (wie z. B. die Bundesagentur für Arbeit oder die gesetzliche Rentenversicherung), frühzeitig drohende Behinderungen zu erkennen und gezielt Prävention noch vor Eintritt der Rehabilitation zu ermöglichen. Ziel ist es dabei, bereits vor Eintritt einer chronischen Erkrankung oder Behinderung durch geeignete präventive Maßnahmen entgegenzuwirken und die Erwerbsfähigkeit zu erhalten.

Nach den Bestimmungen des BTHG sind Menschen mit Behinderungen diejenigen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung zu erwarten ist. Menschen sind schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich des einschlägigen Gesetzbuches haben.

Die Träger der Leistungen zur Teilhabe (Rehabilitationsträger) können sein:

  • die gesetzlichen Krankenkassen,
  • die Bundesagentur für Arbeit,
  • die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung,
  • die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung,
  • die Träger der Kriegsopferversorgung und die Träger der Kriegsopferfürsorge,
  • die Träger der öffentlichen Jugendhilfe,
  • die Träger der Eingliederungshilfe.
  • Zur Teilhabe am Arbeitsleben werden die erforderlichen Leistungen erbracht, um die Erwerbsfähigkeit von Menschen mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern.

    Ist für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich, beauftragt der leistende Rehabilitationsträger unverzüglich einen geeigneten Sachverständigen. Er benennt den Leistungsberechtigten in der Regel drei möglichst wohnortnahe Sachverständige, soweit nicht gesetzlich die Begutachtung durch einen (z. B. eigenen) sozialmedizinischen Dienst vorgesehen ist. Haben sich Leistungsberechtigte für einen benannten Sachverständigen entschieden, wird dem Wunsch Rechnung getragen.

    Im vorliegenden Heft werden die Aufgaben nach BTHG mehrerer Rehabilitationsträger vorgestellt, ein besonderes Augenmerk gilt dabei der Rolle der sozialmedizinischen Dienste.

    Im Beitrag „Rückkehr zur Arbeit nach langer Erkrankung- die Rolle des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen“ von Rüdiger Freudenstein werden unter anderem zwei vom Gesetzgeber vorgegebene Ziele – zum einem die Einleitung von Leistungen zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit und zum anderen die gutachtliche Klärung bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit – vorgestellt. Auch in den Bestimmungen über die stufenweise Wiedereingliederung (§ 74 SGB V) spielt der Medizinische Dienst eine wichtige Rolle.

    Das Thema wird weiter im von Regine Delbrück und Sabine Remy verfassten Beitrag aus dem Blickwinkel der Deutschen Rentenversicherung (DRV) erörtert. Die Autorinnen stellen darin fest, dass der Erhalt einer oder die Wiederherstellung der erheblich gefährdeten Erwerbsfähigkeit von Langzeiterkrankten das herausragende Ziel einer Rehabilitation durch die DRV darstellt. Gerade für Langzeiterkrankte ist der Weg zurück ins Arbeitsleben eine große Herausforderung und bedarf individuell angepasster Maßnahmen. Im Jahre 2021 zum Beispiel beantragten 366.282 Versicherte der DRV Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Von 252.188 von der DRV bewilligten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben schlossen 126.953 Versicherte erfolgreich ihre Maßnahmen ab.

    Die Rolle des Medizinischen Dienstes der Bundesagentur wird im Artikel von Annette Fister und Nenad Kralj vorgestellt. Unter Arbeitslosen und Arbeitssuchenden im Sinne von SGB II und SGB III
    befinden sich etliche Personen, die aufgrund von Erkrankung längere Zeit arbeitsunfähig waren. Der Ärztliche Dienst der Bundesagentur für Arbeit berät vor Ort die lokalen Arbeitsagenturen und die Jobcenter (u. a.) zu allen Fragen der Arbeitsvermittlung und beruflichen Rehabilitation dieser Personengruppe. Nach § 145 SGB III im Rahmen der sogenannten „Nahtlosigkeitsregelung“ werden Personen, die länger als 78 Wochen das Krankengeld bezogen haben vom ärztlichen Dienst der Bundesagentur für Arbeit begutachtet. Dabei soll verhindert werden, dass Langzeiterkrankte wegen einer prognostisch noch länger als sechs Monate andauernden Leistungsunfähigkeit und somit fehlender Verfügbarkeit für den allgemeinen Arbeitsmarkt weder Leistungen der Arbeitsagentur noch Leistungen der Rentenversicherung erhalten.

    Ein praktisches Beispiel bringt der Beitrag „Berufliche Wiedereingliederung nach COVID-19 aus Sicht der gesetzlichen Unfallversicherung“ von Albert Nienhaus (Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege – BGW), ein Thema, das aufgrund der immensen Anzahl an COVID-19-Erkrankungen sicherlich auch noch in Zukunft relevant sein wird.

    Thema des Beitrags von Beate Scherm ist die Rolle der Bundesagentur für Arbeit (BA) bei der Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben. Im Jahr 2021 wurden bei der BA rund 80.000 Anträge zur Rehabilitation und Teilhabe gestellt. Rund zwei Drittel dieser Anträge auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben betreffen die berufliche Eingliederung junger Menschen an der ersten Schwelle beim Übergang von der Schule in den Beruf. Die Tatsache, dass die BA so viele junge Leistungsberechtigte in der beruflichen Rehabilitation hat, unterscheidet sie deutlich von anderen Rehabilitationsträgern.

    Die Aufgaben des Technischen Beratungsdienstes der Bundesagentur für Arbeit werden im Beitrag von Ina Kersten dargestellt. Hierbei geht es um die konkrete Umsetzung von technischen LTA-Maßnahmen zum Beispiel durch barrierefreien Umbauten im Betrieb oder durch Einsatz von mobilen technischen Arbeitshilfen.

    Psychische Störungen, insbesondere Depressionen, führen häufig zum Bezug von Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Modellprojekte können dabei helfen, spezielle, auf die Bedürfnisse psychisch erkrankter Menschen ausgerichtete Leistungen zu entwickeln, um bei den Betroffenen die Erwerbsfähigkeit wiederherzustellen und somit eine Rückkehr auf den Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Im wissenschaftlichen Teil werden im Beitrag von Ute B. Schröder et al. „Die Rückkehr zur Arbeit nach langer Erkrankung gemeinsam gestalten – ein 4-Phasen-Modell zur Wiedereingliederung nach psychischen Krisen“ die relevanten Erkenntnisse aus zwei einschlägigen Studien vertiefend erörtert.

    Ihr Nenad Kralj

    Agenturverbund BW Freiburg des Ärztlichen Dienstes

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